25«||Eine Überraschung jagt die nächste||
Der Alltag holt mich schneller ein, als Gedacht.
Schon nach zwei Wochen erlaubt man mir endlich wieder zur Schule zu gehen und ich bin erleichtert, als ich, wie ich es kenne, um sieben Uhr den Schulhof passiere und nach meinem Klassenraum suche.
Die Blicke meiner Mitschüler sind heute intensiver und ich spüre wie ihre Augen sich in meine Haut brennen und sie auf mich zeigen und tuscheln.
Aber, anders als gedacht, komme ich damit klar. Denn ich weiß, dass sich der Sturm legen wird und das man mich und meine gute Tat vergessen wird.
Spätestens in einer Woche spricht man wieder über die versifften Jungentoiletten und das widerliche Mensaessen. Und spätestens dann, bin ich wieder nur eine stille Mitschülerin, die einfach da ist.
»Lora !«
Schritte jagen mir nach und weil ich weiß, wer auf mich zugelaufen kommt, drehe ich mich lächelnd zu Stina um.
Sie sieht ebenfalls aus wie immer.
Ihre Lippen sind rot geschminkt und ein schwarzer Hut bedeckt ihre Lockenpracht, die sich wild um ihr Gesicht schmiegt.
»Willkommen in der Hölle.«, kichert sie und umarmt mich fest, das ich beinahe ersticke.
»Dir auch ein Hallo.«, murmle ich an ihr Ohr und grinse, als sie mich mit einem Arm um meine Taille durch den Schulflur zum Matheraum zieht.
»Du glaubst nicht, wie sehr ich dich neben mir vermisst habe. Mathe ist furchtbar ohne dich, die Olle hat doch tatsächlich verlangt, dass ich mehr lernen soll !«, meckert Stina und verschränkt empörend ihre Arme, als wir uns auf unseren Sitzplätzen niederlassen.
»Vielleicht sollte sie mal mitkommen, zu deinen Nachhilfestunden mit Bill.«, schlage ich schmunzelnd vor und lache, als sie mit geröteten Wangen den Mund öffnet.
»Lieber nicht, immerhin hat er mich endlich nach einem Date gefragt !«, quietscht sie und ich stimme in ihre Freude ein, als ich verstehe.
»Das ist toll, Stina, ich freue mich riesig für dich.«, sage ich ehrlich und umarme sie erneut. Ich habe sie wirklich schrecklich vermisst.
»Und ich mich erst, du und Ryan seid doch jetzt offiziell.«, quiekt sie in mein Ohr und lacht, als sie mein Gesicht sieht.
Ja, das sind wir wohl irgendwie...
Bis es zur ersten Stunde klingelt klärt mich Stina darüber auf, was ich die letzten Wochen verpasst habe.
Sie überreicht mir diverse Arbeitsblätter und Notizen, die sie gemacht hat und ich versuchen werde aufzuholen.
Als Mrs. Traveller schließlich das Klassenzimmer betritt und uns begrüßt ist auch der Rest des Kurses eingetroffen und starrt immer abwechselnd zwischen mir und der Lehrerin hin und her.
Als diese mich entdeckt, lächelt sie erfreut und kommt auf mich zu, während die anderen beginnen sollen Aufgaben im Buch zu berechnen.
»Hallo, Lora, schön dich wieder bei uns zu haben.«
Sie streckt mir die Hand aus.
»Hallo.«, grüße ich zurück und weiche ihrem mitleidigen Blick aus. Ich brauche diese Blicke nicht und auch kein Mitleid, für das, was passiert ist. Mir geht es bestens.
»Ich hoffe Stina kann dich auf den neuesten Stand bringen und dich eventuell über die letzten Stunden aufklären. Wenn nicht, komm einfach in den nächsten Tagen auf mich zu und ich werde dir helfen.«
Ich nicke zum Verständnis und bedanke mich, bevor sie wieder zur Tafel tritt.
Die nächsten Stunden verlaufen ähnlich. Lehrer kommen auf mich zu, erklären mir, was ich verpasst habe und behandeln mich wie ein Stück Glas. Ich hoffe, dass sich auch dieses Extra mit der Zeit legt und sie mich wieder so sehen, wie auch vorher. Ich brauche keine extra Begrüßung und auch keine Sprüche, ich will einfach behandelt werden, wie jeder andere auch.
Nach der vierten Stunde laufe ich schnurstracks zu meinem Spind um meine Bücher auszutauschen.
Mr. Idle, mein Geschichtslehrer, hat mich die gesamte Stunde zugetextet und mir schwirrt der Kopf, von seinen langen Erzählungen.
