85. | Regeln sind zum Brechen da
Hermines POV
„Vergiss es, ich verrate es dir nicht. Lass dich einfach überraschen.", versuchte Draco mir inzwischen zum zehnten Mal klarzumachen, dass er mir seine Überraschung für den heutigen Abend nicht verraten würde. Was mich wahnsinnig machte.
Nach dem Abendessen und nachdem Ginny und Zabini nach Hogsmeade aufgebrochen waren, hatten Draco und ich noch eine Weile in der großen Halle gesessen und uns ein wenig mit Luna unterhalten. Neville hatte sich nur bedingt am Gespräch beteiligt, hatte nur dann etwas dazu beigetragen, wenn er auch wirklich ausdrücklich danach gefragt worden war, doch ich verstand, dass es ihm nach allem immer noch sehr schwer fiel, sich mit Dracos Anwesenheit zu arrangieren und mit ihm zu sprechen. Schließlich hatte der ehemalige Slytherin ihm in den vergangenen Jahren teilweise genauso sehr das Leben zur Hölle gemacht wie Harry, Ron und mir - und natürlich vielen anderen. Und eine Entschuldigung hatte es bislang noch nicht gegeben, also konnte ich Nevilles Zurückhaltung durchaus verstehen.
Aber genug davon.
Wir waren danach in unsere Zimmer gegangen, wo ich ein paar Sachen in meine Tasche gepackt hatte und mir ein schöneres Oberteil angezogen hatte, da ich befürchtete, Draco würde mit seinem Date, das er sich für uns ausgedacht hatte, mal wieder übertreiben.
Und so waren wir nun auf dem Weg zum Raum der Wünsche, wo ich ihn mit zehntausend Fragen löcherte, da ich endlich wissen wollte, was sein Plan für diesen Abend war. Aber er schwieg natürlich und spannte mich auf die Folter.
„Ich hasse Überraschungen und das weißt du!", stänkerte ich gespielt beleidigt, was er natürlich sofort durchschaute und gekonnt ignorierte.
„Dann hast du dir aber den falschen Freund ausgesucht. Wäre doch langweilig, wenn du immer sofort über alles Bescheid wüsstest. Wo bleibt da die Spannung?" Er legte seinen Arm um mich, drückte mich auf diese Weise sanft gegen seine Schulter, was mich aber immer mehr auf die Palme brachte.
Einerseits liebte ich es, dass er so ein Romantiker war und mich immer wieder überraschte, doch andererseits hasste ich es im Unwissenden gelassen zu werden und nicht zu wissen, was mich erwarten würde.
„Also wenn du mich fragst, hatten wir in den letzten Wochen schon genug Spannung. Oder nicht?"
Meinen Einwand ignorierte er dieses Mal komplett, ohne sich erneut zu Wort zu melden, was aber vielleicht auch daran lag, dass wir in diesem Moment den Raum der Wünsche erreichten, wovor wir Halt machten.
Kurz darauf erschien auch schon die Tür, die Draco stillschweigend öffnete und aufhielt, damit ich ebenfalls den Raum betreten konnte. Sofort schaute ich mich um, suchte nach dieser Überraschung, von der er schon seit mehreren Stunden redete, doch fündig wurde ich im ersten Moment nicht.
Das letzte Mal, dass Draco und ich alleine hier waren, war noch vor dem schrecklichen Abend im 'Drei Besen' gewesen, doch großartig verändert hatte er diesen Raum im Vergleich zu diesem letzten Mal nicht. Das gleiche Bett, das gleiche Sofa, ein paar Bücher lagen auf dem Tisch sowie etwas zu trinken. Sollte ich enttäuscht sein?
„Und?", fragte er nach meiner Meinung, doch ich wusste nicht, was er erwartete. Vielleicht war ja auch weniger der Raum die Überraschung und viel mehr das, was er tun wollte. Und ich verfluchte mich im nächsten Moment für diese zweideutigen Gedanken, die in meinem Kopf herumschwirrten.
