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„Hey, hattest du noch einen Alptraum?", fragt Bo Zak, als er wieder kommt und ihn um sich wühlen sieht. Er weckt ihn nicht auf, doch sobald Bo ihm näher kommt, wird Zak wieder ruhiger. Dann legt er das kleine Ei, welches Zak mit Cooper gemeint hat, in seine Arme und geht in sein eigenes Bett zurück. Kurz darauf fällt Zak in einen ruhigen Schlaf. Die anderen Sachen, die Bo aus Zaks Zimmer mitgenommen hat, hatte er in den Koffer getan, der in Zaks Zimmer stand und sie nun neben sein Bett gestellt, bevor auch er in einen tiefen, traumlosen Schlaf verfällt. Das Zimmerfenster von Zak war zum Glück offen gewesen, weshalb sich Bo unbemerkt hinein und auch wieder heraus schleichen konnte.

Am nächsten Morgen wacht Zak mit Cooper in den Armen auf und schaut zu Bos Bett rüber. Er dachte, er hätte dies bloß geträumt, doch Cooper war nun wirklich bei ihm. Es ist wahr und Bo schläft noch tief und fest. Als Zak aufsteht und ins Bad will, stolpert er über den Koffer, der neben seinem Bett liegt und realisiert eine kurze Zeit später, dass das sein Koffer ist, aus seinem alten Zimmer. Anders als gedacht, freut sich Zak nicht, sondern wird wütend. Er stampft zu Bos Bett hinüber und reißt ihn aus dem Schlaf.

„Was hast du dir dabei gedacht, bei mir Zuhause einzubrechen und meine Sachen zu klauen?", fragt er wütend und laut. Viel lauter, als er eigentlich redet.

„Was?", fragt Bo noch völlig verschlafen.

„Ich sagte, was hast du dir dabei gedacht bei mir Zuhause einzubrechen und meine Sachen zu klauen?", fragt er noch einmal wütend.

„Ich, es tut mir Leid. Ich dachte, du- du freust dich", stottert Bo und setzt sich nun, nur in Boxershorts bekleidet auf. Er zieht die Bettdecke über seinen Oberkörper, der auch mit Sommersprossen, genau wie sein Gesicht, bedeckt ist. Im Zimmer ist es kalt, da Zak das Fenster geöffnet hatte, nachdem er aufgestanden war.

„Du bist bei mir Zuhause eingebrochen. Wie sollte das mich, verdammte Scheiße, freuen?"

„Ich dachte, du hattest solche Alpträume. Ich dachte, wenn ich deine Sachen hole, dann kannst du mit der Sache abschließen", erklärt er sich.

„Ich werde niemals mit der Sache abschließen können!", schreit er Bo an und verschwindet schließlich aus dem Zimmer, weil er alleine sein will.

Zak versucht seinem neuen Freund aus dem Weg zu gehen, denn er hat ihn wirklich sehr verletzt und Zak mag solche Konfrontationen einfach nicht, er mochte sie noch nie. Bo versucht sich in der Woche ein paar Mal bei Zak zu entschuldigen, doch meistens trifft er ihn noch nicht einmal an. Es scheint, als würde Zak teilweise vom Erdboden verschluckt sein.

Schließlich treffen die beiden sich, bevor sie zur nächsten Gruppentherapie müssen im Zimmer und Bo versucht es noch einmal.

„Zak, können wir reden?", fragt er. Keine Antwort.

„Zak, bitte. Ich möchte nicht mit dir zerstritten sein. Und ich möchte auch nicht, dass die anderen es mitbekommen, wenn ich ehrlich bin" Er ist ehrlich, doch Zak sieht all dies in dem Moment nicht, denn er dreht sich abrupt um und macht Bo an.

„Achso, du willst also nicht, dass die anderen mitbekommen, was für ein Arschloch du bist? Du willst deinen Fehler nicht einsehen? Die anderen sollen sehen, was für ein scheiß Freund du bist!", schreit er Bo an und läuft dann erneut aus dem Zimmer. Genau aus diesem Grund wollte er die Konfrontation vermeiden.

Er schließt sich im Bad ein und lehnt sich dagegen, eine Träne fließt über seine Wange und er rutscht langsam an der Wand herunter. Bo rennt ihm, dieses eine Mal, hinterher.

