16. Darjanas (nette) Momente

KAPITEL 16
Darjanas (nette) Momente
Montag, 7. November 1977

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ZUGEGEBEN, DIE PARTY GESTERN WAR NICHT OPTIMAL NACH PLAN VERLAUFEN. Remus hätte sich darüber ärgern können, aber zu seinem Glück hatten Sirius Black und James Potter etwas Geniales von sich gegeben, das alles wieder gut machte — ein Tag, der also definitiv einer besonderen Erwähnung in der Geschichte der Menschheit wert war.

„Wie kannst du so früh wach sein?", fragte Sirius seinen besten Freund, als dieser schon um 7 Uhr morgens durch den Raum polterte, um zum Quidditch-Training aufzubrechen, das Sirius wohl heute ausfallen ließ. „Mach nicht so einen Krach, ich hab Kopfschmerzen."

Remus stieß ein belustigtes Geräusch aus. Selbst bevor James aufgestanden war, war er schon aufgewacht. Er lag im Bett und starrte nachdenklich an die Decke, wie er es schon oft getan hatte, um die Lösung für ein Problem zu finden. Meistens war es dabei jedoch um einen Streich gegangen und nicht um eine Slytherin, die er... na ja... gut fand. Natürlich stiftete Hogwarts einen nicht gerade dazu an, mit jemandem des anderen Geschlechts alleine zu sein. Überall waren Gemälde, die bei ausartenden Knutschereien den nächsten Lehrer holen konnten, also waren die Schlafsäle die einzige Möglichkeit, wenn man Geheimgänge und leerstehende Klassenräume zu unpersönlich, unbequem und unromantisch fand. Durch Darjana wusste er, dass die Regelung im Slytherin-Gemeinschaftsraum, was Jungs im Mädchen-Schlafsaal betraf, ähnlich wie hier war. Und im Badezimmer der Vertrauensschüler war das Risiko zu hoch, einen Besuch von der Maulenden Myrthe abgestattet zu bekommen. Für Vanessa und Sirius funktionierte es trotzdem gut, Zeit alleine zu bekommen, aber sie waren ja auch in einem Haus und alle wussten von den beiden.

Remus nahm an, dass ihre beste Gelegenheit die Freistunden waren, in denen seine Freunde zu Kräuterkunde mussten.

„Aha! Jetzt beschwerst du dich, aber stell dir vor, ich würde im Schülersprechersaal schlafen statt hier. Nicht eine Nacht würdet ihr hier überleben ohne mich", entgegnete James lautstark pikiert, was Sirius dazu brachte, sich stöhnend sein Kopfkissen über die Ohren zu halten.

Doch Remus war hellhörig geworden. „Man kann im Schülersprechersaal schlafen?", fragte er und hoffte, dass er genug Müdigkeit und Ungläubigkeit in seine Stimme legte, um die Intention in seiner Frage zu verdecken.

„Äh... ja", antwortete James. „Also wenn man es will. Der Raum ist mehr fürs Lernen und Besprechungen gedacht, aber da steht ein Sofa — also, wenn ihr weiter so fies seid, ziehe ich aus."

Sofort sanken Remus' Hoffnungen wieder. Aber natürlich... als ob der Schülersprechersaal einen Schlafsaal beinhaltete, wenn der Schulsprecher und die Schulsprecherin dort Zeit verbrachten. Wie schon gesagt, Hogwarts unterstützte einen nicht gerade, wenn es um Beziehungen ging.

Er konnte trotzdem nicht anders, als einen kurzen Blick auf die Karte zu werfen, sobald James zum Quidditch-Training ging. Sie war im Schlafsaal. Natürlich, es war Samstag Morgen, wo sollte sie sonst sein?

Enten füttern. Boxen. Joggen.

Remus vermutete, dass es berechtigt war, einen Blick in die Karte zu werfen, wo es doch durchaus sein konnte, dass sie nicht in ihrem Bett lag. Nach einer Party jedoch war es nachvollziehbar, dass selbst Darjana noch nicht auf den Beinen war.

„Wen stalkst du?", fragte Sirius plötzlich, von dem Remus geglaubt hatte, dass er tief und fest schlief.

„Niemanden." Ertappt schloss Remus die Karte hastig und schüttelte den Kopf. Er würde sie spätestens am Montag sehen und außerdem... Er wollte ihr nicht zu sehr hinterherlaufen. Das alles war schließlich etwas Lockeres, nicht wahr?

