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Ein lautes Donnern über meinem Kopf ließ mich erschrocken zusammenzucken und augenblicklich kuschelte ich mich enger in meine dunkelblaue Jacke. Die Kapuze hing mir tief ins Gesicht, auch meine Haare wurden von dem starken Wind hin und hergepeitscht, somit hatte ich Mühe, überhaupt irgendetwas zu sehen.

Meine Schritte verschnellerten sich, da es nun anfing, stark zu regnen. Theoretisch mochte ich Gewitter, jedoch nur, wenn ich in meinem Bett und einer Decke eingekuschelt saß und den Blitzen aus sicherer Entfernung bei ihrem faszinierenden Schauspiel zusehen konnte. Wenn ich mich während dem Geschehen allerdings draußen befand, wurde mir das Ganze sichtlich zu ungemütlich und unangenehm.

Umso erleichterter war ich dann, als ich mich schließlich im trockenen Treppenhaus befand und meine Kapuze gefahrlos abnehmen konnte, ohne von einem Schwall Regenwasser erfasst zu werden. Mit den zwei Einkaufstüten in der Hand machte ich mich auf den Weg in den 2. Stock des Hauses, denn dort lag unsere Wohnung, die ich mit meinem Zwillingsbruder und meiner Mum bewohnte.
Der Schlüssel drehte sich im Schloss, es war ein Klicken zu hören und die Tür sprang auf. Danach gab ich ihr noch mit dem Fuß einen kleinen Schubs und trat dann hinein.

"Halo, bist du das?!", hörte ich meinen Bruder Zac aus seinem Zimmer rufen und verdrehte innerlich die Augen.

"Ja, du Blödmann, ich bins. Und jetzt erweise deiner wundervollen Schwester mal die Ehre und trag die Einkäufe in die Küche. Danke!", rief ich grinsend zurück und stellte die Tüten im Flur ab. Kurze Zeit später öffnete sich die Zimmertür von Zac und er trat mit einem leicht genervten Gesichtsausdruck vor mich, nahm die Einkäufe und trug sie in die Küche.

Nachdem ich meine durchnässte Jacke zum Trocknen hingehängt hatte, ging ich in mein Zimmer, um mich dort schnell umzuziehen. Dabei konnte ich nur hoffen, dass mich keine Erkältung erwischt hatte. Scheiß Wetter..

"Ist Mama noch nicht wieder da?", fragte ich beiläufig, als ich die Lebensmittel in den Schränken verteilte. Mein Blick huschte kurz zu ihm und er schüttelte den Kopf.

"Nope. Aber du kennst sie ja.. Sie macht meistens Überstunden", erwiderte er nur und ich nickte. Etwas anderes blieb ihr auch leider nicht übrig. Das Geld war ohnehin schon knapp und auch ich hatte einen Nebenjob angenommen, um wenigstens ein bisschen Geld beizutragen. Doch trotzdem.. In purem Luxus lebten wir nicht gerade.

Seufzend ließ ich mich auf die etwas kratzige, jedoch trotzdem bequeme Couch fallen und massierte mir die Schläfen.

"Du, Halo?" fragte mich mein Bruder mit einem zögernden Unterton in der Stimme und sofort sah ich prüfend zu ihm.

"Du, Zac?", erwiderte ich, auf eine Antwort wartend. Ausgiebig musterte ich ihn und sah, dass er kurz unsicher zögerte. Dann schien er sich aber einen Ruck zu geben.

"Denkst du mit ihr ist alles in Ordnung? In letzter Zeit ist sie irgendwie noch stiller und in sich gekehrter als sonst..", gab er von sich und damit sprach er genau meine Gedanken von den letzten Tagen aus.

"Ich weiß genau was du meinst.. Aber hey, es ist bestimmt alles gut. Mach dir keine Gedanken, sie hat viel Stress. Aber sicherlich würde sie uns sagen, wenn es etwas ernstes wäre.." Ich versuchte aufmunternd und sicher zu klingen, doch merkte selbst, dass mir das nicht so ganz gelingen wollte.

Schon seit einiger Zeit hatte ich eine Veränderung an ihr bemerkt. Ihr Verhalten war merkwürdig. Ständig war sie unruhig und in Gedanken versunken, wenn man sie aus dem Nichts ansprach, zuckte sie sofort zusammen und was mich am meisten beunruhigte, war dieser eine, intensive Ausdruck in ihren Augen. Angst. Pure Angst.

