Kapitel Fünf
Sternchen nicht vergessen ❤️
"Man hat einfach nicht mal ne Besserung gesehen", seufzte Harry, als er sich Abends, geduscht, neben mich aufs Sofa setzte.
Das stimmt, die ersten aufräumarbeiten waren immer wenig befriedigend, da ich jemand war, der gerne in einer Ecke startete und nicht alles auf einmal machte. Dadurch hatte ich einen besseren Überblick über die Sache. Harry schien da anderer Meinung zu sein, da er überall vorerst das grobe wegmachen wollte.
"Das wird schon werden. Es war ja der erste Tag." Ich schenkte ihm ein leichtes Lächeln und gab es auf, durch die Kanäle zu Skippen, da auch diese keinen Empfang hatten.
Der Schaden, den das Gewitter verursacht hatte, war wirklich enorm und ich hoffte, dass meine Arbeitsstelle Bescheid wusste, dass ich nicht ans Internet herankam, um neue Mails zu öffnen. Sonst wäre ich meinen Job nämlich ganz schnell los und das konnte ich wirklich nicht gebrauchen. Finde erstmal jemanden, der dich nimmt, obwohl du nicht in zwanzig Minuten auf Arbeit sein kannst. Und dem du dann noch sagen musst, dass du nicht gut mit Menschen kannst und deshalb nur von zuhause aus arbeitest. Ich hatte einen wirklichen toleranten Chef, der meine Bedingungen alle akzeptierte; dafür wollte er mich aber auch unbedingt haben, denn ich bin wirklich gut in dem was ich tue.
"Ich glaube, wir müssen eine DVD schauen. Mit Fernsehen sieht es wirklich schlecht aus", griff ich ein neues Gespräch auf und ging zu meinem Regal, in dem all meine Schätze lagen. Ich bin ein Mensch, der lieber DVD's kauft und diese stehen hat, als mich in tausend Internet-Seiten anzumelden, um Serien und Filme dort zu schauen. Ganz ehrlich, welche davon hatte schon genau das, was man gerade schauen möchte? Dann habe ich den Film lieber direkt zuhause und kann mir noch ein paar Extras dazu anschauen.
"Was hältst du von "Das leuchten der Stille?"
Als ich nach längerer Zeit, in der ich keine Antwort bekommen hatte, zu Harry sah, konnte ich an seinem Gesicht ausmachen, dass er traurig lächelte. Erst dann fiel es mir wieder ein; er kannte den Film nicht. Natürlich nicht. Ich räusperte mich kurz, um damit zu überspielen, wie unangenehm mir das war, ehe ich den Film einfach herausholte und in den DVD-Player legte.
"Es ist zwar ein echter Schnulzenfilm, aber ich mag die Message dahinter und außerdem ist Channing Tatum echt heiß", gab ich also von mir und lächelte Harry aufmunternd an, welcher dieses nur erwiderte, ehe er zur Bestätigung nickte und sich etwas aufrechter hinsetzte.
"Ich nehme an, der Kerl ist Schauspieler?", fragte er mich und ich ließ mich neben ihm auf der Couch nieder.
"Ja, ein recht guter wie ich finde. Meine Schwester hat damals damit angefangen, ihn gut zu finden und ich durfte mir, bevor ich ausgezogen bin, gefühlt jeden Film reinziehen, in dem er mitgespielt hat. Diese Obsession ist dann wohl etwas auf mich abgefärbt, aber so was passiert nunmal."
Die Werbung fing an zu spielen und es wurden die verschiedensten alten Filme vorgestellt, die sich Harry alle gespannt ansah. Er schien vollkommen in seiner Welt zu sein, weswegen ich ihn auch nicht ansprach, sondern lediglich dabei zusah, wie sich sein Gesichtsausdruck alle paar Sekunden änderte.