Als ich dann zu meinen letzten Kursen laufen will, dröhnt die Stimme unseres Schulleiters durch die Laufsprecher und lässt mich innehalten.
»Ich bitte Ms. Lora Singh und Ms. Stina Thrill in mein Büro.«
Das Büro der Schulleiters befindet sich im Erdgeschoss und zögerlich drehe ich meine Laufrichtung und gehe die Treppen hinab.
Die Blicke kleben an mir und ich hebe verwirrt die Augenbrauen, als ich Stina auf den Treppen begegne.
Anders als ich scheint sie allerdings kein bisschen nervös oder unwissend, sondern froh über diese Meldung und das verwirrt mich noch mehr.
»Worum geht es hier, Stina ?«, frage ich sie, weil sie ganz offensichtlich von etwas weiß und ich nicht.
»Es wird dir gefallen, mein Schatz.«, flötet sie und springt die letzte Stufe hinab um dann eilig weiter zu laufen.
Ich folge ihr, will sie zurückhalten und ausfragen, aber da ist sie schon durch die Tür ins Innere verschwunden und lässt mich bloß folgen.
Ich war schon mehrmals hier.
Meistens im Auftrag des Komitees um eine Unterschrift zu erfragen oder Beschlüsse zu besprechen. Nie aber wurde meine Anwesenheit durch die Lautsprecher verlangt und nie bin ich voller Fragen hier gewesen.
»Lora, schön Sie wieder wohl auf zu sehen.«
»Guten Morgen, Mr. Ovillé.«, grüße ich den Schulleiter und setze mich nervös neben Stina auf einen der Stühle vor seinem Schreibtisch.
»Ich denke Sie wissen weswegen ich sie herbestellt habe. Es geht um den verschobenen Winterball, der ja nun am morgigen Samstag stattfinden soll.«
Ich glaube mich verhört zu haben und mit offenem Mund drehe ich mein Gesicht in Stinas Richtung, die breitgrinsend zu nicken beginnt und meinen Blick erwidert.
Verschoben? Der Ball wurde verschoben?
Nachdem ich aus dem Koma erwacht war, hatte ich Stina nach diesem Ereignis gefragt und sie sagte, es sei alles reibungslos glatt gegangen. Meinte sie dabei die Verschiebung des Termins?
»Was ist damit?«, fragt sie, ohne mich endlich aufzuklären, an den Schulleiter gewandt und ich ärgere mich über sie, weil sie mich einfach ignoriert.
»Ist mit den umgestellten Daten alles glatt gelaufen? Haben Sie bereits nachgesehen, ob die Location noch steht, wie sie sollte und ob die Technik über die Ferien nicht eingefroren ist?«
»Ja, ich habe mir heute in einer Freistunde, gemeinsam mit einem Mitschüler, alles angesehen und überprüft. Die Tische und Stühle stehen immer noch wie gehabt und auch das Licht und die Musik funktionieren reibungslos.
Der Cateringservice, wird das Essen morgen eine halbe Stunde vor Einlass liefern und auch die Schülerschaft ist bestens über den Ball informiert.«, erzählt Stina und spricht über Flyer und Facebook- Gruppen, über die sie die Planung vollkommen allein übernommen hat.
Ich muss wie eine Steinfigur aussehen, als sie nach einer knappen halben Stunde von jeglicher Planungsänderung berichtet hat und alle Fragen unseres Schulleiters beantwortet hat.
»Gut, Sie dürfen beide gehen.«, entlässt er uns und schaut nicht noch einmal auf, als Stina mich aus dem Raum zerrt.
»Kannst du mir das bitte erklären?«, frage ich, als wir im Schulflur auf einer Bank platznehmen und sie immer noch dämlich vor sich hin grinst.
»Wegen deines Unfalls war weder ich noch das Komitee oder sonst jemand in der Laune einen Ball zu besuchen und zu feiern, als sei nichts gewesen. Aus Loyalität heraus, haben wir beschlossen den Ball ausfallen zu lassen und ihn stattdessen ins neue Jahr zu verschieben. Sämtliche Organisationen wurden in den Ferien umgestellt und es verlief alles reibungslos, dass der Ball nun morgen stattfinden soll und du an ihm teilnehmen kannst.«
Sie lächelt warm und ich kann kaum glauben, was sie mir da unterbreitet.
»Wirklich? Stina, ist das dein Ernst?«
Fassungslos beginne ich zu lachen und die Freude keimt in mir auf, als sie zu nicken beginnt.
