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Sometimes you have to risk everything to get the chance to win.








„Also, was machen wir hier?", entgegne ich und sehe mich stirnrunzelnd um. Wir sind ein paar Meilen von Sydney entfernt und ich entdecke nichts, was sonderlich gefährlich oder illegal sein könnte. Und insgeheim bin ich froh darüber.

Ashton nimmt wie selbstverständlich meine Hand in meine, während wir laufen. Ich rede mir selbst ein, dass ich nur nicht loslasse, weil ich nicht weiß, wo wir hingehen und er schon, aber ich weiß, dass dies eigentlich gelogen ist.

„Lass dich überraschen Jul." Ashton, dessen Gesicht vor ein paar Minuten noch ziemlich finster ausgesehen hat, als ich ihn nach seinem Vater gefragt hatte, sieht mich grinsend an.

Doch das Grinsen erreicht nicht ganz seine Augen.

„Ich hasse Überraschungen", entgegne ich und ziehe einen Schmollmund, in der Hoffnung, ihn aufheitern zu können. Wie habe ich nur so doof sein können und ihn nach seinem Vater gefragt? Ich hätte mir denken können, dass dies nicht sein Lieblingsthema ist. Immerhin hatte er mir nur Sekunden vorher mitgeteilt, dass er ihn hasst.

Nun fühle ich mich schuldig deswegen. Und wenn es eines gibt, dass ich hasse, dann sind es Schuldgefühle.

„Oh, wirklich? Ich liebe Überraschungen! Warum hasst du sie?"

Weil meine Eltern mich für alles, was unvorhergesehen in meinem Leben passiert, verantwortlich machen. So ist es gewesen, als mein bester Freund Calum eine Überraschungsparty für meinen sechzehnten Geburtstag geplant hatte. Und so war es auch mit meiner Krankheit. Manchmal behandeln sie mich, als hätte ich es mir gewünscht, Krebs zu haben.

Doch dass erzähle ich Ashton ganz sicher nicht. Stattdessen zucke ich mit den Achseln.

„Erzähl mir von einer Überraschung, die dich glücklich gemacht hat", erwidere ich und sehe ihn neugierig an.

„Als ich kleiner war, ist meine Mum einmal mit mir und meiner Schwester in einen Freizeitpark gefahren! Ich hatte wochenlang gebettelt und eines Tages hat sie uns einfach ins Auto gesetzt und ist losgefahren, ohne uns zu sagen, wohin. Und ich habe den Tag geliebt. Oh, und mein Bruder war eine Überraschung! Wahrscheinlich die Beste, die ich je bekommen habe. Ich wollte schon immer einen Bruder haben und eines Tages hatte ich einen", erzählt Ashton und ich stelle erleichtert fest, dass das Funkeln in seinen Augen zurück ist.

Ich stelle fest, dass die Gegend immer ruhiger wird. Anscheinend entfernen wir uns immer weiter vom Zentrum Sydneys. Und ich habe absolut Ahnung wo ich bin.

„Erzählst du mir mehr über ihn?"

 „Ist das deine zweite Frage?", entgegnet er.

„Wenn du sonst nicht antwortest, dann ja", grinse ich und schubse ihn leicht.

„Harry wird bald zehn. Und er ist so ziemlich der süßeste Zehnjährige, den du je treffen wirst. Du müsstest ihn mal sehen, wenn wir zusammen im Park sind. Oder wenn er mir zuwinkt, nachdem ich ihn zur Schule gebracht habe. Und wie seine Augen anfangen zu strahlen, wenn er etwas sieht, dass er liebt. Er ist so ziemlich das Wichtigste in meinem Leben. Es sei denn, er klaut meinen Computer", berichtet Ashton mit einem Lächeln auf den Lippen.

„Als ich dich das erste Mal gesehen habe, hätte ich nicht gedacht, dass du so kinderlieb sein würdest", gebe ich zu.

