t w e n t y t h r e e.
t w e n t y t h r e e.
Ich bin keine Prinzessin, Mum. Ich bin der Drache, der kleine Kinder im Schlaf erschreckt. Ich bin der Ritter, der die Schwachen verteidigt. Ich bin die Hexe, die alles zu ihrer Zufriedenheit richtet. Ich bin keine Prinzessin, Mum. Nein, ich bin so viel mehr als das.
„Können wir vielleicht irgendwann von meinem Geld mal deinen kleinen Bruder mitnehmen?", frage ich und durchbreche die angenehme Stille, die in den letzten Minuten über Ash und mir gelegen hat. „Zum Bowlen oder so?"
Ashton sieht mich an und dreht das Radio, in dem gerade einer seiner Lieblingssongs läuft, leiser. Ich meine mich daran zu erinnern, dass er mir dieses Lied schon einmal vorgespielt hat, aber mir fällt beim besten Willen der Titel nicht ein.
Was aber eigentlich auch nicht wichtig ist. Viel wichtiger ist das Lächeln, das auf Ashtons Gesicht erschienen ist, als er den Song erkannt hatte.
Ich spüre seinen musternden Blick auf mir.
„Du musst das nicht tun, Jul", meint er schließlich.
„Ich will es aber. Ich mag deinen Bruder", erwidere ich und meine es auch so. Ich habe Harry direkt bei meiner ersten Begegnung ins Herz geschlossen. Er hat mich an jemanden erinnert, den ich nie kennengelernt habe. An einen jüngeren Ashton. Einen unbeschwerten.
Ich drehe das Radio wieder lauter und bekomme eine Gänsehaut, als meine Hand Ashtons streift, als er den Gang wechselt.
Sofort fühle ich dieses merkwürdige, aber unbeschwerte Glücksgefühl in meinem Bauch. Es fühlt sich an, als hätte mir gerade jemand erzählt, dass ich alles Eis der Welt essen kann. So, als hätte sich mein größter Wunsch erfüllt. So, als könnte ich alles überstehen.
Ich hatte mich trotz aller Bemühungen in ihn verliebt. Und wenn sich Verliebtheit so anfühlt, dann würde ich es für nichts auf der Welt wieder hergeben.
„Er mag dich auch. Er erzählt nur noch davon, wie sehr du dich für seine Meinung vom Fußball interessiert hast", entgegnet Ashton und schenkt mir ein Lächeln, was mein Herz schneller schlagen lässt.
Ja, definitiv. Mit Verliebtheit lässt es sich gut leben.
„Wo wir gerade beim Fußball sind. Wieso hast du mir nie erzählt, dass du Fußball magst?", frage ich ihn.
Er zuckt mit den Schultern. „Du hast nie danach gefragt."
Einen Moment lang frage ich mich, was ich noch alles über ihn weiß, weil ich nie die richtigen Fragen gestellt habe.
Dann frage ich mich, was ich überhaupt über ihn weiß.
„Also? Was sagst du nun zum Bowling?"
„Ich werde Harry mal fragen", meint Ashton und grinst dann. „Vielleicht sind wir ihm aber auch einfach nicht cool genug."
„Ich bitte dich. Wer ist denn bitte cooler als wir?", lache ich und halte ihm den Mund zu, als er anfangen will, eine Liste aufzuzählen.
„Jules! Lass mich los", beschwert er sich, wobei es eher nach ‚Juhus! Lass misch losch' klingt.
Lachend tue ich ihm den Gefallen.
„Sind wir noch auf dem richtigen Weg?", fragt Ashton mich und nickt in Richtung Straßenkarte.
„Hast du eigentlich kein Navi im Auto?" Schon in dem Moment, als ich die Frage stelle, weiß ich, wie bescheuert sie ist.
Natürlich hat Ashton kein Navi in seinem Auto.
Sein Auto ist schließlich keine Luxuskarre und hat schon bessere Tage gesehen. Und ich bin mir sicher, dass er das Geld, das er für ein tragbares Navi ausgeben müsste, für wichtigere Dinge benutzen muss.
„Selbst wenn ich eines hätte, würde ich es nicht benutzen. Was wäre das hier denn für ein Road Trip, wenn man keine Straßenkarte lesen müsste?", entgegnet er grinsend.
Ich beuge mich über die Karte und brauche einen Moment, bevor ich unsere Position gefunden habe.
„Die nächste rechts und dann die zweite links. Dann müssten wir eigentlich da sein", verkünde ich gerade noch rechtzeitig.
Ashton bremst abrupt, um die Ausfahrt noch zu erwischen und ich knalle lachend gegen die Autotür.
„Alle okay?", fragt er mich besorgt und ich nicke.
„Alles Bestens", lächele ich. Und das ist es auch.
Ich werde ohne Zweifel blaue Flecken am ganzen Arm bekommen, dass hat meine Krankheit so an sich.
Aber die Tatsache, dass ich blaue Flecken bekommen kann, bedeutet, dass ich am Leben bin.
Und was gibt es Schöneres?
