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Arlo und Drew fahren gemeinsam nach Hause.
„Heute war irgendwie eine seltsame Therapiestunde", fängt Arlo wieder einmal das Gespräch an.
„Warum?", fragt Drew.
„Das mit Zak. Was war das?", fragt Arlo.
„Ich denke, es hat etwas mit seiner psychischen Störung zutun. Ich denke, wir brauchen alle Mal Zeit für sich und das ist seine Zeit. Ich denke, er hat es wirklich nicht leicht", antwortet Drew.
„Und das Verhältnis zwischen Bo und Zak. Was ist das? Ich habe das Gefühl, sie sind viel vertrauter miteinander, als wir es zum Beispiel sind. Wieso ist er ihm nach gelaufen?", fragt Arlo.
„Das geht uns nichts an", erwidert Drew, da er seine Privatsphäre schätzt und er will, dass man seine respektiert. Dann sollte man es ebenso bei anderen tun.
„Aber ist es nicht seltsam, dass wir schon so vertraut miteinander sind? Irgendwie ging das so schnell"
„Ich vertraue Menschen normalerweise nicht schnell, aber bei dem, was wir besprechen ist es kein Wunder, wie vertraut wir miteinander umgehen und was wir für den anderen tun würden"
„Ich finde es übrigens wirklich stark, dass du bei Maciek warst. Ich glaube, das hat ihm sehr geholfen. Das war eine enorme Last, die auf seinen Schultern lag. Ich hoffe, jetzt wird alles gut.
*
„Ich glaube er macht die Augen auf", hört Maciek eine Stimme.
„Ja, er scheint die Augen aufzumachen. Er wacht auf", sagt eine andere Stimme.
„Sollen wir trotzdem einen Krankenwagen rufen?", sagt die gleiche Stimme noch einmal. Maciek erinnert sich nicht, was passiert war und ist ganz verdattert. Er dreht sich zur Seite und sieht, dass er auf dem steinharten Boden liegt, draußen. Er muss umgefallen sein.
„Sein Kreislauf muss versagt haben. Er muss erst einmal eine Banane essen", sagt Frau Silverstone, denn diese Stimme kann er jetzt zu ordnen. Die andere Stimme kommt ihm bekannt vor, er kann aber nicht sagen, woher die Stimme kennt oder wo er sie schon einmal gehört hat.
„Und wie bekommen wir ihn von der Straße runter? Jemand wird hier so schnell nicht vorbei kommen, haben wir ja gemerkt. Er muss hier über eine Stunde gelegen haben, ohne dass es jemand mitbekommen hat. Das kann nicht sein. Jemanden fragen können wir nicht, was also sollen wir tun?", fragt die Stimme erneut.
„Ich kann aufstehen", sagt Maciek und versucht sich aufzusetzen, doch darauf wird wieder alles schwarz.
„Du musst unbedingt etwas essen, Maciek", sagt die Stimme noch einmal etwas.
„Wenn ihr mich stützt, kann ich erst einmal aufstehen", sagt er und so stützen ihn seine Therapeutin und die Stimme, die er immer noch nicht zuordnen kann, da er auch noch nicht richtig etwas sieht- er ist noch viel zu vernebelt. Die beiden stützen ihn und so schaffen sie es auf das Sofa in das Wartezimmer.
„Zum Glück sind wir hier vorbei gekommen" sagt Frau Silverstone und das Mädchen, dessen Umrisse Maciek nun wahrnimmt nickt. Die beiden kümmern sich eine Weile um Maciek, um ihm eine Banane anzudrehen, die er schließlich auch isst und sein Kreislauf fängt wieder an, sich zu normalisieren.
Währenddessen sind Bo und Zak längst Zuhause angekommen und unterhalten sich noch einmal über die seltsame Situation, die ihnen wiederfahren ist. Wenn man gemeinsam in einer Gruppentherapie ist, dann muss man sich auf die anderen verlassen können- Das ist die erste und wichtigste Regel, die unausgesprochen zwischen den Jungen steht und sie schätzen Maciek, auch gerade wegen seines Schwimmtrainings, als sehr zuverlässig ein, weshalb diese Verhaltensweise überhaupt nicht zu Maciek passt und sie machen sich sorgen, dass etwas passiert sei, weil er anscheinend ohne sie einfach alleine nach Hause gefahren ist, obwohl er meinte, er würde warten. Schließlich hätte er einfach alleine gehen können. Deshalb hatte er Maciek doch extra gefragt und Maciek meinte, er würde warten, weshalb sie ihn nun anriefen, um sicherzustellen, dass es ihm gut ging. Die Jungen waren sich inzwischen schon sehr ans Herz gewachsen. Jeder Einzelne.