Die Frage, wie er sie finden sollte, stellte sich jedoch am Montag erneut, als seine Freistunde begann. Er hatte keine Ahnung, wo sie war. Erneut wunderte er sich, ob sie nicht doch eine Art Phantom war, aber wie er ein wenig später auf der Karte feststellte, war sie in ihrem Gemeinschaftsraum. Sie war oft dort... Nicht dass er besonders häufig nachgesehen hatte.

Also griff er nach dem Tarnumhang neben James' Bett, deponierte die Karte so, dass Krone nicht merken würde, dass jemand sie benutzt hatte, und machte sich auf den Weg in die Kerker. Wenn ihm jemand gesagt hätte, dass er sich einmal in den Slytherin-Gemeinschaftsraum schleichen würde und das nicht, um einen Streich zu spielen... Er hätte es wahrscheinlich nicht einmal geglaubt, wenn man ihm erklärt hätte, dass er dort ein Mädchen traf.

Remus wartete geduldig in der Nähe der Steinmauer, die den Gemeinschaftsraum der Schlangen verbarg. Im Gegensatz zu Darjana kannte er ihr Passwort nämlich nicht und musste auf sein Glück vertrauen, dass ein Slytherin vorbeikam. Tatsächlich schien das Schicksal auf seiner Seite zu sein — es dauerte kaum drei Minuten, bis eine Fünftklässlerin an ihm vorbei schlenderte, die Remus von den anderen Vertrauensschülern kannte.

Er folgte ihr so leise wie möglich, denn leider hatten Steinböden die unliebsame Eigenschaft, jedes kleinste Klacken von Schuhen widerhallen zu lassen. Doch er wäre nicht sechs Jahre mit James und Sirius befreundet, wenn er nicht wüsste, wie sich das umgehen ließ.

Sein letzter Besuch im Slytherin-Gemeinschaftsraum war in seinem dritten Jahr gewesen und er musste zugeben, dass sein dreizehnjähriger Verstand den Raum wesentlich düsterer und furchteinflößender in Erinnerung hatte. Zugegeben, er bevorzugte immer noch die Höhe des Turms anstelle unter einem See zu schlafen, aber der grünliche Schimmer des Lichts und die Ledersofas hatten nicht mehr dieselbe abstoßende Wirkung wie früher.

Auf einem dieser stilvollen dunkelgrünen und schwarzen Lehnstühle saß Darjana, vertieft in das Schulbuch, das sie las. Und wenn Remus vertieft sagte, dann meinte er es: Sie hatte ihre Stirn angestrengt auf ihren Fingern abgestützt und ihre Augenbrauen verkrampft zusammengezogen, als müsse sie sich sehr auf jeden Satz konzentrieren, der vor ihr lag. Trotzdem wirkte sie interessiert, während sie sich gedankenverloren auf die Lippe biss, und Remus konnte nicht anders, als einen kurzen Moment innezuhalten, um sie zu betrachten.

Er riss sich schnell wieder aus dieser Trance. Es kam ihm respektlos vor, sie zu beobachten, wenn sie nicht wusste, dass er dort war. Entschlossen ging er auf sie zu und beschloss, sie vorsichtig am Arm anzufassen.

Sie zuckte zusammen, als sie aus dem Nichts berührt wurde — wenig überraschend, wie Remus zugeben musste. Da er aber Angst hatte, dass Darjana ihn k.o. schlagen könnte (wozu sie definitiv in der Lage war) trat er einen Schritt zurück und flüsterte „Ich bin's".

Er wusste nicht, wie er ihr Augenrollen interpretieren sollte, aber sie richtete ihren Blick auf die Stelle, wo sie ihn anhand seiner Stimme vermutete. „Was machst du hier?", wisperte sie.

„Spionieren", gab Remus zurück und sie konnte das leichte Grinsen in seiner Stimme förmlich hören.

Darjana schüttelte leicht den Kopf, lächelte aber, ohne es kontrollieren zu können. Langsam klappte sie das Buch zu, raffte ihre Notizen zusammen und legte sie ordentlich auf den Tisch vor sich. „Komm", hauchte sie und schaute sich kurz im moderat gefüllten Gemeinschaftsraum um. Sie wollte nicht das neue Gesprächsthema werden, weil sie Selbstgespräche führte. Auch wenn sie nicht wusste, ob er ihr folgte, stand sie auf und schaute prüfend in die Richtung, wo sie ihn vermutete. Sobald sie Schritte neben sich hörte, lief sie zufrieden weiter und öffnete den Ausgang zurück in die Kerker.

Grünes Licht fiel in die dunkel beleuchteten leeren Gänge, als sie sie betraten, und Darjana warf Remus einen Blick zu, als er den Tarnumhang von seinem Kopf nahm... was bedeutete, dass auch nur sein Kopf durch die Luft neben ihr schwebte. Von Hals ab war Remus unsichtbar.

