10. Schlechter Einfluss
KAPITEL 10
Schlechter Einfluss
Samstag, 15. Oktober 1977
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ES WAR ÄUßERST SCHWER, MIT SIRIUS UND JAMES IRGENDWO HINZUGEHEN, UND NICHT AUFZUFALLEN. Remus versuchte sie mit einer schnellen Geste zu beruhigen, als sie wie wild mit den Händen herumfuchtelten, da er am Tresen des Drei Besens stand und Zara Westwick neben ihm stehenblieb, um genau wie er etwas zu bestellen.
Na toll. Wenn er sie jetzt nicht wenigstens grüßte, konnte er sich gleich etwas anhören. Er sah sie für einen kurzen Moment an, bevor er leicht lächelte. „Hey", sagte er. Er versuchte nicht zu aufdringlich zu klingen, sondern eben genau so, wie wenn man die Leute grüßte, die man aus dem Unterricht kannte (also ohne sich anmerken zu lassen, dass seine Freunde ihn mit ihr verkuppeln wollten).
Zara wandte den Kopf zu ihm um und sah etwas überrascht aus, lächelte aber sofort zurückhaltend. „Hi", entgegnete sie schüchtern. Remus lächelte weiter, bevor sie beide ein wenig unbeholfen umhersahen und auf Madam Rosmerta warteten. Sie schien genauso ungerne wie er lange Blickkontakt zu halten, im Gegensatz zu Darjana, die ihn dadurch nur zu gerne nervös zu machen schien.
Als sich die Tür öffnete, schenkte Remus der Person, die hineinkam, zunächst nicht viel Beachtung. Doch als er erkannte, wer es war, kam er sich vor wie im Unterricht, wenn sie den Raum betrat. Manchmal sah er nur ihre Schuhe, weil er gerade nach unten schaute, wenn sie ihre Tasche neben ihm abstellte, und allein dieser Anblick reichte, um ihn völlig um den Verstand zu bringen. Er konnte sich nicht mehr richtig konzentrieren — aber wie auch, wenn sie so nah neben ihm saß und seine Gedanken von dem, was ihre Lehrer sagten, zu ihr abschweiften? Sie schien überall zu sein. Egal, wo er war, er fand sie sofort mit seinen Augen. Es hatte also ein einziger Blick für ihn gereicht, um zu erkennen, dass sie diejenige war, die das Drei Besen betreten hatte. Remus hatte das Gefühl, dass er sofort zu schwitzen begann, als sie auf die beiden zukam und sich neben ihn an den Tresen lehnte. Er versuchte, nach vorne zu sehen, doch er konnte nicht verhindern, dass sein Blick zu ihr glitt. Sie lächelte leicht, als sie ihn erwiderte.
„Tut mir leid", sagte die junge Madam Rosmerta, als sie etwas außer Atem hinter der Theke erschien. „Es ist sehr viel los und mein Kollege ist ausgefallen. Was möchtet ihr denn?"
Remus sah zu Zara, um ihr den Vortritt zu lassen. Sie war vor Darjana da gewesen. „Drei Butterbiere", sagte sie mit einem lieben Lächeln.
„Fünf für uns", fügte Remus hinzu, bevor er so unauffällig wie möglich zu Darjana auf seiner Linken sah.
„Eins bitte."
„Bringe ich euch", sagte Madam Rosmerta. Zara nickte und murmelte ein rasches, verlegenes „Tschüss", bevor sie zurück zu ihrem Tisch ging. Remus wollte sich nicht einfach umdrehen und gehen, wenn Darjana neben ihm stand, auch wenn er wusste, dass seine Freunde es komisch finden würden, wenn er länger hier blieb oder gar mit einer Slytherin sprach. Deswegen war er dankbar, als Rosmerta trotz ihres offensichtlichen Stresses das Wort an ihn richtete. „Wie geht es dir und deinen Freunden?"
„Uns geht es allen gut", antwortete er. „Ein bisschen stressig wieder am Schuljahresanfang, aber das ist ja immer so."
Rosmerta nickte. „Genießt eure Schulzeit", sagte sie. „Das ist trotz den ganzen Hausaufgaben die schönste."