»Ich habe nie etwas ernster gemeint, meine Liebe. Morgen wird gefeiert !«
Stürmisch umarme ich sie.
»Du bist unglaublich.«
»Ich weiß.«
Nach der sechsten Stunde kann ich mein Glück noch immer nicht fassen. Der Ball war das ganze Jahr über etwas worauf ich mich im Dezember gefreut habe und der Unfall hat mir einen Großteil von Enttäuschung bereitet, als ich erfuhr, den Ball verpasst zu haben.
Dass es nun doch nicht so ist und Stina mir für eine Überraschung verschwiegen hat, dass der Ball verschoben wurde auf diesen Samstag, erleichtert und erfreut mir den Tag.
Mit einem freudigen Kribbeln im Magen laufe ich neben Stina die Treppe zum Ausgang hinab, als es endlich zum Schulschluss klingelt und die Englischstunde ein Ende findet.
Am Ausgang tummeln sich die Schüler, alle fiebern sie dem Wochenende entgegen und ich kann nun gut verstehen wieso.
Tuschelnd versperren sie den Weg und unterhalten sich angeregt und verträumt miteinander.
»Was der wohl hier macht?«, fragt Kristen aus meinem Kunstkurs und sieht fragend zu Carla ihrer besten Freundin.
»Bestimmt wählt er seine Königin für den Ball.«, schwärmt Nadine und sieht zu irgendeinem Punkt, den ich noch nicht erblickt habe.
»Wie es aussieht ist er wegen Tatjana hier.«, meldet sich Chris und pfeift anerkennend als sich die Blondine über den Schulhof bewegt.
»Leute, wovon sprecht ihr?«, fragt Stina verwirrt und versucht den Blicken der anderen zu folgen.
»Ryan Davis«, haucht Suse nur und sieht verliebt über den Schulhof.
Beim Namen meines Freundes werde ich hellhörig und verwirrt suche ich seine Gestalt unter meinen Mitschülern.
Und dann sehe ich ihn.
Sein attraktiver Körper steckt in einem dunkelblauen Mantel und die graue Jeans steht ihm fabelhaft.
Er lehnt an seinem Auto und ich lächle, als ich seine verlorenen, dunklen Augen sehe, die in all den hundert Schülern mein Gesicht suchen.
Er ist wegen mir hier, will mich von der Schule abholen und bereitet mir damit die zweite Überraschung des Tages.
»Oder er geht ab heute auf unsere Schule.«, rätselt Chris und stellt sich neben uns Mädchen.
»Wieso sollte er dann zum Schulschluss kommen?«
»Keine Ahnung, weil er sich in der Zeit vertan hat?«
Ich schmunzle und schüttle den Kopf über dieses Kommentar.
Dümmliches kommt meistens aus dem Munde von Chris. Trotzdem ist er loyal und durchaus freundlich.
»Chris, allein schon das er Ryan heißt, zeugt von genügend IQ, dass er weiß wann die Schule beginnt.«
Suse scheint sich sicher und verteidigt meinen Freund mit jeglicher Kraft. Ich mag nicht daran denken, wie wütend sie auf mich sein wird, wenn sie von seinem vergebenen Status erfährt.
Da mir diese Tatsache allerdings so gut wie egal sein kann, weil ich die Liebe nunmal nicht verhindern kann, schleicht sich auch kein Mitleid für Suse in mein Gewissen. Für sie wird ein anderer kommen und dieses Fan-Girl-Getue ist in unserem Alter langsam wirklich fragwürdig. Ryan ist auch bloß ein Mensch.
»Leute, lasst den Jungen in Ruhe, er ist sowieso vergeben.«
Stina lässt voller Freude diese Nachricht platzen und wackelt mit den Augenbrauen. Ich beginne zu lachen. Sie ist verrückt.
»Aber doch bitte nicht an Tatjana!«
Chris hält sich seine Hand vor den Mund, um sich nicht übergeben zu müssen.
»Keine Sorge.«, beruhigt ihn Stina und tätschelt ihm und Suse die Schulter. Diese scheint, wie erwartet, gar nicht erfreut von der Nachricht.
»Wer ist es denn dann?«, fragt Nadine und sieht erwartungsvoll zu Stina. Die aber hält ihren Blick auf mich gerichtet und winkt mich mit dem Kopf endlich zu ihm zu gehen und Tatjana von seiner Seite zu lösen.
»Geh endlich.«, murmelt sie grinsend und schubst mich in seine Richtung, dass ich sie nicht mal verabschieden kann.
»Wir sehen uns morgen.«, ruft sie mir nach und ich nicke, als ich ihr über die Schulter einen letzten Blick zuwerfe.