„Zak, es tut mir wirklich sehr Leid. Ich habe einen Fehler gemacht und das weiß ich. Du kannst es der ganzen Welt erzählen, wenn du willst. Aber ich möchte mich mit dir vertragen. Ich bin ein verdammter Idiot, aber ich habe wirklich keinen Bock mich mit dir zu streiten. Lass uns vertragen und gemeinsam zur Therapie fahren. Ich wollte dich nicht verletzen, ich dachte, wenn ich dir Cooper besorge, kannst du wieder fröhlich sein. Ich wusste nicht, wie sehr es dich schmerzt", erklärt Bo sich. Danach passiert eine Weile lang nichts, alles ist still. Bo bleibt vor der Tür, in der sich Zak eingeschlossen hat stehen, bis ein anderer Junge ebenfalls auf die Toilette kommt.

„Hier gibt's nichts zu sehen. Verpiss dich, Arschloch", pafft Bo ihn an. Der Junge ist deutlich jünger, als die beiden und schaut Bo ängstlich ins Gesicht.

„Na mach schon. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit. Geh unten auf die Toilette, oder mach dir in die Hose. Ist mir auch Recht", grummelt Bo vor sich hin. Der Junge dreht sich um und geht langsam zur Tür, die er öffnet und schließlich um sein Leben rennt. Kurz darauf öffnet Zak die Tür, um aus dem Klo hinauszukommen und Bo zu umarmen.

„Es tut mir wirklich sehr Leid. Ich war nur einfach so..so" , versucht er sich zu erklären.

„verletzt?", fragt Bo. Zak nickt.

„Lass und gemeinsam losfahren. Wir sind spät dran"

Die beiden kommen in den Warteraum, in dem niemand mehr sitzt.

„Fuck. Wie sollen wir den anderen erklären, dass wir beide viel zu spät sind?", fragt Zak nun Bo.

„Wir sagen einfach, dass wir zusammen gefahren sind. Haben die anderen doch letzte Woche auch gemacht"

„Aber, wir sind über zwanzig Minuten zu spät. Wie erklären wir ihnen das?", fragt Zak erneut.

„Uns wird schon etwas einfallen.", sagt Bo und drückt die Klinke des Raumes herunter, um ihn zu betreten.

„Spinnst du? Ich kann nicht lü-" Doch es ist schon zu spät und Bo hat, einfach so, den Raum betreten ohne irgend einen gescheiten Plan zu haben, die ganze Situation zu erklären.

„Da seid ihr ja endlich. Wir dachten schon, ihr kommt heute nicht mehr", sagt Frau Silverstone, die die Situation schon einige Male erlebt hat. Jedes Mal, wenn Bo rückfällig geworden ist.

„Ich bin froh, dass ihr doch noch gekommen seid. Auch wenn unsere Zeit bald schon wieder vorbei ist. Ihr seid fast 30 Minuten zu spät", erklärt sie.

„Sehe ich selbst auch", giftet Bo zurück.

„Warum seid ihr zu spät?"

„Stau"

„Unfall", sagen die beiden gleichzeitig.

„Ein Stau wegen eines Unfalles", ergänzt Zak schnell. Dabei drückt er sich die Fingernägel wieder in die Handinnenflächen, sodass man erkennen kann, dass er nervös ist und daraus schließen kann, dass er lügt. Doch niemand fragt.

„Wo waren wir denn stehen geblieben?", fragt Frau Silverstone die anderen drei Jungen, die brav seit am Anfang der Stunde auf ihren Plätzen saßen.

„Ich habe von meiner Schwester erzählt", grinst Drew.

„Soll ich es euch auch noch einmal erzählen?", fragt er, immer noch grinsend. Die beiden nicken, aber aus verschiedenen Gründen. Bo will abgelenkt werden. Zak interessiert es wirklich. Er sieht das breite Grinsen in Drews Gesicht und wünscht sich auf einmal wieder ein Geschwisterkind. Wenn er ein Geschwisterkind hätte, egal ob ein Mädchen und ein Junge, könnten sie nun füreinander da sein. Er will erfahren, wer Drew dieses Lächeln gibt.

„Meine Schwester heißt Auryn. Wunderschöner Name, oder?" , fragt er. Bo und Zak nicken. Zak findet den Namen wirklich schön, doch Bo ist völlig in Gedanken versunken und hört Drew schon gar nicht mehr richtig zu, denn er kann sich nicht darauf konzentrieren. In seinem Kopf tobt ein Wirbelsturm voller Gedanken.

„Auryn. Sie geht aufs College und ich vermisse sie wirklich sehr. Wir haben ein sehr enges Verhältnis und telefonieren so gut, wie jeden Tag. Ich liebe sie wirklich sehr. Sie ist einfach immer für mich da und hat mich immer unterstützt, egal bei was. Eine bessere Schwester hätte ich mir wirklich nicht vorstellen können", schwärmt er nur so dahin.