„Schön.", lautete meine knappe Antwort, doch Begeisterung war so ziemlich das letzte, das in meiner Stimme lag. Ich sah mich um, damit ich ihm nicht direkt in die Augen sehen musste, doch ich hatte ja bereits alles gesehen und begutachtet und starrte somit lediglich Löcher in die Luft.
Er kam auf mich zu, wobei ich jeden einzelnen seiner Schritte auf dem dunklen, hölzernen Parkett wahrnahm. Seine Tasche, die er bis eben noch in der Hand gehalten hatte, ließ er mit einem dumpfen Geräusch zu Boden fallen, dann legte er seine Arme von hinten um mich und drückte mich sanft gegen seinen Oberkörper, der sich an meinen Rücken schmiegte wie ein Puzzleteil.
Meine eigene Tasche landete nur wenig später neben seiner, da mir plötzlich die nötige Kraft fehlte, um sie weiter zu tragen. Ergeben schloss ich die Augen, ließ mich gegen ihn sinken und genoss das Gefühl seiner Lippen auf meinem Hals, an dem er sich entlang küsste.
Womit sich mein Verdacht sofort zu bestätigen schien, denn es war, als würde er gleich endgültig und komplett über mich herfallen. Als wäre heute dieser eine Tag, diese eine Nacht, dieser eine Moment gekommen.
Wäre ich denn bereit dafür? Vorbereitet hatte ich mich zugegebenermaßen nicht. Aber konnte man das überhaupt? Meine Gedanken wurden immer mehr von diesem Gefühl vertrieben, das Draco mit diesen Zärtlichkeiten in mir auslöste. Wie sehr hatte ich es doch vermisst... dieses Bauchkribbeln, dieses Dahinschmelzen.
„Nur schön?", flüsterte er rau und leicht belustigt in mein Ohr, was zur Folge hatte, dass mein gesamter Körper von einer enormen Gänsehaut übersät wurde. Ehe ich mich versah und verstand, wie er das anstellte, hatte er mich mit einer blitzschnellen Bewegung herumgedreht, sodass ich etwas unbeholfen gegen seine Brust krachte, ihm nun direkt gegenüberstand, ihm direkt in seine eisgrauen Augen blicken konnte. Wobei von diesem Grau gerade nicht wirklich viel zu sehen war, da seine Pupillen größer waren denn je.
„Ein bisschen mehr Begeisterung habe ich aber ehrlich gesagt schon erwartet." Seine tiefe, fast schon rauchige Stimme und dieser mahnende Unterton ließen meine Nackenhaare allesamt in die Höhe schießen. Meine Beherrschung war heute so dick und stabil wie ein Bindfaden im Sturm. Die kleinste Berührung entfachte ein Feuer in meinem Inneren, das lichterloh loderte und mich verbrannte.
„Was ist jetzt mit dieser Überraschung?", verlangte ich zu wissen, wobei meine Stimme nur einem heiseren Flüstern glich, das ich selbst kaum verstand. Das Grinsen auf Dracos Gesicht wurde immer breiter, was mich ebenfalls fast um den Verstand brachte, doch seine nächsten Worte ließen mich wieder genauer und gespannt aufhorchen, da ich meinte mich verhört zu haben.
„Das kommt ganz auf dich an. Ist die brave Miss Granger denn bereit, heute die Regeln ein wenig zu brechen?"
Oh Merlin, was kommt denn jetzt schon wieder?
„Ich höre?", hakte ich merklich verunsichert nach, da ich gespannt war, was genau er meinte. Die fast schon abwertende Art und Weise wie er „brave Miss Granger" ausgesprochen hatte, machte mich innerlich wütender als es sollte. So brav war ich nun auch wieder nicht. Auch ich hatte während der letzten Jahre zur Genüge die Regeln gebrochen und Unerlaubtes getan.
