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Die Jungs warten wieder einmal alle gemeinsam bis sie endlich in die Gruppentherapie gehen können. Sie haben einen weiteren Fortschritt gemacht, denn inzwischen grüßen sie sich schon alle mit einem leichten Handschlag und reden auch dieses Mal wieder, bevor sie von Frau Silverstone dazu aufgefordert werden – Zwar über belanglose Sachen – aber sie reden und dies ist erst einmal die Hauptsache, denn sie sind dabei eine Freundschaft aufzubauen. Alle miteinander, der eine enger mit einem anderen befreundet. Aber dennoch eine große, zusammenhaltende Gruppe.
Frau Silverstone bittet die fünf Jungen hinein und dieses Mal setzen sie sich ganz von alleine auf andere Plätze, sodass sie nicht mehr wie am Anfang sitzen. Bo und Zak sitzen nebeneinander, sowie Drew und Maciek. Neben Drew sitzt Arlo.
„Ich sehe, dass ihr euch umgesetzt habt. Hat das einen bestimmten Grund?", fragt Frau Silverstone freundlich.
„Ich möchte euch von einem Erlebnis erzählen, weshalb ich mich unter anderem neben Drew gesetzt habe", öffnet Maciek sich.
„Wir sind alle offen und hören dir gerne zu", leiert Frau Silverstone die alte Leier hinunter und trotzdem hilft es Maciek jedes Mal, auch wenn er genau weiß, was sie nun sagen wird und warum sie dies tut. Niemand drängt ihn, etwas zu erzählen und das macht ihm die ganze Sache ein bisschen einfacher, denn wenn jemand nachgebohrt hätte, hätte er es für sich behalten. Er nimmt, bevor er beginnt, noch einen großen Schluck aus seiner Wasserflasche, vermutlich um sich ein wenig Mut anzutrinken, auch wenn in der Flasche kein Alkohol ist.
„Ich habe es meinen Eltern gesagt", fängt Maciek an zu erzählen. „Dass ich nicht mehr schwimmen will", beendet er seinen Satz.
„Und, wie haben sie reagiert?", fragt Arlo neugierig.
„Meine Mutter ist ausgerastet"
„Oh, das tut mir Leid", gibt Bo wieder. Zak sagt nichts, er scheint in seinen Gedanken zu sein und nicht richtig zuzuhören, denn er starrt die ganze Zeit auf denselben Punkt an der Wand und folgt dem Gespräch nicht, bekommt immer nur Wortfetzen mit.
„Aber mein Vater hat gesagt, dass es für ihn okay sei. Ich soll glücklich werden, oder so ähnlich"
„Das freut mich", erwidert nun auch wieder Bo etwas.
„Und wie gehst du damit um, dass deine Mutter so reagiert hat?", fragt Frau Silverstone.
„Sie hat sich wieder beruhigt. Aber ohne Drew hätte ich das nicht geschafft", rückt Maciek nun mit dem Grund heraus, weshalb er sich neben Drew gesetzt hat.
„Er war bei dir?", fragt Frau Silverstone.
„Jap. Ich habe ihn angerufen, weil ich das Gefühl hatte, ich würde das niemals alleine schaffen. Ich hätte es meinen Eltern niemals gesagt und hätte weiter trainieren müssen. Es hätte mich kaputt gemacht. Kaputter, als ich sowieso schon bin. Meine Porzellanschale wäre zersplittert. Aber ich habe Drew angerufen und er ist vorbei gekommen. Dann habe ich es meinen Eltern gesagt und er hat mich unterstützt, denn wir sind Freunde", sagt Maciek und lächelt Drew leicht an, danach schaut er Frau Silverstone an.
„Ich bin wirklich sehr stolz auf dich, Maciek. Und auf dich auch, Drew. Dass ihr zusammengehalten habt und du es geschafft hast, es deinen Eltern mitzuteilen. Hast du ihnen auch von deiner ...?", beginnt sie zu fragen, doch schon schüttelt Maciek den Kopf und Frau Silverstone verstummt. Er hat anscheinend noch nicht genug Mut, den anderen mitzuteilen, woran er leidet.