„Mein Handy klingelt und wenn es meine Mutter ist, bringt sie mich um", flüstert Maciek. Das Mädchen bekommt dies mit und geht an das Telefon.
„Hallo?", fragt sie in den Hörer.
„Ich glaube, wir haben uns verwählt", sagt Zak und will schon wieder auflegen.
„Du Idiot. Wir können uns nicht verwählt haben. Ich habe Maciek doch in mein Handy eingespeichert. Das muss seine Nummer sein, außer er hat uns eine falsche Nummer gegeben, was wirklich sehr unwahrscheinlich ist", lacht Bo ihn aus.
„Wer bist du?", fragt Bo nun in den Hörer, weil er Zak das Telefon weggenommen hat.
„Meinen Namen brauchst du nicht wissen, denn den wollte Maciek auch schon wissen und das wäre nicht gut für ihn. Und wie ich euch kenne, ihr würdet ihn ihm sagen", erklärt das Mädchen am anderen Ende.
„Geht es ihm gut? Wieso hast du sein Handy? Hat Maciek eine Freundin?", fragt Bo erst das Mädchen, dann Zak.
„Ich bin bei der Therapie und wir haben Maciek vor der Tür gefunden, er muss in Ohnmacht gefallen sein und kümmern uns jetzt um ihn. Ihm geht's gut, aber er ist irgendwie ein bisschen durcheinander. Falls seine Mutter anruft, sollte ich ihr Bescheid geben, dass er beim Training ist oder so, hat er gesagt", erzählt sie.
„Das ergibt keinen Sinn", stellen Zak und Bo gleichzeitig fest.
„Wir kommen zurück und fahren Maciek nach Hause", sagt Bo und verabschiedet sich hastig von ihr. Die beiden machen sich sofort auf den Weg zurück. Vorher rufen sie jedoch Drew an und erfahren, dass er ein Auto hat. Er würde sie fahren, dann wäre es auch einfacher, Maciek nach Hause zu fahren. Arlo rufen sie auch an und er entscheidet auch, sofort zurück zu kommen.
Drew sammelt alle ein und sie fahren gemeinsam, wie Superhelden, zu ihrem Freund zurück.
„Ist alles okay, Mann?", fragen Zak und Bo sofort, als sie ankommen. Drew setzt sich sofort neben seinen Freund und nimmt, wie letzte Woche beim Abendessen seine Hand, um ihm Mut zu machen, indem er sie einmal fest drückt. Maciek nickt ganz leicht.
„Die beiden haben sich gut um mich gekümmert", sagt er lächelnd und schaut dabei ganz besonders das Mädchen an. Er weiß nicht, dass sie Erfahrungen mit diesen Situationen hat und ihm nur deshalb so gut helfen konnte. Vermutlich war sie die beste Hilfe, die er hätte bekommen können.
„Ihr hättet nicht alle kommen brauchen", lacht Maciek, als er nun auch die anderen wahrgenommen hat.
„Aber wir wollen dich in Drews Auto nach Hause fahren", sagt Arlo lächelnd.
„Du hast ein Auto?", freut sich Maciek.
„Joa, ich habe ein Auto", lacht Drew.
„Wie geil!", ruft Maciek.
„Wieso hast du davon noch nichts erzählt?", fragt er.
„Ich kam nicht dazu. Das Thema kam nie auf", erzählt er.
„Ich freue mich und ich sitze vorne", ruft Maciek und will aufstehen, doch fällt noch einmal zurück.
„Sorry, ich glaube, ich brauche Hilfe", sagt er lachend, jedoch ist es ein unsicheres lachen.