Natürlich war ich mir darüber bewusst, dass Draco mich mit seiner Wortwahl ganz bewusst ärgern wollte, aber dennoch... Ich war schon lange nicht mehr die eingeschüchterte und brave Hermine, die sich an alle Vorschriften hielt und nichts Verbotenes tat. Zumal es auch verboten war, seine Freizeit durchgehend im Raum der Wünsche zu verbringen und allein diese Regel hatten wir in diesem Schuljahr schon an die zwanzig- bis dreißigmal gebrochen.
„Du warst doch mal Vertrauensschülerin...", begann er schließlich. Ich stutzte.
„Ja? Du doch auch." Ich erinnerte mich an das fünfte Schuljahr zurück, als Draco zum Vertrauensschüler der Slytherins ernannt worden war. Wie sehr hatte ich Dumbledore für diese Entscheidung damals in Frage gestellt...
„Richtig. Und ich weiß ja nicht, ob und wie oft du damals dort warst, aber... das Bad der Vertrauensschüler..."
„Ja?", hakte ich weiter nach, da ich noch nicht so ganz verstand, worauf er hinauswollte.
Beziehungsweise hatte ich so eine Vorahnung, aber das konnte unmöglich sein Ernst sein...
„Du. Ich. Vertrauensschülerbad. Heute Abend."
... oder vielleicht doch.
„Was? Das ist doch nicht dein Ernst!", rutschte es ungehalten aus mir heraus. Draco jedoch grinste über beide Ohren, als wäre es für ihn schon längst beschlossene Sache, als hätte ich keine Chance, ihn von seiner Idee abzubringen. Auch auf meinen Einwand hin zuckte er nur gelassen mit den Schultern.
„Wo ist das Problem? Interessiert im Endeffekt doch sowieso niemanden."
„Wo das Problem ist? Wie der Name schon sagt, dürfen nur die Vertrauensschüler das Bad benutzen. Wenn die uns erwischen, dann... dann..."
„Dann?", pöbelte er höchst arrogant. Gute Frage... Dann?
„Wie stellst du dir das vor? Denkst du wirklich, du kannst dir momentan so etwas erlauben? Nach allem, was passiert ist?" Denn meines Erachtens war es absolut unpassend, sich momentan in Schwierigkeiten zu bringen. Er war gerade noch dem Tod entkommen und jetzt wollte er schon wieder für Ärger sorgen? Ohne mich.
„Soll ich jetzt nur noch in Watte gepackt in meinem Zimmer sitzen und Däumchen drehen? Komm schon, ist doch aufregend.", säuselte er verführerisch und mit diesem fiesen Grinsen auf den Lippen, das mein Gehirn irgendwie binnen weniger Sekunden leerfegte. Seine Lippen wanderten dabei meine Wange entlang, runter zu meinem Hals und Hinter mein Ohr, bei dem er innehielt.
„Uns wird schon keiner erwischen. Es wird dir dort bestimmt gefallen." Ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken.
„Wie kannst du dir so sicher sein? Was, wenn einer der Vertrauensschüler plötzlich auftaucht?" Meine Stimme war das genaue Gegenteil von gefestigt, meine Worte absolut nicht überzeugend, das wusste ich selbst. Ich hatte einfach Angst. Angst vor Ärger, vor Problemen, vor weiteren Auseinandersetzungen...
„Die Wahrscheinlichkeit ist so gering!", warf Draco sofort ein. „Und selbst wenn, dann werden wir eben erwischt, na und? Man wird uns schon nicht rauswerfen."
„Aber wir könnten riesengroßen Ärger bekommen! Und außerdem..." Verdammt, mir fiel nichts mehr ein...
„Ich höre, Miss Granger?", schmunzelte er siegessicher und nahm die Tätigkeit, seine Lippen auf Wanderschaft zu schicken, wieder auf. „Komm schon.", raunte er heiser. Ich wollte ihn am liebsten verfluchen. „Sollten wir wirklich erwischt werden, nehme ich alle Schuld auf mich. Ich will ja auch nicht sofort gehen, sondern später, wenn der Großteil sowieso schon im Bett ist. Der einzige, der uns zu dieser Zeit erwischen könnte, ist Filch, aber der rafft doch sowieso nichts. Komm schon... Wenn du siehst, wie romantisch es dort ist, willst du nie wieder verschwinden, glaub mir."