Als dann der Film begann, ließ Harry sich nach hinten an die Lehne fallen und schaute gespannt zu, während ich mich davon abhielt, mitzusprechen. Dies war nicht ganz so einfach, da ich diesen Film schon so oft gesehen hatte, aber es funktionierte. Vor allem, als Harry irgendwann so nahe zu mir rückte, das sein Arm meinen berührte und mein Atem kurz stockte.
Menschliche Nähe war mir zwar nicht fremd, aber ungewohnt. Vor allem, da mein ganzer Arm plötzlich zu kribbeln begann und ich mich kaum traute, zu atmen. Aber kennt ihr das Gefühl, wenn ihr genau dann, diese Stelle bewegen wollt? Weil es sich einfach so anfühlt, als müsstet ihr das plötzlich tun?
Ob er das auch fühlte? Oder machte ich mich gerade komplett lächerlich?
Mein Kopf drehte so durch, dass ich dem Film gar keine Aufmerksamkeit mehr schenken konnte und als Harry neben mir plötzlich schluchzte, traute ich mich dann doch, zu ihm zu sehen. Es war ein trockenes schluchzen und nach einem Blick auf dem Film, wusste ich, dass der Vater nun gestorben war. Mein Herz wurde schwer, als ich überlegte, ob ich ihm irgendwie Trost spenden sollte, oder lieber so tat, als hätte ich es nicht bemerkt. Doch wenig später Handelte mein Körper von selbst und meine Hand strich sanft seine, die so nahe bei mir lag.
Harrys Gesicht drehte sich zu mir und ich lächelte ihn beruhigend an, woraufhin er sich über das Gesicht wischte und ebenfalls ein Lächeln versuchte. Danach schauten wir den Film weiter und ganz zum Schluss schaute er mich komplett wütend an.
"Wie? Ich meine.. was ist das denn für ein Ende? Haben sie jetzt wieder zusammengefunden oder nicht? Die können doch da nicht einfach aufhören!" Aufgebracht stand er vom Sofa auf und fuchtelte wild mit den Armen herum, während ich nur aufgrund seiner Euphorie lachen konnte.
"Das kannst du dir jetzt selbst ausdenken." Ich zuckte mit den Schultern und stand ebenfalls auf, um den Fernseher auszumachen und dann auf das Badezimmer zuzugehen. "Kommst du morgen früh mit laufen?"
*****
"Jetzt verstehe ich, wieso du das so gerne machst", lächelte Harry, als wir beide mit Keyla unsere Runde liefen und ich ihm so noch etwas mehr von dem Wald und der Umgebung zeigen konnte, als am gestrigen Tag. "Es ist super entspannend. Ich glaube, ich bin auch ziemlich sportlich.."
Ja, das schien er tatsächlich zu sein. Wir liefen die große Runde, haben kaum Pause gemacht und selbst ich war so langsam ganz schön am pusten, wobei er keinerlei Erschöpfung zeigte.
"Deine Erinnerung wird schon wieder kommen. Davon hört man doch immer wieder", versuchte ich es mit aufmuntern und er zuckte kurz mit den Schultern, ehe er den Blick abwandte und in die Tiefen des Waldes sah.
"Ja, vielleicht."
"Wir müssen bald schauen, ob wir dich nicht irgendwie ins Krankenhaus bringen können. Oder zur Polizei", sprach ich die Gedanken an, die mich jeden Abend im Bett verfolgten und sofort wurde Harrys Gesichtsausdruck etwas panischer.
"Es gibt bestimmt Menschen, die bereits nach dir suchen und es ist unfair, diesen gegenüber, wenn sie in Unwissenheit bleiben."
"Ich möchte das einfach wirklich nicht..", versuchte er es vorsichtig und da ich eh noch nicht wusste, wie wir das anstellen sollte, beließ ich es bei dieser Aussage und wir liefen wieder auf meinen Hof, wo wir uns auf die Bank setzten und unsere Beine kurz ausruhen ließen.