"Komm, lass uns eine runde zocken, okay? Da kommen wir auf andere Gedanken", meinte mein Bruder, da ihm vermutlich der besorgte, nachdenkliche Ausdruck auf meinen Gesicht nicht entgangen war. Zustimmend willigte ich ein und so vertrieben wir uns die Zeit, bis wir endlich das erlösende Gefühl des Schlüssels hörten, woraufhin unsere Mutter auch schon eintrat.

Was mir sofort auffiel, waren ihre zitternden Hände, mit denen sie vergeblich versuchte ihre Jacke an den Haken zu hängen. Schließlich gab sie es auf, ließ die Jacke achtlos auf den Boden sinken und fuhr sich gestresst durch die Haare. Als Zac sich räusperte, schreckte ihr Kopf nach oben und sie bemühte sich angestrengt um eine ausgeglichene Ausstrahlung und Haltung.

"Hallo, Kinder. Na, wie geht's euch? War euer Tag schön? Ach ja, warst du einkaufen, Halo?", fragte sie mich mit einem leichten Lächeln auf den Lippen und ich nickte wie in Trance.

"Ja.. Ehm.. War ich", stammelte ich mit gerunzelter Stirn. "Alles okay, Mum?"

"Natürlich, was sollte denn auch nicht okay sein?" fragte sie mich unbekümmert, doch es hörte sich aufgesetzt an. Gezwungen. Jedoch verschwand sie daraufhin auch schon in der Küche und ich stand auf, hing ihre Jacke ordentlich hin und warf Zac einen beunruhigten Blick zu, den er mit denselben Emotionen erwiderte.

Doch auch jegliches Fragen brachte nichts, wir erhielten jedes Mal aufs Neue dieselbe Antwort. Nichts belastete sie. Alles ist in Ordnung. Alles ist perfekt. Doch um ehrlich zu sein, perfekt war in dieser Familie schon lange nichts mehr. Wiederrum.. In welcher Familie war auch schon alles perfekt?

So blieb mir nichts anderes übrig, als den Rest des Abends ausklingen zu lassen. Essen, ein bisschen den neuen Lernstoff pauken und Hausaufgaben machen für die Schule, dann ins Bett gehen. Mit meinen Schlafsachen tapste ich den Flur entlang und erkannte das Flackern des Fersehers vom Wohnzimmer. Meine Mum saß dort, auf ihren Beinen eine Decke und sah starr nach vorne.

"Mum?" sagte ich leise und vorsichtig, doch wieder fuhr ein, wenn auch klitzekleiner Ruck durch ihren Körper, der nicht unbemerkt blieb und dann drehte sie ihren Kopf zu mir.

"Oh, Halo. Ich hab dich ja gar nicht bemerkt. Ist alles in Ordnung, mein Schatz?", fragte sie fürsorglich und schnell nickte ich.

"Ja, alles Bestens, ich wollte nur gute Nacht sagen", erwiderte ich mit einem Lächeln und ihr Blick wurde sanfter. Trotzdem erkannte ich auch noch etwas anderes in ihren Augen. Irgendetwas belastete sie, das merkte ich ganz deutlich.

"Gute nacht, Liebling.", sagte sie und ihre kalten Finger umschlossen meinen Arm, was einen Schauer über meinen Rücken trieb. Tief sah sie mir in die Augen. "Und vergiss niemals Halo, dass ich dich und Zac liebe, ja? Vergiss es niemals" Den letzten Teil hauchte sie und zog mich dann an ihren mittlerweile recht dünnen Körper.

"Natürlich nicht Mum. Das weiß ich doch..", murmelte ich mit gerunzelter Stirn und drückte sie an mich. Die ganze Situation war doch ziemlich seltsam und weckte in mir die Unruhe.

"Gut.." Somit entließ sie mich in mein Zimmer und mit einem flauen Gefühl im Magen kuschelte ich mich in mein Bett. Ihre Worte spukten durch meinen Kopf und mein Gehirn rätselte fieberhaft nach deren Bedeutung.

Egal, wie ich es drehte und wendete, in meinem Kopf klangen ihre gesagten Wörter wie ein Abschied.
Mit einem Kopf voller wirrer Gedanken, driftete ich schließlich ab, in mein eigenes Traumreich.

Hello :) freut mich, wenn das hier jemand liest. Über Verbesserungsvorschläge freu ich mich natürlich, aber auch über positives feedback :D

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