»||Epilog||«
London bei Nacht ist noch schöner, als ich es mir auf Fotos im Internet immer vorgestellt habe.
Aus dem Panoramafenstern des Hotels wirkt die Stadt wie ein Imperium aus Lichtern.
Weit entfernt kann ich das London Eye sehen.
Wie ein roter Kirschlutscher blinkt es in der Dunkelheit und füllt damit die gesamte Szene mit Farbe.
Die Stadt scheint friedlich und dich demonstriert sie auch mitten in der Nacht Leben und Lebendigkeit.
Verträumt starre ich weiter durch das Glas.
Die Themse fließt voller Ruhe unter mir vorbei und weit entfernt kann ich die Türme des Tower of London sehen.
Ich bin fasziniert. Als ich heute Nachmittag im Flugzeug nach Heathrow flog und London als kleinen Fleck aus dem Fenster sehen konnte, zog sich bei mir bereits die Aufregung mit der Freude zusammen.
Nun aber direkt in der Hauptstadt Englands zu stehen mit dem Wissen, morgen dort unten durch die Straßen zu laufen und mir jeden Winkel genauestens ansehen zu können, überschlägt noch einmal alles.
London war immer ein Traum von mir. Ich war fasziniert von der Kultur und von Bildern und Briten haben eine so wunderbare Art und ganz faszinierende Gewohnheiten, die mich schon immer angezogen haben.
Ich wollte schon immer Tee aus der Hauptstadt trinken und mich am Buckingham Palace neben die Garde stellen.
Wie auf berüchtigten Selfies wollte ich meinen Finger auf die Spitze des Big Ben halten und futuristisch vortäuschen, er sei winzig klein und von meinem Finger zu erdrücken. Ironie durch und durch, aber trotzdem ein Herzenswunsch.
Als Tourist hier zu sein erfüllt mir meinen größten Traum und bereits angetan von der englischen Sprache, bin ich gespannt was für Eindrücke man mir morgen früh vermitteln wird.
Am liebsten würde ich gar nicht erst schlafen, aber der Flug hat mich doch müde gemacht.
Ich staune als ein kleiner roter Doppeldeckerbus in einer Nebengasse des Hotels anhält und einige Fahrgäste am Straßenrand hinauslässt. Gebannt starre ich ihn an und bin gewillt nach draußen zu rennen und einzusteigen nur um meine Begeisterung zu stillen.
Das mir dafür tatsächlich drei ganze Wochen Zeit bleiben, kann ich kaum glauben.
Drei Wochen, drei verschiedene Hotels aber immer die selbe Stadt.
Ich werde jede Ecke Londons erkunden, das habe ich mir geschworen. Nichts wird meinen Augen erspart bleiben, in keinen Alltag werde ich nicht einsteigen.
Ich bin gewillt alles sofort auszuprobieren.
Tram fahren und ein Taxi bezahlen.
Ich will die Tower Bridge belaufen und mich im Hyde Park unter einen Baum setzen oder aus einem der Trinkbrunnen Wasser schöpfen.
Es schmeckt bestimmt köstlich...
Ich will bei Harrods etwas für meinen Dad kaufen und meiner Mutter ein Bild aus der Carnaby Street zukommen lassen, wo sie doch in ihrer Jugend so gerne Zeit verbracht hat.
Ich war immer neidisch, das meine Eltern beinahe jeden Sommer hier waren. Mum hat hier sogar studiert und darum war Dad wegen ihr hier. Die beiden haben hier einen Teil ihrer Geschichte geschrieben und ich wollte immer verstehen, was diese Stadt an sich hat, dass sie diese Liebe so stark und grenzenlos gemacht hat.
Heute weiß ich, dass es nicht an London und ihrem Charme lag, sondern an ihnen selbst, aber etwas muss es hier trotzdem geben, dass Menschen jährlich hier herkommen. Und wenn es bloß Schönheit ist. Ich will es wissen.
Vielleicht ist es die königliche Geschichte oder die vielen einzigartigen Gebäude in der Stadt.Womöglich stehen sie aber auch alle auf den Prinzen und erhoffen sich bei einem Besuch, sein Gesicht einzuprägen.
Es muss viele Faktoren geben.
Warum sonst bin auch ich hier ?
»Und hast du dir schon überlegt, was wir morgen alles machen ?«
In der Spiegelung des Fensters kann ich Ryans Gestalt aus der Dunkelheit zu mir treten sehen.
Amüsiert über meine pure Faszination und die Starre raus in die Stadt, schlingt er seine Arme von hinten um meine Schultern und zieht mich an seine Brust.
Ich seufze leise.
»Na, klar.« Ich beginne zu grinsen und rufe mir meine gemachte Liste in den Sinn.
»Wir werden Bus fahren bis zum Tower und dann an der Themse entlang laufen bis zur Tower Bridge. Dann laufen wir hinüber, spucken über das Geländer und laufen so weit wie wir können.
Ich will unbedingt mittags Tee trinken und oh, Fish und Chips könnten wir auch probieren.«
Ich beiße mir von meinen aufblühenden Erzählungen selbst auf den Finger und kichere, als er den Kopf schüttelt und mir einen Kuss in den Nacken haucht.
»Ich sehe, wir haben einen vollgepackten Tag.«
Er scheint sich zu freuen, denn auch wenn er es nicht so dramatisiert wie ich, ist auch er von der Reise ungeheuer angetan.
Bereits am Flughafen hat er begonnen Bilder zu schießen und das nicht ausschließlich von mir.
»Sie werden noch voller und noch besser.« Ich verfalle meinen Gehirnspinsten.
»Ich schließe also das du glücklich bist.«
»Glücklich ?«
Ich drehe mich in seiner Umarmug und lehne mich mit dem Rücken an die kühle Fensterscheibe.
