17«||...,I die for them !||
Es ist nichts als Schwere, die meinen Körper zu Boden drückt und mich Kreischen lässt.
Ich traue mich nicht mich zu rühren, die Schmerzen ziehen sich so grausam durch meine Glieder, dass ich mich wie eine zerschnittene Handpuppe fühle.
Alle Bänder, die mich leben, bewegen und denken ließen, liegen zerschnitten neben mir und bloß die Überreste meinerselbst halten diese wenigen Momente noch durch, wollen sich noch nicht verabschieden und schenken mir einen letzten Gedanken.
Juan.
Als meine verklärten Augen es tatsächlich schaffen seine Statur zu identifizieren, vergesse ich für einen Moment meine eigenen Schmerzen und der Schock, die Angst, packt mich.
Er rührt sich nicht.
Verdreht liegt sein kleiner, zierlicher Körper einige Meter von mir entfernt und aus einer langen Wunde an seiner Stirn tropft Blut in seine kleine Handfläche.
In einem Haufen aus Scherben liegend, kann ich nicht erkennen, ob er atmet, dafür dreht sich mein Kopf zu sehr und ein widerlicher Geruch lenkt mich ab.
Rauch.
Es stinkt nach Qualm und erstickenden Flammen und sie bäumen sich hinter dem Jungen auf. Feuer.
Rot, orange, rot, schwarz.
Bedrohlich flackert es vor meinen Augen und benebelt die Sinne.
Ich weine, als ich zu husten beginne und meinen Körper damit beben lasse. Es schmerzt so unentbehrlich, dass ich mich gar nicht zu rühren versuchen möchte.
Aber als ich sehe wie die Flammen wachsen, wie sie die Sitze erfassen und die Plastik Armlehnen zum schmelzen bringen, wie sie auf Juan zu schießen, fasst mich der Instinkt ihn wecken zu müssen.
»Juan !«
Ich verstehe mich selbst nicht, weiß nicht genau ob dieses Röcheln überhaupt von mir kam.
Erstickend beginne ich zu husten und lasse meine Hand nach ihm vorschnellen, um ihn am Arm zu rütteln.
Er liegt zu weit entfernt.
Zentimeter trennen meine verstümmelte, taube Hand von seinem Körper und das Feuer blendet mich beinahe, dass ich sie geschwächt sinken lasse.
Nein, Lora !
Wenn du ihn nicht erreichst und ihn hier herausholst, dann verbrennt er. Er muss noch leben. Du hast es Dir geschworen. Nicht er, nicht so.
Eine heiße Träne tropft vor meinen Augen auf den Boden und mit der immer stärker werdenden Hitze, siegt mein Entschluss.
Ringend ziehe ich meine Beine an und stütze meine knackenden Arme in die Höhe um mich hochzustemmen.
Ich breche zusammen. Zweimal.
Ich bin zu schwach, aber mir selbst in die Lippe beißend schaffe ich es beim dritten Mal endlich mich aufzurichten und das Gewicht zu verlagern, um direkt neben Juan wieder auf die Knie zu gehen.
Meine Füße schmerzen.
Wollen nicht tragen, was sie immer schon zu tragen hatten und wollen nicht halten, was sie zu halten haben, als ich Juan nach kläglichen Rüttelversuchen auf meine Arme hieve.
Er kommt mir nicht mehr so leicht vor, wie früher.
Damals, als ich ihn mit dreizehn Jahren zum ersten Mal in den Armen halten durfte und nicht fassen konnte, wie leicht ein Mensch sein kann.
Er wog nicht mehr als meine Baby Born Puppe aber er war um einiges interessanter. Seine süße Nase und sein so kleiner Kopf, mit dem winzigen Stümmeln von Haaren.
Ich habe ihn seit dem ersten Tag geliebt. Seit man mich am Kaffeetisch aufklärte, dass Julia nicht zu viel Kuchen gegessen hatte sondern ein Baby in ihren Bauch versteckt hielt.
