26«||Wer liebt, der weiß, was er im Leben hat und was er braucht||
Silbern glitzern Millionen von einzelnen Glassteinen um den V- Ausschnitt meiner Oberweite herum, bis der Stoff meines Kleides an der Taille in mehreren blass fliederfarbenen Röcken an meine Knie fällt.
Strahlend drehe ich mich einmal im Kreis und betrachte mein Spiegelbild.
Ich fühle mich schön und es tut gut, dieses Gefühl.
Das Kleid schmeichelt meinem Körper, betont ihn an den richtigen Stellen und ich bin stolz auf den Geschmack meines Freundes, der er es mir am Freitag überreicht hat.
Wie er nämlich richtig erraten hatte, war mir im Stress der Wochen keine Zeit zum Kaufen eines Kleides geblieben. Umso glücklicher stimmt es mich jetzt, kein altes anziehen zu müssen, sondern Ryan mit diesem hier überraschen zu können.
Ich hoffe es gefällt ihm, wenn er es an mir sieht.
»Lora, hast du es an?«, fragt Mum neugierig von unten und ich grinse ein letztes Mal glücklich in den Spiegel, ehe ich mein Zimmer verlasse.
Heute Abend werde ich frei sein.
All die Probleme haben Zeit bis morgen und ich will nur tanzen und lachen und fröhlich sein.
Langsam gehe ich durch den Flur und trete dann mit gerader Haltung die Treppe hinab. Mit jeder Stufe werde ich aufgeregter und mit jedem Schritt kribbelt ein bekanntes Gefühl in meinem Herzen.
Dort unten wird er sein.
Ich kann seine Wärme förmlich spüren, rieche seinen vertrauten Duft und kann hören wie unsere Herzen den selben Rhythmus finden.
»Wow, eine Prinzessin.«, haucht Mum als ich im Blickwinkel meiner Familie auftauche.
Mit offenem Mund und sprachlos steht Ryan zwischen meinen Eltern und räuspert sich, als ich ihn anstrahle.
Dieser Abend gehört uns.
Gut sieht mein Freund aus.
Die Hände hat er in den Taschen seiner dunkelblauen Jeans vergraben, sein passiges Hemd schmeichelt seinen trainierten Oberkörper. Eine Fliege sitzt perfekt geknotet unterhalb seines Halses und ich beiße mir bei diesem Anblick verträumt auf die Lippe.
Ich bin fasziniert. Er sieht super aus!
»Kommt ihr Zwei, stellt euch nebeneinander.«, bittet Dad und schiebt mich zu Ryan, in dessen Nähe ich nur allzu gerne eile. Lächelnd breitet er seine Arme aus, als ich ihm entgegen laufe und ihn an mich ziehe, um ihn zu küssen.
Seine Lippen sind weich und warm und ich muss mich hüten nicht verliebt aufzuseufzen.
Für den Moment ist mir egal, dass meine Eltern neben mir stehen und uns beobachten, als hätten sie mich noch nie gesehen.
Ich bin einfach nur froh über alles, was man mir hier ermöglicht.
Ich habe glückliche Eltern und einen wunderbaren Freund und dazu sehe ich zum ersten Mal in meinem Leben wie eine Prinzessin aus. Die Freude beschwichtigt mich, dass mir nichts mehr peinlich ist.
»Dir auch ein Hallo.«, murmelt Ryan als wir uns lösen und, wie erbeten, nebeneinander stellen.
»Lächeln !«, fordert Dad und zieht eine Grimasse, während er seinen Fotoapparat hochhält und abdrückt.
Ratternd fliegt wenige Sekunden später ein Polaroidbild durch die Luft und segelt in die Hände von Mum. »Bezaubernd«, kommentiert sie das geschossene Foto und pinnt das Bild direkt an den Kühlschrank.
»So, jetzt dürft ihr gehen. Ich wünsche euch viel Spaß.«
Als Mum zurück kommt und sich an die Schulter meines Dads lehnt, scheint für sie das Ritual und der Abschied für diesen Abend beendet und ich hake mich nach einem Abschiedskuss bei Ryan unter und folge ihm aus dem Haus.
Ich freue mich auf heute Abend und bin aufgeregt, was mich erwarten wird.
»Du siehst unglaublich scharf aus in diesem Kleid. Ich bin stolz auf mich.«, platzt es Ryan auf der Fahrt zur Schule hinaus und ich beginne loszulachen.
»Das Kleid ist ein Traum, ich danke dir. Das Kompliment kann ich übrigens nur zurückgeben, ich habe wirklich einen heißen Freund.«
»Allerdings.« Er schmunzelt selbstverliebt und lacht, als ich seine Schulter boxe.
