15
Ein paar Tage später hat Bo sein Boxtraining, und dieses braucht er in diesen Momenten wirklich sehr. Er ist gerade dabei, seine Sachen zusammen zu räumen, als Zak ins Zimmer hinein stürmt.
„Fuck. Fuck. Fuck" , sagt er.
„Was ist los, Zak?", fragt Bo ihn. Die beiden hatten sich nach dem Streit relativ schnell wieder vertragen. Es war ein bisschen, wie ein Geschwisterkind zu haben. Man konnte Bo nicht lange böse sein.
„Ich..Ich", stottert Zak vor sich hin und bekommt nicht richtig Luft.
„Hey, alles ist gut", sagt Bo und setzt sich zu Zak auf den Boden, der sich den Kopf rauft.
„Was ist passiert?"
„Da..Da war ein Mann", atmet Zak aus.
„Er sah aus, wie mein Vater"
„Hey. Es ist alles gut. Du bist nun in Sicherheit. Dein Vater kann dir nichts mehr tun, okay? Du bist sicher, hier bei mir. Ich beschütze dich. Und dieser Mann war nicht dein Vater, das kann ich dir versprechen", versichert Bo ihm.
„Fühlst du dich sicherer, wenn du dich verteidigen kannst?", fragt Bo, als er einen Moment überlegt, wie er seinem Freund am besten helfen könne. Zak nickt schwach.
„Ich muss jetzt zum Boxtraining. Willst du mitkommen? Ich kann dir ein paar Sachen zeigen, vielleicht fühlst du dich dann sicherer", lächelt Bo ihn an und streicht ihm leicht über die Schulter. Anders als bei anderen, beruhigten Bos Berührungen ihn irgendwie. Zak nickt wieder leicht und nachdem er noch etwas getrunken hatte, zogen die beiden sich um und fuhren mit dem Bus zur Halle, in der Bo jede Woche zweimal boxte.
„Das ist mein Trainer", stellt er Zak seinen Trainer vor. Zak gibt ihm die Hand, doch er bekommt wieder Schweißausbrüche, da er ein großer, starker Mann ist. Wahrscheinlich noch viel stärker, als sein Vater, denn er ist Boxtrainer.
„Ich bin", will Zak antworten, aber er schafft es nicht. Er hat zu viel Angst.
„Hey, ist alles okay?", fragt Bo, doch Zak schüttelt den Kopf.
„Tut mir Leid", sagt er zu seinem Trainer und setzt sich mit Zak in eine der Umkleidekabinen, wo niemand sie sehen kann.
„Was ist los?", fragt Bo.
„Ich, er", stottert Zak.
„Ich habe Angst vor deinem Trainer", erklärt Zak.
„Wieso das denn? Zacharias ist der liebste Mann, den ich kenne. Auch wenn er nicht so aussieht", lacht Bo. Zak fängt wieder viel zu schnell zu atmen an.
„Ich weiß, dass es bescheuert ist. Ich kenne ihn nicht einmal", erwidert Zak.
„Ich kann verstehen, bei dem was du erlebt hast, dass du Angst hast. Andere haben auch ohne Grund Angst vor ihm", bestärkt Bo seinen Freund.
„Aber er wird dir nichts tun. Ich bin da, okay?", sagt Bo und nimmt Zaks Hand kurz, um sie zu drücken und danach schnell wieder loszulassen.
„Zacharias kann dir sehr viele Sachen zeigen, die dich sicher fühlen lassen. Aber ich kann das auch machen, wenn du dich dann wohler fühlst. Dann sage ich ihm das. Okay?", fragt er und Zak nickt, bleibt aber auf der Bank sitzen, während Bo zu seinem Trainer geht und ihm die gröbsten Einzelheiten erklärt. Zacharias versteht es und lässt die beiden alleine, er geht sogar in einen anderen Raum, um Zak nicht zu verunsichern.