„Für ein Haus, das es nicht mag, wenn andere euch gegenüber Vorurteile haben, sorgt ihr für eine ganz schön gruselige Atmosphäre", meinte er, bevor Darjana etwas zu seinem witzigen Anblick sagen konnte. „Und euer Passwort? Pudicitia?"

„Reinheit auf Latein", erklärte sie knapp und als Remus die Augenbrauen hob, wich sie mit einem leichten Lächeln seinem Blick aus. „Jaja, ich weiß."

„Reinheit", wiederholte Remus ungläubig. „Auf Latein? Ihr seid so dramatisch."

Darjana holte aus, um nach ihm zu schlagen und mit einem Lachen wich Remus zurück. „Du—", begann sie schmunzelnd. „Bist du hergekommen, um mich zu ärgern, Lupin?"

„Unter anderem", gab er mit einem leichten Grinsen zurück und bevor Darjana etwas erwidern konnte, hatte er wieder den Tarnumhang über den Kopf gezogen. Hinter der Ecke waren Stimmen zu hören. Und tatsächlich kamen nur fünf Sekunden später zwei Slytherin-Jungs auf sie zu, die sie ein wenig seltsam betrachteten. Na toll. Jetzt sprach sich die Selbstgespräch-Sache bestimmt herum.

„Wenn die Leute wegen dir denken, dass ich Wahnvorstellungen habe, verklag ich dich", murrte sie, sobald sie die Treppen zur Eingangshalle hochkamen. Remus packte sie an der Hand, um sie an der Tür zur Großen Halle vorbei zu der Großen Treppe zu führen.

„Ist okay", gab er zurück.

„Hattest du solche Sehnsucht nach mir?", fragte Darjana frech. Natürlich hatte er das. Aber sie war auch glücklich, ihn zu sehen. Nicht, dass sie es zeigen würde... Obwohl sie der Meinung war, dass sie es sehr wohl tat — merkte er das? Auf eine seltsame Art hoffte sie es.

Sie hörte ihn leise belustigt schnauben und spürte, wie er fast sofort ihre Hand losließ. Auch wenn sie ihn nicht sehen konnte, fühlte sie, dass er nachdachte. Für einen Moment überkam sie ein seltsames Gefühl, fast so wie ein schlechtes Gewissen, obwohl sie nicht einmal wusste, weshalb.

„Vielleicht sollten wir tauschen", schlug sie vor, bevor sie im Treppenhaus ankamen.

„Hm?", erwiderte Remus verwirrt, erkannte dann aber, was sie meinte. „Ja, klar." Als niemand in der Nähe war, zog er den Umhang ab und hielt kurz inne, da er den Blick bemerkte, den sie ihm plötzlich zuwarf. Sie wusste selbst nicht, was sie mit ihm sagen wollte, sie wusste nur, dass sie etwas sagen wollte.

Remus wandte die Augen nach unten und legte ihr vorsichtig den Umhang um, sodass sie vor ihm verschwand. Irgendwie mochte sie dieses ganze Versteckspiel, es war erfrischend aufregend und ablenkend. Eigentlich war er im September wie gerufen gekommen, um sie auf andere Gedanken als den Brief ihrer Mutter zu bringen, der immer noch unbeantwortet vor sich hin schmorte. Sie hoffte, ihren Mutter fühlte sich wenigstens schlecht, während sie auf eine Antwort ausharrte und irgendwann des Wartens leid war und es vollends aufgab. Es sollte für sie nicht schwer sein, zu ihrem normalen Leben zurückzukehren.

„Wem gehört der Umhang eigentlich?", fragte sie neugierig.

„James", antwortete Remus. „Ist ein Familenerbstück."

„Ein verdammt cooles."

Das brachte ihn leicht zum Lächeln. „Er kann sehr nützlich sein."

„Offensichtlich."

Sie wartete, dass er selbst etwas sagte, aber irgendwie schien er ruhiger als sonst. Irgendwie wurde auch Darjana dadurch angespannt. Nachdenklich sah sie zu ihm auf, als er der Fetten Dame das Passwort nannte und betrachtete sein Gesicht, um irgendetwas in seinem Ausdruck lesen zu können, doch es war ihr unmöglich. Sie dachte, sie könnte es mittlerweile, aber er belehrte sie eines Besseren.

