23
Die Jungen hatten sich immer noch nicht ausgesprochen und es ging keinem damit besonders gut, denn sie hatten einander inzwischen richtig gern. Immerhin kannten sie sich inzwischen schon fast 6 Monate und sprachen über die intimsten Sachen miteinander. Irgendwie war man einander wichtig geworden.
Drew sitzt alleine in seinem Zimmer und geht seine Polaroid Fotos durch, die einen besonderen Wert für ihn haben, denn sie fingen die Momente ein. Somit auch die Momente mit seinen Freunden, die nun allesamt sauer auf ihn waren, weil sie nicht verstanden, weshalb Drew so ausgerastet ist. Nun überlegt er schon lange, ob er zu Maciek gehen soll, denn der war der einzige, der mit ihm sprach. Immerhin war dieser pünktlich gewesen und hatte danach noch mit ihm gesprochen. Mit den anderen hatte er bisher keinen Kontakt mehr gehabt, die nächste Therapiesitzung wäre übermorgen gewesen, doch diese fällt aus, weil Frau Silverstone noch krankgeschrieben ist. Drew wollte nicht noch eine weitere Woche warten, zumal die Jungen auch sonst außerhalb der Therapie oft Kontakt miteinander hatten. So waren auch die Fotos entstanden, die er nun in der Hand hält. Darauf waren alle fünf Jungen abgebildet, lächelnd. Drew hielt das Foto mit seiner linken Hand fest und zupfte nervös an seinen Fingern herum. Letztendlich beschloss er, sich in sein kleines Auto zu werfen und erst einmal zu Maciek zu fahren, um sich mit ihm eine Lösung zu überlegen. Sein Freund würde sicherlich für ihn da sein. Drew setzt sich alleine in das Auto hinein und sofort kommt Musik aus dem Radio. Da er allerdings eine tiefe Traurigkeit empfindet stellt er den Sender sofort auf stumm und fährt mürrisch los. Er macht sich Sorgen, ob die Jungen ihn verstehen und verzeihen würden.
Als er bei Maciek an der Haustür klingelt öffnet Macieks Mutter ihm die Haustür.
„Guten Tag, Frau Nowak", begrüßt Drew sie höflich. Frau Nowak begrüßt ihn noch nicht einmal, sondern ruft ihren Sohn, der gleich darauf am Treppenansatz zum Vorschein kommt und geschockt in Drews Gesicht schaut. Anschließend kommt er die Treppe hinunter, um Drew abzuwimmeln.
„Es ist gerade wirklich schlecht, Drew. Kannst du ein anderes Mal wiederkommen?", fragt er.
„Ich muss noch wahnsinnig viele Hausaufgaben machen, weißt du?", schiebt er schnell noch hinterher.
„Oh", murmelt Drew bloß.
„Okay, ja. Dann", stottert er und dreht sich um, um zu seinem Auto zurück zu gehen. Er kann es nicht fassen, dass nun selbst Maciek ihn ihm Stich lässt. Es ist doch bloß eine kleine Streiterei gewesen. Maciek hatte selbst gesagt, dass alle ihre Gründe hätten. Was schloss es also aus, dass auch Drew seine Gründe hatte, so auszurasten? Er schlendert zum Auto und setzt sich wieder hinein, die Frühlingssonne strahlt ihm ins Gesicht. Es wird langsam Sommer und man kann schon im Shirt nach draußen gehen.
„Scheiß Sonne", grummelt er, weil diese ihn blendet. Danach bleibt er noch eine Weile im Auto sitzen und starrt in das Fenster von Macieks Zimmer, bis er sich schließlich fasst und nach Hause fährt. Übermorgen hätte er Geburtstag und keiner seiner Freunde würde da sein, um ihn mit ihm zu feiern, weil sie zerstritten waren.
