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Mit gerunzelter Stirn betrachtete ich weiterhin das seltsame Schauspiel, was sich mir bot und meine Gedanken überschlugen sich beinahe. Warum war er hier in einer versteckten Seitengasse, statt beim Arzt oder zu Hause? Wenn er wirklich krank wäre, würde er doch im Bett oder auf dem Sofa liegen und nicht hier draußen herumspazieren, oder? Da hätte er doch auch in die Schule kommen können.. Warum also hatte er Max angelogen und somit eigentlich uns alle? Die Fragen wurden von Sekunde zu Sekunde immer mehr, doch eine Antwort darauf fand ich auch nicht.

"Du denkst dasselbe wie ich, oder?", fragte Zac nachdenklich und ich zuckte mit den Schultern.

"Irgendwie hat er uns ja angelogen..", erwiderte ich und er nickte zustimmend.

Alec gab nun der anderen Person einen freundschaftlichen Handschlag und verabschiedete sich so von ihm. Prüfend musterten seine Augen die Umgebung und blieben an Zacs Auto hängen. Besser gesagt an mir. Geradewegs blickte er mir in die Augen und ein fragender Ausdruck schlich sich auf mein Gesicht. Kurz sah es so aus, als würde er auf uns zukommen, doch dann wandte er sich rasch ab und ging in due entgegengesetzte Richtung. Verwirrt sah ich ihm nach und fragte mich, warum er einfach ging. Warum redete er nicht mit mir? Nicht einmal begrüßt hatte er mich..

"Fahr bitte nach Hause..", murmelte ich leise und lehnte meinen Kopf gegen die angenehm kühle Fensterscheibe. Zac kam meiner Bitte seufzend nach und wenige Zeit später betrat ich unsere kleine Wohnung, ließ mich auf die Couch fallen und vergrub mein Gesicht in den Händen.

"Halo?", fragte Zac leise und man konnte deutlich die Unsicherheit aus seiner Stimme hören. Wenn es so weiterging, war ich in Kürze ein einziges seelisches Wrack. Zum jetzigen Zeitpunkt hatte ich noch ein bisschen die Kraft um zu sagen: Nicht noch einmal. Doch was würde ich in ein paar Tagen sagen, sollte Mum immer noch nicht wieder da sein? Hätte ich dann immer noch genügend Kraft, um alles aufrecht zu erhalten? Oder würde ich innerlich zusammenbrechen.. Das Loch in meinen Inneren komplett wieder aufreißen und mich diesmal entgültig verschlingen? Ich wusste es nicht..

"Zac?", erwiderte ich ebenso leise und hob meinen Kopf leicht, hielt den Blick aber weiterhin nach unten gerichtet.
"Bitte gib nicht auf.. Ich brauche dich doch" Er klang verzweifelt und als ich einen Seitenblick zu ihm warf, bemerkte ich auch seinen fliehenden Blick. Daraufhin wendete ich meinen Kopf zu ihm und sah ihn schwach an. Halbherzig lächelte ich leicht.

"Ich kann das doch nicht steuern, Bruderherz", sagte ich leise und der Ausdruck in seinen Augen wurde immer verzweifelter.

"Tu mir das nicht an, bitte. Wir schaffen das schon irgendwie" Ja, vielleicht würden wir es schaffen. Vielleicht. Natürlich würde ich solange durchhalten und kämpfen, bis ich zusanmenbrach, doch wann der Zeitpunkt dafür gekommen war, würde man sehen. Seufzend wendete ich mich an meinen Bruder und lächelte leicht.

"So schnell geb ich nicht auf..", meinte ich dann und etwas Erleichterung blitzte in ihm auf.
"Gut.. Ach übrigens, heute Abend kommt Max hierher. Und er bringt Alec mit, was mir zwar nicht so ganz recht ist, aber Max hat ihm schon zugesagt. Ziemlich krank scheint er ja nicht zu sein, aber das wird er uns noch erklären müssen" Leicht nickte ich. Die Erklärung wollte ich auf jeden Fall hören. Irgendwie hatte ich trotzdem keine Lust, ihm heute zu begegnen, nachdem er mich vorhin einfach ignoriert hatte. Aber womöglich würde sich auch das heute Abend klären.

Die Türklingel schrillte laut durch unsere Wohnung und daraufhin stand Zac auf, um den Beiden die untere Haustür aufzumachen. Wenige Zeit spürte hörte ich von der Wohnungstür aus auch schon Max Stimme, die meinen Bruder überfreundlich begrüßte. Zu viel Enthusiasmus hatte dieser Kerl.. Manchmal fragte ich mich echt, wie Mia das mit ihm als festen Freund aushielt. Wenn er immer so gut drauf war und viel erzählte, konnte das doch richtig anstrengend werden. Was Liebe nicht alles mit einem Menschen anstellte.Selbst über die nervigen, negativen Seiten blickte man hinweg, wenn man auf der altbekannten Wolke 7 schwebte.

Alec hatte bis jetzt noch nichts gesagt oder er war doch nicht dabei. Da ich im Wohnzimmer saß, konnte ich das schwer beurteilen. Im nächsten Moment wurde das allerdings auch schon geklärt, da drei Jungs den Wohnbereich betraten. Schnell stand ich auf und umarmte Max zur Begrüßung. Da wir nahezu jede Pause in unserer kleinen Gruppe verbrachten, verstand ich mich auch mit ihm sehr gut und vertraute ihm. Kurz drückte er mich an sich und entließ mich dann auch schon aus der Umarmung.

Eigentlich wäre jetzt Alec mit der Begrüßung dran, doch statt ihn zu umarmen oder gar etwas zu sagen, warf ich ihm nur einen kurzen, missmutigen Blick zu. Seine Augen sahen geradewegs in meine, wollten den Blickkontakt halten - was sie auch beinahe schafften - doch da er ebenfalls nicht die Anstalten machte, irgendetwas zu sagen, übermannte mich die Enttäuschung und so wandte ich mich ab. Innerlich hatte ich wirklich gehofft, dass er den ersten Schritt machen würde und mir einfach erklären würde, dass das, was ich gesehen hatte, harmlos war.

Zac schien zu bemerken, dass wir einen kleinen Anstupser brauchten, denn schon im nächsten Moment zog er Max mit sich und verschwand mit ihm in seinen Zimmer, obwohl er Alec eigentlich nicht vertraute. Vielleicht wollte er, dass ich das mit ihm kläre, da er wusste, dass mir Alec etwas bedeutete. Meine Hände vergrub ich unsicher in den Taschen von meiner Jacke und so standen wir uns nun einige Momente lang schweigend gegenüber. Niemand sagte einen Ton, kein Mucks verließ meinen Mund. Dann allerdings atmete ich kurz tief durch und richtete meinen Blick fest in seine fesselnden günen Augen.

"Was war das heute früh, Alec? Und komm mir jetzt nicht damit, dass du mich nicht bemerkt hättest. Du hast mich hundertprozentig gesehen, so wie ich dich mit diesem komischen Typen. Wer war das überhaupt? Bist du in irgendwelche Schwierigkeiten verwickelt? Warum hast du uns alle angelogen? Du bist nicht krank, Alec. Also, was zum Teufel sollte das?" Nun sprudelten die Sätze und Fragen regelrecht aus mir heraus und vermutlich erschlug ich ihn regelrecht mit meiner Ansprache. Doch ich wollte Antworten und hoffentlich würde ich diese jetzt bekommen. Gespannt blickte ich zu ihm auf und hoffte inständig auf eine ausführliche Erklärung.

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