t h i r t y t h r e e.
t h i r t y t h r e e.
I think I fell in love with the things we never had a chance to do.
„Bereit für ein neues Abenteuer?", fragt Ashton mich, bevor ich überhaupt die Chance gehabt habe, ihn zu begrüßen.
„Dir auch einen Guten Morgen", erwidere ich und drücke ihm einen flüchtigen Kuss auf die Lippen.
Ashton legt die Arme um mich und zieht mich an sich.
Ich muss mich bemühen, um nicht das Gesicht zu verziehen und bin wütend auf mich selbst. Auch wenn Ashtons Bewegung sanfter nicht sein kann, reagiert mein Körper dennoch mit Unbehagen.
Nie im Leben würde ich ihm das sagen. Denn das würde ihn zerstören. Ihn und die halbwegs heile Welt, in der wir uns momentan noch befinden.
Ich will nicht wissen, wie es wird, wenn er herausfindet, dass es mir in letzter Zeit trotz gefühlten tausenden Medikamenten und Therapiemaßnahmen immer schlechter geht.
Aus Trotz klammere ich mich fester an Ashton und schenke ihm ein Lächeln.
„War das schon alles, was ich heute an Küssen kriege?", fragt er mich mit einem Grinsen im Gesicht.
Bevor ich die Chance habe, ihm zu antworten, legen sich seine Lippen federleicht auf meine und fangen an, mich einzufangen.
Was als unschuldiger Kuss begonnen hat, entwickelt sich schnell zu mehr und schließlich lösen wir uns schwer atmend voneinander.
„Das nenne ich mal einen Kuss", meint Ashton zwinkert und fängt an zu lachen, als er sieht, dass meine Wangen sich rot verfärben.
Er streicht mir sanft mit seinem Daumen über mein Gesicht, was nicht gerade förderlich dabei ist, meine Gesichtsfarbe wieder in normale Temperaturen umzuwandeln und nimmt dann meine Hand in seine.
„Also, was ist? Bist du bereit für unser heutiges Abenteuer?", wiederholt er seine Frage.
Er wirkt so enthusiastisch, dass ich gar nicht anders kann als zu Nicken, obwohl ich höchstwahrscheinlich vernünftig sein sollte und nach einer schlaflosen, von Knochenschmerzen geprägten Nacht, besser den Tag im Bett verbringen sollte.
Aber ich will nicht vernünftig sein. Nicht mehr. Das war ich mein ganzes Leben, bevor ich den Jungen kennengelernt habe, der mir gezeigt hat, wie man wirklich leben kann.
Also nicke ich und schenke Ashton ein strahlendes Lächeln. „Ich bin bereit. Lass uns gehen und tun, was auch immer du vorhast."
Es ist Sonntagvormittag und ich bin froh, dass meine Mutter das Haus schon früh morgens verlassen hat, um sich im County Club sehen zu lassen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie vorgehabt hat, mich mitzuschleifen, um mich ‚in die Gesellschaft einzugliedern', aber ich habe ihr gesagt, dass es mir nicht gut geht.
Wenn sie nach Hause kommt und sieht, dass ich nicht da bin, weiß ich, dass ich mich unweigerlich auf einen ihrer berüchtigten Wutanfälle einstellen kann.
Aber das ist es mir wert.
Hand in Hand schlendern Ashton und ich zur nächstgelegenen Bushaltestelle. Das weiß ich inzwischen, denn während ich bis vor ein paar Monaten nicht einmal in meinem Leben Bus gefahren bin, so ist es Ashtons bevorzugtes Verkehrsmittel.
Dort lehnen wir uns wieder einmal unerlaubterweise gegen die nächstgelegene Hauswand und warten schweigend.
Es ist ein angenehmes Schweigen. Es gibt nichts besseres, als mit einem Menschen zusammen zu sein und sich so sicher zu fühlen, dass man nichts sagen muss.
Ashton ist einer dieser Menschen für mich. Wahrscheinlich der Mensch überhaupt.
„Ash?", frage ich ihn schließlich doch und streiche ihm mit dem Daumen über den Handrücken.
Er murmelt etwas unverständliches, was ich einfach als Zeichen dafür sehe, dass ich seine Aufmerksamkeit habe.
„Ich bin selbst nach all der Zeit noch nicht aus dir schlau geworden. Darf ich dich etwas fragen?"
Ich sehe ihn an und warte auf seine Antwort.
„Nur zu." Ashton nickt mir auffordernd zu.
„Es hat aber etwas damit zu tun, was du mir vor zwei Wochen bei den Klippen erzählt hast. Oder jedenfalls glaube ich das", warne ich ihn vor.