An seinem Geburtstag wacht Drew allerdings mit einem Lächeln auf, denn Auryn war von der Uni nach Hause gereist, um diesen Tag mit ihm zu verbringen. Auch Bash sitzt grinsend neben seinem Bett. Seine Mutter hält einen Geburtstagskuchen mit brennenden Kerzen in der Hand und die drei singen ihm das altbekannte Geburtstagslied. Es ist eine Tradition, dass man mit diesem Lied am Geburtstagsmorgen geweckt wird. Drew sieht immer noch verschlafen aus, als er sich langsam aufrichtet, um die Kerzen auszupusten und die drei anschließend zu umarmen. Er umarmt Menschen nicht wirklich oft, weil er das Gefühl nicht mag. Man ist irgendwie immer gezwungen dies zu tun. Man weiß nie, ob man nun eine Person umarmen soll, oder nicht. Deshalb lässt er es. Aber, wenn es einen wichtigen Anlass, wie einen Geburtstag gab oder jemand traurig war, dann umarmte er gerne Menschen.
„Du darfst dir etwas wünschen", lächelt seine Mutter ihn an. Drew schließt die Augen und wünscht sich, dass seine Freunde und er sich so schnell wie möglich, wieder versöhnen.
„Was hast du dir gewünscht?", grinst Bash ihn an.
„Das darf ich dir nicht verraten, sonst geht es nicht in Erfüllung", grinst Drew zurück. Die drei gehen nun in die Küche, um Drews Geschenke auszupacken und Kuchen zum Frühstück zu essen.
In der Schule haben irgendwie Menschen davon mitbekommen, dass Drew heute Geburtstag hat und Becca hat ihm einen Heliumluftballon mitgebracht. Ihre Freundin hat einen Kuchen gebacken, denn sie ihm nun überreichen.
„Ich kann leider nicht backen, deshalb musste das Holly machen", lächelt sie ihn an. Ihre Freundin hieß also Holly. In der Pause probierten sie den Kuchen und er schmeckt wirklich großartig. Ihre Freundin Holly konnte backen.
„Du solltest Bäckerin werden", nuschelt Drew, weil er immer noch Kuchen im Mund hat.
„Danke. Das ist tatsächlich mein späterer Berufswunsch. Also Konditorin" , grinst sie, auch mit eine Stück Kuchen in der Hand. Sie haben keine Gabeln, weshalb sie den Kuchen mit den Händen essen müssen und dabei eine ziemliche Sauerei anstellen.
Auf einmal dringt laute Musik in die Pausenhalle, in der Becca, Holly und Drew den Kuchen essen. Die anderen hatten sich ihr Stück schon genommen und sind zu ihren anderen Freunden verschwunden. Drew glaubt, dass die anderen nur wirklich nett sind, aber kein wirkliches Interesse an einer Freundschaft mit ihm haben, jedenfalls nicht so, wie Becca. Deshalb verbringt er seine meiste Zeit nun mit ihr. Immerhin hatten Holly und Becca ihm diesen Kuchen auch mitgebracht. Es ist ihm nur Recht, dass die anderen gegangen waren. Man brauchte nicht tausend Freunde, um glücklich zu sein. Ein paar reichten völlig aus.
„Was ist das?", fragt Becca.
„Klingt, wie eine Mariachi Band", erwidert Drew.
„Aber der Abistreich ist doch noch ein bisschen hin", mischt sich nun auch Holly ein.
Auf einmal kommt eine Band um die Ecke, die genau auf Drew zuläuft und ihm ein Lied spielt. Doch als sie fertig sind, hören sie nicht auf zu spielen, sondern spielen noch ein Lied. Drew möchte sich gerade bedanken, als sie ein weiteres Lied spielen. Nach fünf gesamten Liedern hören sie endlich auf und Bash kommt um die Ecke gerannt.
„Ich wollte dir noch mal richtig gratulieren", sagt er und grinst über beide Ohren.
„Ha-Ha, sehr originell", sagt Drew. Bash drückt den fünf Spielern etwas Geld in die Hand, um sich dann neben Drew zu setzen.
„Du warst Bud, oder?", fragt Becca ihn, als er sich neben seinen besten Freund setzt.
„Fast. Bash" , antwortet er.
„Oh, scheiße. Sorry, ich hab's nicht so mit Namen", erwidert sie.
„Kannst du dich noch an mich erinnern?", fragt er dann grinsend ihre Freundin. Bash schien sich zu erinnern.
„Dunkel", lacht sie nervös.
„Wir können den ganzen Abend vergessen, oder aber, du gehst auf ein Date mit mir", schlägt er nun vor. Hollys Wangen verfärben sich langsam rötlich. Becca flüstert ihr etwas ins Ohr und danach nickt Holly langsam.