Ich habe ihn geliebt, seit er sich unter ihrer Haut bemerkbar machte und von dort an für immer.
Ja, ich habe es mir geschworen. Ihn zu schützen, damit er bloß ein langes Leben hat, damit er Erfahrungen macht und irgendwann ein Mädchen so heldenhaft beschützt wie mich heute. Sein Herz ist gefüllt mit Unschuld und Neugierde und er hat nicht so zu gehen. Ich verbiete es ihm, verbiete es mir, jetzt zu gehen. Wenn ich gehe, dann nur mit dem Gewissen, dass Juan eine Chance auf leben hat.
Und mit diesem Ansporn richte ich meine Beine und setze mich mit zusammengebissenen Zähnen und einem grausamen Schmerz im
Rücken in Bewegung, dem Feuer zu entkommen.
Die Flammen haben den hinteren Teil des Busses bis zur Tür hinabgebrannt und die erstickende Luft rasselt in meinem Hals. Ich kann nicht atmen und mit einem geschwächten Hüsteln breche ich nach wenigen Schritten zusammen.
Meine Augen brennen, sie tränen von dem dichten Nebel und den schleiernden Bildungen, die mein Innerstes immer überfordern.
Schwindel überkommt mich und ich sehe die lächelnden Punkte wieder, als ich versuche mich aufzurichten.
Kurzfristig kitzelt mich die Dunkelheit, aber als mein Oberkörper nach hinten zu drohen fällt, bin ich wieder bei Bewusstsein und schaffe es den Fall zu verhindern.
An meiner Wirbelsäule knackt es und ich schaffe es nicht meinen Rücken durchzustrecken als ich zurück auf meine Beine komme.
Die Welt dreht sich, Juan in meinen Armen dreht sich mit ihr, und als ich einen fassenden Blick in sein Gesicht bekomme und eine meiner Tränen seine sanfte Haut streichelt, packt mich die Fassung voranzukommen. Die Zeit drängt.
Glücklicherweise ist der Bus von einem Baum gestoppt und bis auf die zertrümmerten Fenster und vielen Scherben, steht er richtig. Er liegt nicht auf dem Kopf und die kaputten Sitze gnostizieren den Gang, dass ich stolpernd entlang laufen kann, um Feuer im Rücken entkommend.
Die sterbende Hitze, ebenso wie der Qualm, drückt auf meine Lunge und kurzweilig frage ich mich, wie ich es überhaupt geschafft habe wieder aufzuwachen.
Der Frieden hatte mich gepackt und ich bin mir sicher, dass die Hölle trotz ihrer Umstände schöner war, als die Schmerzen die mich nun hier auf der Erde töten.
Vielleicht ist das hier auch die Hölle.
Dann scheint man mir eine letzte Chance zu geben das angerichtete Chaos ein wenig zu reinen.
Sollte es die Hölle sein, dann habe ich bis zu meinem Abgang die Möglichkeit wenigstens etwas richtig zu machen, bevor ich noch mehr Leute schädige und enttäusche.
Wenn schon meine Eltern, wenn sie meine Leiche finden und damit meine Wunden und wenn schon Ryan, der nie mit mir befreundet sein wollte, dann nicht auch noch Juan, der die Welt nicht gesehen hat und dann nicht Mr. Gilson, der seine Frau so liebt.
Bei irgendjemandem muss ich doch in Frieden sterben können ohne mir ein Gewissen zu machen.
Ich bin erleichtert als ich die Vordertür des Busses erreiche und das Feuer im Bus mich noch nicht ganz erreicht hat.
Die Scheiben der Flügeltür sind zertrümmert, aber die Lücke reicht nicht aus um mich mit Juan hindurch schleifen zu können.
Verzweifelt schreie ich auf, die Panik packt mich und geschwächt aber entschlossen trete ich gegen das harte Glas.
Meine Finger schmerzen mit jedem Schlag, zertrümmern eher als das Glas. Es rührt sich nichts aber Aufgebe, mit diesem kleinen Jungen im Arm, kommt nicht in Frage.