Nachdem Zak und Bo sich die Boxhandschuhe angezogen haben, steigen sie in den Ring und Zak soll zeigen, was er bisher kann. Bei ihm sieht es allerdings eher wie ein wildes Rumgezappel aus, als Boxen und Bo muss nach einer Weile laut loslachen, weil er es nicht mehr unterdrücken kann. Er entschuldigt sich aber sofort wieder und zeigt Zak, wie es richtig funktioniert. Nach ein paar Stunden stehen die beide im Ring gegenüber und kämpfen leicht gegeneinander, denn Zak ist in den paar Stunden schon um einiges besser geworden. Schließlich haben die beiden jedoch keine Kraft und keine Lust mehr und gehen sich umziehen. Sie ziehen ihre verschwitzen Sachen aus, um sich ihre Straßenklamotten überzuziehen.
„Und, wie findest du das Training?", fragt Bo, als er sich gerade die Jogginghose auszieht.
„Es hat Spaß gemacht", lächelt Zak, während er sich sein neues Shirt über den Kopf zieht. Bo kann nicht anders, als auf Zaks Oberkörper zu starren, der vor ein paar Wochen noch von blauen Flecken übersäht war.
„Willst du bald mal wieder mitkommen?", fragt Bo ihn, als er seinen Blick losreißen kann.
„Super gerne", lächelt Zak.
*
„Scarlett, was machst du denn hier?", fragt Arlo glücklich, als er seine Freundin vor seiner Tür stehen sieht.
„Warte kurz", sagt er und holt sich seine Kappe, um sie aufzusetzen. Es ist ihm immer noch unangenehm, keine Haare auf dem Kopf zu haben.
„Darf ich reinkommen?", sagt sie.
„Ja, natürlich. Wollen wir in mein Zimmer gehen?", fragt er. Sie nickt und zieht sich ihre roten Converse aus. Darunter hat sie gestreifte Socken an. Sie stellt sie neben Arlos blauen Schuhen ab.
„Du kannst die Mütze jetzt absetzen. Ich liebe dich, ob mit oder ohne Haaren", sagt sie und streift ihm die Kappe vom Kopf, um ihn daraufhin zu küssen.
„Ich will aber nicht, dass du mich so siehst", nuschelt er in den Kuss hinein. Vielleicht war es wirklich besser, dass die beiden sich für eine Weile getrennt hatten, denn so musste Scarlett den Anblick nicht ertragen, wie Arlo kotzend im Krankenhausbett lag und es ihm immer schlechter ging.
„Ich finde dich wunderschön", erwidert sie und küsst ihn noch einmal. Jetzt schlenderten die beiden küssend zu seinem Bett. Arlo streicht ihr eine blonde Strähne hinter ihr Ohr.
„Du bist wunderschön, Scarlett. Schau dich doch einmal an, im Gegensatz zu mir. Was bin ich geworden?", fragt er traurig. Seine braunen Augen schauten traurig in die ihren. Er setz sich die Kappe demonstrativ wieder auf.
„Wollen wir einen Film schauen?", fragt sie.
„Ja, gerne", sagt er lächelnd.
„Welchen?"
„Such du deinen aus"
„Aber ich muss bald los, zur Therapie", sagt er. Sie wusste schon lange davon, denn sie hatte es von Anfang an mitbekommen. Sie waren zuvor beste Freunde gewesen und hatten sich alles erzählt. Somit war es umso verständlicher, ihr auch dies zu erzählen, als sie zusammen waren und er Krens ausbrach. Arlo wollte keine Geheimnisse in ihrer Beziehung.
„Ich will dich bald mal meinen Freunden vorstellen. Die aus der Therapie", lächelt er und sie nickt, auch lächelnd
*
„Maciek, du musst los.", ruft sein Vater nach oben. Maciek kann ihn allerdings nicht hören, denn er ist mit seinem neuen Musikinstrument beschäftigt, welches er sich von seinem ersparten gekauft hatte. Sein Vater kommt schließlich die Treppen hinauf, weil er es aufgegeben hatte, seinen Sohn zu rufen, doch nun ist es ihm sehr wichtig, dass Maciek keinen seiner Termine beim Therapeuten verpasste, wo er wusste, wie schlecht es seinem Sohn eigentlich ging. Er klopft an die Tür, doch es antwortete nun auch niemand. Schließlich öffnet sein Vater die Tür einfach und sieht seinen Sohn mitten im Zimmer mit einer kleinen Ukulele sitzen und muss lachen. Dieses Bild passt überhaupt nicht zusammen. Maciek, sein Sohn, der total trainiert war, wegen des Schwimmens und auch ziemlich groß sitzt mit einer kleinen Ukulele in seinen großen Händen im Zimmer und zupft daran.
