s e v e n t e e n.

s e v e n t e e n.





If we could chose who we fall for love would be far less magical.












Mit gesenktem Kopf betrete ich meinen nächsten Klassenraum und gehe zu dem Pult, an dem meine Lehrerin schon Platz genommen hat und ihre Bücher sortiert.

„Julie Morrison. Schön, dass du wieder bei uns bist. Ich bin wirklich froh, dass die Privatschule dich mitten im Schuljahr hat wechseln lassen", verkündet Miss Brown.

Ich hoffe, ich bin die Einzige, die ihren mitleidigen Blick bemerkt.

Miss Brown, meine Englischlehrerin, ist mit einem Geschäftskollegen meines Vaters verheiratet und damit wohl die einzige Lehrerin dieser Schule, die weiß, dass ich in den letzten Monaten ganz und gar nicht auf einem Privatinstitut gewesen bin.

„Setz dich doch. In der letzten müsste noch ein Platz frei sein", lächelt sie und bedeutet mir, mich auf den Weg zu machen.

Ich spüre, wie mich die neugierigen Blicke meiner Mitschüler mustern. Neue Schüler sind immer eine Sensation, auch wenn sie wie ich schon einmal auf dieser Schule gewesen und eigentlich nicht fremd sind.

In der letzten Reihe angekommen, will ich mich gerade setzen, als mein Blick den meines zukünftigen Sitznachbars kreuzt. Alleine seinen geschockten Blick zu sehen, war es wert, wieder in diese Schule zu kommen.

Auch wenn ich für den Rest des Schuljahres neben ihm würde sitzen müssen.

„Luke." Ich nicke ihm zu.

„Hey Julie. Wie äh wie geht es dir?", murmelt er und räuspert sich.

Ich lasse mich auf den Stuhl neben ihm fallen. „Oh, mir geht es ganz wunderbar", erwidere ich sarkastisch. „Wie geht es dir? Vor allem deiner Nase?"

Luke wird blass und fährt sich nervös durch seine blonden Haare, die ich letztes Jahr noch so unwiderstehlich gefunden hatte.

„Äh, besser. Alles gut verheilt. Danke", beeilt er sich zu sagen. Ich finde mich in einer Musterung wieder, während er zu entscheiden versucht, ob ich das Ganze ernst meine.

„Wundervoll. Vielleicht bedenkst du das nächste Mal einfach vorher, dass man keine zwei Mädchen gleichzeitig auf einen Ball einlädt. Dabei kommt nie etwas Gutes raus", sage ich nüchtern und schlage dann mein Englischbuch auf.

Ich beiße mir auf die Lippe, um nicht Grinsen zu müssen, als ich sehe, wie er rot anläuft.

Der Rest der Stunde verläuft ohne weitere Störungen. Ich mag Miss Brown wirklich gerne und ihr Unterricht ist alles andere als langweilig, aber dennoch bin ich froh, als das Schellen endlich das Ende ankündigt.

Ich packe mein Buch sowie Heft und Stifte zurück in meinen Rucksack und will gerade gehen, als Miss Brown mich bittet, noch kurz zu bleiben.

Ich seufze innerlich, während ich unbehaglich dabei zusehe, wie alle meine Mitschüler den Raum verlassen. Ich wünsche mir gerade wirklich, unter ihnen zu sein.

Oder einer von ihnen zu sein. Dann müsste ich jetzt nicht alleine hier zurückbleiben. Und vor allem hätte ich dann keine Leukämie.

„Willst du dich setzen, Julie?" Miss Brown lächelt mich freundlich an.

Ich schüttele stumm den Kopf. Ich weiß, was jetzt kommen wird.

„In Ordnung. Ich wollte mich nur versichern, dass es dir gut geht. Oder, na ja, so gut es eben geht", meint sie, wobei sie es nicht schafft, mir in die Augen zu sehen.

Ich hasse das alles so. Diese mitleidigen Augen. Die mitleidigen Blicke. Oder Leute, die es nicht ertragen können, mich anzusehen. Das ist der Grund, warum ich wieder zur Schule gehen wollte.

Die Schule sollte für mich die Flucht aus der Realität sein. Doch mir hätte klar sein sollen, dass das nicht möglich ist. Und wahrscheinlich ist es auch gut so.

„Mir geht es gut, Miss Brown", versichere ich ihr und versuche mich an einem Lächeln, was wohl er zu einer Grimasse wird, weswegen ich es lieber ganz sein lasse.

„Gut." Sie nickt enthusiastisch. „Gut. Aber falls dir die Hausaufgaben zu anstrengend sind oder du Hilfe brauchst oder den Unterricht verlassen willst, weil es dir nicht gut geht, dann sag einfach Bescheid. In Ordnung?"