„Scheint so, als hättest du schon eine Menge Erfahrung damit, Mädchen dorthin einzuladen." „Oh, und wie! Bis jetzt konnte ich darin jede einzelne um den Finger wickeln."
War das gerade sein verdammter Ernst?!
„Ach ja?", motzte ich ungehalten und stieß ihn mit beiden Händen von mir weg, da mir seine Nähe gerade definitiv zu viel war. Solche Kommentare konnte er sich sparen. Zwar hatte ich ihm mit meinen Worten irgendwie die perfekte Vorlage dafür gegeben, aber-
„Hey, das war ein Witz, Süße.", ruderte er sofort wieder zurück. „Kein Grund gleich wieder eifersüchtig zu werden." Er überbrückte diese entstandene Distanz wieder zwischen uns um kam auf mich zu, umfasste mein glühendes Gesicht mit seinen beiden, eiskalten Händen.
„Du bist natürlich die erste und zudem einzige, die ich dorthin 'einladen' will. Aber wenn du meinst, dann... können wir auch hierbleiben und... lesen oder... uns unterhalten." Der abwertende Ton war nicht zu überhören. „Oder aber... wir schleichen uns ins Vertrauensschülerbad, baden ein wenig zusammen und machen mal etwas Aufregendes. Die Entscheidung liegt ganz bei dir."
Gut, dass sein Verhalten und seine Worte so gar nicht toxisch oder manipulativ waren... Ironie Ende.
So sehr mir seine Idee auch gefiel, aber... wäre es nicht verboten, hätte ich keine Sekunde lang gezögert. Wäre dieses Bad für alle zugänglich, wäre ich sofort mit ihm dorthin gegangen. Die Umstände allerdings...
Ich kannte die diesjährigen Vertrauensschüler nicht persönlich, nur von den Mahlzeiten in der großen Halle und natürlich, als McGonagall diese ernannt und vorgestellt hatte. Anders als in den vergangenen Jahren waren es nicht acht Vertrauensschüler sondern nur mehr vier, zwei Mädchen und zwei Jungen, allesamt aus dem fünften Jahrgang.
Würden wir erwischt werden, würde man uns mit Sicherheit zum Nachsitzen oder Kesselschrubben verdonnern und diese Zeit hatten wir momentan definitiv nicht.
Wir hatten schon genug zu tun und nachzuholen und...
... und selbst wenn, dann werden wir eben erwischt, na und? Man wird uns schon nicht rauswerfen.
... und machen mal etwas Aufregendes.
Unaufhörlich echoten mir Dracos Worte in den Ohren.
So lange, bis mein Kopf mal wieder kurz vorm Platzen war. Innerlich genervt schnaubend, zwang ich mich zu Konzentration. Und versank in Gedanken.
Dies war mein letztes Jahr in Hogwarts. Betrachtete man die letzten Jahre und die vielen Regeln, die ich mit Harry und Ron gebrochen hatte, war es absolut harmlos, um nicht zu sagen lachhaft, sich ins Vertrauensschülerbad zu schleichen. Wir hatten nichts zu verlieren. Und wenn wir jetzt nicht ein wenig Spaß und etwas „Aufregendes" erleben würden, wann dann?
Dass es gerade heftig ratterte in meinem Kopf, schien Draco nicht zu entgehen. Seinem Blick nach zu urteilen, wusste er sogar ganz genau, was ich gerade dachte und womit ich haderte. Merlin, ich hasste es, ihm mal wieder recht geben zu müssen.
„Na na na, sag bloß, ich habe deinen Sturkopf überredet.", mutmaßte er noch bevor ich mich selbst zu Wort melden wollte, und dieser eine Satz genügte, um mich meine Entscheidung doch noch einmal überdenken zu lassen. Aber Blödsinn, natürlich wollte ich...