„Was hast du denn stattdessen über mich gedacht?" Neugierig sieht er mich an.

„An einen Gangstertypen, der es liebt, kleine Kinder zum Weinen zu bringen. Du hast echt einen Killerblick drauf, wenn du willst", entgegne ich.

„Nun, du bist auch nicht so, wie ich erwartet habe."

„Ach nein?"

„Ich dachte, du wärst langweilig. Aber wie es scheint, hatte ich ebenfalls Unrecht. Denn du bist so ziemlich das interessanteste und undurchschaubarste Mädchen, was ich je getroffen habe."


„Wir sind da!" Ashton breitet die Arme aus, so als will er mir zeigen, wie toll dieser Ort ist und sieht mich gespannt an. „Bereit, dein Leben zu leben?"

Ich versuche, seinen Enthusiasmus zu verstehen. Ich versuche es wirklich. Aber ich kann es einfach nicht.

„Ashton? Hier ist...Nichts. Wirklich gar nichts."

Wir stehen auf einer Wiese und um uns herum ist es grün. Zu unserer rechten sieht man einen Strandabschnitt und vor uns gibt es eine Klippe, die im Ozean endet. Wenn man sich anstrengt, dann kann man das Sydney Opera House und das Zentrum Sydneys am Horizont erahnen.

Aber genau hier, wo wir uns befinden ist keine Menschenseele zu sehen. Überhaupt kein Lebewesen, wenn ich ehrlich bin. Es ist, als wären wir am Ende der Welt.

„Jul, ich bitte dich! Wir sind mitten auf einer Klippe und vor uns ist das Meer! Mehr Spaß gibt es gar nicht!", meint Ashton.

„Oh nein! Nein! Nein! Nein!", protestiere ich und weiche hastig ein paar Schritte zurück, als mir klar wird, was er vorhat. „Ich werde garantiert nicht hier runterspringen. Unter keinen Umständen!"

„Komm schon, Jul. Das wird Spaß machen!"

„Deine Definition von Spaß deckt sich so gar nicht mit meiner", entgegne ich.

„Kneifst du etwa?", fragt Ashton.

Er zieht seinen Pullover sowie sein Shirt aus und wirft beides achtlos beiseite. Ich kann nicht umhin, festzustellen, dass sein Körper auf jeden Fall einen zweiten Blick wert ist.

„Gefällt dir der Anblick?" Er wackelt vielsagend mit den Augenbrauen und mein Gesicht nimmt eine ungesunde rote Farbe an.

„Natürlich nicht", entgegne ich, wobei wohl uns beiden klar ist, dass ich gerade lüge.

Er tritt näher auf den Abgrund zu und ich eile neben ihn, um ihn vom Springen abzuhalten.

„Ashton, dass sind mindestens zehn Meter! Das ist gefährlich!" Und außerdem habe ich Höhenangst, was ich ihm allerdings nicht mitteilein will, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt.

„Ich dachte, du wolltest anfangen, dein Leben zu leben?"

Er wirkt so, als wäre er bereit, jeden Moment zu springen.

„Ja, aber ich will dabei nicht sterben! Und ich bin mir sicher, dass hier schon Menschen gestorben sind!", verteidige ich mich.

„Mit Sicherheit. Aber nur wenn sie es wollten." Sein undurchschaubarer Blick richtet sich auf mich.

Ich will ihn gerade fragen, was er meint, da hat er schon Anlauf genommen und ist abgesprungen.

Panisch schreie ich seinen Namen und renne zum Klippenende hin, um sehen zu können, wo er aufkommt.

Sein Körper taucht mit einem Knall ins Wasser ein und lässt das Meer um ihn herum nur so aufspritzen.

„Ashton! Oh Gott! Bist du okay? Bitte sag mir, dass du nicht tot bist!", schreie ich, als er wieder an die Oberfläche kommt.

Lachend sieht er zu mir hoch und breitet einladend die Arme aus. „Ich bin mehr als okay! Mir geht es wunderbar, Jul! Komm schon! Versuch es auch!"

