14«||Liebeskummer, Angstzustände und schämenhaftes Blut||
Schneeflocken prallen gegen die Scheibe des Autofensters und trübe sehe ich in die sich verfärbende Landschaft.
Dass es schon am Anfang des Dezembers zu schneien beginnen würde, habe ich gewusst, aber zu verdrängen versucht.
Ich hasse Schnee, diese Kälte und im Grunde den gesamten Winter.
Menschen Kinder spielen in diesen Monaten furchtbar gerne draußen, tollen durch den Schnee, bauen Schneemänner und fahren auf Holzschlitten Abhänge hinab.
Sie lachen, kichern, schwitzen in ihren bunten Schneeanzügen und probieren das geschmacklose Nass, das die ganze Welt anders aussehen lässt.
Ich finde Schnee schön. Mag, wie die Bäume von ihm erfasst werden und die Spuren, die meine Schuhe beim Laufen auf ihm hinterlassen.
Aber den Frühling liebe ich mehr.
Den Frühling, wenn der Schnee wieder geht. Ich trauere seinem Abschied nicht nach, er kommt wieder, das weiß ich.
Seufzend lehne ich meinen Kopf an das beschlagene Fenster und versuche krampfhaft mit dem Tempo des Autos mitzuhalten, um die Landschaft draußen genießen zu können. Sie zieht zu schnell vorbei.
Genauso schnell wie die letzten Tage. Vor drei Tagen haben wir gestanzt. Ryan und ich in mitten unserer Freunde, uns in den Armen haltend. Es war einer der schönsten Abende in meinem Leben, so viele Gefühle und Gedanken schlugen auf mich ein und mit ihnen, kommen jetzt die Folgen.
Wir hätten uns beinahe geküsst.
Wir wären eventuell zusammen, wenn er sich nicht abgewendet hätte und mich mit kühlem Blick hätte stehen lassen.
Ich war kurz davor gewesen ihn zu küssen und für Sekunden, habe ich geglaubt er würde nur darauf warten, dass ich mich traue.
Aber ich habe mich bitter getäuscht.
Wie er mich zuletzt ignoriert hat, wie er unsere Umarmung getrennt hat und wie wir ohne Abschied getrennten Weges nach Hause gefahren sind.
Er wollte keinen Kuss, nicht von mir.
Das Dilemma, von dem mir mein Großvater immer erzählte, trifft mich und seine früheren Worte ergeben endlich einen Sinn.
»Es wäre heute nicht wie es ist, wenn es damals nicht gewesen wäre, wie es war.«
Hätte ich ihn nicht zu küssen versucht, wären wir jetzt noch Freunde. Hätte ich meine Gefühle nicht über unsere Freundschaft gestellt, wäre jetzt noch alles wie immer.
Seine Abweisung war mir Antwort genug.
Er fühlt nicht das selbe, wie ich und ich bin froh ihn die nächsten zwei Tage nicht sehen zu müssen.
Donnerstag war komisch, Freitag war komischer und das betretene Schweigen, mit dem wir im Bus nebeneinander saßen, schneidet mir noch immer ins Herz.
Wir haben beide keine Worte für diesen Abend gefunden und ich hatte gedacht am Tage darauf fröhlicher in den Bus zu steigen, als still zu hoffen, er wäre krank und gar nicht da.
Aber er war da.
Sein Geruch hat mich umgeben und unsere Oberarme haben sich in jeder Kurve berührt und unsere Stimmen haben sich an beiden Tagen betreten begrüßt.
Und er hat es versucht. Versucht, mich aus der Peinlichkeit zu fischen und mich zum Lachen zu bringen und meinen Blick einzufangen. Aber ich konnte ihm nicht in die Augen sehen, denn dann hätte ich auch das letzte Stück meines verletzten, gekränkten Herzens an ihm verloren.Ich habe es verloren.
Mit dem Abschied an seiner Schule am Freitag, den wir ohne ein Wort bestritten haben, habe ich das letzte Puzzlestück meines Herzens mit ihm gehen lassen. Es wird auf ewig bei ihm bleiben, ob er es will oder nicht.
Ryan weiß, dass ich ihn küssen wollte und das ich die Sache mit Torben vorgespielt habe, um eine Antwort zu bekommen. Und ich habe sie bekommen, aber falsch gedeutet.
Er sieht mich als Freundin. Aber nicht als seine Freundin.
Und er mag mich, aber er liebt mich nicht. Anders kann ich mir diese Abfuhr, diese Ignoranz und diese Abweisung nicht erklären.