Schreiend, keuchend und zuletzt am Körper bebend schmeiße ich mich gegen das rissige Glas, schlage mit flacher Hand dagegen und bin erleichtert als kalte Luft mich plötzlich umgibt und die Temperatur auszugleichen versucht.
Die Hitze spitzt sich zu, auch die vorderen Sitze beginnen von den Flammen zu schmoren und ich bin mit Energie gepumpt, als meine Faust das Glas durchbricht, wieder und wieder, so oft, dass ich mich zuletzt mit meinem Rücken dagegen schmeißen kann und erschrocken aber mehr als glücklich im Schnee des Waldes aufkomme.
Er tut weh, der Boden ist hart und vereist. Er bohrt sich in meine gekokelte Haut und schlitzt sie auf, bringt sie zum brennen. Unangenehm.
Juan, schützend in meinen Armen, bekommt von dem schmerzhaften Aufkommen am Waldboden nichts mit.
Er liegt noch immer reglos in meinen Armen und scheint nicht halb so freudig wie ich.
Der Moment lässt mich beinahe glucksen und vor Freude weinen, weil ich ihn gerettet habe und sein schwach pochendes Herz schlagen höre. Es ist noch nicht verrucht, es ist noch nicht zu spät und es ist noch nicht von mir gegangen. Noch lebt er, aber in dieser Kälte nicht mehr lange.
So schnell wie mich mein Glück, ihn vor dem Feuer bewahrt zu haben, packt, so schnell geht es auch wieder.
Angestrengt pelle ich mich aus meiner verglühten und angeschmorten Jacke und wickle ihn darin ein.
Meine Arme sind mit Verletzungen übersät. Blut und bunte Flecken zieren meine blasse Haut die von der Kälte, wegen der fiebrigen Temperatur des Feuers, noch nichts spüren.
Vorsichtig und behutsam bringe ich Juan aus der Gefahr und bette ihn an einer schneefreien Stelle des dichten Waldes.
Erleichterung platzt in mir als ich zitternd und schnappartig nach Luft atme und sie meine Lunge lüften lasse. Frisch.
Schon nach dem ersten Zug beginne ich zu husten und der schwarze Qualm muss sich ungemein in mir festgesetzt haben, dass ich erstickt neben Juan auf die Knie falle.
War es so umsonst ?
Habe ich ihn nicht gerettet ?
Mein Schwindel bringt seinen kleinen Körper in Bewegung und ich glaube zu tanzen, als ich von ihm zurücktaumle und es mich brennend heiß durchfährt.
Wir waren zu dritt.
Drei. Drei Menschen. Mr. Gilson.
Mein Blick fliegt über meine Schulter zu dem brennenden Bus, der seinen schönen Gelbton gegen ein sattes Schwarz verloren hat.
Auf dem Fahrersitz erkenne ich ihn. Die grauen Haare, den grauen Rollkragenpullover und die Falten, die sein sonst immer lächelndes Gesicht heiterten.
Sein Kopf ist nach vorne gekippt und der Qualm beginnt sich um ihn zu legen, dass ich nicht zu überlegen habe.
»Nein !«
Diesmal bin ich mir sicher geschrieen zu haben und meine Beine sind es, die zu rennen beginnen.
Was auch immer mich leitet, ob es die Zeit ist, oder die Rauchwolke, die sich immer weiter zudeckt, oder Ryan, der sonst auch immer Ladestation meiner Energie war.
Ich renne, falle und stehe wieder auf um mich keuchend zurück in das Feuer zu schleifen.
Die Flammen haben den Eingang erreicht und ich huste schon Meter bevor ich die Tür passiere und mich in den Bus schmeiße.
Schwärze umgibt mich, obwohl ich meine tränenden Augen offen halte, und mir bleibt nichts als mich tastend in die Nähe des Mannes zu geben.
