07. Schwester Darjana
KAPITEL 7
Schwester Darjana
Mittwoch, 28. September 1977
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HEUTE WAR DER 28. SEPTEMBER — das bedeutete, dass Darjana gleich ihren Vortrag in Verteidigung gegen die dunklen Künste halten würde. Doch als sie bereits im Klassenraum saß, kristallisierte sich ein kleines Problem heraus: Lupin betrat den Raum und er sah... nicht gut aus. Und das war nett ausgedrückt. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen, war blass und machte den Eindruck, er hätte einen Kampf gegen eine Katze ausgetragen. Merlin, dachte Darjana. Bitte sag nicht, dass heute Vollmond war.
Mit einem angestrengten Ächzen ließ er sich neben ihr nieder und Darjana verzog anteilhaft das Gesicht. „Himmel nochmal, Lupin", entfuhr es ihr. „Du siehst so scheiße aus."
„Danke", entgegnete er schlicht und rieb sich über die Schläfe.
„Hey, pass auf, was du sagst, ja?" wandte sich plötzlich Potter gereizt an sie. Er sah ebenfalls müde aus, nur nicht so... kaputt. Lupin machte den Eindruck, als hätte ihn jemand durch einen Fleischwolf gedreht.
„Pfeif deine Hunde zurück, Lupin", sagte Darjana unbeeindruckt.
„James..." begann Lupin in diesem Moment.
Potter warf einen letzten vorsichtigen Blick auf die beiden, bevor er sich neben Peter setzte.
„So schlimm?" fragte Remus Darjana leise.
„Etwas, ja", sagte sie ehrlich.
„Ich dachte nur... der Vortrag."
In diesem Moment stand Professor Attaway von seinem Schreibtisch auf und stellte sich nach vorne, um den Unterricht zu beginnen. Darjana warf immer wieder skeptische Blicke auf Lupin. Er war doch nicht ernsthaft nur wegen dieses blöden Vortrags zu dieser Stunde gekommen, oder? Er sollte sich verdammt nochmal ins Bett legen.
„Die ersten wären dann Sie, Lupin und Rowe."
Kaum, dass ihre Namen genannt wurden, erhob sich Remus neben ihr von seinem Stuhl, als hätte er sich schon die ganze Zeit innerlich darauf vorbereitet, aufstehen zu müssen. Während Darjana ihm folgte, hielt sie ihn vor der ersten Tischreihe am Arm zurück. Womit sie nicht gerechnet hatte, war, dass er plötzlich leicht zu straucheln anfing und sich für einen kurzen Moment an ihr abstützen musste. Darjana hielt ihn fest und zog besorgt die Augenbrauen zusammen. „Hey, ich habe echt keine Lust, dass du mir hier wegkippst, okay?"
„Mir geht es gut... okay?" äffte er sie nach.
Als er sie so anfuhr, blitzten Darjanas Augen temperamentvoll auf. „Offensichtlich ja nicht", zischte sie zurück. „Du siehst wirklich scheiße aus—"
„Ja, das habe ich jetzt auch verstanden, danke."
„Geht es Ihnen gut?" unterbrach Professor Attaway die beiden plötzlich und trat ein wenig näher an sie heran. Er roch nach Orangen. Genauer gesagt nach dem besonders ekligen Orangentee, den ihre Oma immer getrunken hatten. Auch seine weißen, kinnlangen Haare erinnerten sie an ihre Oma, jetzt, wo sie darüber nachdachte.
Sie warf Lupin einen langen Blick zu. Sollte er doch selbst entscheiden, ob er den Vortrag in diesem Zustand halten wollte oder nicht. Sie war nicht seine Babysitterin. Was für ein sturer Esel... sturer Werwolf. „Wenn ich ehrlich bin", begann er plötzlich und räusperte sich. „Würde ich gerne in den Krankenflügel gehen." Er mied Darjanas Blick bei diesen Worten. Es ging also doch.
„Ich kann mit ihm kommen", bot Potter an.
„Sie wären doch die nächsten mit dem Vortrag", meinte Professor Attaway zu ihm und Peter, selbst etwas ratlos, was er nun tun sollte. Spontanität gab es bei ihm wohl nicht.