Schweigend liefen sie durch den Gemeinschaftsraum und die Treppe rauf zu seinem Schlafsaal, wo sie endlich die Tür hinter sich schließen konnten, auch wenn sie nicht wusste, ob es etwas änderte. Immer noch sagte niemand etwas, bis Remus sich zu ihr umdrehte — oder zumindest in die ungefähre Richtung. „Du kannst den Umhang ruhig abnehmen", meinte er mit einem leichten Lächeln und Darjana atmete tief durch, um ein Grinsen aufzusetzen, das ihre plötzliche innere Unruhe verbarg, bevor sie ihn abstreifte.

„Und wir sind allein", trällerte sie mit einem enthusiastischeren Ton als tatsächlich ihrer Stimmung entsprechend.

Remus lachte leise und fuhr sich durch die Haare, als sie den Tarnumhang auf das Bett von Sirius warf. „Ja..."

Darjana schlenderte mit einem schelmischen Funkeln in ihren Augen an ihm vorbei zu seinem Bett und setzte sich langsam auf die Kante, ohne mit ihrem Blick von ihm abzulassen. Remus folgte ihr mit seinen Augen und ließ sich schließlich neben ihr nieder.

Ruhig betrachtete sie ihn einen Moment.

Sie wusste nicht, ob es nur ihr so ging, aber das alles fühlte sich so... seltsam an. Eigentlich hatte sie immer das Gefühl gehabt, dass alles zwischen ihnen natürlich gewesen war, ohne Zwang — und dass sich da etwas aufgebaut hatte, etwas, das letzten Mittwoch erst so richtig angefacht worden war.

Und Darjana wäre nicht Darjana, wenn sie nicht innehalten würde und ihn mit diesem verwunderten Blick ansehen würde. „Das fühlt sich komisch an", stellte sie fest und zog verständnislos die Augenbrauen zusammen.

„Ich hatte gehofft, du würdest das sagen", erwiderte Remus beinahe erleichtert.

„Du hast gehofft, ich spreche es an?", wiederholte Darjana mit einem leicht fassungslosen, empörten Gesicht.

Remus zuckte grinsend mit den Schultern. „Du bist die, die die unangenehmen Dinge ausspricht, weißt du?"

Darjana würde gern widersprechen, aber recht hatte er ja. „Ach, und du hättest das schweigend ertragen, ja?", fragte sie mit einem ungläubigen Lachen.

Nun stimmte auch Remus mit ein und kratzte sich am Hinterkopf. „Du hast mich ja nicht gerade gefoltert", meinte er anständig.

Darjana legte den Kopf schief. „Noch nicht."

Wenigstens lachten sie.

Plötzlich realisierte sie, was der Grund war.

Es war die Party gewesen. Natürlich. Nicht nur die Sache mit Sirius, auch der Fakt, dass sie sich darauf gefreut hatten und dann alles wieder in sich zusammengefallen war. Jetzt war es komisch und gezwungen. „Wegen Freitag...", begann sie also.

„Nein, es ist in Ordnung", antwortete Remus sofort. „Ich meine, das mit Sirius. Ich würde dir das nie vorwerfen. Es ist mir egal, wirklich."

Darjana glaubte, gut darin zu sein, Lügner zu entlarven. Und wenn ihr sechster Sinn sie nicht im Stich ließ, sagte Remus die Wahrheit. Sirius war nicht das Problem. Aber... da war etwas, worüber er sich den Kopf zerbrach. „Aber...?", hakte sie nach.

Remus seufzte. „Es ist nur..." Er schüttelte den Kopf.

Er wollte das hier nicht. Sie konnte es verstehen. Darjana war nicht blind — sie wusste, dass er sie mochte, und dass sich die beiden anders kennenlernen würden, wenn es nach ihm ginge. Vielleicht hätten sie ein kitschiges Date in Madam Puddifoot's Café — nein, selbst Remus würde sich eher erhängen, als dorthin zu gehen, geschweige denn so lebensmüde zu sein, Darjana zu fragen, mit ihm den Tag dort zu verbringen.

Er tat das hier nur, weil es das war, was Darjana wollte. Doch sie sah die Hoffnung in seinem Blick, den Ausdruck in seinen Augen, wenn er sie ansah, den Eifer, sie zu treffen. Natürlich wünschte er sich mehr hierbei. Einfach nur dieses Schuljahr und was danach passiert, sieht man dann. Das waren ihre Worte gewesen. Aber der letzte Teil musste ja nicht bedeuten, dass es vorbei war. Vielleicht passierte ja etwas. Denn wenn Darjana irgendjemanden an sich heranlassen würde, dann... Dann wäre das er.

Sie war selbst über diese Erkenntnis verwirrt. Hatte sie gerade...?