„Zak, ist alles okay mit dir?", fragt Frau Silverstone schließlich, weil er bisher als einziger noch nichts gesagt hatte.
„Ich bin bloß nervös", lächelt er und beißt wieder auf seiner Lippe herum.
„Warum?", fragt Arlo.
„Weil das Verfahren näher rückt. Ich will nicht zu ihm zurück", erklärt er. Den Namen seines Vaters hatte er schon lange nicht mehr genannt und Vater nannte er ihn seit einiger Zeit auch nicht mehr, er würde ihm am liebsten aus seinem Leben streichen. Er will bei Bo bleiben, denn an dem Ort fühlt er sich sicher und muss sich vor nichts fürchten.
„Das verstehe ich. Ich würde auch nicht zurück wollen", sagt Bo.
„Wir sind für dich da", erwidert Maciek.
„Das Verfahren wird gut gehen. Es wird alles gut werden, Zak. Vertraue mir", sagt Frau Silverstone. Zak hasste diese Worte. Es wird alles gut werden. Das stimmte bis jetzt noch nie in seinem Leben. Noch nie, wieso sollte es also dieses Mal so sein? Nach diesen Sätzen steht er einfach auf und verlässt den Raum. Bo will ihm hinterher laufen.
„Lass ihn. Er wird gleich zurückkommen", sagt Frau Silverstone, als Bo aufspringt und Zak hinter her laufen will und sie Bo gerade noch am Ärmel zu fassen bekommt, um ihn zurück zu halten.
„Warum darf ich nicht hinterher?", fragt Bo sie.
„Weil er jetzt seine Zeit für sich braucht"
„Woher wollen sie das wissen? Sie kennen ihn doch gar nicht richtig", erwidert Bo böse und reißt sich los, um Zak doch noch hinterher zu laufen. Sie will ihn hinterher, doch er blockt ab und schmeißt die Tür mit voller Wucht hinter sich zu, um seinem neuen Freund zu helfen.
Bo findet Zak schließlich vor dem Gebäude an einer Wand lehnen. Er hat den Kopf nach unten gebeugt, sodass er die Steine ansehen kann und die Arme sind an die Wand gelehnt, seine Füße weit auseinander, als wenn er gleich vor Wut gegen diese Wand schlagen würde.
„Hau ab, bitte" , ist das erste, was Bo zu hören bekommt, da Zak ihn anscheinend kommen hören hat oder ihn aus den Augenwinkeln wahr genommen hat.
„Ich will dir helfen", erwidert Bo.
„Bitte geh einfach weg!"
„Aber, Zak. Ich will nach dir sehen, ob alles okay ist bei dir. Ist alles okay?", fragt Bo und ist sich im selben Moment klar, wie bescheuert diese Frage klingt, wenn er doch ganz genau weiß, dass es Zak eben gerade nicht gut geht.
„Verpiss dich!", schreit Zak nun und schaut zum ersten Mal hoch. Er blickt Bo mit seinen intensiven blauen Augen an und alles was er darin erkennt ist Wut. Das erste Mal hat er tatsächlich Angst vor Zak.
„Ich gehe", sagt er mit hochgehaltenen Armen und geht ein paar Schritte zurück.
„Es tut mir Leid", fügt er noch hinzu und geht dann wieder in das Gebäude.
„Bo?", fragt Frau Silverstone, als er wieder hineinkommt.
„Ich habe doch gesagt, er braucht jetzt seine Zeit. Er wird zurückkommen, wenn er bereit ist.", erklärt sie ihm.
„Aber woher wissen sie das?", fragt Bo sie, als er sich wieder auf seinen Stuhl setzt, neben ihm nun ein leerer Platz und man merkt sofort das etwas fehlt. Es ist jedes Mal seltsam, wenn einer der Jungen nicht im Raum ist, aus welchem Grund auch immer. Die Atmosphäre ist sofort nicht mehr die gleiche.