Der Saal, in den man mich führt, glitzert.
Die gläserne Dekoration spiegelt das bunte Licht, das von versteckt aufgestellten Beamern projiziert wird, durch die gesamte Halle und lässt sie magisch wirken.
Staunend laufe ich an den gedeckten Tischen mit unseren Rosen vorbei und blicke fasziniert zum Buffet, das man eindrucksvoll in Szene gesetzt hat und damit noch einladender aussieht.
Girlanden hängen von der Decke hinab und die Musik klimpert fabelhaft durch die Boxen.
Alles passt und harmoniert miteinander, das die gefüllte Sporthalle noch schöner aussieht, als in meinen Träumen ausgemalt.
»Ist es so, wie du es wolltest ?«, fragt mich Ryan und legt einen Arm um meine Hüfte um mich und sich durch die Menge zu schleusen.
»Es ist besser.«, hauche ich verträumt und suche Stina in der Menge um sie zu umarmen.
Dass ich heute Abend hier sein kann und der Spaß nicht schon vor Wochen stattgefunden hat, habe ich nur ihr zu verdanken.
»Da ist sie.«
Ryan deutet an einen Tisch neben dem Buffet an dem ich Stinas Lockenpracht neben einer Gruppe von Mädchen festmachen kann.
Angeregt unterhält sie sich mit den Schülerinnen des Billberry Gymnasiums, hebt aber immer wieder suchend den Blick.
»Hey, Stina !«, begrüße ich sie und lasse Ryans Hand für einen Moment los um sie zu umarmen.
»Genau dich habe ich gesucht.«, gesteht sie und drückt mich an sich.
»Du siehst wunderschön aus.«, fügt sie hinzu und lässt los um mich anzusehen.
»Und du erst, wie eine Königin !«
Das schwarze Pailletten bestückte Kleid schmiegt sich anmutig um ihren Körper und setzt sein Detail auf den offenen Rückenschnitt.
Sie sieht wunderschön aus.
»Ich hoffe das findet Bill auch.«, murmelt sie und senkt einen Moment den Blick. Er ist der Einzige, der sie je so verunsichert hat und dessen Meinung ihr wichtiger ist, als alles andere.
Ich hoffe für ihren Schwarm, dass er sie gut behandelt, aber wenn er ist, wie Stina immer erzählt, dann muss er ein Engel sein.
Ich habe damals in der Bar nur kurz gesehen, nicht lange genug um mir viel von ihm merken zu können. Er geht nicht auf unsere Schule und man hat mir auch nie ein Bild von ihm gezeigt, aber Stina liebt ihn seit sie ihn vor drei Jahren auf dem Jahrmarkt kennengelernt hat und er ihr freundlicherweise seinen Gewinn fürs Bogenschießen geschenkt hat.
Der zwei Meter große Pinguin schläft seitdem immer neben ihr und sie beschwört er würde noch immer nach Bills Aftershave riechen.
Was auch immer er an jenem Tag zu ihr gesagt hat und wie auch immer er sie angesehen hat, sie ist ihm maßlos verfallen und guckt keinen anderen Jungen mehr an. Er hat ihr den Kopf verdreht und ich hoffe, dass er sie gut behandelt und nett ist, wenn ich ihn heute kennenlerne.
»Er wird seine Augen nicht von dir nehmen können !«, schwöre ich meiner Freundin und wende mich an Ryan, als ihr Handy klingelt und sie lächelnd abnimmt.
Bloße Sekunden dauert der Anruf, bis ihr freudiges Quietschen meine Aufmerksamkeit wieder zu sich ziehen. »Was ?«, frage ich mindestens genauso aufgeregt wie Stina.
»Er wartet draußen.«
»Dann los, geh zu ihm !«, fordere ich sie auf und schubse sie los.
»Okay, ja! Sitzen meine Haare ?«
»Ja, du verrückter Vogel.«
Ich schüttle lachend über sie den Kopf.
»Wir sind alle irgendwie verrückt, Lolli, das macht Menschen erst liebenswert.«, philosophiert Ryan, als Stina sich eilig wegdreht und ich meinem Freund wieder volle Aufmerksamkeit schenke. Ich hatte seine weisen Worte schon vermisst.
»Wollen wir tanzen, Lollipop ?«, fragt Ryan an mein Ohr, als der DJ das Lied wechselt und sich vor allem Pärchen auf die Tanzfläche bewegen. »Ja.«
Ich strahle, als er uns in die Menge von Tänzern zieht und meine Arme um seinen Hals legt, während seine an meine Hüfte wandern.
Langsam kreisen wir durch die Menge und meine Augen finden einen Punkt, den ich grenzenlos gerne anstarre.