"Ich möchte nicht, dass du denkst, ich sehe all dies als selbstverständlich", begann Harry dann vorsichtig und ich sah zu ihm. "Das tue ich nicht, auf gar keinen Fall. Ich weiß, dass es nicht ewig dabei bleiben kann, dass ich hier wohne und du mich durchfütterst. Eigentlich, habe ich diene Gastfreundschaft auch schon längst überstrapaziert-"
"Jetzt hör aber auf so einen bullshit zu labern", unterbrach ich ihn und schüttelte den Kopf. "Du strapazierst gar nichts über. Um ehrlich zu sein, mag ich es sogar ziemlich, das du hier bist. Ich hätte es zwar niemals gedacht, aber es fühlt sich gut an, wenn das Haus nicht so leer ist."
Harry schenkte mir ein dankbares Lächeln und sah dann wieder über meinen Hof in die Ferne, ehe er seufzte.
"Jedenfalls, habe ich zwar keine Erinnerung, aber irgendwie ein komisches Gefühl in mir, wenn ich über meine Vergangenheit und das Krankenhaus nachdenke. Ich glaube, da muss irgendwas passiert sein, weswegen ich mich mit dem Gedanken nicht wohl fühle. Was ist, wenn ich ein schrecklicher Mensch gewesen bin und ich hiermit eine neue Chance bekommen habe?"
"Das glaube ich nicht", widersprach ich Harry und lächelte. "Du hast doch das Foto von dir und dem Mädchen gesehen. Darauf sahst du nicht aus wie ein schrecklicher Mensch und so wie du dich jetzt verhältst, könnte ich daran auch keine Sekunde zweifeln. Aber wenn ich an meine Familie denke, daran, was für Sorgen sie sich machen würden, wenn ich plötzlich verschwunden wäre.."
Ich brach ab, da ich den Gedanken nicht ertragen konnte. Harry schien ebenfalls bewusst geworden zu sein, wie wichtig es war, weswegen er seufzte und sich weiter in der Bank zurück lehnte. Sein Gesicht verzog sich schmerzhaft und fast automatisch kam Keyla an, um sich auf seine Füße zu legen und dann zu ihm hoch zu sehen.
"Vielleicht ja, wenn die Straßen wieder frei sind", murmelte er dann und weil ich es als ein Fortschritt ansah, nickte ich nur mit einem Lächeln und sprang dann auf.
"Los, lass uns den Hühnerstall zu Ende reparieren und gleich ein paar Eier mitnehmen. Ich mache uns dann später Bratkartoffeln", sagte ich, klatschte in die Hände und zog ihn dann nach oben, woraufhin Harry lachend den Kopf schüttelte, mir aber trotzdem folgte.
Wir hatten gestern schon damit angefangen, den Zaun zu reparieren und die Hühner einzufangen, die wir finden konnten, wobei letztendlich lediglich zwei geflüchtet sind. Die Anderen hatten sich in den Holzhütten vergraben, die Gott sei dank das Gewitter fast ohne Probleme überstanden hatten. Heute mussten wir noch die letzten Äste rausholen, alles neu streichen und nach Löchern absuchen. Mehr Arbeit wollte ich uns heute auch nicht machen und lediglich mit Harry später auf den Heuboden gehen, um ihm den Sonnenuntergang zu zeigen, welcher von dort immer wunderschön zu sehen ist.
"Wie kommt es, dass die Hühner keine Angst haben?", fragte Harry irgendwann, als ihm wieder eins in die Arme gesprungen war und er vorsichtig über dessen Federn strich.
"Keine Ahnung. Ich habe ihnen nie etwas getan, weswegen sie Angst haben sollten. Sie fühlen sich wohl und sind deswegen zufrieden. Ich würde sie zwar nicht mit ins Haus nehmen, aber so ist es mal ganz lustig." Ich strich ebenfalls einmal über die Federn des Huhns und seufzte dann.
"Lass uns weitermachen, dann kümmere ich mich ums essen und heute Abend muss ich dir noch was zeigen."
[...]
Larry unterm Sonnenuntergang. Das kann ja nur romantisch werden, oder?
Lasst mir was da ❤️
xoxo Michelle
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