„In Ordnung. Darf ich dann jetzt gehen?", bitte ich.

„Aber natürlich doch", lächelt sie.

Ich flüchte geradezu aus dem Raum.

Auf dem Weg zu meinem Spint, renne ich fast jemanden um.

„Sorry!", murmele ich hastig und blicke auf, nur um in mir nur zu bekannte Auge zu sehen. In die Augen, die mich von Anfang an so sehr fasziniert haben.

Fast fange ich an zu lachen. Das Ganze hier ist so klischeehaft. Das Mädchen, das den Jungen, den sie mag fast überrennt? Absolutes Filmmaterial.

Und dennoch ist es mir gerade passiert.

„Jul?", stottert Ashton und starrt mich an, als wäre ich ein Geist.

„Hey Ash." Ich beiße mir Unterlippe.

„Was machst du hier?" Fragend sieht er mich an.

„Ich gehe hier zur Schule. Oder besser gesagt: Ich bin hier zur Schule gegangen, dann nicht mehr und dann doch wieder. Falls das irgendeinen Sinn ergibt", erkläre ich ihm und verziehe das Gesicht, als mir klar wird, wie bescheuert das Ganze klingt.

Ashton lacht leicht dieses Lachen von ihm, was sich eher wie ein Kichern anhört. Das ist mein liebstes von seinem Lachen, was in tausend verschiedenen Fassetten existiert.

„Wie kommt es, dass du in unserem Jahrgang bist? Ich dachte, du wärst älter als ich", frage ich ihn dann.

Er sieht mich überrascht an. „Woher weißt du, dass ich in deiner Stufe bin?"

„Mein Freund Calum hat es mir gesagt", erwidere ich.

„Calum? Der Asiate?" Fragend sieht Ashton mich an.

Ich lache. „Lass ihn das bloß nicht hören! Er ist kein Asiate. Auf jeden Fall ist er mein bester Freund."

Er grinst mir zu. „Gut zu wissen. Nicht, dass ich noch etwas Falsches über ihn sage."

„Heißt das, du magst ihn nicht?", erkundige ich mich.

Ashton schüttelt den Kopf. „Ich kenne Calum einfach nicht wirklich."

„Also, wie kommt es, dass du mit mir in einer Stufe bist?", frage ich ihn.

„Ich habe ein Jahr verpasst", murmelt Ashton.

„Du bist sitzen geblieben?"

„In gewisser Weise schon. Ich bin ein Jahr lang nicht zur Schule gegangen."

Ich mustere ihn, während ich versuche, herauszufinden, ob er das ernst meint. Doch er verzieht keine Miene, also beschließe ich, ihm zu glauben. „Wieso?"

„Ich hatte ein paar Probleme. Es ist etwas passiert. Und mir war alles egal. Danach hat es eine Zeit lang gedauert, bis ich mein Leben wieder in den Griff bekommen habe", murmelt er ohne mir in die Augen zu sehen. Fast so, also wäre ihm das Ganze peinlich.

„Willst du darüber reden?", frage ich unsicher.

„Nicht jetzt, Jul."

„Irgendwann einmal?", hake ich nach.

„Irgendwann einmal bestimmt. Wenn du mir von deinem Geheimnis erzählst. Ein Geheimnis im Tausch gegen ein anderes", erwidert er.

Ich seufze laut auf. „Ich kann dir mein Geheimnis nicht verraten, Ash."

„Wieso nicht?" Sein Blick, der meinen bis jetzt gemieden hat, bohrt sich in meinen. Seine Augen sind so faszinierend, dass ich einen Moment lang brauche, um mich zu sammeln.

„Ich... Ich kann einfach nicht", flüstere ich und sehe woanders hin.

Plötzlich bin ich sehr interessiert an den wenigen anderen Leuten, die außer uns noch auf diesem Korridor sind und sich noch nicht auf den Weg zum Unterricht gemacht haben.

Ein Paar, das zu beschäftigt mit sich selbst ist, als auch nur irgendetwas anderes wahrzunehmen.

Zwei kleine Jungen, die sich einen Spaß daraus machen, sich gegenseitig mit Papierkügelchen abzuwerfen.

Eine tratschende Mädchengruppe, die sich beieinander eingehakt hat.

„Ist es etwas Illegales?", fragt Ashton mich.

Es wäre schön, wenn er Recht hätte. Oder auf jeden Fall einfacher.

Ich lache kurz. Ich kann einfach nicht anders. „Denkst du wirklich, ich hätte in meinem Leben je etwas Illegales gemacht, Ash?"

„Nein, nicht wirklich", gibt er zu. „Was ist es dann?"

„Lass uns über etwas anderes reden", bitte ich ihn.