Er hat mir umgangssprachlich einen Korb gegeben und ich kann es ihm nicht einmal verübeln.
Verübeln, dass jeder gemeinsame Tag ein Vorgegaukel war, ein Schauspiel. Ein Spiel im Spiel des Lebens. Und es tut verdammt weh, dass er in mir nicht mehr sieht, als in Suse oder Tatjana. Nichts. Er sieht in mir nichts. Ich bin wieder einmal nichts für einen Jungen und abermals habe ich mich an den Falschen gehangen. Wieso ist mir nicht einmal das Glück gegönnt ?
Wieso gerate ich immer an die falschen Menschen und wieso habe ich mich ausgerechnet in Ryan verguckt ?
Ich bereue es nicht. Dinge, die für einen Moment Schuld an deinem Lachen waren, die dich für Sekunden haben Lächeln lassen, darf man nicht bereuen.
Sie verdienen einen guten Platz an dem sie verstauben können, dumm nur, dass ich Ryan niemals verstauben lassen könnte.
Es liegt an mir selbst, dass wir nicht glücklich sind. Dass wir nicht mehr miteinander telefonieren, uns schreiben oder im Bus unterhalten. Ich habe alles zerstört und ich habe mich dafür zu entschuldigen.
Aber ich kann es nicht.
Sich selbst die Schuld zu geben und dann in Liebeskummer zu versinken, ist anstrengend und schwer und ich halte es nicht aus, mir die Schnitte im Herzen selbst zuzuschreiben. Für dieses Wochenende muss ich egoistisch sein und Ryan büßen lassen.
Nur für diese beiden Tage, damit meine Tränen einen Platz in dieser Leere finden, einen Sinn.
Und dann werde ich mich entschuldigen. Für meine Gefühle, für meine Eifersucht, für meine Versuche ihn zu küssen und die Zeit in der ich mich an ihn geklammert habe.
Dass er womöglich genervt von meinen Anrufen war und sich gar nicht so oft mit mir treffen wollte, fällt mir erst im Nachhinein auf. Er hätte bestimmt besseres zu tun gehabt, als sich mit mir zu unterhalten und ich habe es nicht einmal bemerkt. Ich war egoistisch.
Durch meine Faszination und den Drang, ihn bei mir haben zu müssen, habe ich ihn eingesperrt und ich bin mir sicher, dass er unser erstes Treffen im Bus bereut.
Anders kann ich es mir nicht erklären und ich brauche diesen Selbsthass, um Ryan je loslassen zu können. Wir müssen zurück in die Zeit vor alledem.
In die Zeit vor der Eifersucht, vor den Umarmungen und in die Zeit vor unseren Wangenküssen.
Dorthin zurück, wo ich noch keine Gefühle für ihn hatte und wo ich noch nicht über Leichen gegangen wäre, nur um ihn vor allem Unheil zu bewahren.
Wir müssen lernen wieder alleine klarzukommen, ich muss es lernen.
Denn ich habe es von uns beiden verlernt.
Ich dachte immer, wir wären beide auf die selbe Weise verbunden. Aber es war dumm von mir auf mein kaputtes Herz zu hören.
Schon seit dem ersten Tag war mir doch klar, dass es nicht mehr funktionieren würde, wieso also habe ich mich je auf dieses kaputte Ding in meiner Brust verlassen ?
Wieso habe ich mich verliebt und damit freiwillig unsere Freundschaft in den Wind geschossen ?
Wieso habe ich nicht hingehört, richtig hingesehen ?
Ein Junge, wie Ryan, würde sich niemals, niemals in eine Klette, die Angst vor Einsamkeit hat und die sich mit Kakao vollstopft, wie ein dreijähriges Kind, wie mich verlieben.
Ich bin keine von diesen Traumfrauen, mit spargeldünnen Beinen und einem pickelfreien Gesicht. Ich benehme mich noch lange nicht erwachsen, lache über dumme Witze und albere in meinem klischeehaften Teeniezimmer herum, in dem noch immer die One Direction Poster von 2013 hängen.
Er hat sie zum Glück nie zu Gesicht bekommen.
Meine Eltern haben Ryan zum Glück nie zu Gesicht bekommen und auch seine Familie kennt mich nicht, dass es einfach sein sollte, den Alltag wieder aufzuholen.
Ich muss zurück in das Danach.
Ich weiß, dass ich das muss.