„Du musst los. Du kommst zu spät", unterbricht sein Vater ihn. Maciek zuckt zusammen.
„Oh, Fuck. Dad, du hast mich erschrocken", lacht er. Das Verhältnis hatte sich, seitdem Maciek immer die Wahrheit sagte, enorm verbessert.
„Ich rufe dich seit fünf Minuten, aber wie ich sehe, bist zu sehr beschäftigt", lacht sein Vater.
„Oh. Ich habe dich nicht gehört. Sorry. Wie spät ist es denn?", fragt er.
„Gleich drei", sagt er.
„Fuck.", ist das einzige, was Maciek noch sagt, bevor er die Ukulele auf seinem Zimmerboden zurücklässt und sein Fahrrad aus dem Schuppen kramt. Den Bus würde er nicht mehr bekommen und er fährt gerne Fahrrad. In seinen schlimmsten Zeiten der Bulimie ist er überall mit dem Fahrrad hingefahren oder gelaufen. Egal, wie weit es entfernt war. Er wäre damit zum Mond gefahren.
„Tut mir Leid, dass ich zu spät bin", sagt er atemlos, als er in den Therapieraum stürmt und sich auf einen der Plätze fallen lässt. Danach leert er seine Wasserflasche in einem Zug.
„Was ist passiert?", fragt Bo sofort.
„Ich war ein wenig vertieft und habe die Zeit vergessen", grinst Maciek.
„Du bist nur fünf Minuten zu spät", sagt Zak, als er auf die Uhr schaut, die im Raum hinter ihm an der Wand hängt.
„Ich bin auch mit dem Fahrrad gefahren", erzählt Maciek. „Damit ich noch einigermaßen pünktlich komme. Ich weiß, wie sehr Frau Silverstone es hasst, wenn man zu spät kommt"
„Darf ich die auffüllen gehen?", fragt er und bevor er eine Antwort erhält, verlässt er den Raum schon wieder, um ins Badezimmer zu gehen.
„Wie geht es dir den ansonsten so?", fragt Frau Silverstone, als Maciek den Raum erneut betritt.
„Super. Das Verhältnis zu meinem Vater hat sich, seitdem ich nicht mehr schwimme wirklich sehr verbessert. Es ist ihm sehr wichtig, dass ich zur Therapie gehe. Wenn er nicht gewesen wäre, wäre ich heute wahrscheinlich gar nicht gekommen, einfach weil ich es vergessen hätte. Und ich glaube, ich will Musik machen.", erzählt er begeistert.
„Das freut mich wirklich sehr, dass zu hören", lächelt Frau Silverstone ihn an und macht schon wieder irgendwelche Notizen auf ihrem Block.
„Meine Schwester kommt mich nächste Woche besuche. Wollt ihr sie kennen lernen?", fragt Drew grinsend, als alles still wird.
„Ja, bringe sie unbedingt mit", antwortet Zak.
„Ja, wir würden Auryn super gerne kennen lernen. Bash kennen wir ja schon", antwortet Arlo mit einem zwinkern.
„Cool. Ich schreibe euch noch einmal, wann und wo", erklärt Drew.
„Darf ich Scarlett mitbringen? Ich habe ihr erzählt, dass ich sie euch gerne einmal vorstellen würde und letztes Mal hat das ja nicht geklappt. Vielleicht könnte ich sie mitbringen", schlägt Arlo vor.
„Soll ich mein Kinder aus dem Heim vielleicht auch noch mitbringen?", fragt Bo genervt.
„Er will uns Auryn vorstellen und du kommst gleich wieder mit deiner blöden Freundin", erklärt er.
„Oh, tut mir leid. Ich kann auch alleine kommen"
„Es ist völlig in Ordnung, wenn du deine Freundin mitbringst. Ist doch schön, wenn wir beide kenne lernen können", erklärt Zak und Drew stimmt ihm zu.
Nachdem die Therapiestunde zu Ende geht, nimmt Drew die anderen Jungs, bis auf Maciek mit, da Macieks Fahrrad nicht in sein Auto passt, weil Drew danach zu seinem besten Freund wollte, war er heute mit dem Auto gekommen und hat auf dem Parkplatz der Praxis geparkt. Er ist sich zwar immer noch nicht ganz sicher, ob er das durfte und hofft nun, keinen Strafzettel kassiert zu haben.