„Dafür bist du jetzt hergekommen? Nicht wegen meinem Geburtstag?" , fragt Drew schmollend.
„Ich dachte, ich kann zwei Klappen mit einem Schlag schlagen", antwortet er selbstgefällig.
„Zwei Fliegen mit einem Schlag heißt das", korrigiert Drew ihn.
*
Drew kommt erschöpft Zuhause an, denn der Schultag war wirklich anstrengend, auch wenn er seine schönen Seiten hatte. Seine Freunde fehlen halt einfach noch. Er schmeißt seine Schulsachen achtlos auf den Boden und will sofort in sein Zimmer, um sich dort erschöpft auf sein Bett zu schmeißen. Doch als er seinen Rucksack gerade losgelassen hat, erschrickt er zu Tode, weil zehn Menschen „Überraschung" kreischen. Zehn grinsende Menschen stehen ihm gegenüber und seine Mutter hält schon wieder eine Torte mit brennenden Kerzen in der Hand. Alle singen noch einmal Happy Birthday zusammen.
Drew freut sich, denn alle wichtigen Personen, bis auf seinen Dad, sind versammelt und singen ein Lied für ihn. Als sie ihr Ständchen beendet haben, pustet er die Kerzen aus und wünscht sich eine weiteren Wunsch, denn hiermit hat sich sein Wunsch von heute Morgen erfüllt. Seine Freunde aus der Therapie stehen allesamt mit in der Reihe.
„Okay, einen kenne ich nicht. Wer bist du?", fragt er den jungen Mann, der neben seiner Schwester steht.
„Nein! Er ist nicht der, oder? Doch!", freut er sich mit ihr, als sie zu nicken anfängt und fällt in eine Umarmung. Danach setzen sie sich ins Wohnzimmer und lassen den Geburtstag langsam ausklingen.
„Wer hat das Ganze organisiert?", fragt Drew nach einer Weile in die Runde.
„Das waren ganz alleine deine Freunde", sagt seine Mutter. Ein bisschen Stolz schwingt in ihrer Stimme mit.
„Das wart ihr? Woher wusstet ihr, dass ich Geburtstag habe?", fragt er neugierig.
„Frau Silverstone hat uns das erzählt", sagt Maciek, ohne darüber nachzudenken, dass dies Fragen aufwerfen könnte. Sie vermeiden in Kontakt von fremden Personen, die nicht mit dem Thema eingebunden sind, wie der neue Freund von Auryn oder Becca und Holly, darüber zu sprechen. Doch sie haben Glück und niemand fragt, wer Frau Silverstone sei. Es geht sie immerhin auch nichts an.
Die Jungen bleiben noch bis spät am Abend, während die anderen alle nach einer Zeit gehen. Auch Auryn und ihr neuer Freund müssen zurück zur Uni fahren, da es mitten in der Woche ist. Becca und Holly verabschieden sich beide mit einer Umarmung von ihm. Auch wenn er dies nicht mag, lässt er es zu. Sie können seine Angewohnheiten nicht kennen. Irgendwann wird er es ihnen sagen.
„Okay. Jungs. Seit ihr noch sauer?", fragt er sie, als sie alleine sind. Seine Mutter hatte sich in die Küche verzogen, um noch Pizza zu machen, die die Jungs und sie zum Abschluss essen würden.
„Lass uns das Thema doch für einen Tag vergessen. Heute ist dein Geburtstag und wir wollen feiern. Da wollen wir nichts von der Therapie oder negativen Erfahrungen, Streitigkeiten oder sonst was reden. Einfach mal einen Tag glücklich sein, oder?", fragt Maciek.
„Aber ich würde das gerne klären. Ich will mich nicht mit euch streiten. Ich will dieses Thema aus der Welt haben", erklärt Drew.
„Wir sind nicht mehr sauer. Du wirst deine Gründe haben und wir werden wahrscheinlich noch früh genug erfahren, weshalb du so ausrastest, wenn jemand zu spät kommt. Hinter jedem Zu spät kommen, hinter jedem Ausraster steckt eine Hintergrundgeschichte", erklärt nun auch Bo ihm. Sie lassen den gesamten Abend noch mit Pizza ausklingen, bis auch die anderen Jungen nach Hause müssen, weil morgen Schule ist.