„Nennen wir es eher 'überzeugt'.", schmunzelte ich stattdessen süßlich und stellte mich auf Zehenspitzen, um ihm einen federleichten Kuss auf die Lippen zu hauchen.
Dass ihm meine Antwort mehr als gefiel, zeigte mir sein darauf freudiges und dankbares Lächeln, das die Schmetterlinge in meinem Bauch aufscheuchte. Eine gewisse Skepsis blieb zurück, aber alles in allem freute ich mich schon sehr auf später. Wobei... eine Sache gab es da noch.
„Aber erwarte bloß nicht, dass ich vor dir blankziehen werde!", warnte ich ihn vorsichtshalber schon einmal vor, denn weniger als meine Unterwäsche würde er an diesem Abend auf keinen Fall zu Gesicht bekommen.
Erschrocken und gewissermaßen überrascht weitete er seine Augen, bevor sich ein gespielt beleidigter Ausdruck auf seinen Zügen breit machte.
„Ach komm schon..." Er raunte, nestelte an meinem T-Shirt herum, das er immer wieder ein kleines Stück nach oben und wieder nach unten schob. Wobei jedes Mal, wenn seine Finger meine nackte Haut berührten, heiße Blitze meinen Körper durchzuckten. „Willst du in deinen Klamotten baden gehen? So leid es mir tut, aber dann werde ich das Wasser so warm drehen, dass dir irgendwann gar nichts anderes übrig bleibt als dich auszuziehen."
Ich schmunzelte.
„Bis auf die Unterwäsche okay, aber nicht weiter.", stellte ich fest entschlossen klar, was er mit einem zufriedenen Grinsen quittierte, bevor er meinen Körper genauestens von oben bis unten beäugte.
„Das wird mir gefallen." Er zwinkerte frech und auch ein wenig schadenfroh, bevor er von mir abließ und sich umdrehte, das große Bett ansteuerte, auf das er sich seufzend fallen ließ.
Nur wenige Sekunden später klopfte er auf die leere Stelle neben sich, forderte mich damit stillschweigend auf, neben ihm Platz zu nehmen.
Ich drohte Gefahr sofort einzuschlafen, wenn ich mich hinlegen würde, da ich absolut müde und ausgelaugt war, doch ich kam seiner Aufforderung dennoch nach, kuschelte mich in seine Arme und legte meinen tonnenschweren Kopf auf seiner Brust ab. Meine Augen schlossen sich ganz automatisch, als er zärtlich über meinen Schopf streichelte. Was dem Kampf gegen meine Müdigkeit keineswegs Abhilfe schaffte. Ganz im Gegenteil.
„Wann möchtest du losgehen?", hakte ich nach, denn vielleicht konnte ich ja noch die ein oder andere Stunde schlafen, bevor wir die Regeln brechen würden.
„Hmm..." Er überlegte. „Sperrstunde ist um 22:00 Uhr, also... 23:00 Uhr? Bis dahin hat Filch schon mal den Großteil der Korridore gecheckt."
Er schien sich ja bestens auszukennen...
Es war gerade einmal kurz nach 20 Uhr, was bedeutete, dass wir fast noch drei Stunden Zeit hatten, also... genug, um mich noch einmal aufs Ohr zu hauen.
„Gut.", murmelte ich schon im Halbschlaf und kuschelte mich noch fester an meinen Draco. „Weck mich einfach auf, wenn du aufbrechen möchtest."
Und noch bevor ich seine Antwort abwartete, geschweige denn nachfragte, was er überhaupt bis dahin tun wollte, war ich auch schon eingeschlafen.
...
Es war anstrengender und nervenaufreibender als gedacht. Ich fühlte mich in die Zeit der Horkruxjagd zurückversetzt, als wir nach Hogsmeade appariert waren und umherschleichen mussten, um nicht erwischt zu werden. Jeder Fehltritt hätte fatale Folgen gehabt. Denn das hätte den Tod bedeutet. Und das wäre damals höchstwahrscheinlich auch Realität geworden, hätte Aberforth uns im Eberkopf nicht Unterschlupf gewährt.