In der Mitte der Sporthalle tanzen er und ich.
Die Diskokugel an der Decke beleuchtet unsere Körper und seine funkelnden Augen ziehen meine gesamte Aufmerksamkeit auf sich.
Zum zweiten Mal sehe ich den goldenen Schimmer in dem Schwarz funkeln und wünschte eine Erklärung für dieses Phänomen zu haben.
Aber ich will den Moment nicht mit einer Frage ruinieren und als Ryan sich zu mir hinabbeugt und meine Lippen zu küssen beginnt, bleibt mir dazu auch keine Möglichkeit mehr.
Ich liebe dich, liebe dich, liebe dich...
Meine Hände vergraben sich in seinen Haaren und ziehen ihn fordernd ein Stückchen näher, dass ich sein Lächeln innerhalb des Kusses spüre.
»Ich weiß schon, warum ich dich liebe«, seufzt Ryan als wir uns lösen und seine Augen strahlen reine Offenheit und Treue aus, das ich wohlig in seiner Umarmung versinke und meinen Kopf gegen seine Brust lehne. Ich weiß auch, warum ich dich liebe.
Die Paare um uns herum liegen sich in den Armen und ich könnte umgeben von dieser Wärme ein Leben lang leben.
Auch Stina entdecke ich beim Überfliegen der Leute und ich bin überglücklich sie in den Armen ihres Herzens zu wissen.
Diesen Moment hat sie sich immer gewünscht und von der Realität scheint sie noch angetaner als möglich.
Ich sehe reine Freude in ihren Augen, als sie zu dem großen Jungen mit der Brille aufsieht und in ihm ein bezauberndes Lächeln zuwirft. Seine Arme schmiegen ihren Körper an sich und ich sehe sein schüchternes Lippenspiel das mir zu verstehen gibt, das er genau der Richtige ist.
Bill wird sie zukünftig gut behandeln und sein Zögern macht ihn sympathisch. Stina wird wissen, was sie hat und was er hat, dass es sie magisch anzieht.
Wenn man sich verliebt, dann spürt man das mit einem Mal einfach. Als ich zurück zu Ryan sehe, weiß auch ich, was ich habe.
Ich sehe es in seinen Augen und in meinem Verhalten.
Für ihn würde ich Dinge aufgeben und mit ihm könnte ich Berge auf Fingern besteigen.
Ich habe alles, was ich brauche, wenn ich ihn bei mir habe und seine warmen Hände in meinen halte.
Ich verspüre keine Panik, ich habe keine Sorgen und all meine Probleme verpuffen, wenn er mich küsst.
Liebe ist nicht einfach. Meist läuft man erst aneinander vorbei, bevor sich zwei Seelen finden. Auch Ryan und ich haben mehrere Anläufe für diese Beziehung gebraucht, aber das ist okay.
Es wird nie beim ersten Mal gelingen und das muss es auch nicht.
Liebe ist kompliziert und Menschen machen die Liebe komplizierter, aber wenn sie sich findet, wird das Komplizierte in Menschen durch Herzrasen und intensive Gefühle einfacher.
Man wächst an einer Beziehung und tausenden Erfahrungen, die man miteinander macht.
Ich weiß, dass ich noch eine Menge von Ryan lernen werde.
Das Leben prägt einen jeden Menschen. Manche haben es leichter, manche schwerer. Manche suchen und manche finden und einige von uns werden vom Schicksal immer wieder überrascht.
Es wird nicht immer gut sein, was dir im Leben widerfährt.
Du wirst weinen, so wie ich manchmal weine, und du wirst hinfallen, so wie ich manchmal hinfalle.
Das macht uns trotzdem nicht gleich. Im Gegenteil. Aus der Einzigartigkeit heraus, stehen wir womöglich zu unterschiedlichen Zeiten wieder auf, vielleicht brauchst du einen Moment länger, als ich. Auch das ist okay.
Denn Schwäche und das Brauchen von Ruhe macht dich zu einem Menschen. Weine, nimm dir ein paar Minuten mehr als andere.
Akzeptiere dich. Liebe dich.
Und lass dich nicht unterkriegen.
Zufälle passieren, aber manchmal musst auch du die Zufälle passieren lassen.
Und wenn du glaubst das Morgen wird nicht mehr, dann mach aus dem Morgen ein Heute und aus dem Gleich ein Jetzt.
Alles was dir widerfährt hat einen Sinn, jede Erfahrung lehrt dich.
Du musst es nur zulassen.
Und wenn du dir unsicher bist, dann lass mich dir sagen:»Es lohnt sich - Jeden. Einzelnen. Tag.«
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