„Ich kann ihn bringen", meinte Darjana mit einem Schulterzucken, als wäre es ihr nicht wirklich wichtig. Nach seiner Reaktion wollte sie nicht so tun, als würde sie sich groß darum kümmern — auch wegen seiner Freunde nicht.
Professor Attaway nickte, während James sich frustriert in seinen Sitz zurückfallen ließ. Darjana folgte Remus aus dem Klassenraum. „Wie die Lehrer immer annehmen, dass man eine Begleitperson braucht", sagte sie, als sie die Tür hinter sich schloss.
„Du hast es doch angeboten", meinte er knapp. „Du musst auch nicht mitkommen."
Darjana verdrehte die Augen. Da war wohl jemand schlecht drauf... Sie mochte es, Leute zu provozieren, die schlecht drauf waren, aber da sie eine Vermutung hatte, weshalb er so war, hielt sie sich etwas zurück. „Ich will nicht dabei zusehen, wie dich andere später vom Boden aufkratzen, also erspare ich den Erstklässlern das Trauma."
In diesem Moment schnaubte er doch ein wenig amüsiert. Trotzdem war sie zu genervt, um das anzuerkennen. Sie wusste selbst nicht, warum es sie so reizte, aber vor allem, wenn sie nur helfen wollte, ließ sie sich so eine Reaktion nicht gerne gefallen.
„Liegt es daran, dass ich dein Ego verletzt habe? Es ist nur die Wahrheit — heute ist nicht dein glorreichster Tag. Das heißt aber nicht, dass ich dein Gesicht sonst schrecklich finde."
Remus drehte den Kopf zu ihr und lächelte nun doch leicht. Er war immer noch ein wenig verwirrt, wenn sie solche Bemerkungen von sich gab, aber er erwischte sich dabei, es immer mehr zu mögen. „Danke", sagte er auf einmal. Diesmal klang es nicht ironisch. Sie war sich nicht sicher, ob es sich auf ihr Kompliment bezog oder ob er damit die Tatsache meinte, dass sie ihn dazu gebracht hatte, sich auf den Weg zum Krankenflügel zu machen.
„Wir können den Vortrag ja immer noch halten", meinte sie schlicht. Als sie um die Ecke zum Krankenflügel bogen, merkte Darjana, dass er seit sie losgegangen waren, immer schwerer zu atmen begonnen hatte. Sie hielt ihm etwas besorgt die Tür auf und sah sich aufmerksam nach Madam Pomfrey um. Bisher war sie nicht gerade oft im Krankenflügel gewesen, aber anhand der Reaktion der Krankenschwester, als sie Remus sah, war er es schon öfter. Was sie nicht überraschte.
„Ich habe dir gesagt, du solltest heute besser hier bleiben", meinte sie besorgt und wuselte auf Remus zu, um ihn kritisch zu beäugen. „Leg dich hin, ich kümmere mich um dich."
„Ich bringe ihn", sagte Darjana erneut und nun hielt sich Remus doch etwas fester an ihrem Arm fest, als sie nach seinem griff, um ihn zum nächsten Bett zu ziehen. Kaum, dass sie ankamen, stützte er sich mit einer Hand am Bettende ab und ließ sich mit einem Seufzen auf die Matratze sinken, als hätte er sich keine Sekunde länger auf den Beinen halten können. Darjana ließ ihn los, als er seinen Kopf gegen das Kissen legte und tief durchatmete.
„Tut mir leid", meinte er, als sie sich neben ihn auf die Bettkante setzte. „Ich wollte dich nicht so anfahren."
„Schon okay", entgegnete sie und zuckte mit den Schultern. „Dein Blick bei dem Okay war schon Gold wert."
Er lachte leise. Als Madam Pomfrey einen Eimer mit Wasser und einem Waschlappen neben ihnen abstellte und schließlich wieder losging, um noch etwas zu holen, nahm Darjana den Waschlappen und klatschte ihn ohne ihn auszuwringen an seine Stirn. Remus zuckte leicht zusammen und schloss die Augen, als das Wasser über sein Gesicht bis auf seine Schuluniform tropfte.
„Zur Vorwarnung: Ich bin nicht so eine gute Krankenschwester", sagte sie mit einem unschuldigen Lächeln.