Einen Moment lang wirkt es so, als würde er das Thema nicht fallen lassen, aber dann nickt er.

„Wie sieht es mit Schule schwänzen aus? Nicht, dass das furchtbar Illegal wäre, aber das musst du doch schon einmal gemacht haben?" Fragend sieht Ashton mich an.

Ich schüttele stumm den Kopf.

Ashton sieht mich ungläubig an und nimmt dann meine Hand, was ein Kribbeln durch meinen ganzen Körper sendet.

„Dann werden wir das jetzt nachholen", grinst er.

„Ich kann nicht einfach gehen. Ich habe Unterricht", protestiere ich, lasse mich aber von ihm durch die Gänge ziehen.

„Komm schon, Jul. Es wird keiner erfahren", meint Ash und ich nicke schließlich.

Während wir uns aus der Schule schleichen, durchströmt mich ein Adrenalinstoß. Es ist nicht so, als wäre das ganze furchtbar gefährlich, aber ich habe wirklich Panik, erwischt zu werden.

Ich will Ashton gerade mitteilen, dass der Haupteingang woanders liegt, als er mich kopfschüttelnd ansieht.

„Ich bitte dich, Jul. Wir verschwinden doch nicht durch den Haupteingang. Zu viele Leute, die einen sehen könnten", grinst er.

Ich schüttele grinsend den Kopf. Natürlich tun wir das nicht. Das wäre kein Abenteuer. Und mit Ashton ist alles ein Abenteuer.

Fünf Minuten später finde ich mich in einem Raum wieder, von dem ich hätte schwören können, dass ich ihn nie in meinem Leben betreten würde.

„Das Lehrerklo?", stoße ich entsetzt hervor.

Das ist garantiert kein Ort, an dem ich unbedingt sein will. Er riecht nicht ganz so unangenehm wie die Schülerklos, stammt aber genauso wie diese aus dem vergangenen Jahrhundert und hat schon bessere Zeiten gesehen.

Ashton hält mir seine Hand vor den Mund und drückt mich hastig in eine der Kabinen.

„Pscht", flüstert er. „Hier sind noch ein paar Lehrer drinnen. Nicht alle kommen immer pünktlich."

Während wir darauf warten, dass auch die letzten Nachzügler endlich gehen, werde ich zwischen Ashton und der Wand eingepresst.

Seine Arme liegen locker, beinahe zufällig um meine Hüfte geschlungen, doch ich weiß, dass es nicht ganz so zufällig ist, denn seine Augen schweifen immer wieder auf die Stelle, wo er meine Hüfte berührt.

Mein Herz macht Überstunden und ich muss mich dazu zwingen, ruhig zu atmen.

Als ich zu Ashton hochsehe, merke ich, dass er mich schon längst ansieht.

„Jules." Er räuspert sich und bricht dann ab.

Sein Gesicht nähert sich meinem. Langsam und unsicher. So als hätte er beinahe Angst vor mir.

Ich beiße mir auf die Unterlippe, kann mein Blick aber nicht von ihm abwenden. Von seinen so einladend aussehenden Lippen, den langen Wimpern, den funkelnden Augen.

„Jul", flüstert er erneut. „Ich..."

Ein Knall kündigt an, dass auch der letzte Lehrer gegangen ist. Außer uns beiden ist der Raum nun vollkommen verlassen.

Zwischen mir und Ashton befinden sich nur noch Zentimeter. Ashton öffnet seine Lippen leicht und ich kann nicht anders, als ihn anzustarren.

Als er mir so nah ist, dass ich jeden einzelnen Farbsprenkel in seinen Augen erkennen kann, bekomme ich Panik.

„Wir sollten gehen", murmele ich und wende mich von ihm ab. Mein Atem geht schneller als er sollte.

Das Ganze hier ist so furchtbar falsch.

Ich dränge mich an Ashton vorbei aus der Kabine, schiebe mich fast gewaltsam an ihm vorbei und brauche einen Moment lang, um mich zu sammeln.

Ashton folgt mir einen Moment später.

„Ja, wahrscheinlich hast du Recht", meint er ohne mir in die Augen zu schauen. „Siehst du die Tür dahinten? Das ist eine Hintertür, die direkt auf den Lehrerparkplatz führt. Und damit unsere Flucht nach draußen." Seine Stimme klingt rau und er holt eindeutig öfter Luft als nötig gewese wäre.

„Okay. Dann ähm lass uns gehen", erwidere ich. Ich muss hier raus. Weg aus diesem Raum. Ich muss wegkommen von all den Gedanken, die ich nicht haben sollte.

Ich kann Ashton nicht küssen. Ich kann ihm das einfach nicht antun. Ich kann ihn nicht mit ins Elend reißen.

Das hat er nicht verdient.


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