Also mache ich es mir wieder auf dem Sitz gemütlich und lächele bloß.
Das Auto knattert noch ein paar Minuten vor sich hin, bevor Ashton es am Straßenrand parkt.
Ich merke, dass wir anscheinend an unserem Ziel angekommen bin und steige aus, um mich neugierig umzusehen. Die Straße ist klein und voller Einfamilienhäuser.
Es ist leise und wirkt beinahe, als wären wir in einer Kleinstadt gelandet. Die Großstadt, der ganze Lärm, die ganzen Autos wirkt auf einmal so weit weg.
„Es ist schön hier", meine ich und drehe mich lächelnd zu Ashton um.
„Es ist beinahe so, als hätte sich diese Straße vor Sydney versteckt und als wollte sie nicht gefunden werden", bemerkt Ashton und nimmt wie selbstverständlich meine Hand.
Während wir die Straße herunterschlendern, versuche ich so viel wie möglich von der Umgebung wahrzunehmen. Die meisten Häuser wirken einfach, aber gemütlich. Nicht so teuer wie die Häuser in meiner Straße und nicht so heruntergekommen wie Ashtons Wohngegend.
Es ist ein gesundes Mittelmaß.
„Der Spielplatz erinnert mich an den Spielplatz vor eurem Haus", meint Ash und deutet auf eine kleine Grünfläche mit Schaukel und Rutsche, auf der ein paar Mütter mit ihren Kindern spielen.
Ich muss lächeln, als ich dies sehe und eine seltsame Sehnsucht überkommt mich.
Ich kann mich nicht daran erinnern, dass meine Mutter oft mit mir auf irgendwelchen Spielplätzen gewesen ist und ich frage mich, wie es wohl sein muss, eine normale Familie zu haben.
Eine Familie, in der man sich füreinander interessiert. Eine Familie, in der sich alle lieben. Eine Familie, die nicht zerbrochen ist.
„Ash?"
„Jules?"
„Darf ich dich was fragen?"
Er nickt und ich beiße mir auf die Lippe, weil ich Angst vor seiner Antwort habe. „Wirst du mir je erzählen, warum du jeden Mittag um zwölf auf dem Spielplatz bist?"
„Ja. Irgendwann einmal", entgegnet er.
„Versprochen?"
Er sieht mich ein und hält meinen Blick gefangen. „Versprochen."
Damit lassen wir das Thema fallen und unterhalten uns stattdessen über einige unserer Mitschüler, bis Ashtons Augen plötzlich aufleuchten.
„Siehst du das Geschäft da, Jul? Das ist ein Kostümverleih!", ruft er begeistert.
Ich muss über seinen Enthusiasmus grinsen und folge seinem Blick. Zwischen zwei Häusern existiert wirklich ein scheinbar unauffälliger Laden, auf dessen Schaufensterscheibe für den Sommerschlussverauf geworben wird.
Ich frage mich, wieso es in einem Kostümverleih überhaupt einen Schlussverkauf gibt, da man alles Dinge höchstwahrscheinlich erstens zu jeder Jahreszeit kaufen kann und dort zweitens nicht einmal etwas verkauft, sondern verleiht wird.
Aber das sind Kleinigkeiten und der Gedanke verschwindet sofort, als Ashton mich lächelnd zu dem Laden zieht. In Momenten wie diesen erinnert er mich an einen kleinen Jungen.
Eine Glocke über der Tür kündigt unser Kommen an, als wir eintreten und ich sehe mich neugierig um. Außer uns sind kaum Kunden in dem Laden.
Nur ein älteres Ehepaar, dass konzentriert eine Wühlkiste durchsucht und ein Vater mit seinem Sohn, die vor dem Regal mit Kinderkostümen stehen.
„Ich will aber kein Pirat sein, Dad. Ich will Superman!", quengelt der Kleine.
„Der Junge gefällt mir. Er hat Geschmack", flüstert Ashton mir ins Ohr und ich muss lachen.
„Was ist denn bitte so schlimm an einem Piratenkostüm?"
„Ich bitte dich, Jul! Superman schlägt alles!", meint er ernsthaft.
„Ich mag Piratenkostüme", erwidere ich grinsend. „Als ich klein gewesen bin, wollte ich zu Halloween immer als Pirat gehen. Letztendlich hatte ich das Kostüm nicht einmal anziehen dürfen und meine Mutter hat mich immer in irgendwelche dämlichen Prinzessinnenkostüme gesteckt."
„Ich wette, du hast eine zauberhafte Prinzessin abgegeben", grinst Ashton.
„Ich wäre ein noch zauberhafterer Pirat gewesen!", argumentiere ich.
„Nun, es ist nie zu spät im Leben!" Er zieht mich durch den Laden, bis er gefunden hat, was er gesucht hatte, und drückt mir lachend ein Kostüm in die Hand, bevor er mich in eine der beiden Umkleiden schiebt, die eindeutig schon einmal bessere Tage gesehen haben.
Leicht angeekelt steige ich über ein paar Schuhe, dass dort garantiert nicht erst seit heute Morgen liegt. „Das ist eine furchtbare Idee, Ash!", beschwere ich mich.