„Draco! Nicht- nicht so schn-"
„Sch!", unterbrach er mich harsch und zog mich hinter sich her. Wir hatten es auf unserem Weg zum Vertrauensschülerbad noch nicht allzu weit geschafft, wir waren seit ungefähr zehn Minuten unterwegs, aber ich war schon jetzt total außer Puste.
Einerseits war es totenstill im Schloss, andererseits waren überall Geräusche zu vernehmen, die ich oftmals nicht zuordnen konnte. War es der Wind? War es außerhalb des Schlosses? Innerhalb? Wurden wir verfolgt? Hatte man uns schon entdeckt?
Eines war sicher: wir machten das Ganze definitiv zu spannend. Wir hätten uns auch einfach tagsüber dorthin schleichen können, aber nein... Draco war ja der Meinung, dass es abends bei Mondschein viel romantischer war. Von Romantik waren wir allerdings gerade ungefähr genauso weit entfernt wie die Erde von der Sonne.
Etwa eineinhalb Stunden hatte ich im Raum der Wünsche geschlafen, anschließend hatten Draco und ich uns noch über Merlin und die Welt unterhalten und einfach unsere ungestörte Zweisamkeit genossen. Gegen 23:00 Uhr waren wir dann aufgebrochen und jetzt... nun ja...
„Okay, weiter.", flüsterte er und setzte wieder einen Fuß vor den anderen, Hand in Hand schlichen wir durch die Korridore. Mein Herz klopfte so unfassbar laut, dass ich nichts anderes mehr hören konnte. Ich kam ihm nur mit größter Mühe hinterher. Während er einen großen Schritt machte, musste ich mindestens zwei kleine machen, doch gerade als ich meinte endlich mithalten zu können, blieb er wie vom Blitz getroffen stehen, sodass ich mit voller Geschwindigkeit gegen ihn krachte.
„Ah!", stieß ich teils erschrocken, teils schmerzerfüllt aus, und ehe ich mich versah, stolperten wir gemeinsam in die nächstgelegene Nische. Natürlich nicht gerade leise.
Er hatte mich unsanft gegen die Wand gedrückt und hielt mir den Mund zu, was mich leicht in Panik versetzte. Gerade als ich mich darüber beschweren wollte, hörte ich allerdings Schritte, die auf uns zukamen. Es konnten weder meine noch Dracos sein, was bedeutete...
Oh nein.
Tschüss Freizeit.
Hallo Nachsitzen und Strafarbeiten.
Ich kniff die Augen zusammen, presste mich noch stärker gegen die Wand in meinem Rücken und zog meinen Bauch ein, hielt die Luft an, freundete mich schon mal mit dem Gedanken an, gleich mein Todesurteil zu unterzeichnen.
„Wer ist da?", hallte es durch den Korridor, an den eiskalten Steinmauern entlang, bis zu uns herüber, wobei mich die strenge Stimme von Filch erschaudern ließ.
Das war's.
Ich hatte es ja gleich gesagt: Das hier war eine dumme Idee. Eine saudumme Idee.
„Ich weiß, dass du hier bist! Zeig' dich! Oder du erlebst dein blaues Wunder!"
Meine Panik wurde immer größer. Mein Herz schlug mir inzwischen bis zum Hals.
Mir wurde schlecht.
Ich zitterte. An den Händen. An den Knien.
„Schhh...", wisperte Draco in mein Ohr, als meine Atmung immer hektischer und lauter wurde. „Ganz ruhig, Hermine."
Als die Schritte noch lauter wurden und unverkennbar in unsere Richtung kamen, presste sich auch der Blondschopf immer näher an meinen Körper. Sein warmer Atem streifte meine Stirn, sein bebendes Herz lieferte sich einen Wettkampf mit meinem. Ich konnte mich an keinen Moment erinnern, in dem wir uns körperlich so nah waren wie jetzt. Wäre dieser Zeitpunkt nicht so dermaßen beschissen, würde ich mir wünschen, dass dieser Augenblick nie wieder endete.