Als sie sich verabschiedete, um weiterzugehen, hob Darjana die Augenbrauen. „Ich hasse Smalltalk", sagte sie. „Menschen, die Smalltalk führen, genauso. Ich bekomme immer das Bedürfnis, sie zu schlagen. Du hast gerade Smalltalk geführt."
„Bitte schlag mich nicht", sagte Remus trocken.
„Ich halte mich zurück."
Er lachte leicht auf, doch diese kleine Reaktion schien nicht auszureichen. Bei ihrem Blick musste er sich wirklich zusammenreißen, nicht noch heftiger zu lachen, und auch Darjana bekam Schwierigkeiten, ihr finsteres Gesicht aufrechtzuerhalten.
„Okay, komm", sagte sie, bevor es schlimmer wurde. „Nicht, dass dich deine Freunde dabei erwischen, wie du mit mir lachst — sie schauen schon rüber."
Remus wandte den Blick zu dem Tisch, wo James, Sirius, Peter, Vanessa und Maggie saßen und fuhr sich durch die Haare. Es tat ihm leid, dass er Darjana gestern wie ein Geheimnis behandelt hatte, auch wenn er nicht wusste, ob es ihr bei ihrer Reaktion überhaupt etwas ausgemacht hatte. Doch auch Sirius hatte diesen neutralen Gesichtsausdruck häufig und überspielte Situationen mit einem Witz, unabhängig von seinen Gefühlen. Es hatte nicht viel zu heißen, was sie nach außen hin zeigte. „Wenn du magst... also, wenn du nichts vorhast, dann kannst du auch zu uns kommen", schlug er vor.
Darjana war ein wenig überrascht, als sie das hörte. Sie hatte tatsächlich gedacht, dass er ihre oberflächliche Bekanntschaft weiterhin so geheim wie möglich halten wollen würde. Das war nicht das, was sie erwartet hatte. Dementsprechend perplex reagierte sie zunächst. „Schon gut", entgegnete sie schließlich. Der Gedanke, sich zu den anderen zu setzen... Sie wusste auch nicht. Vermutlich würde das unnötig angespannt werden und außerdem war es eine Art von Annäherung, die Darjana ein wenig unbehaglich zumute werden ließ. Bis zum Freunde kennenlernen kam sie sonst nie und das war okay. „Wir wollen sie ja nicht glauben lassen, dass du nicht unsterblich in Zara Westwick verliebt bist."
„Oh Mann", murmelte Remus.
„Aber wenn du sie irgendwie loswirst, kannst du zu mir kommen", fuhr sie fort.
„Wohin?", fragte Remus ohne überhaupt darüber nachdenken zu müssen. Darjana lächelte leicht. Er schien ja wirklich Zeit mit ihr verbringen zu wollen. Und wenn sie ehrlich war, wollte sie das auch.
„Kennst du die Heulende Hütte?"
Remus schnaubte leicht und nickte mehrmals, als wäre das eine äußerst ironische Frage gewesen. Was sie ja auch vielleicht gewesen war — jeder kannte die Heulende Hütte. Bei ihm wirkte es nur persönlicher. Die Theorien über die Hütte waren wirklich amüsant... Von verfluchten Geistern bis hin zu Werwölfen war alles dabei. Oh. Werwölfe. Die Heulende Hütte? Na klasse, Darjana.
„Davor am Zaun gibt es einen ganz coolen Ort", fuhr sie fort, ohne sich etwas über ihre Erkenntnis anmerken zu lassen.
„Ich werd da sein", sagte Remus mit einem Lächeln, das ihr das Gefühl gab, die einzige Person im Drei Besen zu sein. Und sie mochte dieses Gefühl. Niemand zuvor hatte sie je so angesehen.
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„NUR KURZ."
Vanessa seufzte, als sie Remus' Bitte hörte. „Ablenken? Wie soll ich sie denn ablenken?", fragte sie. „Und wieso soll ich sie ablenken?"
„Naja..." Remus konnte ein Grinsen nicht zurückhalten, als er sich auf die Lippe biss.
„Verstehe", entgegnete Vanessa trocken. „Rummachen mit Darjana Rowe."
