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Mit schnellen Schritten lief ich den Fußweg in vollkommener Dunkelheit entlang, lediglich die leicht flackernden Straßenlaternen warfen ein Licht auf die Straße vor mir. Ein unwohles Gefühl beschlich mich und ein kühler Schauer kroch meinen Rücken langsam nach oben. Unwillkürlich beschleunigte ich meinen Schritt um schneller nach Hause zu kommen, meinen Blick hielt ich nach oben gerichtet. Und genau aus diesem Grund bemerkte ich auch einen kleinen Briefumschlag, der zwischen einer Laterne und einem Mülleimer steckte.
Normalerweise wäre ich einfach weitergelaufen, es hatte mich schließlich nicht zu interessieren und ging mich nichts an. Normalerweise. Bis ich auf dem Papier meinen Namen erkannte, geschrieben in roter Schrift. Wenn ich meinem Instinkt trauen konnte, war es einer von den Zetteln. Den bestimmten Zetteln, verfasst von jemand Unbekanntem, dem es anscheinend gefiel, sein hässliches Spiel mit Zac und mir zu spielen.
Mit zittrigen Fingern streckte ich meinen Arm nach dem Brief aus und zog ihn aus dem Spalt, in dem er steckte, heraus. Vorsichtig öffnete ich ihn und wie es typisch war, standen nur ein paar Wörter darauf, die mir aber trotzdem Angst bereiteten.
Ganz alleine hier draußen. Angst?
Verdammt, woher wusste derjenige, dass ich hier war? Hektisch sah ich mich um, doch konnte niemanden entdecken. Die Panik in mir kam zum Vorschein, ließ mich Schritte hören und Schatten um mich herum sehen. Ängstlich knüllte ich den Zettel zusammen und so schnell sie konnten, trugen mich meine Beine den restlichen Weg nach Hause. Schnell keuchend stand ich vor der Haustür, kramte meinen Schlüssel hervor und dann trampelte ich die Treppen nach oben. Auch dort schloss ich auf und knallte die Tür hinter mir zu.
"Halo?!", erfüllte Zacs Stimme sofort die kleine Wohnung und schon kam er zu mir.
"Was denkst du dir bitte dabei? Ich hab mir Sorgen gemacht, verdammt. Es ist dunkel draußen, dir könnte sonst was passieren." In seiner Stimme schwang Wut und Besorgnis mit und nun konnte ich meine Tränen nicht länger zurückhalten.
"Nicht böse sein.. Bitte.. Bitte, sei nicht böse auf mich" Die Worte verließen meinen Mund zusammen mit einem ängstlichen Schluchzen und sofort war er bei mir. Seine Hand legte er auf meinen Hinterkopf, mit dem anderen Arm umschlang er meinen Körper und so drückte er mich an sich.
"Ich bin nicht böse, ich hab mir nur Sorgen gemacht. Ist etwas passiert?", fragte er leise und ich hielt ihm nur den Zettel hin, den er auffaltete und las.
"Es war toll bei Alec, wirklich. Er hat mir bessere Laune gemacht und wir haben gelacht. Und dann auf dem Weg nach Hause hab ich das gefunden. Was soll das denn immer? Ein bescheuertes Spiel, das da jemand mit uns spielt" Ich klang verzweifelt und genau so fühlte ich mich auch. Mein Gesicht vergrub ich an Zac, mein Atem ging stoßweise und ich versuchte mich zwanghaft zu beruhigen.
"Ich weiß es nicht.. Ich will auch, dass das aufhört. Es macht mich fertig", murmelte er und klang dabei so müde. Augenblicklich drückte ich ihn fest an mich.
"Du hast gesagt, wir stehen das durch. Und wir finden Mum. Aber wie sollen wir das anstellen?", fragte ich leise und sah zu ihm hoch.