Flammen züngeln an meiner Hose, ich sehe sie und lasse sie dennoch bleiben, während ich panisch an den Armen des Mannes ziehe und versuche ihn aus seinem Sitz zu zerren.
Das Feuer umgibt uns.
Die Flammen ringen uns ein und mir bleibt trotzdem nichts als in sie zu fassen und nach dem Griff der Kabinentür zu suchen, die Durchgang und Technik trennt.
Es brennt furchtbar und meine Finger fühlen sich wie flüssiges Karamell an, während die Hitze sie kitzelt, aber schneller als gedacht öffnet sich die kleine extra Tür und der Körper des bald in flammenstehenden Busfahrers kippt mir entgegen.
Auch er rührt sich nicht.
Sein Kopf sackt schlaff gegen meine Schulter als ich ihn ächtzend zu bewegen versuche und an seiner Kleidung ziehe und zerre.
Blut fließt aus seiner Nase und sein Arm liegt so verdreht, dass ich sicher bin, dass er gebrochen ist.
Es ist wie in einem Horrorfilm. Wir beide in mitten des Feuers und während ich bei lebendigem Leibe zu sterben beginne, bin ich mir bei Ronald Gilson nicht mehr sicher.
Sein Gesicht ist aschfahl und sein Körper ist mit kaltem Schweiß besehen, dass es mir in all dem Feuer kalt den Rücken hinab läuft.
Er kann nicht tot sein, das kann nicht sein.
Es mir selbst einredend verlagere ich das Gewicht, um nicht zusammenzubrechen, und ignoriere sein Aussehen um ihn Richtung Tür zu ziehen.
Die Lage macht mir Angst. Bilder spielen sich vor meinen weinenden Augen, schreckliche, grausame Bilder, die mir im Leben Alpträume bereiten würden.
Die Situation gleicht dem Geisterbus, den ich mir sechzehn Jahre lang vorgestellt habe, während ich ohne einen Unfall zu Schule gebracht wurde. Und heute setzt sich diese Fantasie um und ich habe nicht einmal Zeit mich zu fürchten.
Er ist zu schwer, denke ich und versuche wieder ihn zu bewegen. Panik. Die Zeit rennt, meine Hose brennt und mir fällt auf die Sprünge nur noch eines ein.
Ich lasse ihn los, steige über seinen Körper und lasse mich in den Flammen fallen, um ihn aus dem Bus zu rollen.
Es klappt. Schwer und langsam, weil mich die Schwäche einholt, aber sein Bein überschlägt das andere und der gesamte Körper bewegt sich endlich dem Ausgang entgegen bis er reglos die Kante passiert.
Es kracht und knackt und mein schwitzender Körper sackt erschöpft aber lächelnd zusammen.
Ronalds Körper liegt im Schnee und das Feuer in seiner Kleidung kühlt ab, dass ich vergesse, dass ich selbst noch im Bus liege, verbrenne und mir die Decke auf den Kopf fallen lasse.
Es ist egal, alles so egal, denke ich, als in mir die Welt untergeht, Blut aus meinem Mund gen Boden fließt und sich meine Augen ein zweites Mal verdrehen.
Ob ich sterbe ist so egal, weil ich es mir so und nicht andersherum geschworen habe.
Hauptsache Ronald und Magarete finden lebend zueinander und schaffen es endlich nach Spanien zu reisen. So, wie sie es immer schon wollten.
Und Hauptsache Juan schafft es bis zur HighSchool, bis zum Abitur und bis zur ersten Liebe.
Hauptsache er erfährt, was es heißt zu leben und zu lieben.
So wie ich Mum und Dad liebe und so wie ich Ryan liebe.
Grenzenlos und bis in den Tod.
Ich wünsche ihnen allen das beste. Mehr habe ich nie gewollt, als ich ihnen begegnet bin und sie habe lächeln sehen.
Ich wollte immer, dass sie glücklich sind. Auch ohne mich.
»Ich liebe dich Ryan Davis«, fällt mir ein, als ein letzter Impuls mich packt.
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