Kapitel Einunddreißig

Sternchen nicht vergessen ❤️

Die erste Nacht war schwer. Harry hatte sich an diesem Abend nicht mehr gemeldet, nicht einmal eine Nachricht hatte er mir geschrieben und genau das, ließ mich überhaupt nicht gut schlafen. Obwohl Keyla ihren Platz neben mir gefunden hatte, lag eben doch kein Arm beschützend um mich und zog mich zu sich heran, wenn ich mich im Schlaf etwas weg rollte. Der warme Körper fehlte mir, sein etwas zu lautes Atmen, was mich anfangs genervt hatte. Es war ruhig, viel zu ruhig und es war wirklich schwer, die Tränen zurückzuhalten, die sich immer wieder in meine Augen schleichen wollten.

Auch die Hündin schlief unruhig, was bei ihrer sensiblen Art zu erwarten gewesen war. Für sie war Harry eben nach den Monaten auch kein Besucher auf Zeit mehr gewesen, sondern ein Freund und als ich am nächsten Morgen das Frühstück ausfallen ließ, saß auch sie vor ihrem Napf, ohne sich zu bewegen.

"Na komm", hauchte ich leise und nahm ein paar Leckerlies aus der Schublade, doch auch diesen schenkte sie keine Beachtung. Sie lag lediglich unter dem Stuhl, auf welchem Harry sonst immer saß und schien sich nicht von der Stelle bewegen zu wollen, weswegen ich es seufzend aufgab und mich dazu entschied, mich etwas mit Arbeit abzulenken.

So kam es also, dass ich ganze vier Stunden am Computer saß und Sachen erledigte, die durch Harry etwas zu kurz gekommen waren und obwohl ich mich nicht hetzen musste, war es eben doch schön, meinem Chef mal wieder etwas zukommen zu lassen. Ich war stolz auf mich, dass ich es wenigstens geschafft hatte, mir selbst Tee einzuflößen und lediglich alle fünf Minuten einmal aufs Handy zu schauen; und nicht mehr jede Minute.

Nachdem ich von der ganzen Computerarbeit Kopfschmerzen bekommen hatte, stand ich vom Stuhl auf und betrat die Küche, in welcher Keyla immer noch unter Harrys Stuhl saß und anscheinend Protest dagegen erheben wollte, dass er nicht hier war, doch ich konnte ja auch nichts dagegen machen. Deswegen fuhr meine Hand lediglich einmal über ihren Kopf, ehe ich nach draußen an die frische Luft ging und die Hühner fütterte.

Der Stall erinnerte mich natürlich sofort wieder daran, wie Harry und ich diesen wieder gemeinsam aufgebaut hatten und als ich mich so umsah, fiel mir auf, dass so gut wie alles hier mit Harry in Verbindung gebracht werden konnte. Er hatte mir überall nach dem Unwetter geholfen, überall waren seine Hände und Ideen im Spiel gewesen. Wie sollte ich es denn für diese unbestimmte Zeit überleben, wenn ich ihn nach nicht einmal vierundzwanzig Stunden schon so vermisste, dass ich ihn am liebsten selbst anrufen würde? Doch das konnte ich nicht machen, immerhin hatte er versprochen, dass er sich meldet und meinte, ich sollte ihm vertrauen. Er hatte mir immerhin gesagt, das er mich liebt.

Mein Herz klopfte schneller und ich warf erneut einen Blick auf mein Handy, ehe ich die Nachricht meiner Mum verbarg und stattdessen wieder zurück auf den Hof gehen wollte, wo sofort ein Motorengeräusch zu hören war.

Ich ließ den Eimer fallen und lief etwas schneller, da meine Hoffnung mir irgendwie weis machen wollte, dass Harry zurückgekommen war, doch sobald ich auf dem Hof ankam, entdeckte ich Joe mit ein wenig Gemüse und Brötchen auf mich warten. Mein Schritt verlangsamte sich sofort und ich konnte es nicht verhindern, dass ich wahrscheinlich so aussah, als würde ich ihn gar nicht sehen wollen, doch so war es nicht. Die Hoffnung, Harry zu sehen, wurde für mich einfach in einer auf die nächste Sekunde kaputt gemacht und das konnte ich einfach nicht verbergen.

"Hey Du", begrüßte mich der ältere Mann mit einem leichten lächeln und sah sich verwundert um. "Wo ist denn Harry?"

Nicht da, siehst du doch. Ich verkniff mir den bösen Kommentar und joggte die letzten paar Meter auf ihn zu, ehe ich vor ihm stehen blieb und ihm den, anscheinend schwerer, Holzkasten abnahm.

"Er braucht eine Pause", sagte ich also leise und stellte die Kiste auf die Veranda, ehe ich mich wieder zu Joe umdrehte.

"Von eurer Beziehung?" Joe sah mehr als verwundert aus und sobald er dieses Wort erwähnte, zuckte ich zusammen.

"Wir hatten ja nicht wirklich eine Beziehung", gab ich also zurück und setzte mich auf die Veranda, ehe der ältere Mann vor mir stehen blieb und den Kopf schüttelte.

"Lass dir das von einem alten Mann gesagt sein, dass was ihr beide hattet, war eine Beziehung. Ob ihr diese Worte jetzt ausgesprochen habt, oder eben nicht. Man hat es in euren Blicken gesehen und daran, wie ihr füreinander da wart. Das war nicht zu übersehen."

"Aber klärt man so etwas nicht normalerweise ab?", fragte ich und fühlte mich gerade, als würde ich meinen Opa um Rat fragen, was wahrscheinlich daran lag, dass ich zu Joe schon immer eine festere Verbindung gehabt hatte, als zu meinen richtigen Großeltern. "Ich meine, ich bin jetzt kein Profi aber.."