„Habt ihr Geschwister?", fragt er in die Runde.

„Ich habe keine Geschwister. Manchmal denke ich, dass es gut ist, denn so haben sie diesen Druck nicht, denn ich habe. Aber manchmal, da wünsche ich mir einen Bruder, der mir ein bisschen von dem Druck nehmen kann. Aber vielleicht wäre auch alles schlimmer, denn man weiß nie, wie weit es meine Eltern getrieben hätten, wenn sie zwei Söhne getrieben hätten. Vermutlich zwei völlig psychisch kaputte Kinder" , lacht Maciek laut auf.

„Ich habe auch leider keine Geschwister, aber es hat seine Vorteile Einzelkind zu sein", zwinkert Arlo ihm zu.

„In gewisser Weise habe ich ganz viele Geschwister", lächelt Bo nun ein wenig. Das Lächeln ist jedoch in so schneller Zeit wieder verschwunden, als wäre es niemals auf seinem Gesicht erschienen.

„Wie meinst du das?", fragt Drew.

„Naja, die Kinder im Heim sind in gewisser Weise meine Geschwister. Zumindest meine Freunde dort sehe ich als meine Geschwister an", erklärt er, doch von seinem toten Bruder erwähnt er nichts. Der Schmerz sitzt noch zu tief, auch wenn schon so viele Jahre vergangen sind.

„Ich muss kurz auf die Toilette", sagt er schnell, um seine Tränen zurückzuhalten.

„Ihr wisst alle, dass ich keine Geschwister habe und ihr kennt meine Meinung dazu wahrscheinlich auch schon." Zaks blaue Augen starren in Drews grüne Augen. Schnell wendet er den Blick ab.

„Vielleicht kann ich meine Kamera das nächste Mal mitbringen. Da habe ich tausend wunderschöne Fotos von Auryn drauf. Vielleicht kann ich euch auch alle einmal fotografieren. Menschen zu fotografieren macht am meisten Spaß", lächelt Drew und geht schon wieder völlig auf.

Noch nie hat man Drew so gesprächig gesehen, wie heute. Das Gespräch nimmt seinem Lauf, während Bo draußen auf dem Klo in einer der Kabinen sitzt, auf dem Klo, den Deckel geschlossen. Seine Trauer ist in Wut umgeschlagen und er steht auf, raus aus der Kabine und läuft immer wieder nach rechts und dann wieder nach links. Bis er schließlich anfängt zu schreien und gegen die Wand zu boxen, immer und immer wieder. So lange, bis seine Hände anfangen zu bluten. Kurz darauf sinkt er auf den Boden und die Wut wandelt sich wieder in Traurigkeit um. Er legt sich in Embryostellung auf den Boden, doch lange kann er nicht so liegen bleiben, denn die anderen scheinen seine Schreie gehört zu haben. Frau Silverstone und auch Zak tauchen in dem Raum auf. Die anderen stehen dahinter.

„Ich kümmere mich um ihn. Geht wieder in den Raum zurück", erklärt sie.

„Ich möchte aber bei ihm bleiben", sagt Zak leise, sodass man es kaum hört, doch Bo nimmt es wahr und streckt seine Hand aus, sodass Zak sie drücken kann. Dann macht er eine Kopfbewegung Richtung Tür, was wohl andeuten soll, dass die Jungs draußen warten sollen.

„Dieses Badezimmer ist wohl verflucht", sagt Frau Silverstone, als sie mit Bo redet und ihn erst einmal aufsetzt, sodass er sie anschauen kann.

„Ist alles okay, Bo?"

„Soll ich einen Krankenwagen rufen?

„Das muss auf jeden Fall verarztet werden"

„Ich glaube, wir sollten noch einen Termin diese Woche vereinbaren. Einen Einzeltermin, zu deinem anderen dazu"

„Hast du wieder...?" sind die Wortfetzen, die Bo aufschnappt. Seine Gedanken umkreisen seinen Kopf viel zu sehr. Er kann sich nicht auf die Worte konzentrieren, die Frau Silverstone spricht. Dann ist plötzlich alles still.

„Ist alles okay?", hört er noch einmal ihre Stimme. Er nickt leicht. Er will nicht, dass die anderen Jungen ihn so am Boden sehen. Vor allem nicht Zak.

„Hattest du einen Rückfall?", fragt sie noch einmal.

Bo schaut sie schuldbewusst an. Seine hellbraunen Augen funkeln, da sie Sonne durch das winzige Fenster auf sein Gesicht voller Sommersprossen scheint. Er wirkt in diesem Moment so zerbrechlich, wie Porzellan.