„Was? Nein— Nein, das... Nein." Als Remus vor sich hin stammelte, hob Vanessa die Augenbrauen. „Wir wollen reden. Und du weißt ja, dass wir... eine Freundschaft aufbauen müssen, hab ich dir ja alles erzählt." Er versuchte nicht einmal, sich mit seiner Ausrede Mühe zu geben.
„Jaja."
„Ja."
„Mmh."
„Machst du's?"
Vanessa atmete tief durch.
„Du musst nur sagen, dass wir zusammen irgendwo hingehen — aber irgendwohin, wo James und Sirius auf gar keinen Fall hinwollen", sagte Remus und als sie nickte, nickte er auch hoffnungsvoll. „Ja?"
„James?", rief Vanessa durch die Straße, ohne zu antworten. Die anderen waren ein Stück vorgegangen, als Remus sie nach hinten gezogen hatte (genau in dem Moment, in dem Sirius ihre Hand endlich losgelassen hatte). „Ich geh mal mit Remus in den Buchladen."
„Du gehst in den Buchladen?", fragte James ungläubig.
„Wenigstens kann ich lesen", sagte Vanessa augenverdrehend.
„Du, mein Freund", wandte Sirius sich an Remus und wedelte dabei mit seiner Zigarette herum, „Hast einen äußerst schlechten Einfluss auf sie."
Remus sah von Sirius' zerrissenen Jeans zu seiner Lederjacke und schließlich zu seinen wilden, dunklen Locken. Anschließend sah er auf Vanessas Lederjacke, die sie von ihm bekommen hatte. „Sicherlich", entgegnete er trocken. „Wir sehen uns dann bei Zonkos."
„Jup, wir sind da", sagte James, bevor sie in unterschiedliche Richtungen gingen und Remus sich kurz räusperte, bevor er sich an Vanessa wandte.
„Danke", entfuhr es ihm erleichtert.
„Eine halbe Stunde", sagte Vanessa nur und deutete streng mit dem Finger auf ihn. „Ich warte hier irgendwo in der Nähe."
Remus nickte. „Ich will auch nicht, dass du denkst, dass das mehr ist, ich will einfach nur... reden."
„Bis später, Remus." Vanessa ging überhaupt nicht auf seine Versuche, sich zu verteidigen, ein. Er seufzte leicht und erkannte, dass er es tatsächlich einfach bleiben lassen konnte, wo er doch selbst wusste, dass es nur Ausreden waren.
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DARJANA MOCHTE DEN WINTER LIEBER ALS DEN SOMMER. Sie wusste nicht, woran es lag. Er war gemütlicher, vielleicht sogar harmonischer. Man machte es sich drinnen gemütlich, anstatt schwitzend durch die Gegend zu rennen. Das einzige, was am Sommer unschlagbar war, war das Eis. Darjana liebte Eis. Das hieß, es war völlig egal, ob es bereits Mitte Oktober war — sie wollte ihr Eis und hatte es auch bekommen.
Also schleckte sie an ihrem Schokoladeneis, während sie auf einem Stein mit Blick auf die Heulende Hütte saß und auf Lupin wartete. Vielleicht würde er es auch nicht schaffen, sich von seinen Freunden loszueisen. Er schien ja nicht gerade mit ihnen darüber reden zu wollen, dass sie hin und wieder miteinander sprachen — was wirklich keine große Sache war, aber gut, sollte er doch. Wenn man seine Erwartungen niedrig hielt, enttäuschte oder überraschte einen nichts. Das war auch der Grund, weshalb sie sein Angebot mit seinen Freunden abgelehnt hatte... das, und es war einfach zu intim.
Als sie Schritte hinter sich hörte, drehte sie den Kopf nach hinten und rückte ein wenig zur Seite, da sie Lupin auf sich zukommen sah. „Hey", grüßte sie ihn schlicht, während er sich neben sie auf den Stein setzte und seine Beine ausstreckte. Wenn sie neben ihm in der Schule saß, fiel seine Größe manchmal nicht so sehr auf und auch wenn er stand, war er einer der Kandidaten, zu denen ihre Oma „Stell dich gerade hin" gesagt hätte.