"Das mag bei manchen Menschen vielleicht so sein, aber für eine Beziehung braucht man doch keinen Vertrag unterschreiben; ganz im Gegensatz zur Ehe." Er stoppte und setzte sich zu mir, ehe er auf meine Scheune guckte und ein lächeln auf seinen Lippen hatte. "Als ich meine Frau kennengelernt hatte, wusste ich sofort, dass sie die eine ist, aber sie hat mich ganz schön zappeln lassen. Wieder und wieder habe ich sie nach einem Date gefragt und Absagen bekommen. Als sie dann endlich zugesagt hat, hatten wir einen der schönsten Tage gehabt, an die ich mich erinnern kann und für sie war es danach vollkommen logisch, dass wir ein Paar sind. Wir haben es nie ausgesprochen aber wir wussten, was wir fühlen und das war genug." Er sah mich wieder an und ich sah die Lachfalten um seine Augen, die von einem glücklichen Leben kamen. "Würdest du dich betrogen fühlen, wenn er jemanden anders küssen würde? Würdest du denken, dass du ihn betrügst, falls du jemanden neues finden würdest?"

Ich nickte auf diese Fragen hin und atmete dann einmal tief durch, ehe ich mich für die Ratschläge und das Essen bedankte. Natürlich, sah er es wieder als selbstverständlich, doch so war es für mich nicht. Ich versprach ihm auch, demnächst mal wieder bei ihnen vorbei zu schauen und selbst etwas zu essen mitzubringen, damit seine Frau sich nicht so lange in die Küche stellen musste, denn ich wusste von Joe, dass sie Probleme mit den Knochen hatte und selbst nur noch selten kochte. Dann verabschiedeten wir uns voneinander und ich brachte die Dinge in die Küche, ehe ich auf Keyla sah, die immer noch unter dem Stuhl hockte.

Seufzend setzte ich mich vor ihr auf den Boden und strich ihr über den Kopf, bevor ich mein Handy zwischen uns beide legte und ihr in die Augen sah.

"Ich bin auch traurig, dass er nicht mehr da ist. Aber wir beide müssen uns irgendwie zusammenreißen und füreinander da sein, okay? So wie am Anfang." Ihre Ohren erhoben sich etwas und ich schaffte es tatsächlich, ein kleines lächeln aufzubringen, ehe ich meine Augen kurz schloss. "Sobald er anruft, heben wir beide ab. In genau dieser Sek-"

Das Handy fing an zu klingeln und Keyla sprang gleichzeitig mit mir auf, während ich auf den grünen Hörer klickte und mein Herz Purzelbäume schlug.

"Harry", hauchte ich dankbar und bemerkte erst, dass ich Tränen in den Augen hatte, als sie über meine Wange liefen.

"Hey mein Engel, wie geht es dir?", hörte ich seine sanfte Stimme und schloss meine Augen, während ich versuchte, meine Atmung in den Griff zu bekommen. Er sollte mich immerhin nicht für verrückt halten.

"Mir geht es gut, wie geht es dir? Wo bist du untergekommen? Was hast du den ganzen Tag gemacht?"

Sein lachen ertönte und brachte die Schmetterlinge in meinem Bauch zum tanzen, während Keyla immer wieder an meinem Bein hochsprang und ich Harry auf Lautsprecher stellte, in der Hoffnung, dass auch die Hündin seine Stimme erkennen würde.

"Mir geht es auch gut, ich vermisse dich nur schrecklich. Ich bin bei Gen untergekommen, sie hat das Gästezimmer für mich fertig gemacht und heute waren wir bei der Bank, um meine alten Konten neu zu machen und zu schauen, wie viel Geld wo drauf ist, so dass ich mir bald meine eigene Wohnung hier mieten kann."

Ich wusste um ehrlich zu sein nicht, was mir mehr Angst machen sollte. Das Harry bei Gen wohnte oder, dass er tatsächlich vor hatte, sich dort eine Wohnung zu mieten - was einen längeren Aufenthalt bedeutete.

"Das klingt doch gut", das zittern in meiner Stimme würde mich wahrscheinlich sonst verraten, doch durch das Telefon kam es wahrscheinlich gar nicht so raus, weswegen Harry weiter davon sprach, wie das Ankommen gestern gelaufen war und, was er in den nächsten Tagen mit Gen noch so vorhatte. Es tat mir weh, zu hören, dass sie all diese Schritte erneut mit ihm gehen konnte und ich hier wortwörtlich in der Pampa sitze und nichts für ihn tun kann. Harry bemerkte jedoch irgendwann, wie Still ich war und stoppte mit seinen Erzählungen, ehe er mich fragte, was denn los sei. Da es irgendwie alles und nichts war und seit dem Gespräch mit Joe lediglich eine Frage im Raum stand, seufzte ich und hatte nach einem kurzen Blickkontakt mit Keyla, die mittlerweile viel glücklicher schien, genug Mut gesammelt, um ihn darauf anzusprechen. "Joe war heute hier und irgendwie kamen wir auf das Thema, ob wir beide denn jetzt in einer Beziehung wären, oder nicht.."

"Du und Joe?", fragte Harry und ich war ihm dankbar dafür, dass er ein kleines späßchen dazwischen haute, doch ich schüttelte nur den Kopf.

"Du und ich", verbesserte ich ihn also und hörte wie es auf der anderen Seite komplett Still wurde, weswegen ich es mit der Angst bekam. "Was denkst du?"

[...]

Harry hat sich gemeldet, es können also alle durchatmen :D ❤️

Was wird Harry wohl dazu sagen? Auf die Liebeserklärung hat er ja das erste mal nicht so besonders gut reagiert :o

Lots of love ❤️

xoxo Michelle

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top