Aber nur eine Begegnung und ich vergesse diesen Vorsatz. Nur eine Berührung und ich vergesse seine unerwiderte Liebe und nur ein Blick in seine Augen und ich verliere mich erneut in ihnen.
Liebe ist scheisse.
»Lora, Schätzchen ?«
Ich ziehe die Kopfhörer aus meinen Ohren, als meine Mutter mir eine Träne aus dem Augenwinkel wischt und mich wehleidig ansieht.
Ich schüttle bloß den Kopf und weiche ihrem traurigem Blick aus.
Sie soll mich nicht so ansehen, Dad soll wieder auf die Straße gucken und ich will nicht noch einmal ihre Fragen hören.
Ryan ist ein Buch mit einem Epilog. Je mehr ich an ihn denke, desto mehr zerbreche ich an seinem kühlen Blick und ich sollte ihn einfach zu hassen beginnen und vergessen. Als wenn ich es könnte.
Eines, was die romantischen Kitschfilme gemeinsam haben, ist die Darstellung des Liebeskummers.
Verheult im Bett liegen, Eisessen und die vollgeweinten Taschentücher auf dem Boden verstreut. Es passt alles in meine aktuelle Lage und mein verschlossenes Zimmer, gleicht einem Saustall.
Aber Liebeskummer ist noch viel schlimmer, schmerzlicher, als das Chaos.
Liebeskummer ist grausam, schrecklich. Meine Träume von Ryan sind schrecklicher und unsere Distanz ist am schrecklichsten. Tödlich.
Seit drei Tagen habe ich mich in meinem Zimmer verschlossen, aufgehört zu essen, weil mir so schlecht war, und ich drohte zu ersticken, weil mich meine Tränen so kaputt gemacht haben.
Meine Angst ist gestiegen.
Von heute auf morgen ist sie schlimmer geworden und ich habe etwas getan, was ich schrecklich zu bereuen habe. Es ist einfach so passiert.
Dabei sind Mum und Dad bloß arbeiten gegangen. Sie waren nur für ein paar Stunden weg und mir kamen die Tränen, weil die Dunkelheit mich so kriechend erfasste. Kaum fiel die Tür hinter ihnen ins Schloss, begann ich zu schreien und mit Dingen um mich zu schmeißen, verheult versuchend, die Schmerzen der Einsamkeit zu verdrängen.
Und weil ich mich dafür schämen sollte, schämen, weil sie doch alles versuchen damit es uns gut geht, habe ich keinen Ausweg für diesen Schrecken gesehen.
Dreimal habe ich es gemacht.
Dreimal für drei Tage.
Drei Tage in denen ich von morgens bis abends alleine zuhause war, den Wind ums Haus habe stürmen hören und niemanden hatte, der mich in meinem Weinen am Boden, in den Arm genommen hat.
Ich schäme mich für meine Angst, aber ich kann sie nicht ändern.
Sie geht nicht, lässt mich nicht in Ruhe und auch wenn ich weiß, dass meine Eltern verletzt sein werden, wenn sie jemals von ihr erfahren, schaffe ich es nicht sie zu überwinden.
Die Tatsache, dass jetzt Winter ist kommt mir gelegen. Ich kann ohne mich erklären zu müssen Pullover tragen und meine Haut mit allem möglichen bedecken.
Im Sommer werde ich Ausreden finden müssen, aber ich nehme sie gerne in Kauf, nur um mich vor meinen Eltern zu schützen.
Sie werden mich für das fließende Blut hassen, verachten, und ich weiß, dass ich ihre Enttäuschung in diesem Monat, jetzt wo ich auch schon Ryan verloren habe, nicht auch noch aushalte.
Wieder bin ich egoistisch.
Ich lüge sie an, nutze sie aus, damit ich ihre Liebe in diesen Tagen wenigstens habe, wo ich Ryan am meisten vermisse.
Ich versuche ihren Hass hinauszuzögern um nicht mit allem auf einmal erstickt zu werden. Ich bin eine schlechte Tochter.
Ich würde mir die Klinge am liebsten in den Hals stecken, damit ich ihre Enttäuschung darüber nie erfahren muss und ich sie verlasse, bevor sie mich verlassen.
Enttäuschung ist schlimmer als Hass und ich werde es nicht aushalten meine Eltern, wegen der Angst vor Einsamkeit, zu verlieren.
Sie dürfen nie davon erfahren. Dürfen nie in eine Lage kommen, schwer von mir enttäuscht zu sein.