„Stell dich nicht so an! Vor zwei Minuten hast du mir noch erzählt, dass du schon immer mal ein Pirat sein wolltest und nie durftest! Jetzt hast du die Chance dazu!"
„Wenn ich das hier anziehe, dann musst du danach auch etwas anziehen!", rufe ich ihm zu, während ich beginne, mich umzuziehen.
„In Ordnung", stimmt er zu.
„Und ich darf aussuchen!", erwidere ich.
„Meinetwegen auch das, Jul. Jetzt zieh dich endlich um", meint Ashton. Ich sehe ihn nicht und das muss ich auch nicht, denn ich weiß auch so, dass er ein Grinsen im Gesicht hat.
Als ich alles anhabe, binde ich mir schließlich noch ein Bandana um den Kopf und setze mir die Augenklappe auf. Dabei höre ich Ashton vor der Umkleide ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden klopfen.
Dann lehne ich mich kurz gegen die Wand, um wieder zu Atem zu kommen. Seit den letzten Tagen ist Umziehen eine Qual für mich geworden und meistens fühle ich mich danach, als wäre ich einen Marathon gelaufen.
Sobald ich wieder zu Atem gekommen bin, verlasse ich die Umkleide und muss lachen, als ich mich selbst im Spiegel sehe. Ashton setzt mir einen Hut auf und fängt ebenfalls an zu lachen.
„Steht dir wirklich ausgezeichnet, Jul", grinst er und zupft an meinem viel zu großen Oberteil, dass ich mit einer Kordel notdürftig enger gemacht habe.
„Ja, nicht wahr? So könnte ich gleich auf den Laufsteg", lache ich und mache mich dann auf Weg, um auch Ashton ein Kostüm rauszusuchen.
Ich wühle durch einige Kisten, bis ich schließlich genau das Richtige in der Hand halte und reiche es Ash.
„Was ist das denn bitte schön?", fragt er mich entsetzt und ich breche in Gelächter aus.
„Das ist das Outfit eines männlichen Strippers", meine ich, als wäre das Ganze völlig selbstverständlich und schiebe ihn in Richtung der Umkleide. „Viel Spaß! Und pass auf, in der Mitte liegt ein paar alter Schuhe!"
Ich setze mich auf den einzigen Stuhl im Laden, der strategisch so platziert ist, dass ich die Umkleide genau im Blick habe und merke, wie mich die Erschöpfung, die ich in den letzten Stunden so erfolgreich verdrängt habe, mich wieder einholt.
Ich schließe kurz die Augen und versuche mir einzureden, dass ich diese Pause eigentlich gar nicht brauche und nicht eigentlich nur hier sitze, weil ich auf Ashton warte. Ich tue das hier nicht für mich.
Leider bin ich noch nie allzu gut darin gewesen, mich selbst anzulügen.
Ich bin beinahe froh, als Ashton schließlich aus der Umkleide kommt und mich von meinen deprimierenden Gedanken ablenkt.
Er trägt, nun ja, eigentlich trägt er so gut wie gar nichts abgesehen von einer kleinen Lederschürze, die um seine Hüfte gebunden ist.
„Ich sehe lächerlich aus", beschwert er sich.
Lachend muss ich ihm zustimmen, wobei ich meine Augen nicht von seinem nackten Oberkörper abwenden kann.
Ich blinzele, um davon abzulenken, dass ich ihn angestarrt habe und konzentriere mich darauf, nirgendwo anders hinzusehen, als in sein Gesicht.
„Hab ich da was?", fragt Ashton mich und sieht schnell in den Spiegel, um sich zu vergewissern, dass mit seinem Gesicht alles in Ordnung ist.
„Nein. Wie kommst du darauf?", antworte ich und merke, wie mein Gesicht rot anläuft.
Schnell stehe ich von dem Stuhl auf, halte mich kurz an der Lehne fest, bis der Schwindelanfall vorüber ist und stelle mich dann neben ihn, um ein Foto von uns zu machen.
Ashton legt einen Arm um mich und ich lächele, während ich mein Gesicht gegen seinen Oberkörper lehne. Dann drücke ich auf den Auslöser.
Das Foto ist perfekt. Nicht, weil wir perfekt aussehen. Mein Lächeln ist etwas schief geraten und Ashtons Haare sind etwas zu sehr verwuschelt, um als stylisch durchzugehen.
Aber dennoch ist das Foto perfekt.
Einfach, weil wir glücklich aussehen. Und das für alle Ewigkeit wenigstens auf dem Foto so bleiben wird.
~.~
Hallo ihr Lieben!
Ich wünsche euch allen einen ganz tollen Nikolaustag und hoffe, dass euch das neue Kapitel gefällt!
Freut ihr euch auch schon so auf Weihnachten? Ich liebe Weihnachten ja <3
Was sind eigentlich eure Lieblingslieder momentan? Weihnachtslieder und allgemeine? Ich brauche mal wieder neue Lieder :)
Einen schönen Sonntag!
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