Die Zeit ist um, das Gespräch wird unterbrochen und sie einigen sich darauf, alle gemeinsam Bo nach Hause zu bringen, auch wenn dieser dies ungern will. Niemand kann ihm dazwischen reden. Zak will es alleine machen, doch sie halten ihn für zu instabil, wegen dem Verfahren. Er hätte nichts von den Alpträumen erzählen sollen.

„Hier wohnst du?", fragen die Jungen, als sie mit Bo das Kinderheim betreten.

„Hey Zak, Hey Bo", ruft eines der Kinder, die auf dem Spielplatz vor dem Heim spielen, und auch im Heim wohnen, als die beiden heim kommen.

„Woher kennt das Mädchen dich?", fragt Arlo.

Fuck. Ich kann nicht lügen, denkt Zak sich.

„Er war schon öfter mal zu Besuch", antwortet Bo für Zak.

„Oh"

Sie kommen auf der Etage an, auf der Zaks und Bos Zimmer ist. Bo bleibt vor der Tür stehen.

„So ihr könnt mich jetzt alleine lassen", sagt er lächelnd. Er will auf keinen Fall, dass sie sein Zimmer betreten.

„Wir wollen aber dein Zimmer sehen!" johlen die anderen Jungen.

„Es ist aber total unordentlich. Ich zeige es euch ein anderes Mal", versucht er sich heraus zu reden. In Wahrheit ist Bo total ordentlich und es herrscht keine Unordnung.

„Ach, die Unordnung ist uns doch scheiß egal. In meinem Zimmer sieht's wahrscheinlich nicht besser aus. Stört mich also nicht", sagt Maciek.

„Meins sieht wahrscheinlich noch schlimmer aus", lacht Arlo.

„Mir ist es auch scheiß egal", erwidert Drew.

„Ich bin das reinste Schwein, wenn es um mein Zimmer geht", lacht er.

„Willst du sein Zimmer gar nicht sehen?", fragt Maciek Zak aufgeregt.

„Ich wohne doch jetzt selbst in einem Heim. Ist also nicht so besonders für mich. Außerdem kenne ich es doch schon. Ich war doch schon ein paar Mal hier", sagt Zak unsicher. Er drückt wieder seine Finger in die Handflächen, dieses Mal wirklich Doll und die schon entstandenen Einkerbungen werden tiefer.

Bo drückt langsam die Klinke herunter, um den Moment wenigstens noch um zwei Sekunden zu verzögern.

„Es gibt Abendessen!", schreit eine Betreuerin durch den Flur. Bos und Zaks Rettung.

„Da muss ich wirklich hin. Ich darf nicht wieder zu spät kommen", sagt Bo.

„Ach, komm. Lass und wenigstens einmal herein schauen", versucht es Drew erneut.

„Nein. Ich muss wirklich los und ihr müsst wirklich gehen. Die dürfen euch auch gar nicht sehen. Ich bekomme sonst noch Ärger", sagt er und verscheucht seine Freunde. Er bringt sie noch nach draußen und verabschiedet sich hastig bei ihnen. Bo und Zak laufen nebeneinander.

„Was soll ich jetzt machen? Ich kann nicht mit ihnen mitgehen. Ich muss auch zum Abendessen. Du weißt, wie viel Ärger es sonst gibt. Und ich bekomme sonst wieder heute Nacht Hunger. Was soll ich machen? Bo, verdammt", flüstert Zak panisch, als sie dem Ausgang immer näher kommen. Bo ist, wie immer, total entspannt und gibt die Standantwort, die er immer gibt.

„Uns wird schon etwas einfallen"

Doch dann sind sie schon beim Ausgang angekommen.

„Zak, willst du nicht mitkommen? Wo ist eigentlich dein Kinderheim? Oder wohnst du auch hier?", fragt Arlo.

„Unsere Kinderheime sind in ständigem Kontakt. Sie fahren Zak gleich nach Hause. Deshalb ist es auch nicht schlimm, wenn er hier bleibt. Aber Kinder von Außerhalb sind nicht gerne gesehen. Also macht euch vom Acker. Wir müssen Abendessen gehen", ruft er ihnen noch nach.

„Verdammt Bo, du hast wir gesagt", bemerkt Zak es erst, als es schon zu spät ist, denn die anderen hatten es gehört.

„Es kann doch sein, dass du mitisst und sie dich dann nach Hause fahren. Falls sie fragen, werden wir es ihnen so erklären", sagt Bo und scheint zufrieden zu sein. Zak macht sich jedoch das ganze Abendessen über Gedanken und kriegt somit fast nichts runter.

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