Der Wind treibt mich in Ryans Richtung und mein ganzer Körper kribbelt angenehm, je näher ich ihm komme.
Er scheint ratlos mit Tatjana, die sich zu ihm gestellt hat und ihn ganz offensichtlich mit Fragen überhäuft. Ich grinse schadenfroh und lache, als er mich endlich entdeckt und meine Blicke bemerkt.
Seine Augen beginnen Tatjana zu ignorieren und heften sich an meinen Körper bis ich neben ihm zum Stehen komme.
»Hallo.«, begrüße ich die beiden und sehe erwartungsvoll zu Tatjana, die erstarrt ihren Mund schließt, als Ryan seinen Arm um meine Taille legt und mir einen Kuss auf die Wange drückt. »Hi«, flüstert er mir ins Ohr und wendet sich dann an meine erstarrte Mitschülerin.
»Also...ähm...,Tatjana. Es hat mich sehr gefreut dich kennenzulernen, mir drängt nur leider die Zeit, ich muss noch etwas...erledigen.«, erklärt er mit dem Blick an mich gewandt und ein breites Lächeln erfasst sein Gesicht, dass ich verliebt zu seufzen beginne.
Womit habe ich dieses Grinsen verdient ?
Das Tatjana ohne ein Wort davoneilt fällt mir gar nicht mehr auf. Ich spüre nur die wunderbar weichen Lippen von Ryan, die er als eine zweite Art der Begrüßung auf meine drückt. Sein Daumen streichelt meine Wange, als wir uns lösen und ich könnte Stunden in seinen Armen liegen und mich meinen Gefühlen hingeben.
Da mir aber die halbe Schülerschaft im Rücken brennt, verkürze ich unseren Kuss und steige eilig ins Auto ein, als man mir die Tür aufhält.
»Ich dachte mir, ich hole dich von jetzt an immer von der Schule ab.«, verrät Ryan, während er losfährt. Begeisterung findet meine Augen.
»Das wäre klasse« Ich freue mich.
»Naja, das Busfahren wird wegen Mr. Gilson sowieso nicht mehr dasselbe sein und ich will dich nicht länger auf Schulwegen oder sonst wie alleine wissen.«
Dass er sich Sorgen um mich macht, ist eins der niedlichsten Dinge, die er je für mich getan hat und ich verwelke beinahe in Aufmerksamkeit, die mir endlich ein Mensch schenkt.
»Ich hoffe, du weißt, wie sehr ich dich liebe.«, flüstere ich und küsse seine Wange, während er seinen Blick auf die Straße hält.
»Jetzt weiß ich es.«
Er schmunzelt.
»Was hat Tatjana überhaupt mit dir besprochen ?«, frage ich nach einer Weile in der ich mich stumm von der Sitzheizung wärmen lasse und glücklich bin.
»Ich weiß nicht so recht, ich hatte nach dir Ausschau gehalten, aber ich glaube sie wollte indirekt bezwecken, dass ich sie zum Ball ausführe.«
»Und was hast du ihr geantwortet ?«
»Na, dass ich bereits eine bezaubernde Lollipop-Dame auf den Ball ausführe.«
»Dann habe ich also ein Date?«
Die Frage geht nicht nur an ihn, sondern auch an mich selbst, denn bei all meiner Freude hatte ich diesen Punkt des Balls vergessen.
Ich habe ein Date.
»Dass hattest du schon die ganze Zeit. Schon als wir das erste Mal über den Ball gesprochen haben, hätte ich dich abends abgeholt und ausgeführt, ob wir zu dem Zeitpunkt zusammen gewesen wären oder nicht.«
»Und was wäre gewesen, wenn mich jemand anderes gefragt hätte?«
Ich frage aus Provokation heraus und weil ich weiß, dass ihn solche Fragen tief im Inneren reizen.
»Dann hätte ich diesen Herren voller Freude aus dem Fenster geschmissen und dich entführt.«
»Böse.«
Ich schüttle tadelnd den Kopf, lache dabei aber so amüsiert, das man mir dieses Wort nicht als Empörung anerkennt.
»Niemals würde ich dich in die Fittiche eines anderen Mann lassen. Mir würden alle Sicherungen durchbrennen.«, brummt Ryan und fügt ein »Ich würde diesen Jungen zu einem toten Mann machen.« leise hinzu.
»Gut, dass ich niemals mit einem anderen als dir ausgegangen wäre.«, lockere ich sanft die Stimmung und streichle tröstend seine Schulter.
Er nickt zufrieden über diese Worte.
»Gut für dich, mein Engel.«
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