Jetzt hieß es Zähne zusammenbeißen und hoffen.
„Deine letzte Chance! Zeig' dich!" Es war, als würde er direkt neben uns stehen, uns direkt ins Ohr schreien. Seine Stimme war derartig laut, dass ich leicht zusammenzuckte. Sollten wir uns ergeben? Wusste er, wo wir waren? Wer wir waren?
„Ich zähle bis drei!"
Komm schon, ihr erspart euch eine Menge Ärger!
„Eins!"
Na los!
„Zwei!"
Verdammt, tu endlich irgendwas!!
„Dr-"
Ein Poltern.
Ein lautes, klirrendes Scheppern, das durch den Korridor hallte.
Waren wir das? Hatten wir etwas fallen lassen?
„Dein letztes Stündlein hat geschlagen, Freundchen!", röchelte Filch, der nur fünf bis zehn Meter von unserer Nische entfernt stand. Erneut echoten seine Schritte durch den Gang, aber... von uns weg. Dieses Poltern war also aus einer anderen Richtung gekommen, in die der grantige Hausmeister nun verschwand.
Allerdings wollte ich mich hiermit noch nicht zufrieden geben. Was, wenn das nur ein Trick war? Wenn er an der nächsten Ecke auf uns wartete, um uns dann zu überwältigen?
Draco entspannte sich sofort und distanzierte sich wieder ein Stück von mir, ich für meinen Teil blieb an Ort und Stelle stehen, nur um sicherzugehen. Ich traute dieser plötzlichen Ruhe nicht.
„Den wären wir los.", grinste mein Gegenüber selbstgefällig, als hätte er irgendeinen brillanten Einfall gehabt, der uns das Leben gerettet hatte, aber dem war nicht so. Im Gegenteil. Seinetwegen befanden wir uns überhaupt erst in dieser Misere.
„Warte!", hielt ich ihn auf, als er meine Hand wieder mit seiner verschränkte und den Anschein machte, weitergehen zu wollen. Er war wohl wirklich lebensmüde.
„Was, wenn das ein Trick ist? Denkst du er ist tatsächlich weg?" Keine Ahnung ob er von meinem geflüsterten Nuscheln auch nur ein Wort verstanden hatte. Seinem leicht verstörten Blick nach zu urteilen nicht.
„Das finden wir gleich heraus. So hohl wie der ist, kapiert er doch sowieso nichts."
„Bist du sicher?", wollte ich die Gewissheit. Sofern es diese überhaupt gab. Draco allerdings zuckte nur mit den Schultern. Na super...
„Nein, aber... das ist doch das Spannende. Komm jetzt."
Und dann tat ich wie mir befohlen. Mir blieb ja auch nichts anderes übrig. In der Klemme steckten wir ja schon seit wir den Raum der Wünsche verlassen hatten, also genau genommen war es jetzt sowieso schon zu spät, um noch einen Rückzieher zu machen.
„Ich kenne noch einen anderen Weg. Wenn wir in die entgegengesetzte Richtung von Filch gehen, sollte er kein Problem mehr für uns sein.", erklärte Draco, als wir unseren Weg wieder aufgenommen hatten und durch den steinernen Gang schlichen.
Es war so kalt, dass ich meinte, meine Hände und Füße wären zu Eisklötzen mutiert. Doch das warme Wasser, das mich in - hoffentlich - wenigen Minuten umhüllen würde, würde diese wieder auftauen und mich aufwärmen.
Wir liefen mal nach links, mal nach rechts, mal geradeaus. Zwei Treppen nach oben, eine nach unten. Mal schneller, mal langsamer. Kurz gesagt: Es fühlte sich wie eine stundenlange Wanderung durchs Gebirge an.
Und dann... erreichten wir endlich das Gipfelkreuz.
Oder in unserem Fall...
Das Badezimmer der Vertrauensschüler.
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