Seit dem Tag, an dem Ashton mir über seinen Vater erzählt hat, haben wir das Thema nicht mehr angesprochen und das Gespräch nur noch mit ‚den Klippen' umschrieben.
Aber ich kann nicht umhin, wieder und wieder über das Geschehene nachzudenken. Die Traurigkeit, die ich an diesem Tag in Ashtons Augen gesehen habe, hat sich angefühlt, wie ein direkter Schuss ins Herz.
„Frag mich einfach, Jules. Alles, was du willst", erwidert Ashton.
Der Wind bläst ihm seine Locken ins Gesicht und gibt ihm einen wilden, unnahbaren Ausdruck, der mich zum Lächeln bringt.
Ich lehne meinen Kopf an seine Schulter. „Warum sitzt du jeden Tag um 12 Uhr auf dem Spielplatz? Das frage ich mich schon seit Monaten."
„Wenn du jetzt eine logische Erklärung verlangst, dann kann ich sie dir leider nicht geben", murmelt Ashton.
„Aber?", hake ich nach.
„Es ist wirklich kindisch. Aber als ich klein war und ich meinen Vater noch über alles geliebt habe, da ist er so oft wie möglich mit mir und meiner Schwester auf diesen Spielplatz gegangen. Ich habe diese Stunden geliebt", erzählt er. „Ich komme jeden Tag dahin, weil ich mich ihm dort irgendwie näher fühle. Ich weiß auch nicht."
„Und warum genau um Punkt 12?", frage ich ihn und wünsche mir schon Sekunden später, nie damit angefangen zu haben.
Ashtons Gesicht verdunkelt sich und er zieht mich näher an sich, so als wäre ich diejenige, die ihm Halt gibt.
„Weil das die Uhrzeit ist, an der ich das letzte Mal von ihm gehört habe. Ich saß in der Schule und habe um 12 Uhr eine SMS von ihm bekommen. Man sollte meinen, er hätte mir wenigstens etwas Bedeutendes geschrieben. Aber er schrieb mir nur, dass das Essen vorbereitet sei und ich es in der Mikrowelle warm machen sollte, sobald ich nach Hause kam." Ashton schüttelt mit dem Kopf, so als könnte er sich selbst nicht ganz glauben. „Eine Stunde später wurde ich von der Polizei aus dem Klassenraum geführt. Und mein Vater war tot."
„Es tut mir so leid", flüstere ich und verschränke unsere Hände wieder ineinander.
„Schon okay, Jul. Ich komme mittlerweile damit klar", erwidert er, doch ich kenne ihn mittlerweile gut genug, um zu sehen, dass sein Lächeln vielmehr gequält als echt ist.
„Ich bin jedenfalls froh, dass du jeden Tag bei mir auf dem Spielplatz rumhängst. Denn ansonsten hätte ich dich erst gar nicht kennengelernt", sage ich in dem Versuch, ihn auf andere Gedanken zu bringen.
Er schenkt mir ein kleines Lächeln, ein echtes diesmal. „
Ich bin auch froh, Jul. Denn ansonsten wäre mein Leben um einiges ärmer", murmelt er und gibt mir einen Kuss auf die Stirn.
„Verrätst du mir dieses Mal, wo wir hingehen?", frage ich, als wir aus dem Bus austeigen. Wir befinden uns in einem der Vororte Sydneys, in dem ich noch nicht einmal in meinem Leben gewesen bin.
Dafür, dass ich seit meiner Geburt hier gelebt habe, habe ich erstaunlich wenig von meiner Heimatstadt gesehen. Ganz zu schweigen von der Welt.
Früher hat mich das nicht einmal gestört, doch mittlerweile bereue ich es.
„Zu einer alten Freundin von mir", antwortet mir Ashton bereitwillig und führt mich dann durch die Straßen.
Diese sind im Gegensatz zum Zentrum Sydneys nicht ganz so dicht besiedelt und geben dem Ganzen einen eher ländlichen Eindruck. Es ist viel Grün um uns herum und ich könnte schwören, dass wir an einem Park vorbeigegangen sind.
„Es ist schön hier", lächele ich.
Ashton nickt bestätigend. „Wobei mir die wirkliche Stadt lieber ist", gibt er zu.
„Wirklich? Wieso?" Fragend sehe ich ihn an.
Er zuckt mit den Schultern. „Ich weiß nicht. In der Großstadt ist immer etwas los. Es ist hektisch. Und es kommt einem nie so vor, als würde man im Leben etwas verpassen."
„Ich mag es hier. Es ist so schön ruhig", entgegne ich und sehe mit einem Lächeln dabei zu, wie zwei kleine Kinder einer Katze hinterherjagen.