Das Rauschen des Meeres verschluckt seine Worte fast gänzlich, aber ich kann gerade noch verstehen, was er sagt.

„Du bist lebensmüde!", rufe ich zurück und bin unglaublich erleichtert darüber, dass es ihm gutgehen zu scheint.

„Spring, Jul! Du wirst schon  nicht sterben!"

„Versprochen?"

„Versprochen!"

Seufzend trete ich einen Schritt zurück und ziehe nach kurzer Überlegung mein Sommerkleid aus. Sollte Ashton mich doch in meiner Unterwäsche sehen. Das ist immer noch besser als von vollgesogener Kleidung in die Tiefe gezogen zu werden und ich will das Risiko so gering wie möglich halten.

Wenn ich schon sterben muss, dann wenigstens nicht heute.

Ich trete noch ein paar Schritte zurück und nehme Anlauf, damit ich genug Schwung habe, bevor ich es mir noch einmal anders überlegen kann.

Mein rechtes Ben berührt den Rand der Klippe und dann bin ich plötzlich frei in der Luft. Ich merke, wie sich ein Kreischen aus meiner Kehle löst, was sich schnell in ein Lachen umwandelt.

Ich muss klingen wie eine Wahnsinnige. Aber das ist mir egal.

Denn entgegen meiner Vorstellung macht dies hier tatsächlich Spaß.

Viel zu schnell ist das Ganze vorbei.

Mit einem lauten Platschen treffen meine Füße auf die Meeresoberfläche und ich halte die Luft an, während mein ganzer Körper im Meer verschwindet. Reflexartig schließe ich die Augen und strampele hastig, um wieder nach oben zu kommen. Das hier war garantiert nicht der angenehme Teil des Ganzen.

Plötzlich fühle ich eine Hand in meinem Oberarm und ich werde von Ashton nach oben gezogen.

Ich hole keuchend Luft, sobald es möglich ist und drehe mich so, dass ich Ashton ansehen kann.

Uns trennen nur wenige Zentimeter und ich kann einzelne Wassertropfen erkennen, die sich in seinen Wimpern verfangen haben.

„Bist du okay?" Fragend sieht er mich an.

„Ja, ich bin okay. Ich bin sogar mehr als okay. Ich fühle mich fantastisch!", lächele ich.

Ashton erwidert mein Lächeln. „Na, dann bin ich ja beruhigt."

„Hattest du etwa doch Angst, dass ich sterben würde?", necke ich ihn.

„Nein. Du hast etwas an dir, dass ausstrahlt, dass du dein Leben leben willst. Mir war klar, dass du es schaffst", entgegnet er ungewöhnlich ernst.

Mir wird warm unter seinem Blick.

Ashton streicht mir eine Haarsträhne zurück hinter mein Ohr und einen Moment lang bin ich überzeugt davon, dass er mich küssen wird.

Ich überlege, ob ich den Kuss zulassen würde oder nicht, falls er noch näher kommen würde, aber bevor ich zu einer Antwort gekommen bin, ist der Moment vorbei.

Ashton wendet sich ab und fängt in Richtung eines kleinen Strandabschnitts zu schwimmen.

Einen Augenblick lang schwimme ich auf der Stelle, bevor ich mich dazu beschließe, ihm zu folgen.

Sobald ich im Wasser stehen kann, nutze ich dies aus und laufe den restlichen Weg eher, anstatt zu schwimmen.

Als ich am Strand ankomme, wartet Ashton schon auf mich und schenkt mir ein Lächeln.

„Herzlich Glückwunsch. Du hast gerade etwas Gefährliches getan und überlebt!"

„Danke", erwidere ich ebenfalls lächelnd.

„Hübsche Unterwäsche übrigens!" Grinsend nickt er mir zu.