"Um ehrlich zu sein, hab ich keine Ahnung", seufzte er und ließ den Kopf kraftlos nach unten hängen. In dem Moment sah er so fertig und gebrechlich aus, als würde er jeden Moment einen Nervenzusammenbruch erleiden. Als ich ihn genauer betrachtete, fielen mir nun auch die dunklen Schatten unter seinen Augen auf und in mir zog sich alles zusammen. So wollte ich ihn nicht sehen.
"Zac, seit wann hast du nicht mehr richtig geschlafen?", fragte ich ihn besorgt und erhielt nur ein desinteressiertes Schulterzucken
"Ich weiß wie du dich fühlst.. Aber bitte ruh dich etwas aus, ja?" Flehend sah ich ihn an und nach einem tiefen Seufzen nickte er schließlich langsam.
"Okay.. Wenn was ist, weck mich einfach", murmelte er und verschwand dann in seinem Zimmer. Erschöpft ließ ich mich auf unsere Couch fallen und mit einem Mal erfüllte mich so eine unglaubliche Leere. Abwesend starrte ich an die gänzlich weiße Wand und ließ meinen Gedanken freien Lauf. Die Zeit verging schnell, während ich so da saß und inzwischen hatte ich mich zusammengekauert, den Kopf in den Knien vergraben und angefangen, still vor mich hinzuweinen.
Nach einer Weile waren dann auch die Tränen versiegt und ungemeine Kopfschmerzen plagten mich. Kurz kniff ich die Augen zusammen und versuchte mich zu entspannen, doch es half nichts. Die dröhnenden Schmerzen in meinem Kopf blieben. Seufzend erhob ich mich und schlurfte müde ins Bad. Nachdem ich dann auch die Tablette eingenommen hatte, kuschelte ich mich in mein Bett, doch konnte einfach nicht einschlafen. Zu viele Gedanken plagten mich und ließen mich unruhig werden.
Der einzige gute Gedanke, der mich ein wenig aufheiterte, war - warum auch immer - dass ich Alec morgen wiedersehen würde. Automatisch schlug mein Herz ein bisschen schneller, als ich an den heutigen Tag dachte. Im Moment war er so etwas wie ein Licht in dieser angsteinflößenden Dunkelheit. Zwischen all den Ängsten, schlimmen Gedanken und Situationen, schaffte er es, mir ein wenig Hoffnung zu schenken und ab und zu ein kleines Lächeln aus mir herauszulocken. Die paar Stunden mit ihm waren unglaublich schön, sodass ich sogar die Zeit vergessen hatte.
Mein letzter Gedanke galt ihm und seinen eindrucksvollen, grünen Augen, dann versank ich im Land der Träume.
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"Was haltet ihr davon, wenn wir drei uns heute Nachmittag treffen und ein bisschen durch die Stadt bummeln?", warf Lilia in die unangenehme Stille ein und riss mich somit aus meinen fürchterlichen Gedanken. Meine zwei Freundinnen und ich waren gerade auf dem Weg zum Sportunterricht und niemand hatte bis jetzt ein Wort gesagt. Ich hing wie immer meinen Gedanken nach, die sich überwiegend um meine Mutter drehten, zum anderen Teil auch um Alec.
Der Hoffnungsfunke war heute früh sogleich erloschen, als ich mitbekommen hatte, dass er heute nicht in die Schule kommen würde. Laut Max war er krank, stattete dem Arzt einen Besuch ab und legte sich danach zu Hause hin, ruhte sich aus. Meine Laune sank mit jeder weiteren Minute und war mittlerweile auch schon am Gefrierpunkt angekommen. Langsam aber sicher verließ mich meine Kraft. Körperlich, als auch seelisch.
"Ich finde, das ist eine super Idee. Was sagst du, Halo?" Mia sah mich leicht lächelnd an und nun hob auch ich den Kopf.