„Offensichtlich", entgegnete er trocken und griff nach ihrer Hand, um sie zurück zu dem Eimer mit dem Wasser zu führen, damit sie den Waschlappen wieder fallen ließ. Darjana fühlte seine Berührung plötzlich doppelt so bewusst wie jede andere je zuvor.
„Aber das weiße Outfit würde mir äußerst gut stehen", fuhr sie fort.
Remus ließ seine Augen über sie wandern, bevor er sich mit einem leichten Grinsen kopfschüttelnd abwandte.
„Lupin, was hast du da gerade gedacht?"
„Nichts", antwortete er ausweichend. In seinen Augen funkelte etwas Schelmisches. Vielleicht war es das, was Darjana brauchte, um zu realisieren, dass sie recht gehabt hatte: Remus Lupin war tatsächlich nicht langweilig. Er brauchte nur etwas Zeit. Doch er hatte etwas so Faszinierendes an sich, dass Darjana sie ihm geben würde, um jede seiner Seiten kennenzulernen.
In diesem Moment kam Madam Pomfrey zu ihnen zurück und sah zwischen den beiden hin und her. Bei ihrem fragenden Blick nickte Darjana leicht. „Ich gehe wieder zurück zum Unterricht", sagte sie. „Erhol dich."
„Danke", entgegnete er erneut.
Als Darjana aufstand, wandte sie nicht einmal den Blick von ihm ab. „Beim nächsten Mal hörst du gleich auf mich, klar?"
„Versprochen..." Er lächelte schief. „Schwester Darjana."
Sie wusste nicht, warum sie den ganzen Weg über zum Klassenraum immer noch so sehr grinsen musste, dass ihr die Wangen wehtaten.
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„VANESSA, ICH MUSS DIR WAS SAGEN."
Manchmal war es tatsächlich praktisch, dass Vanessa und Remus die einzigen waren, die Kräuterkunde abgewählt hatten. Schon letztes Jahr hatten sie dadurch Dinge besprechen können, die James und Sirius nicht mitbekommen sollten. Die beiden waren impulsiver als er — und auch, wenn ihm vieles nicht gefallen hatte, was Vanessa ihm erzählt hatte, hatte sie gewusst, dass sie ihm genug damit vertrauen konnte, dass er es ihnen nicht erzählte. Was er trotzdem einmal getan hatte... Aber letztendlich nur, weil er sich Sorgen um sie machte.
Deswegen hatte Remus dieses Jahr das Gefühl, dass er Vanessa ebenfalls von Dingen erzählen konnte, die er seinen Freunden nicht erzählen wollte. Und irgendwie musste er es endlich loswerden.
„Oh, Remus." Vanessa legte sich eine Hand ans Herz. „Es ehrt mich ja, aber ich liebe Sirius, weißt du?"
Sie lachte, als er mit einem leichten Grinsen die Augen verdrehte. „So kalt brichst du mein Herz?" entgegnete er und ließ sich auf den Sessel fallen. In diesem Moment kam das Thema, über das er sprechen wollte, in seine Gedanken zurück, und er konnte gar nicht anders, als sich müde über die Stirn zu reiben, als er daran dachte, bevor sein Blick auf den Block vor ihr und die Gitarre auf ihrem Schoß fiel. „Schreibst du wieder Lieder?"
„Äh... ja", antwortete Vanessa. „Die letzte Zeit war nicht so wirklich... inspirierend. Und jetzt geht es mir gut. Ich meine, was gerade passiert, ist schrecklich, aber trotzdem geht es mir besser als letztes Jahr."
Remus lächelte sanft. Sirius und Vanessa hatten es verdient, glücklich zu sein, vor allem Vanessa, nach allem, was letztes Jahr passiert war.
„Was ist los?" fuhr sie besorgt fort.
„Du erinnerst dich an Mai letztes Schuljahr?" Bevor er fortfuhr, sah er sich kurz im Gemeinschaftsraum um. „In der Eulerei. Wo wir geredet haben über... mich?"
„Du meinst, als jemand es fast gehört hätte? Aber du hattest ja keinen Namen auf der Karte gesehen..."
„Naja", begann Remus und atmete tief durch. „Eigentlich habe ich das."