„Erinnere mich daran, dass ich dir ein Haus auf dem Land kaufe, wenn wir älter sind", meint Ashton grinsend.
So unschuldig sein Satz auch klingt, er erwischt mich ohne Vorwarnung. Denn es zeigt mir, dass Ashton ernsthaft darüber nachgedacht hat, ob wir in der Zukunft noch zusammen sind. Ob ich in einigen Jahren überhaupt noch am Leben bin.
Und es scheint so, als wäre er völlig davon überzeugt. Ich wünschte, er könnte mir etwas von seinem Optimismus abgeben.
Wir schlagen ein gemütliches Tempo an, sobald Ashton merkt, dass meine Kräfte nachlassen und bleiben schließlich vor einem kleinen, aber gemütlich aussehenden Einfamilienhaus stehen.
Ashton drückt auf die Klingel, welche eine fröhliche Melodie spielt, und keine zehn Sekunden später wird die Haustür förmlich aufgerissen.
Eine korpulente Frau mit einem breiten Lächeln schlingt die Arme um Ashton und drückt ihn an sich.
„Hola Pitufo! Kommt rein! Kommt rein!"
Energisch winkt sie uns ins Haus hinein und schließt die Tür hinter uns. Wenn ich ehrlich bin, dann bin ich ziemlich überwältigt.
„Maria, das ist Jules. Jules, das ist mein ehemaliges Kindermädchen Maria", stellt Ashton uns einander vor.
Ich will gerade meine Hand ausstrecken, um sie zu begrüßen, da hat sie auch mich schon in eine herzliche Umarmung geschlossen.
„Freut mich, dich endlich kennenzulernen, Liebes. Ashton erzählt schon so lange von dir", meint Maria mit strahlenden, braunen Augen.
„Tut er das?", grinse ich.
„Tag und Nacht", bestätigt die Frau zwinkernd.
Mit Genugtuung stelle ich fest, dass Ashtons Wangen rot werden.
„Will jemand Kaffee? Tee? Kuchen? Pepe und ich haben heute Morgen gebacken!"
Maria winkt uns in die Küche und bedeutet uns, Platz zu nehmen.
„Ein Tee wäre nett", meine ich höflich und sehe dabei zu, wie sie durch die Küche eilt und mir eine Tasse Früchtetee reicht.
Neugierig beäuge ich die Tasse, die Ashton bekommt.
„Was ist das?", frage ich, nachdem er einen Schluck genommen hat.
Maria, die uns gegenüber sitzt, sieht Ashton mit einem liebevollen Gesichtsausdruck an und wuschelt ihm durch die Haare. „Das ist Horchata. Mandelmilch. Davon konnte Ash als Kind gar nicht genug bekommen, nicht wahr, Pitufo?"
Ashton nickt grinsend und schiebt mir die Tasse rüber. „Hier, probier selbst."
Ich nehme vorsichtig einen kleinen Schluck und nicke dann anerkennend.
„Gut, nicht wahr?", strahlt Maria. „Eine typische Spezialität!"
Ich kann nicht anders, als diese stürmische Frau direkt ins Herz zu schließen.
Sie faltet die Hände ineinander und sieht uns dann fragend an. „Also, was wollt ihr wissen?"
Etwas überrumpelt sehe ich Ashton an, der meinen Gesichtsausdruck anscheinend zum Lachen findet.
„Maria kommt aus Spanien und ich finde, dass jeder Mensch in seinem Leben mindestens eine fremde Sprache gelernt haben sollte. Oder es zumindest versucht haben", klärt Ashton mich auf. „Das ist unsere Lektion für heute. Wobei wir wirklich nur einen kleinen Schnellkurs machen."
Ich bin erleichtert, dass ich endlich verstehe, warum genau wir hier sind.
Nicht, dass es mich stört, eine neue, wichtige Person aus Ashtons Leben kennengelernt zu haben. Ganz im Gegenteil. Alleine das macht diesen Ausflug schon wertvoll.
„Wir hätten gerne die Grundlagen", meint Ashton dann an Maria gerichtet.
„Warst du etwa ein fauler Junge und hast alles vergessen, was ich dir beigebracht habe?", meint seine Kinderfrau mit einem Lachen und hebt gespielt tadelnd den Zeigefinger.
„Hola heißt Hallo", erklärt Maria mir dann.
Ich nicke.
„Weißt du was Folgendes heißt? Me llamo Maria", fragt sie mich.
„Ich heiße Maria?", stelle ich fest.
„Genau", bestätigt sie. „Wenn ich also frage: Comó te llamas? – Wie heißt du? Dann sagst du was?"
„Me llamo Julie", erwidere ich zögernd, nachdem ich kurz darüber nachgedacht habe.