"Ich weiß nicht. Ich bin heute nicht wirklich in der Stimmung dafür" Okay, das stimmte nicht. In den letzten Tagen war ich nie in der Stimmung für so etwas. Das mit Alec war allerdings eine Ausnahme.. Irgendwas stellte er mit mir an und ich konnte um Himmels Willen nicht erahnen, was es war. Obwohl.. So eine Vermutung hatte ich da schon. Schnelleres Herzklopfen. Dieses leichte Kribbeln. Doch kannte ich ihn schon gut genug, um über Verliebtsein zu sprechen? Oder war es nur eine kleine Schwärmerei für ihn und sein gutes Aussehen?
"Ein bisschen Ablenkung, Halo. Du kannst dich doch nicht in der Wohnung verkriechen. Komm mit uns mit, das wird dir bestimmt gut tun"
"Genau, Mia hat recht. Na los, du kommst mit" Da die Beiden sowieso nicht Ruhe geben würden, willigte ich schließlich ein.
"Wenns sein muss", nuschelte ich und sofort nickten die Zwei. Seufzend betrat ich die Sporthalle und ging zu den Umkleiden. Eher unbewusst hielt ich dabei nach Alec Ausschau. Vielleicht war er doch noch aufgetaucht. Auch wenn dieser Gedanke ziemlich lächerlich war, hielt ich daran fest. Und ich wurde enttäuscht, wer hätte das gedacht?
Trotz der schlechten Laune ging der Schultag vorbei und zu dritt gingen wir wie abgemacht in die Stadt. Meine Hände vergrub ich in der Jackentasche und lief so schweigend neben den Beiden her. Etwas abwesend lauschte ich ihren Gesprächen und hielt mich dabei größtenteils zurück. Natürlich wollte ich ihnen den Tag nicht vermiesen, aber die Angst vernebelte einfach alles in mir.
"Was hältst du von einem Eis?", fragte Mia mich und zustimmend nickte ich. Wenn ich mich so schon zurückhielt, konnte ich ihnen wenigstens einen Gefallen tun und Eis essen gehen. Zusammen gingen wir zu unserem Lieblingseisladen in der Innenstadt und setzten uns drinnen auf die Stühle.
Während wir das Eis bestellten und anschließend genießend aßen, drehten sich die Gespräche von Lilia und Mia hauptsächlich um Jungs. Mia schwärmte von Max, wie überaus lieb, humorvoll und zuvorkommend er war und Lilia über irgendeinen Typen aus der höheren Klassenstufe, den ich nicht kannte.
"Ach sagmal, Halo?" Lilias Stimme drang zu mir durch und erlangte meine Aufmerksamkeit. Mit einem fragenden 'Hm' sah ich sie abwartend und fragend.
"Läuft da was zwischen Alec und dir?" Neugierig lagen ihre und nun auch Mias Augen auf mir und ich blickte ihnen nur unentwegt entgegen, schüttelte den Kopf.
"Nein, was sollte da denn laufen?", murmelte ich und wich dann ihren Blicken aus, starrte auf einen plötzlich wunderschönen und interessanten kleinen Fleck auf der gänzlich weißen Tischdecke.
"Ach keine Ahnung. Ja, was sollte da auch laufen, Princess?" Das letzte Wort betonte sie besonders stark, mit einem amüsierten Unterton in der Stimme und einem gewaltigen Grinsen auf den Lippen. Ein leichter Rotton schlich sich auf meine Wangen und peinlich berührt sah ich nach unten.
"Ehm.. Das hat gar nichts zu sagen", verteidigte ich mich leicht schmunzelnd und Mia zog die Augenbrauen ungläubig nach oben.
"Wirklich nicht. Ich weiß selber nicht warum er mich so nennt."
"Das ist aber irgendwie total süß von ihm", schwärmte Lilia und brachte mich damit leicht zum Lachen. Doch, eigentlich gefiel mir der Kosename auch.
"Er ist allgemein total toll", brachte ich mit einem leichten Lächeln über die Lippen und die zwei sahen mich erstaunt an.
"Dich hats erwischt, oder?", fragte Mia grinsend und obwohl ich mir dabei gar nicht so sicher war, schüttelte ich abprupt den Kopf.