„Hey", entgegnete er und als Darjana den Kopf zu ihm drehte, musste sie einen Moment innehalten, um nicht zu lachen.
„Was grinst du denn so?", fragte sie.
„Tue ich nicht..." murmelte er, seine Mundwinkel hoben sich jedoch nur noch weiter und er versuchte, mit seinem Arm sein Gesicht zu verdecken. Nun lächelte auch Darjana sanft — bei ihm konnte man einfach nicht anders.
„Von meinem Eis kriegst du auf jeden Fall schon mal nichts."
Lupin ließ seinen Arm wieder sinken. „Ich wollte auch nichts", sagte er und Darjana hob die Augenbrauen, da es sich so anhörte, als hätte sie ein Eis aus zehn verschiedenen Bertie Botts Bohnen in ihrer Hand.
„Entschuldige, dass ich nicht deine Lieblingssorte gekauft habe", witzelte sie übertrieben.
„Schokoladeneis ist ja okay, aber echte Schokolade ist einfach besser."
„Ja, aber wenn man ein Eis will, kannst du mir nicht mit Schokolade ankommen", hielt Darjana ruhig dagegen. „Da will man ja was Kaltes."
„Du kannst sie kühlen."
„Nein", sagte sie schlicht.
Remus lachte leicht auf und auch Darjana grinste in sich hinein, während sie ihr Eis weiter aß. „Darf ich?", fragte er plötzlich und deutete auf die Waffel, die in ihrem Eis steckte.
„Nein, eigentlich nicht", antwortete sie.
Er warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu.
„Das war kein Witz — aber gut, die Waffel ist eh ungesund, hier..." Sie hielt ihm ihr Eis hin.
„Du hast sowieso eine ganze Eiswaffel", sagte er mit einem leichten Lachen, als er nach der Waffelscheibe griff und mit ihr etwas Eis schaufelte. „Mhm, scheiße, das ist gut."
„Siehst du", meinte sie schulterzuckend. „Du hattest noch nie Schokoeis hier?"
„Doch", antwortete er sofort. „Bestimmt... irgendwann mal."
Sie wandte sich mit einem leichten belustigten Schnauben wieder nach vorne, um auf die Heulende Hütte zu sehen. Es war ein wenig seltsam, dass sie hier so saßen und über Eis sprachen, obwohl es eigentlich keinen wirklichen Grund dafür gab, dass sie miteinander reden sollten. Naja, eigentlich schon, fiel ihr ein, als sie auf die Heulende Hütte sah. Sie warf ihm einen kurzen nachdenklichen Seitenblick zu. Sollte sie es sagen? Aber wie? War es dafür nicht schon ein bisschen zu spät?
Und außerdem war sie immer noch neugierig. Wollte er wirklich nur herausfinden, ob sie etwas wusste? Und wenn ja, wie?
„Deine kleinen Freunde wissen bestimmt nicht, dass du hier bist", sagte sie.
„Nein, meine kleinen Freunde wissen nicht, dass ich hier bin", antwortete er mit einem Kopfschütteln.
„Also bin ich ein Geheimnis." Sie drehte grinsend den Kopf zu ihm. „Dein Geheimnis."
Er sah sie schweigend an. „Wir reden nur."
„Ja", entgegnete Darjana. „Aber man macht nur Geheimnisse aus Dingen, wenn man Angst hat, sie zu verlieren — du redest also gern mit mir."
Remus atmete tief durch und mied für einen kurzen Moment ihre Augen. „Vielleicht", gab er mit einem leichten Grinsen zu. „Vielleicht tue ich das ja."
Sie nickte zufrieden.
„Wenn du magst, dann kannst du mitkommen. Ich sage ihnen, dass wir Zeit verbringen und dass... ja, das eben. Dann muss ich mich nicht blamieren und Zara fragen, ob sie mit mir zu diesem Halloween-Ball will."
„Lass mal", entgegnete Darjana. „Dann versuchen sie noch, mich mit dir zu verkuppeln. Zara ist ganz nett, du bist nett, ich sehe schon, was sie sich dabei denken."
Er zog die Augenbrauen zusammen, scheinbar verstand er nicht, warum sie so reagierte. „Aber nett heißt ja nichts."