„Es war ein echt schöner Abend. Danke für die Überraschungsparty", verabschiedet sich Drew von den anderen und setz sich dann noch eine Weile zu seiner Mutter auf das Sofa. Sie lassen den Abend mit dem Lieblingsfilm von Drew ausklingen. Im Bett fällt Drew schließlich auf, weshalb Maciek ihn neulich nicht reingelassen hatte. Da waren die Jungs schon dabei, seine Party zu planen. Solche Freunde brauchte man, die trotzdem für einen da sind, wenn man auch mal Streit hat. Drew schläft an diesem Tag mit einem Lächeln ein, auch wenn sich sein letzter Wunsch nicht erfüllt hatte. So, wie er es nie an seinen Geburtstagen tat. Er weiß überhaupt nicht, weshalb er noch hoffte, dass sein Dad ihn besuchen kam oder wenigstens einmal anrief, um ihm zu gratulieren. Doch dies blieb auch dieses Mal nur ein weiterer unerfüllter Wunsch.
*
Es war seltsam, auch diese Woche keine Therapie zu haben, weil Frau Silverstone immer noch krankgeschrieben war. Niemand hätte gedacht, dass sie dieser Zusammenbruch von Edda so mitnehmen würde. Maciek beschloss an diesem Tag, nachdem die Jungen abgesagt hatten, weil Bo zum Boxkampf wollte und Zak ihn begleitete, Drew seine Schwester besuchte und Arlo eine Nachsorgeuntersuchung hatte, Edda im Krankenhaus zu besuchen. Er ist sich sicher, dass sie dies nicht toll finden würde, er es aber trotzdem tun würde, weil jeder sich im Krankenhaus über Besuch freuen würde. Immerhin ist es dort stinklangweilig und er hatte gehört, dass das Essen in dem Krankenhaus nicht besonders gut schmecken sollte, was bei jemandem, der sowieso Probleme mit dem Essen hatte, nicht besonders förderlich war.
„Liegt eine Edda in diesem Krankenhaus?", fragt Maciek den Sekretär des Krankenhauses.
„Nachname?", fragt dieser gelangweilt und mit einem leicht genervten Unterton in der Stimme. Er hatte sicherlich viel zu tun und keine Zeit für Maciek.
„Den weiß ich leider nicht", erwidert er.
„Dann kann ich dir leider nicht-", will der Mann gerade antworten, als Maciek Frau Silverstone entdeckt.
„Was machen sie denn hier?", fragt Maciek sie.
„Geht es Ihnen besser?", schiebt er gleich noch an den Satz heran.
„Maciek.. Das gleiche könnte ich dich fragen. Wieso bist du nicht bei der Therapie?", fragt sie. Sie muss wirklich durch den Wind sein, wenn sie ihn dies fragt. Sie war doch seine Therapeutin. Ihr scheint es sehr schlecht zu gehen, also beschloss er gerade heraus nach Edda zu fragen.
„Wissen sie Eddas Nachnamen?", fragt er sie.
„Was?", fragt sie verdutzt.
„Der Mann dort", er zeigt auf den Mann am Tisch. „der kann mir ohne ihren Nachnamen nicht sagen, wo sie liegt", beendet er seinen Satz.
„Ich denke nicht, dass sie nicht will, dass du sie besuchst", erklärt Frau Silverstone ihm nun.
„Aber.."
„Du solltest nach Hause gehen"
„Ich möchte Edda doch so gerne sehen. Ich verstehe nicht, weshalb ich sie nicht sehen darf"
„Es könnte ein Trigger für dich sein", erklärt sie ihm. Seufzend verschwindet Maciek aus dem Krankenhaus, weil sie in gewisser Weise Recht hat. Der Zustand von Edda könnte einen Trigger darstellen. Als er gerade aus dem Krankenhaus geht, kommt ihm allerdings eine Idee. Er will zumindest wissen, wie es ihr geht. Er betritt das Krankenhaus wieder und schlendert Frau Silverstone hinterher, die ihn zu Edda führt.
„Fuck", entfährt es ihm, als er sie sieht. Sie hatte noch nie so schlecht ausgesehen, wie in diesem Moment und nun verstand Maciek, weshalb Edda und auch Frau Silverstone meinten, dass Edda niemanden sehen will.
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