"Oooh doch" Wissend sah sie mich an und unsicher biss ich auf meine Lippe.
"Na ja, er bringt mich zum Lächeln. Ich weiß doch selber nicht, was mit mir los ist. Aber als ich bei ihm war, hab ich mich so wohl in seiner Nähe gefühlt und es hat Spaß gemacht", plapperte ich verträumt drauf los und mein Mund war mal wieder schneller als mein Gehirn.
"Okay, moment moment, du warst bei ihm? Bei Alec zu Hause?", fragte Lilia mit großen Augen und zaghaft nickte ich. Mia schmunzelte währendessen und sah mich vielsagend an.
"Hey, das hat überhaupt nichts zu bedeuten, klar? Ihr übertreibt maßlos. Ich schwärme lediglich ein bisschen für ihn" Ein kleines bisschen sehr..
"Na sicher doch", schmunzelte Lilia und damit war das Thema auch schon vom Tisch.
Mein Herz setzte einen Schlag aus, als der kleine Fernsehr in dem Lokal ansprang und dort die Nachrichten liefen. Ein Bild meiner Mutter bildete sich auf dem Bildschirm ab und meine Muskeln spannten sich augenblicklich an. Ihr strahlendes Lächeln war das Einzige, was ich in dem Moment warnahm. Alles um mich herum verschwamm und sofort spürte ich warme Tränen über meine Wangen fließen.
"Halo komm, wir gehen hier sofort raus" Mias Stimme drang gedämpft zu mir durch, doch ich blieb wie erstarrt sitzen. Die Beiden nahmen mich kurz darauf am Arm und führten mich raus.
"Soll ich Zac anrufen, Halo?", fragte Lilia, doch aus meinem Mund kam nur ein verzweifeltes Schluchzen. Das Bild in meinem Kopf wollte nicht verschwinden, die ganze Zeit sah ich es vor mir. Mum..
"Na los, ruf ihn schon an. Er soll sie abholen, sie brauch jetzt Unterstützung..", drängte nun Mia, an die ich mich währendessen zitternd drückte. Meine Augen kniff ich fest zusammen und versuchte krampfhaft, mir nicht immer wieder dieses Bild vor Augen zu rufen.
"Alles wird gut, Süße. Zac holt dich gleich ab und dann fahrt ihr Beide nach Hause. Denk nicht so viel nach" Lilia strich mir über den Arm, während Mia mich ganz fest hielt. In dem Moment war ich unglaublich froh, sie als Unterstützung da zu haben.
Nicht lange dauerte es und ich saß in Zacs Auto. Die Tränen waren versiegt, doch der seelische Schmerz wurde immer schlimmer.
"Mum war in den Nachrichten. Sie hat gelächelt. Wie früher.", murmelte ich abwesend vor mich hin und Zac sah zu mir. Auch in seinen Augen konnte ich den Schmerz sehen.
"Ich weiß, ich war derjenige, der gesagt hat, wir sollen die Hoffnung nicht verlieren. Aber jetzt weiß ich nicht mehr, ob es sich überhaupt lohnt", sagte er leise und zustimmend nickte ich.
"Mir gehts genauso..", hauchte ich und sah nachdenklich aus dem Fenster. Mein Blick schweifte ziellos durch die Umgebung, bis ich etwas sah, dass mich nach Luft schnappen ließ.
"Zac, halt mal kurz an" Als er das tat, beobachtete ich das Geschehen, dass sich mir in einigen Metern Entfernung bot.
In einer kleinen Seitengasse standen sich zwei dunkel gekleidete Personen gegenüber. Anscheinend schienen sie zu reden. Der Eine stand mit dem Rücken zu mir, weshalb ich sein Gesicht nicht sah. Auf den anderen jedoch hatte ich freie Sicht. Grüne Augen. Markante Gesichtszüge. Schwarze Haare. Alec. Alec, der angeblich krank war und zu Hause im Bett liegen müsste.
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