„Das ganze Verlieben ist eh Bullshit." Darjana zuckte mit den Schultern. „Letztendlich wollen deine Hormone dich nur dazu bringen, dass du Kinder bekommst. Also nicht du direkt, du weißt schon."
Remus schnaubte belustigt und wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Bei jedem Wort von ihr musste er ein Lachen unterdrücken. Sie war einfach so... faszinierend. „Aber man liebt ja auch seine Freunde", versuchte er es.
„Liebe ist nur ein gesellschaftliches Konstrukt", entgegnete sie.
„Aber Eltern lieben ihre Kinder und—"
„Die meisten zumindest", unterbrach sie ihn knapp. „Manche scheinbar nicht genug."
Remus biss sich auf die Lippe. Er musste seine nächsten Worte jetzt weise wählen, das spürte er. „Der Brief von deiner Mutter...", setzte er an.
„Großer Gott", murmelte sie.
„War das auch nur so eine Wenn-ich-mir-nichts-anmerken-lasse-denkt-sich-niemand-was-dabei-Sache?"
Sie schwieg. War es, ja. Und? Wie kam er überhaupt darauf? Gryffindors, ernsthaft. Darjana atmete tief durch. Bisher hatte sie es nie jemandem erzählt, wozu auch? Es machte nichts besser und es war auch nicht so, als wäre es für sie etwas Traumatisches, das sie loswerden musste. Und wenn es nichts Dramatisches war, konnte sie offen darüber reden, oder? Mist. Ihre eigene Logik spielte sie aus. „Meine Mum ist abgehauen, als ich acht war", erklärte sie so beiläufig, als hätte sie erzählt, dass es morgen regnen sollte. Genauso war es gemeint. Es war eben so — es gehörte zu ihrem Leben.
„Abgehauen?", fragte Remus.
„Ja, abgehauen, Lupin, wurde zu viel mit zwei Kindern, verstehst du?" Sie sah nach vorne. „Sie war sehr jung, als sie meinen Bruder bekommen hat. Gerade neunzehn, hat mit achtzehn geheiratet. Ich meine, ich kann's irgendwie verstehen, ihr ganzes Leben war hin und ihr Vater war wohl streng und hat sie keine Ausbildung machen lassen, weil er meinte, sie soll eine gute Mutter sein."
„Tut mir leid", war das einzige, was er dazu sagte.
Darjana zuckte mit den Schultern. Sie ließ das Ganze nicht nah an sich herangehen. „Ich wohn jetzt bei meinem Bruder, ist schon gut", entgegnete sie. „Der Brief war von meiner Mum — sie will wohl Kontakt."
„Aber du nicht?", fragte Remus.
„Ich nicht", stimmte sie zu. „Siehst du, ich bin voll verkorkst."
„Ich bin auch...", begann er, als wollte er ihre Worte widerlegen, „Verkorkst."
„Bist du nicht."
„Woher willst du das wissen?", fragte er sie. „Du kennst mich nicht. Vielleicht... vielleicht bin ich ja auch nicht so für Liebe und Beziehungen."
Sie drehte ihren Kopf zu ihm. „Das allerdings", begann sie, „Das wäre interessant."
Er schwieg kurz. „Würdest du mit mir zu dem Ball gehen?", platzte es aus ihm heraus.
„Nein", antwortete Darjana.
„Oh, okay, ähm, danke?" Remus kratzte sich am Hinterkopf. „Du bist das zweite Mädchen, das Nein sagt."
„Lupin, sieh mal, jeder würde was in die Sache hineininterpretieren, allen voran deine Freunde", erklärte sie.
„Dann lass sie was reininterpretieren."
„Ich..." Darjana hielt inne. Sie war es nicht gewöhnt, so viel Zeit mit jemandem zu verbringen, der seine ganze Aufmerksamkeit ihr — und nur ihr — schenkte. Es machte ihr ein wenig Angst. Und damit meinte sie nicht die Tatsache, dass er sie zu mögen schien, sondern dass sie am liebsten Ja gesagt hätte. Normalerweise hätte sie es auch, wenn sie es gewollt hätte, doch sie fürchtete, dass er mehr darin sehen würde und dass sie... dass es ihr genauso gehen würde. „Zara Westwick ist vermutlich optimistisch und glaubt an Liebe und all das Zeug — ich nicht. Du solltest sie wegen des Halloween-Balls fragen, nicht mich. Ich bin nicht die Art von Mädchen, die mit einem Jungen zu einem Ball geht."