„Ja." Sie klatscht begeistert und schenkt mir ein strahlendes Lächeln, das ich erwidere.
Ashton lehnt sich in seinem Stuhl zurück und beobachtet uns, während wir uns völlig im Gespräch verlieren.
Maria schafft es, mir die Sprache spielend zu vermitteln, sodass ich wirklich Spaß daran habe, Spanisch zu lernen.
„Darf ich wissen, was das Wort heißt, was sie immer zu Ashton sagen?", frage ich schließlich neugierig.
„Meinst du Pitufo, Liebes?", fragt die Frau nach.
Ich nicke.
„Pitufo heißt Schlumpf", antwortet Ashton an ihrer Stelle.
„Als Kind war Ashton geradezu besessen von diesen blauen Biestern", erzählt mir Maria mit einem Lächeln. „Stundenlang haben wir uns diese Serien angesehen."
Am Ende des Nachmittages habe ich sowohl gelernt, mich vorzustellen, als auch die wichtigsten Dinge zu sagen. Wenn Maria langsam genug spricht, dann kann ich sogar eine kleine Unterhaltung führen.
Ich bin stolz auf mich selbst, was wahrlich nicht oft vorkommt. Meine perfektionistische Ader schließt dies normalerweise grundlegend aus.
„Ich muss kurz telefonieren. Entschuldigt ihr mich eben?" Ashton erhebt sich und verlässt die Küche, als es draußen anfängt, dunkler zu werden.
„Willst du noch einen Tee?", fragt Maria mich.
„Könnte ich stattdessen vielleicht auch etwas Mandelmilch bekommen?", erwidere ich, was sie strahlen lässt.
„Sicherlich, Liebes!" Sie stellt mir eine Tasse hin. „Du hast dich wirklich gut geschlagen", meint sie dann.
„Finden sie?" Ich nehme einen Schluck des berühmten Getränks.
„Ja, das hast du wirklich. Du solltest wirklich versuchen, die Sprache zu vertiefen. Du hast eine Veranlagung dafür", erklärt sie mir.
„Ich weiß nicht, ob ich dafür Zeit finde", meine ich ausweichend.
Sie dreht ihre eigene Teetasse zwischen ihren Händen. „Meinst du, wegen deiner Krankheit?"
„Sie wissen es?", frage ich, nicht sicher, ob ich überrascht sein sollte.
„Dass du Leukämie hast? Ja. Ashton hat es mir erzählt", bestätigt Maria.
Nachdenklich sehe ich in meine Tasse. „Wie kommt es, dass sie dann so – so normal waren? Alle anderen können mich nicht einmal richtig ansehen oder überschütten mich mit mitleidigen Blicken?", frage ich sie.
„Würdest du das denn wollen?"
Ich schüttele den Kopf.
„Siehst du, das habe ich mir gedacht. Und nur weil du krank bist, heißt das doch nicht gleich, dass du nicht dennoch ein schönes Leben haben kannst. Ein kurzes, fröhliches Leben ist doch so viel besser als ein langweiliges, dass nicht richtig gelebt wurde, nicht wahr?"
„Ja", murmele ich. „Ich schätze schon. Sie sind Ashton wirklich ähnlich. Ihre Art, meine ich. Und ihre Denkweise über viele Dinge."
„Ashton hatte keine schöne Kindheit. Er war ein starkes Kind. Unglaublich stark. Aber es gab Tage, an denen es selbst ihm alles zu viel wurde. Da hat er stundenlang auf meinem Schoß gesessen und nur geweint. Ich habe immer versucht, ihm das Leben einfacher zu machen. Das gleiche habe ich heute bei dir versucht", erzählt sie mir, nachdem sie sich mit einem Schulterblick versichert hat, dass Ashton nicht in Hörweite ist.
„Wenn er wüsste, dass ich dir das gerade erzählt habe, dann würde er mich wahrscheinlich umbringen wollen. Er will immer so taff wirken", meint sie mit einem kleinen Lachen. „Aber in Wahrheit hat er furchtbare Angst vorm Leben. Und davor, verlassen zu werden."
„Liebst du ihn?", fragt sie mich dann und überrumpelt mich gänzlich.
Liebte ich Ashton? Ich habe ihn gerne. Lieber, als ich je einen Jungen in meinem Leben hatte. Aber war das gleich Liebe?
„Ich bin mir nicht sicher", erwidere ich schließlich. „Ich bin gerade dabei, das herauszufinden."
„Nun, dann lass dir dabei Zeit." Maria nimmt einen weiteren Schluck ihres Tees. „Halte ihn bloß fest, Liebes. Und lass ihn nicht gehen. Er ist ein so liebevoller Junge. Und er ist es wert, geliebt zu werden."
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