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Für eine ganze Weile starrten wir uns einfach nur in die Augen, bis er den Blickkontakt mit einem tiefen Seufzen unterbrach und daraufhin auf den Boden sah. Noch immer hatte er nicht den Ansatz gemacht, die Umstände zu erklären und langsam zweifelte ich daran, dass ich überhaupt noch etwas zu hören bekommen würde. Dann allerdings hob er den Blick erneut und öffnete seine wunderschönen, rosigen Lippen. Wobei das gerade definitiv der falsche Zeitpunkt war um seine Lippen anzuhimmeln.

"Ich kann es dir nicht sagen..", murmelte er dann und tiefe Enttäuschung übermannte mich, rollte wie ein schwerer, lastender Stein durch meinen Körper. Er konnte es mir also nicht sagen, oder wollte es nicht..

"Wieso nicht?", fragte ich leise und man konnte deutlich die Verletzlichkeit aus meiner Stimme hören, was ihm auch deutlich zuzusetzen schien. Scheinbar nervös knetete er seine Hände und stecke sie daraufhin ebenso, wie ich, in die Jackentasche. Außerdem biss er sich auf die Lippe, was zugegebenermaßen ziemlich anziehend aussah, jedoch passte dieser Gedankengang mal wieder nicht zur jetzigen Situation. Seine Augen mieden den Kontakt mit meinen, vermutlich, weil auch ihm dieses Gespräch unangenehm war. Er wusste genau, dass ich ihm vertraute. Und genau dieses Vertrauen schien er zu missbrauchen

"Ich kann es einfach nicht. Noch nicht. Die Zeit dazu ist noch nicht da", fuhr er fort und ich wurde zunehmendst verwirrter. Gerade im Moment sprach er nur in Rätseln und ich für meinen Teil verstand gar nichts mehr. Es schien, als würden Wörter und Sätze aus seinem Mund fließen, die in meinen Ohren keinen Sinn ergaben.

"Ich verstehe das nicht. Und verdammt, ich will wissen, was du hier treibst. Was das gestern war und.. ob ich dir vertrauen kann" Den letzten Teil flüsterte ich mehr, doch trotzdem hatte er es gehört, was man daran erkennen konnte, dass sein gesamter Körper sich leicht anspannte. So wie es aussah, schien ihn meine Aussage zu belasten, also wollte er, dass ich ihm vertraute.

"Ich kann es dir einfach noch nicht sagen, aber du kannst mir vertrauen" Mit dieser Aussage hatte er auch schon meine Gedanken bestätigt und insgeheim hatte er mein Vertrauen auch noch. Solange er nicht noch einmal so etwas abzog, hatte er das auch weiterhin. Allerdings musste ich ihm das ja nicht verraten. Wenn er mir um keinen Preis mitteilen wollte, was das gestern war, konnte ich ihn ja auch etwas ärgern. Jeder Mensch durfte Geheimnisse haben, wobei ich zugeben musste, dass das 'geheime Treffen' einen wirklich sehr seltsamen Eindruck gemacht hatte und auch weiterhin würde ich das etwas beobachten.

Nur für den Moment würde ich das Geschehene vergessen, um wenigstens seine Anwesenheit genießen zu können. Ein leiser Seufzer verließ meinen Mund und dann lächelte ich leicht zu ihm hoch.

"Willst du etwas Trinken? Essen?", frage ich ihn und mit sofortiger Wirkung fiel die Angespanntheit von ihm ab, was auch mich ein wenig entspannter werden ließ. Mein Lächeln erwiderte er etwas zögerlich und dann nickte er leicht.

"Trinken wäre nicht schlecht" Nun verzogen sich seine Lippen wieder zu seinem wundervollen Grinsen und ein kleines Grübchen bildete sich in seiner Wange, welches mir die letzten Male gar nicht aufgefallen war. Da fragt man sich nur, wie einem etwas so anziehendes nicht auffallen konnte. Beinahe versank ich in seinen wunderschönen, grünen Augen, jedoch riss mich ein Räuspern seinerseits aus meinen Gedanken. Ein verschmitztes Grinse war in seinem Gesicht erschienen und so wie ich ihn vermutlich angestarrt hatte, war das auch kein Wunder. Allerdings ignorierte ich seinen amüsierten Gesichtsausdruck und ging an ihm vorbei in die Küche, wühlte in den Schränken herum.

"Cola, Wasser, Apfelsaft oder Limo?", fragte ich ihn etwas lauter ohne mich zu ihm zu drehen und meine Antwort erhielt ich auch recht schnell. Auf seinen gerade geäußerten Wunsch hin brachte ich ihm ein Glas Cola und beobachtete noch kurz, wie er sich im Wohnzimmer ausgiebig umsah. Langsam schritt er alles ab und blieb vor einem Bild stehen, worauf mein Dad, meine Mum, mein Bruder und ich zusammen auf einer grün blühenden Wiese zwischen vielen verschiedenen bunten Blumen standen und fröhlich in die Kamera grinsten.