Sie dürfen mich nicht verlassen, nicht auch noch sie.
»Lora, Schatz, bitte ! Bitte sag mir wie ich dir helfen kann.«
Die gläsernen Augen meiner Mutter erschweren mein nicht schlagendes Herz und ich möchte auf der Stelle abhauen, weil ich ihre Fragen nicht halten kann.
Ich kann nicht reden.
Weder über meinen Liebeskummer noch von den Schnitten auf meinen Armen, die ich zu verstecken versuche.
»Es geht nicht, Mum, es geht nicht.«, hauche ich geschwächt und versuche mir kläglich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen.
»Und wie soll ich das gleich, Grandma erklären? Ja, sie weint aus Spaß, oder wie ? Du kannst mit mir reden, Spätzchen, das weißt du!«
Streng sieht sie mich, ihre Worte verdeutlichend, an und wischt mir abermals über das Gesicht.
Dass ich verheult und wie ein Häufchen Elend aussehe, ändert sich trotzdem nicht.
»Das hier muss ich mit mir alleine klären, Mum, und wenn ich dabei drauf gehe.«, murmle ich und stecke meinen Kopfhörer wieder ins Ohr, bevor ich ihre erschrockenen Worte dazu hören kann.
Ich wende meinen Blick ab, versuche ihr indirekt zu sagen, dass ich nicht reden will und schaffe es tatsächlich sie abzuwimmeln.
Mein Herz schlägt schwer in meiner Brust. Sogar über die Musik hinweg, höre ich es rasseln und vor Sehnsucht keuchen.
Aus Lust und Laune hätte ich Ryan vielleicht gefragt, ob er mitkommen möchte oder ob wir etwas zusammen machen wollen, während meine Eltern alleine zu meiner Großmutter fahren.
Ich sehne mich nach ihm, kann es gar nicht ändern, so sehr ich es auch versuche.
Drei Tage ohne ihn sind grausam und ich weine, weil es nicht bei diesen drei Tagen bleiben wird.
Ab Montag werden wir komplett getrennte Wege gehen, dafür werde ich sorgen.
Es muss sein.
Er wird froh darüber sein.
Endlich ist er mich gänzlich los, das nervige Angsthasenmädchen.
Ich will ihn nicht länger belästigen.
»Lora, wir müssen endlich darüber reden, du kannst nicht in deinem Zimmer versauern und vor dich hin weinen. Dinge in sich reinzufressen ist keine Lösung, das weißt du. Wir sind für dich da, Kleines, und was auch immer es ist, wir werden dir helfen. Du musst das nicht alleine durchstehen.«
Dad sieht mich streng an und öffnet dann die Autotür um wie Mum auszusteigen.
Träge lasse ich mein Handy in die Jackentasche fallen und folge den beiden.
Ich traue mich nicht aufzusehen, schäme mich zu sehr für mich selbst und verstecke unauffällig meine Handgelenke unter den Ärmeln meiner Jacke.
»Hat dieser Junge dir wehgetan ? Hat er dich angefasst, Dir gedroht ?«, versucht es Mum weiter und wird sofort von Dad unterbrochen.
»Ich schwöre dir, ich mache ihn zur Schnecke, sobald ich weiß wer er ist.«
Die Blicke, die meine Eltern austauschen, bereiten mir Kopfschmerzen und ich schüttle bloß langsam mit dem Kopf, um zu einer Antwort anzusetzen.
Ryan hat nichts an Schuld zu tragen, in diesen Blödsinn habe ich mich selbst hineingeritten.
»Er hat mich nicht angefasst. Er hat mir auch nicht gedroht oder mir wehgetan. Er ist der aufmerksamste, liebenswürdigste und menschlichste Mensch, den ich kenne. Er war immer gut zu mir und ich bin schuld, dass es nun nicht mehr so ist. Bitte, haltet ihn aus alledem raus, er hat mir wirklich nichts getan. Ich bin es, die alles falsch gemacht hat.«
Die Diskussion endet und mit einem letzten Blick, wische ich mir über die Augen, straffe mein Gesicht und schlucke den gesamten Schmerz in einem Zug hinunter. Die Maske sitzt und mit ihr werde ich das Wochenende bestens überstehen.
So lange bis ich wieder alleine bin.
»Hallo, meine Lieben.«
Fröhlich tönt meine Großmutter von der Veranda zu uns hinunter und kommt mit ausgebreiteten Armen auf mich zu.