Als Remus zu sprechen begann, schluckte sie. „Ich will nicht, dass du eines Tages so über mich redest wie über Sirius. Als ob es keine Bedeutung hätte."

Sie überlegte, ob sie sagen sollte, dass das damit einherging, worauf er sich mit ihr eingelassen hatte. Schließlich hatte sie ihren Standpunkt klargemacht. Aber sie konnte es nicht, denn das hier fühlte sich auf einmal alles andere als bedeutungslos an.

„Sirius hat mich nie interessiert", gab sie zu und wandte kurz den Blick ab, bevor sie ihm wieder aufrichtig in die Augen schaute. „Du schon."

Er betrachtete sie, als gäbe es nur sie. Daran war Darjana nicht gewöhnt. Wenn Remus sie ansah, war sie die wichtigste Person für ihn, zumindest fühlte es sich so an. Doch sie konnte erneut in seinen Augen sehen, dass er nach Anzeichen suchte, dass er versuchte zu entschlüsseln, was sie fühlte.

Plötzlich entfuhr ihm ein leichtes Schmunzeln.

„Was?", fragte Darjana gespielt angegriffen.

„Es ist nur— Du bist so nett, das ist ungewohnt."

Empört öffnete sie den Mund. „Ich kann nett sein, weißt du? Wenn ich will."

Remus warf ihr ein freches Grinsen zu und legte den Kopf schief. „Du hast Momente", gab er zu.

Darjana lächelte nur sanft und sah ihm weiter in die Augen, während sie sich seinem Gesicht näherte, um ihre Nase kurz unter seiner verweilen zu lassen und seinen Atem spüren zu können. Remus umfasste ihr Gesicht mit seinen Händen und beugte sich zu ihr hinab, sodass sie sich leicht zurücklehnen konnte, aber er berührte ihre Lippen nicht mit seinen, sondern ließ sie kurz vor ihren verweilen, während er ihr immer noch in die Augen sah.

Bis sie sich endlich küssten — und Gott, sie hatte nicht realisiert, wie sehr sie es vermisst hatte.

Remus hatte gezweifelt, ob er das wirklich tun sollte; ob es das Richtige war. Aber jetzt wusste er es: Nichts war je richtiger gewesen. Und so wurden ihre Lippen die Antwort auf all seine Bedenken.

Darjana spürte den plötzlichen Umschwung in ihm. Erst hatte sie sich von ihm küssen lassen, doch schnell legte sie eine Hand an seinen Hals, um seinen Kuss mit der gleichen Intensität erwidern zu können. „Bist du sicher, dass du das willst?", wisperte sie zwischen seinen Küssen.

Remus wollte ja sagen, bis er plötzlich an seine Narben dachte. Was würde sie zu ihnen sagen? Wie sollte er sie erklären? Musste er das überhaupt? Es ließ ihm einfallen, weshalb er überhaupt hier war, weshalb er hier mit ihr war und wieder einmal stellte er sich die Frage: War sie hier, obwohl sie es wusste? War es wichtig?

Er hatte bei ihrer Art von Beziehung nicht über diesen Teil nachgedacht. Schließlich bevorzugte er nicht umsonst Pullover mit langen Ärmeln und ließ seinen Oberkörper bedeckt, selbst wenn er mit seinen Freunden am Schwarzen See saß.

Seine Narben waren etwas, für das er sich von allen Dingen an sich selbst am meisten schämte, weil sie etwas waren, das er nicht verstecken konnte. Sie waren immer ein Teil von ihm und erinnerten ihn daran, was er war, selbst wenn es kein Vollmond war.

Darjana sah ihn abwartend an, weil sie bemerkte, dass er zögerte.

„Ich will nicht nein sagen", gab er zu. „Ich meine, das wäre egoistisch... weil du... ich meine... letzte Woche..."

„Ist in Ordnung", beschwichtigte sie ihn mit einem sanften Lächeln. Wenn sie ehrlich war, glaubte sie auch nicht, dass es der richtige Moment war. „Wirklich."

Remus erwiderte ihr Lächeln und legte den Kopf schief. „Vielleicht können wir uns einfach nur küssen heute?", fragte er.

Darjana nickte mit einem sanften Ausdruck und schloss die Augen, als er seinen Worten Taten folgen ließ. Und als sie so dasaß, im Schlafsaal der Gryffindors, und Remus Lupin küsste, als gäbe es keinen Morgen mehr, fühlte sie sich wie eine verlegende Fünftklässlerin, die später darüber mit ihren Freundinnen kichern würde. Doch überraschenderweise fühlte sich der Gedanke gar nicht so schlimm an.

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