"Das waren noch tolle Zeiten..", murmel ich trübselig, was ihn zusammenzucken und zu mir herumfahren ließ. Sein Blick wurde sanft und seltsamerweise verstehend, als er mir in die Augen sah. Ich ging zu ihm und nahm das Bild behutsam in meine Hände, betrachtete es, als wäre es der einzige Schatz, den ich hatte. Es war das letzte, was ich von meinem Dad noch besaß und momentan auch von meiner Mum..

"Hey, nicht traurig sein, ja? Ich weiß, das ist schwer, aber versuch positiv zu denken. Sie wird bestimmt wieder auftauchen", meinte er aufmunternd und obwohl ich ihm für diese Worte sehr dankbar war, fiel es mir schwer, sie zu glauben. Zu schlimme Zweifel und Ängste hielten sich in mir, mit denen ich Tag und Nacht zu kämpfen hatte. Fast nächtlich schreckte ich schweißgebadet aus einem fürchterlichen Albtraum empor und brauchte ein paar Minuten, um mich wieder zu beruhigen. Bis jetzt wusste das mit den Albträumen noch niemand, ich behielt es für mich. Einerseits würde Zac vermutlich durchdrehen vor Sorge und verlangen, mit mir in einem Bett zu schlafen, um für mich da zu sein, worauf ich nun wirklich verzichten konnte. Andererseits würde es sich vielleicht herumsprechen und ich hatte diese ettlichen Mitleidsblicke satt. Niemand würde je verstehen können, wie ich mich bei der ganzen Sache fühlte und das Mitleid in ihren Augen zu sehen, machte es nicht unbedingt besser. Es vermittelte mir nur noch mehr das Gefühl, dass ich zu schwach war, um mit der Situation fertig zu werden. Die einzigen Menschen die davon eine Ausnahme machten, waren zum einen Zac, da er genau dasselbe durchmachte wie ich. Alec, dessen Blicke mehr mitfühlend, statt mitleidig waren und auf eine seltsame Weise tat das gut. Natürlich sollte man davon absehen, dass seine ganze Erscheinung mir gut tat.. Dann waren da noch meine beiden besten Freundinnen Lilia und Mia, sowie Zacs bester Freund Max. Auch sie nahmen Rücksicht auf mich, sorgten sich zwar, aber verhielten sich nicht sonderlich anders, geschweige denn distanziert. Kurz schüttelte ich den Kopf, um aus meinem Gedankenstrudel zu entkommen und dann blickte ich seufzend zu ihm hoch, nickte leicht.

"Ich versuche es.. die ganze Zeit. Aber es klappt so gut wie nie", murmel ich leise und auch aus seinem Mund entweicht ein Seufzen.

"Na komm, wir lenken dich etwas ab. Hier steht eine Playstation, heißt das, du zockst?" Mit einem leichten Lächeln blickte er mir entgegen und zögerlich nickte ich. "Gut, dann los" Etwas schmunzelnd schaltete ich sie an und zusammen zockten wir ein paar Runden. Mit ihm machte es wirklich unglaublich Spaß, vor allem, weil er nicht so ein schlechter Verlierer war, wie Zac. Die Zeit zu zweit verging wie im Flug und im Laufe des Abends gesellte sich mein Bruder und Max zu uns. Irgendwann bestellten wir uns eine Pizza und insgesamt hatten wir einen tollen Abend zu viert. Als es dann bald auf Mitternacht zuging, entschlossen die beiden Jungs ihren Heimweg anzutreten.

Lächelnd umarmte ich diesmal zum Abschied auch Alec und genoss das Gefühl seiner Arme um meinen - im Gegensatz zu ihm - kleinen Körper. Für diesen Moment genoss ich es in vollen Zügen und lächelte dann zu ihm auf. "Gute Nacht, Alec", sagte ich leise und auch er wünschte mir eine Gute Nacht, dann ging er zusammen mit Max.

"Ich geh in mein Zimmer, ja?" Lächelnd blickte ich Zac entgegen, er nickte kurz und schon setzte ich das Gesagte in die Tat um. Insgesamt war ich ziemlich erschöpft, meine Augen vielen beinahe vor Müdigkeit zu und meine Schritte wurden immer langsamer. Mit einem leichten Tritt öffnete ich meine Zimmertür und ein frischer Luftzug wehte mir entgegen, ließ mich kurz frösteln. Seltsamer Weise kann ich mich nicht daran erinnern, mein Fenster am Nachmittag offen gelassen zu haben. Wie kann das dann sein? Es sei denn.. jemand war hier. Hat sich hereingeschlichen. Mal wieder durchströmte mich ein panisches Gefühl und ich suchte im dunklen nach meinem Lichtschalter. Als ich ihn endlich gefunden und betätigt hatte, weiteten sich meine Augen sofort vor Schreck.

Mein Atmen wurde hektischer, ich hatte das Gefühl meine Kehle schnürte sich wie von selbst zu. Ungeschickt taumelte ich zurück, bis ich an die Wand prallte und es nicht weiter ging. Mein Blick lag starr auf dem weit geöffneten Fenster, auf dessen Fensterschreibe in blutroter, geschwungener Schrift die Worte '10 Tage noch, Sweetie. Viel Glück bei der Suche nach deiner Mutter' standen.

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