Maciek ist gerade dabei, sein Fahrrad aufzuschließen, um sich auch auf den nach Hause weg zu machen, als er Edda entdeckt, die auf die Klinik zuläuft.
„Hey, Edda", ruft er ihr zu, doch sie scheint ihn nicht zu hören, denn sie dreht sich nicht um. Dann läuft er los. Durch die jahrelange Übung ist Maciek ein sehr schneller Läufer und ist in Sekunden bei Edda angekommen.
„Hey, Edda", sagt er noch einmal. Nun ist sie gezwungen mit ihm zu reden, denn nun kann sie ihn nicht weiter ignorieren.
„Was willst du von mir?" Sie schaut ihm genau in seine dunkelblauen Augen. Sie fasziniert ihn aus irgendeinem Grund, denn er nicht zuordnen kann.
„Ich wollte fragen, wie es dir geht", sagt er lächelnd, jedoch unsicher und beißt wieder auf seinen Lippen herum.
„Super. Ciao", sagt sie und will sich schon wieder fort bewegen. Doch da sieht sie, wie jemand an seinem Fahrrad zu Gange ist.
„Ich glaube, da klaut gerade jemand dein Fahrrad", sagt sie seelenruhig. Er dreht sich erschrocken um und sieht tatsächlich jemanden, der sein Fahrrad stiehlt und es nun in ein Auto verfrachtet. Er sprintet sofort los, um den Dieb aufzuhalten, doch gegen ein Auto hat er keine Chance, was er schon nach ein paar Metern merkt.
„Fuck. Fuck. Fuck. Meine Eltern werden mich umbringen", sagt er vor sich hin und läuft schließlich zur Praxis zurück, doch Edda ist nicht mehr da. Er geht wieder in das Gebäude hinein. Er würde mit dem Bus fahren, aber er hat kein Geld dabei, weil er in der Eile nicht daran gedacht hat, dass jemand sein Fahrrad stehlen würde. Er geht zum Parkplatz, doch die Jungs sind schon weg. Schließlich geht er in die Praxis und setzt sich in den Warteraum.
„Fuck", sagt er immer wieder vor sich hin, bis nach neunzig Minuten Edda aus dem Raum hinauskommt.
„Was willst du?", fragt sie.
„Kannst du mich nach Hause fahren?", fragt er.
„Woher weißt du-?", beginnt sie den Satz, beendet ihn allerdings nicht.
„Wieso hast du nicht deine Jungs angerufen?", fragt sie.
„Die waren gerade weg und ich habe kein Busgeld dabei. Bitte", fleht er sie an.
„Dir scheint ja niemand anderes zu helfen. Warte kurz, ich komme gleich wieder und dann fahre ich dich Baby nach Hause.", erklärt sie und verschwindet noch einmal im Raum, um danach wieder hinauszukommen und Maciek zuzunicken.
„Geht klar. Ich fahre dich nach Hause", sagt sie und nimmt ihn mit, zu ihrem Auto.
„Aber sei still, was meinen Fahrstil angeht. Du hast nicht mal einen Führerschein", sagt sie, als die beiden im Auto sitzen und ausparken.
„Aber ich finde, du fährst gut", erwidert er.
„Sei einfach still. Ich fahre dich nur nach Hause, okay? Das hier hat nichts zu bedeuten", erklärt sie ihm. Nach einer Weile Fahrt entdeckt er die CDs, die in ihrem Auto liegen und schaut sie sich an.
„Wow. Cool. Du hast einen guten Musikgeschmack", sagt er, als er die letzte CD auch unter die Lupe genommen hat.
„Danke. Wo muss ich hier abbiegen, um zu dir zu kommen?", fragt sie.
„Rechts"
„Wir sind da"
„Sehe ich auch", lacht er. „Danke", bedankt er sich und verschwindet schließlich im Haus. Er dreht sich noch einmal um, um sie zu sehen, doch da ist sie schon wieder verschwunden. Maciek dreht sich seufzend wieder um, öffnet die Tür um schließlich darin zu verschwinden. Nun geht Edda ihm erst recht nicht mehr aus dem Kopf.
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