»Ich liebe es, bin Dir unglaublich dankbar für die Möglichkeit und weiß gar nicht, wie ich das je ausgleichen will.«
»Du schuldest mir nichts, Lolliengel. Diese Reise mit dir gemeinsam zu erleben war mein Traum und deiner war es, hier wie ein Mensch für eine Zeit leben zu können. Diese Reise ist für uns beide und ein Geschenk an uns beide.«
»Ich danke dir trotzdem.«, hauche ich und ziehe ihn zu mir um ihn zu küssen.
Auch nach beinahe sechs Monaten ist das Gefühl von Sehnsucht und einem aufgehenden Berg von Luftballons unverändert und ich bezweifle, dass sich das unter all meinen Gefühlen je ändern wird.
Ich liebe Ryan womöglich mehr als noch am ersten Tag.
Jeden Tag den ich in seinen Armen beginne und jede Sekunde in der seine dunklen Augen mich betrachten, füllen mich mit Leben und Freude und Lust und ich will das Gefühl von Grenzenlosigkeit nie missen.
Täglich spule ich unsere bisherige Geschichte auf eine Schallplatte und träume von den Tagen, die längst zu einer Erinnerung geworden sind. Sie kommen nicht wieder, ich werde sie nie wieder spüren, aber wenn ich sie vor Augen habe und sie sehe und wenn die Gänsehaut meinen Körper durchströmt, dann scheinen auch Monate erst gestern gewesen zu sein.
Meine Gefühle haben sich nie geändert. Nicht eine Sekunde habe ich an der Liebe zu Ryan gezweifelt und nicht einen Tag bereue ich, ihm begegnet zu sein.
Im Gegenteil. Ich bereue nie den Kiesweg entlang gelaufen zu sein und schon viel früher an der Villa Halt gemacht zu haben, um an der Fassade hinauf in sein Zimmer zu sehen.
Ich will das Schicksal nicht ändern. Womöglich hätte es uns dann nie zusammengeführt. Vielleicht wäre ich dann immer noch Single und Ryan wäre wegen seines kaputten Autos nie an jenem Donnerstag im Oktober in den Bus gestiegen.
Das war nämlich der Grund für sein plötzliches erscheinen und das war der Grund warum der Stein unserer gemeinsamen Geschichte ins rollen kam.
Er rollt noch immer.
Vielleicht stolpert er bald einmal aber Felsen kann man nicht brechen. Unsere Liebe zueinander auch nicht. Ich bin mir in diesem Punkt sehr sicher. Es wird nichts geben was den je drehen würde. Nichts was meine Bindung zu Ryan zerschneiden und löschen würde.
Vor Monaten habe ich geglaubt immer im Schatten anderer zu stehen. Egal was ich gemacht habe, ich war irgendwie nie genug.
Und erst als ich diesen Schein vergaß und einen Moment nicht auf mich und mein Umfeld achtete, einen Moment ich selbst war, sah mich ein fremder Mensch zum ersten Mal an.
Ich habe Ryan nie gesucht.
Er war kein Junge für den ich mich vorher hübsch gemacht oder über den ich mir den Kopf zerbrochen habe. Er kam, als ich, ich selbst war. Ungeschminkt und ungestylt -einfach nur Lora.
Und genau in dieser Gestalt gefiel ich einem Menschen plötzlich.
Als die Maske brach und ich beinahe die Hoffnung aufgab, schickte man mir einen Engel.
Ich habe ihn nicht gesucht, aber ich habe ihn gefunden.
Oder hat er mich gefunden ?
Vielleicht.
Wer weiß das schon ?
Wer weiß schon was Dinge zu bedeuten haben ?
Wer weiß schon was die Welt da draußen noch birgt und warum wir gewisse Erfahrungen machen ?
Was weißt du eigentlich von dieser Welt, von diesem Leben ?
Ich weiß, dass Selbstliebe und Geduld erste Schritte in die Zukunft sind. Denn nur wer sich selbst akzeptiert, so wie er ist, der hat Chancen auf Glück.
Wohin bringt dich der Schein schon ? - Höchstens in eine große Lüge.
Dann sei doch lieber du selbst.
Und versuche nicht das zu ändern.
Denn sonst wird nie jemand sagen:
»Du bist toll.«
Vielleicht aber: »Sie ist toll.«
Auch das führt zu nichts.
Du bist nicht hier um jemand anderes zu sein. Du bist nicht hier um andere zu beeindrucken.
Du bist hier um zu leben, um zu lachen und um in deiner Selbst wunderschön zu sein.
Das Leben ist hüglig.
Aufgeben ist immer eine angenehme Option und manchmal ist der Grad ziemlich schmal, dass man gerne einfach in die Dunkelheit fallen würde. Auch ich habe das gedacht und auch ich bin abgestürzt in Scherben und Angst und Feuer.
In dunklen Momenten ist es nötig eine Taschenlampe zu haben. Und manchmal ist diese Taschenlampe keine mit Batterien, sondern eine mit Herz und Seele und einem Akku fürs Leben.
Ich spreche von einem Menschen.
Einem tollen Menschen.
Einem Menschen wie Ryan oder ein anderer der sieben Milliarden da draußen.
Er wird kommen.
Du wirst ihm begegnen und er wird heller sein, als die anderen.
Und wenn du ihn siehst und er gut ist. Dann lass ihn nie wieder gehen.
Schütze die Kerze vor dem Wind.
Blas sie nicht aus. Schütze sie, wie sie dich und du spürst schon bald:
Zwei Seelen küssen immer das selbe Herz.
Drum achte was du liebst, bevor es zu spät ist.
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