„Ich therapiere Zak schon seit einer Weile und kenne seine Verhaltensweisen inzwischen ziemlich gut. Ich kenne ihn länger, als ihr ihn kennt und weiß manchmal einfach besser, was er nun braucht", erklärt sie und Bo nickt. Logisch, jetzt wo man darüber nachdenkt. Sie ist seine Therapeutin und hat wahrscheinlich schon mehrere solche Situationen mit Zak erlebt. Bo kennt ihn nun gerade einmal acht Wochen. Acht Wochen sind nichts, auch wenn sie schon ihre ganze Vergangenheit auf den Tisch gelegt haben, manche zumindest und Bo und Zak sich jeden Tag sehen, weil sie miteinander wohnen. Sie können sich gegenseitig vertrauen und trotzdem lässt Zak Bo nicht an sich ran.
Nach einer Weile kommt Zak zurück und setzt sich wieder auf seinen Platz, als wenn nichts passiert wäre. Kurz danach ist die Therapiestunde vorbei und sie verabschieden sich, um sich nächste Woche wieder zu versammeln.
„Können Bo und ich kurz alleine reden?", fragt Zak Maciek, da sie normalerweise gemeinsam nach Hause fahren würden.
„Ja, ich fahre dann schon einmal alleine, falls das länger dauern sollte. Oder soll ich warten? Ich kann auch warten, wenn ihr wollt", erklärt er mit einem Lächeln im Gesicht.
„Du kannst gerne warten. Wir fahren gerne mit dir nach Hause. Gerade, da wir heute alle keinen leichten Tag hatten, tut ein bisschen Gesellschaft wahrscheinlich noch gut, bevor wir alle nach Hause gehen", erklärt Zak ihm.
„Soll ich draußen warten oder wollt ihr nach draußen gehen?", fragt Maciek ihm. Bo ist noch bei Frau Silverstone, um etwas wegen der Schule abzuklären.
„Du kannst draußen warten", erklärt Zak lächelnd.
„Es tut mir wirklich leid, Bo.", fängt Zak sofort an zu reden, als Bo gerade aus dem Therapieraum kommt und noch dabei ist, seine Jacke überzuziehen.
„Was tut dir Leid?", fragt Bo verdutzt.
„Das vorhin. Ich brauche manchmal einfach meine Zeit und dann sollte man mich nicht ansprechen, weil ich ein Arschloch werde. Es tut mir also wirklich sehr Leid. Wenn ich weglaufe, tue ich das aus einem bestimmten Grund. Falls ich das also jemals tun sollte, dann renne mir nicht nach okay? Ich werde zurückkommen und mit dir reden. Das wollte ich dir noch einmal erklären, damit du nicht denkst, ich sei ein komplettes Arschloch, sondern nur ein bisschen Arschloch", lächelt er Bo an und die beiden gehen schließlich nach draußen, um mit Maciek zu fahren, doch der ist nicht mehr dort.
„Ich habe dich schon ein paar Mal hier gesehen. Wie heißt du?", fragt Maciek das Mädchen, welches gerade auch in das Badezimmer hinein gekommen ist, um seine Wasserflasche aufzufüllen.
„Wir sollten nicht miteinander reden", ist das einzige, was er als Antwort erhält und ist ein bisschen enttäuscht darüber, doch er weiß, dass sie Recht hat. Dass sie schlau ist macht sie jedoch bloß nur noch attraktiver. Verflucht. Danach verlässt er das Badezimmer wieder, doch Bo und Zak sind nicht mehr in dem Raum. Maciek rennt nach draußen, doch auch da stehen die Jungen nicht mehr. Sie müssen denken, dass Maciek schon ohne sie gefahren ist, weil es ihm zu blöd war zu warten und nun sind die beiden ohne ihn gefahren, was für ein blödes Missverständnis. Nun rennt Maciek los, um die beiden noch einzuholen, denn der Bus müsste in zwei Minuten kommen und wenn er rennt, könnte er es noch schaffen, den Bus zu bekommen.
Doch als er ein wenig gerannt ist, macht er schlapp, denn er kann nicht mehr und alles wird schwarz.
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