„Wieso nicht?", fragte er.
„Weil ich... Weil ich eben die Art von Mädchen bin, die Ja sagt, wenn jemand ihr Musik in seinem Schlafsaal zeigen will."
Er schüttelte mit dem Kopf. „Nur, weil das irgendwelche Typen gesagt haben wie Carrow?"
Sie runzelte die Stirn. „Woher weißt du davon?"
„Ist das wichtig?"
Darjana seufzte und sah auf den Boden. „Es ist einfach das, was die Leute jetzt denken."
„Nein, es ist das, was du denkst", versuchte er es weiter.
„Was weißt du schon?"
„Ich weiß, dass es dich nicht so kalt lässt, dass deine Mum dich damals verlassen hat, weil du deswegen immer noch Angst hast, Menschen an dich heranzulassen", begann er. Darjana zuckte bei seiner energischen Stimme leicht zurück. „Und dass du höchstwahrscheinlich auf die Art den Zuspruch suchst, den sie dir hätte geben sollen, aber du willst andere ja nicht anfangen zu mögen, damit dich niemand fallen lassen kann, und deswegen suchst du dir solche Mistkerle wie Carrow aus."
Darjana sah ihn ausdruckslos an und biss die Zähne zusammen. „Fick dich", sagte sie seelenruhig. Vielleicht hatte er recht. Aber es zu hören, machte sie wütend. Er hatte kein Recht, das, was sie ihm gesagt hatte, jetzt gegen sie zu verwenden.
„Darjana—", begann er.
„Nein", sagte sie und stand auf.
„Bitte—"
Als er näher kam, warf sie ihr Eis auf ihn. Schade um das gute Eis... Aber es an ihm heruntertropfen zu sehen, tat gut. „Lass mich einfach", brachte sie hervor, ihre Kehle fühlte sich viel enger beim Sprechen an. Mit schnell klopfendem Herzen machte sie kehrt und lief zurück ins Dorf.
Remus blieb zurück und fuhr sich über die Stirn. Er hatte doch nicht... Er hatte ihr nur helfen wollen. Er wollte, dass sie sich so sah, wie er sie sah, obwohl er überhaupt nicht wusste, wann er angefangen hatte, sie so zu sehen. Das war nicht gut. Er setzte sich auf den Stein und fuhr sich mit den Händen über das Gesicht. Sein Herz hatte gerast, als sie begonnen hatte, sich ihm endlich zu öffnen; ihm mehr von Darjana Rowe zu zeigen. Und dann hatte er all das kaputt gemacht.
Als er zu Vanessa zurückging, sah sie etwas perplex auf das Schokoladeneis, das mittlerweile trocken geworden war und nun an seinem Pullover klebte. „Was ist denn mit dir passiert?", fragte sie. „Ein Kampf mit einem Eisbär?"
„Witzig", entgegnete Remus und schnaubte leicht. „Kleiner Streit."
Vanessa hob die Augenbrauen. „Was hast du gemacht?"
„Ich hab sie gefragt, ob sie mit mir zu diesem Halloween-Scheiß gehen will."
„Oh." Sie runzelte die Stirn und richtete ihren Zauberstab auf ihn, um ihn sauber zu machen.
„Danke", sagte er, auch wenn er nicht so klang, als wäre er gedanklich überhaupt hier.
Plötzlich bekam sie große Augen. „Remus, ist sie sauer auf dich?", fragte sie eindringlich.
„Vielleicht", antwortete er schulterzuckend. Ihm war nicht mehr nach Reden zumute. Er fühlte sich miserabel. „Wen kümmert das schon?"
Vanessa öffnete ungläubig den Mund, als Remus an ihr vorbeiging und sich auf den Weg zu Zonkos machte. Was machte Darjana denn bitte mit ihm?
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