»Hey, Grandma.«, begrüße ich sie lächelnd und lasse mich von der pummeligen Frau fest umarmen. Ich habe sie vermisst.
»Wie gehts Dir, meine Enkelin ?«, fragt sie an meinem Ohr und bemerkt nicht, wie schwer mir eine Antwort darauf fällt.
»Gut, mir geht es sehr gut.«, murmle ich und mit dem ironischen Lachen meines Vaters löst sich Oma aus der Umarmung.
»Jack, schön dich so gelaunt zu sehen.«
Auch mein Vater wird von ihr munter umarmt und erst zuletzt grüßen auch Mutter und Tochter sich.
Ich entziehe mich dieser Liebe, dem Austausch von Ereignissen der letzten drei Wochen, und mache mich lieber auf den Weg in den Garten wo ich einen herzensguten Freund vermute, der sich den Schnee niemals entgehen lassen würde.
Kater James sitzt, wie ich es erwartet hatte, auf dem knarzenden Schaukelstuhl im gläsernen Pavillon meiner Großmutter, in dem wir im Sommer immer sitzen und ihren köstlichen Bienenstich essen.
Seit ich denken kann, gehört der schwarze Kater mit den weißen Socken zu unserer Familie und sein Lieblingsplatz war schon immer dieser eine Stuhl an diesem einen Ort. Er verlässt ihn so gut wie nie, es ist sein Stuhl, freut sich aber durchaus über Gesellschaft und Hände die ihn kraulen.
Ich liebe den kleinen Freund, der in stillen Momenten immer die beste Gesellschaft ist.
»Hey, JS, wie geht es dir ?«
Aufmerksam spitzt der Kater bei diesem Namen die Ohren und hebt seinen Kopf um mich aus grünen Augen anzusehen.
Über all die Jahre hat er begonnen auf diese Abkürzung aus meinem Mund zu hören und es ist sonderlich, dass er nur bei meiner Aussprache auch Reaktion zeigt.
Meine Cousine ignoriert er beflissentlich, wenn sie mich nachahmt und ich finde es amüsant, wie ärgerlich sie das macht.
Sie war schon immer ein furchtbar neidisches Wesen und in vieler Hinsicht, hassen wir beide uns.
Manchmal glaube ich, James tut es absichtlich, damit sie sich darüber aufregt und zu fluchen beginnt, das macht ihn mir noch sympathischer.
»Ich schätze dein Tag war mal wieder ein Träumchen, was ?«
Ich grinse als ich ihn schnurren höre und laufe auf ihn zu um mich neben ihn auf den Boden zu setzen und ihn zu streicheln.
Ich könnte das stundenlang tuen.
Ihn glücklich sehen und mir im Gegenzug die Seele ausheulen.
Er verurteilt und befragt mich deswegen nicht und ich liebe diesen stillen Zuhörer, der mir manchmal menschlicher scheint als jeder Zweibeiner.
Seine Empathie ist viel größer als die der Menschen, Tiere sind Geschenke Gottes.
»Natürlich war er das.«, seufze ich und lehne meinen Kopf gegen die Armstütze des Stuhls, während meine Hand weiter durch sein Fell streicht.
»Du hast keine Probleme. Bist nicht schwerstens verliebt und kannst dich dementsprechend auch nicht blamieren.
Ich möchte auch ein Kater sein.«
Ich merke, wie meine Augen schon wieder beginnen nass zu werden, aber in dieser Einsamkeit ist es in Ordnung. Ich habe mich vor JC nicht für die Schlitze auf meinen Armen zu schämen und auch nicht für meine Angst, die schon wieder Besitz von mir ergreifen will.
Ich sehe die schwarze Wolke über mir kreisen, wie sie mich verhöhnt und nach mir ausschlägt, um mir Angst zu machen. Und in einem Moment, in dem ich zusammenzucke, wird sie mich fassen und weiter beginnen zu zerstören.
Für dieses Leben bin ich wirklich nicht gemacht.
»Lora ?«
Die sanfte Stimme meiner Oma dringt von der Glastür zu mir am Boden und traurig sehe ich zu ihr auf.
Hatte ich vor ein paar Minuten nicht noch erklärt, dass es mir gut geht ?
Im Auffliegen meiner Lügen bin ich wirklich die Nummer eins.
»Ach, Liebes.«
Sie seufzt traurig lächelnd und setzt sich vor mich auf einen Stuhl.
Ich will gar nicht wissen, wie kläglich ich gerade aussehe, zerstört, ein Jammerhaufen.