„Ich glaube, du brauchst noch eine Banane für den Weg", lächelt das Mädchen und drückt ihm eine in die Hand. Die Jungs stützen ihn und tragen ihn zum Auto. Er hätte nicht gedacht, dass einen ein Zusammenbruch so lange außer Gefecht setzt.
„Morgen ist es auf jeden Fall besser", flüstert sie ihm ins Ohr und geht dann aus der Tür, um zu verschwinden. Er kann sich nicht einmal mehr bei ihr bedanken. Dies tut er allerdings noch einmal bei seiner Therapeutin, bevor die Jungs verschwinden. Die Jungen tragen Maciek aus Drews Auto zu seiner Haustür, wie ein kleiner König und setzen ihn dort ab.
„Ich weiß nicht, wie meine Mutter es aufnimmt, wenn ich auf einmal so viele neue Freunde habe und ich weiß nicht, wie ich ihr erklären soll, wo ihr alle herkommt. Ich mag euch wirklich sehr Jungs, aber ich denke hier müssen wir uns nun verabschieden, bis nächste Woche", sagt er und die Jungen wollen gerade umdrehen und gehen, als seine Mutter die Tür öffnet.
„Was macht ihr denn alle hier?", fragt sie neugierig.
„Seit ihr alle aus dem Schwimmteam? Ich kenne euch noch gar nicht", sagt sie und hält den Jungen die Hand hin. Maciek muss krampfhaft überlegen, was er nun sagen sollte. Er kann sie nicht noch einmal anlügen.
„Drew kennst du schon", lächelt Maciek, weil ihm nichts Besseres einfällt.
„Er war aus der Schule, nicht wahr?", fragt sie. Eine Lüge. Konnte er den tausend Lügen standhalten? Nein. Konnte er ihr die Wahrheit sagen? Nein. Er wusste nicht, was er tun sollte. Einerseits konnte er sagen, dass er alle vom Schwimmen kannte, denn er würde jetzt damit aufhören, aber wenn sie weiterhin bei Wettkämpfen zuguckte und sie niemals auftauchten würde sie misstrauisch werden. Er findet keine Lösung und so entschließt er sich schließlich die Wahrheit zu sagen. Alle seine Freunde waren da, um ihm beiseite zu sehen und wenn sie nun etwas sagen wollte, was verletzend war, konnte sie es nicht, weil nun fünf Jungen vor ihr standen, die sie damit verletzen würde. Drei Jungen, die sie nicht kannte, einen den sie einmal gesehen hatte und ihren eigenen Sohn. Sie konnte nichts sagen, denn es waren seine Freunde und sie würden zu Besuch kommen, sodass sie immer daran denken würde. Somit beschloss er sich, wirklich ehrlich zu sein und ihr zu sagen, woher er die Jungen kannte, auch wenn er wusste, wie sie bei der Schwimm- Wahrheit reagiert hatte. War es manchmal vielleicht doch gut, Geheimnisse zu haben? Was würde es auslösen, wenn sie erst erfuhr, dass ihr Sohn nicht mehr schwimmt und dann auch noch zur Therapie geht? Von seiner psychischen Erkrankung sollte noch gar nicht die Rede sein. Daran wollte er gar nicht denken, wie er ihr das jemals beibringen sollte. Beides auf einmal? Aber konnte er das vor den anderen Jungen? Konnte er seiner Mutter sagen, woran er erkrankt ist? Es fühlt sich seltsam für Maciek an, so ehrlich zu seiner Mutter zu sein, denn das war er schon lange nicht mehr gewesen und trotzdem fühlt es sich gut an, richtig irgendwie. Er wusste nicht, wie er es sagen sollte, doch er sagte es einfach. Er sagt es geradeheraus. Ohne Angst, mit Mut, weil seine Freunde hinter ihm standen und ihn auffangen würden, wenn er fällt. Vielleicht würden sie sogar zu besten Freunden werden. Es wäre möglich und dann hätte er seit langem wieder richtige Freunde, die ihn liebten und schätzen, wie er war. Danach sehnte er sich.
„Ich kenne sie von der Therapie. Alle, auch Drew. Nicht aus der Schule. Ich kenne sie alle von der Gruppentherapie, um ehrlich zu sein"
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