Ich sehe an mir herunter und stelle fest, dass ich eine Unterhose mit aufgedruckten Herzen trage sowie einen dazu ganz und gar nicht passenden einfarbigen blauen Büstenhalter.

Unwillkürlich werde ich wieder rot. „Was hast du erwartet? Victoria's Secret Unterwäsche? Ich hatte nie vor, dass heute irgendjemand meine Unterwäsche sehen würde."

„Sonst hättest du Victoria's Secret Unterwäsche angezogen?", erkundigt er sich lachend.

„Und wie kommen wir jetzt zurück nach oben?", frage ich, unter anderem auch, um von meiner Unterwäsche abzulenken. Dies ist wirklich kein Thema was ich mit Ashton diskutieren will.

 „Wir klettern", antwortet er mir, als wäre dass das Selbstverständlichste der Welt.

„Natürlich", entgegne ich und ergebe mich seufzend meinem Schicksal.

Ich nähere mich der Felswand und suche ein Stück Stein, auf dem ich meinen Fuß sicher abstellen könnte. Als ich gerade anderthalb Meter weit gekommen bin, merke ich, dass Ashton mir nicht folgt.

Als ich mich umdrehe, sehe ich, dass er immer noch am Sand steht und mich lachend ansieht.

„Dachtest du wirklich, wir würden zehn Meter ohne Sicherung an einer Felswand hochklettern? Das wäre im Gegensatz zum Klippenspringen lebensmüde. Komm runter, Jul. Dahinten gibt es einen Weg", erklärt er mir immer noch lachend.

„Ich hasse dich", brumme ich und springe mit einem Grinsen wieder zurück in den Sand.

„Nein, tust du nicht. Du bist froh, dass ich dir gerade eine Kletterpartie erspare", grinst Ashton.

„Genau genommen würde ich ohne dich gar nicht hier unten sein."

„Dann hättest du aber eine Menge Spaß verpasst", kontert er.

Ich folge Ashton den Weg hinauf, der zwar steil ist, allerdings doch wesentlich angenehmer zu bewältigen, als eine Kletterpartie.

Oben angekommen werfe ich so schnell wie möglich mein Kleid wieder über und warte darauf, dass auch Ashton sich wieder angezogen hat.

Wir gehen größtenteils schweigend, bis wir wieder an der Bushaltestelle ankommen.  Aber es ist kein unangenehmes Schweigen, sondern ein einvernehmliches.

„Der nächste Bus kommt in zwölf Minuten", verkündet Ashton, nachdem er kurz einen Blick auf den Busplan geworfen hat.

„Okay." Ich nicke und verschränke die Arme, um mich wenigstens etwas aufzuwärmen. Das Kleid klebt mir mittlerweile unangenehm an meinem Körper und auch die leichte Sommerbrise trägt nicht gerade zu meinem Wohlbefinden bei.

Ashton lehnt sich neben mir gegen die Mauer ohne sich darum zu kümmern, dass der Besitzer dieser wahrscheinlich alles andere als begeistert davon wäre, und wirft einen Blick auf meine verschränkten Arme. „Ist dir kalt?"

„Geht schon", erwidere ich.

„Hier. Nimm meinem Pulli", entgegnet er und hält mir diesen auffordernd hin.

„Nein, behalt ihn ruhig. Ich hätte einen Pullover mitnehmen können und ohne Pulli frierst du statt mir."

„Und woher hättest du wissen sollen, dass ich einen Pulli brauche? Nimm schon. Immer noch besser wenn ich friere, als wenn du frierst", argumentiert Ashton und drückt mir den Pulli in die Hand, bevor ich eine weitere Gelegenheit zum Protestieren habe.

„Danke." Ich ziehe mir den Pulli über, kuschele mich in ihn herein und merke sofort, dass mir wärmer wird.

„Kein Problem", lächelt Ashton.

„Nein, wirklich. Danke. Und auch danke dafür, dass du mich hier mithingenommen hast."

„War mir ein Vergnügen, Jul."

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