»Ich weiß, deine alte Oma hat nicht mehr die besten Ohren, aber wenn du trotzdem reden möchtest, dann werde ich immer da sein.«
Ihre Augen löchern mich nicht, drängen mich nicht zu einer Antwort und sie erwarten damit auch nichts.
Es ist Anspannung und Druck der von mir fällt, wie ich so neben meiner Oma sitze und den Wind von draußen Pfeifen höre. Es ist kalt, aber nicht so kalt, wie mein zerbrochenes Herz.
Nicht so kalt, wie diese schwarzen Augen, die sich enttäuscht von mir wenden und stehen lassen.
»Ich bin verliebt, Oma. So verliebt, dass es weh tut und so verliebt, dass ich unsere Freundschaft damit zerstört habe.«
Meine Lippen beginnen zu zittern und verheult breche ich meine Worte ab. Ich wollte nicht mehr darüber reden. Nie und mit niemandem. Aber das Reden entspannt den Schmerz für eine Weile und Gesellschaft verdrängt die schwarze Wolke über meinem Kopf. Nur für den Moment. Aber immerhin.
»Liebe tut immer weh, Lora. Liebe ist das, was Menschen so verletzlich und unsicher macht. Liebe macht Angst, aber wenn du dich auf sie einlässt, dann kann sie schöner sein, als alles andere.
Ich glaube nicht, dass Freundschaft an Liebe zerbrechen kann. Liebe kann sie bloß stärker machen und Liebe schweißt, das lässt manche zögern.«
Sie sieht in die Ferne während sie spricht. In die Ferne, auf die untergehende Sonne, in die weiße Landschaft. Und ich folge ihrem Blick. Wünschte, ich könne dem Alltag für einen Moment entfliehen und die Zeit zurück drehen.
Sorgenfrei sein, leicht wie eine Feder im Wind.
»Und was ist, wenn nur von mir aus, aus Freundschaft Liebe wird und von seiner Seite nichts ?«
»Hat er Dir das ins Gesicht gesagt ? Oder denkst du bloß einfach, dass es so ist ?«
Sie lässt eine Antwort offen, stellt mir eine Gegenfrage und trifft damit einen wunden Punkt.
»Ich wollte ihn küssen, ich war mir sicher er würde es auch wollen, aber dann hat er sich abgewendet. Hat mich ignoriert und kein Wort mehr gesagt. Nur kühl war er, kühl und abweisend.«
»Dann hat er Dir doch nie gesagt, ob er dich liebt oder nicht. Vielleicht ist er nur schüchtern oder unsicher oder er hat Erfahrungen gemacht, die ihn zögern lassen.
Wenn dir dein Herz gesagt hat, er würde es auch wollen, dann muss es ja einen Grund gegeben haben, ein Gefühl kommt nicht einfach so. Nur bei einer Verbindung, die viel stärker und impulsiver ist, als das man sie aufhalten könnte.«
Objektiv betrachtet ergeben diese Worte Sinn, bauen mich auf, aber erklären seine Reaktion nicht.
Wieso meldet er sich dann nicht ?
Wieso erklärt er es mir nicht ?
Er muss mich hassen.
»Es ist nicht so einfach, Grandma.«
Ich will ihr nicht recht geben, das halte ich einfach nicht aus.
Ich war dabei, habe ihn gesehen, und weiß, dass er abgeneigt war.
Ich kann es nicht anders erklären.
»So soll es auch nicht sein. Einfach, wie langweilig ! Zu leben ist auch nicht einfach, wieso sollte das Leben dann einfach sein ? Das will doch niemand. Komplikationen machen es spannend.«
Sie erhebt sich wieder und wuschelt mir liebevoll durch die Haare.
»Rede mit ihm, Schätzchen, lass es dir erklären und lege ihm am besten gleich deine Karten auf den Tisch, damit er Dir klar und deutlich antworten kann. Weine nicht, ehe es etwas zu weinen gibt.«
Mit diesen Worten verlässt sie mich und rüttelt den Chaosstapel
in mir wieder in eine Reihe.
Sie hat recht. Aber meine Sorgen vertreiben sich trotzdem nicht.
Ich schaffe es nicht Ryan mit diesem Desaster in die Augen zu sehen und so einfach wie sie es klingen lässt, ist es nicht.
Ich bin viel komplizierter und ich verkompliziere Komplikationen gerne. So war ich schon immer und so werde ich immer sein.
Es gibt Dinge, die kann selbst Ryan nicht ändern.
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