Vanessa bekam große Augen. „Wer... Wer ist es?"
Remus seufzte. „Darjana Rowe."
Er bekam für ein paar Sekunden keine Antwort. „Scheiße", war schließlich Vanessas erste Reaktion. Remus nickte zustimmend. „Du hast es nicht Sirius oder James oder Pe—" Er schüttelte mit dem Kopf. „Doppelt scheiße — jetzt weiß ich, wie du dich gefühlt hast, als ich dir immer alles erzählt habe."
„Ich will nicht, dass sie auf dumme Ideen kommen... Sie ist eine Slytherin, allein deswegen mögen sie sie schon nicht. Und wenn sie das wüssten..."
„Denkst du denn, dass sie es gehört hat?" fragte Vanessa.
„Ich weiß nicht", gab Remus zu. „Das versuche ich irgendwie herauszufinden."
„Deswegen verbringst du also Zeit mit ihr." Sie sah für einen kurzen Moment nachdenklich an ihm vorbei. „Wenn sie es wirklich gehört hat, könnte man das irgendwie herausfinden, aber wenn nicht, merkt man es halt auch nicht."
„Ja, genau das ist das Problem", sagte er angestrengt. „Ich dachte mir, wenn wir uns irgendwie anfreunden, sage ich es ihr irgendwann und sie sagt entweder, sie wusste es schon oder es ist neu für sie, aber es macht ihr nicht aus."
„Denkst du, dass das der richtige Ansatz ist?" redete Vanessa ihm besorgt ins Gewissen.
„Vermutlich nicht", gab Remus zu. Er wusste doch selbst nicht, was er machen sollte. „Eigentlich dachte ich auch... Also wenn ich so etwas gehört hätte, wäre ich zu der Person gegangen, um ihr zu sagen, dass ich es weiß und dass ich es nicht verraten werde."
„Ja, das wäre nur fair", stimmte Vanessa zu, als wäre es nur nebensächlich, bevor sie mit ihrem Gedankengang von eben fortfuhr. „Ich könnte sie festhalten und du obliviierst sie—"
„Vanessa..."
„Dann bist du zu hundert Prozent sicher. Sie würde sich ja nicht einmal daran erinnern."
Remus biss sich unruhig auf der Lippe herum. „Sie ist kein schlechter Mensch", sagte er nach einer Weile. „Und sie ist... sie ist cool, weißt du?" Er wusste nicht, warum er bei diesen Worten so rot wurde, als hätte er etwas viel Schlimmeres gesagt, als dass er ein Mädchen cool fand.
„Merlin, Remus, nein." Vanessa schüttelte hilflos mit dem Kopf. „Wenn das mehr als nur eine Freundschaft wird und in der Sache einer verletzt wird — wenn sie verletzt wird — du weißt nicht, wie sie ist. Vielleicht ist sie nachtragend. Das ist nicht nur ein kleines Geheimnis, wie Ich war eifersüchtig auf Lily, als James sich mit dreizehn in sie verknallt hat, das hier... Das—"
„Könnte mein ganzes Leben ruinieren?" fragte Remus rhetorisch. „Ja, das ist mir bewusst."
Vanessa verschränkte die Hände in ihrem Schoß und sah auf den Boden.
„Du warst eifersüchtig auf Lily?"
„Ich dachte, sie nimmt mir James weg — und er wollte doch mich heiraten!", rechtfertigte sie sich energisch.
„Aber mit dreizehn... Wenn du mit acht eifersüchtig gewesen wärst..." Bei Vanessas Blick schwieg er. „Okay, gut, was soll ich machen?"
„Sie soll dich mögen. Aber nicht zu sehr. Das darf nicht unnötig kompliziert werden", meinte sie und seufzte.
Remus lächelte gequält. „Ich denke, das ist es schon längst."
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NOTE
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Der Grund, warum Vanessa hier keine Hauptrolle haben sollte, war einfach der, dass ich mir dann irgendein Drama für sie (und Sirius) hätte erfinden müssen, dabei hat sie letztes Jahr so viel durchgemacht und wie ihr euch denken könnt, wird sie noch viel durchmachen, also hat sie wirklich mal eine Pause verdient.
(In der sie Remus Beziehungstipps geben muss.)
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