61. | Was war, was ist und was sein wird (2/3)
Hermines POV
Zabini legte mich vorsichtig auf die weiche Matratze, ganz langsam und behutsam, als könnte das Bett durch eine einzige falsche Bewegung in sich zusammenbrechen. Mein Blick war dabei durchgehend und unentwegt auf Draco gerichtet, die einzige Person, die es gerade schaffen konnte, mich wieder zu einem glücklichen Menschen zu machen.
Dieses Bild, seine Erscheinung und seine derzeitige Verfassung machten es mir jedoch ungemein schwer.
Kein Wort dieser Welt konnte nämlich auch nur ansatzweise beschreiben wie er aussah, wie der Zustand seines Körpers war, doch 'kaputt' kam dem vermutlich noch am nächsten.
Von seiner sonst so blassen, fast schon kränklich weißen Haut war kaum noch etwas zu sehen, denn der Großteil war mit dunkelroten, dicken und langen Narben übersät, die sein Gesicht, seine Arme und vermutlich auch den Rest seines Körpers zierten. Seine Wangen waren bläulich, seltsam grau, sein Hals mit roten und blauen Flecken übersät, seine Augen mit dunklen, schwarzen Ringen.
Mein Herz zog sich schmerzlichst zusammen, je länger ich ihn betrachtete, denn wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte ich gesagt, dass er tot war. Gleichzeitig fragte ich mich, wie viel Schmerz und Leid ein Mensch eigentlich ertragen konnte.
Ich kuschelte mich ganz vorsichtig an ihn, traute mich kaum ihn zu berühren, da ich Angst hatte ihn noch mehr verletzen zu können als er ohnehin schon war.
Eine Stille kehrte ein, keiner von uns sagte auch nur ein Wort, während ich meine Augen über jeden einzelnen Zentimeter meines Freundes wandern ließ. Nur ein leises und ruhiges Piepsen war zu hören - sein Herzschlag, der zusätzlich in gleichmäßigen, grünen Zickzacklinien auf dem Bildschirm neben seinem Bett zu sehen war - und das Pumpen des Beatmungsgeräts, das über seiner Nase und seinem Mund lag und mehr als die Hälfte seines Gesichts verdeckte.
Ansonsten war er mit unzähligen Schläuchen und anderen Geräten verbunden, dessen Funktionen mir nicht bekannt waren, doch das war gerade auch nicht von großer Bedeutung, solange Draco wieder vollkommen gesund werden und so bald wie möglich aufwachen würde.
„Hey, mein kleiner Drache.", flüsterte ich äußerst leise, ich redete mir ein, dass er mich irgendwie hören konnte, und legte ganz sachte meine Hand unter seine linke Brust, die Stelle, an der sich sein Herz befand.
Völlig unbewusst hielt ich den Atem an, konzentrierte mich ausschließlich auf die Bewegungen und Kontraktionen, die meine Handfläche wahrnahm und auf das stetige Auf und Ab seines Brustkorbs.
Und in dem Moment, in dem ich seinen Herzschlag spürte, realisierte, dass er tatsächlich am Leben war, mich nicht alleingelassen hatte und wir noch eine Chance bekamen, konnte ich meine Emotionen und Gefühle nicht mehr länger zurückhalten und brach wie verrückt in Tränen aus, die aus mir herausschossen wie hunderttausend Liter Wasser aus einem einstürzenden Staudamm. Alles in mir zog sich zusammen, mein Körper verkrampfte sich und begann leicht zu zittern, als ich mir über all diese Tatsachen bewusst wurde.
„Ich liebe dich, Draco."
Ein Schluchzen entwich meiner Kehle, ich kniff die Augen zusammen und griff nach Dracos linker Hand, um sie mit meiner rechten zu verschränken, mit der Intention ihn nie wieder loszulassen. Die Wärme seines Körpers übertrug sich auf mich und brachte mein Herz binnen weniger Sekunden zum Schmelzen, das während der letzten beiden Tage zu einem riesigen und meterdicken Eisblock gefroren war.
„Ich liebe dich so sehr.", wiederholte ich, vergrub dabei mein Gesicht an seiner Halsbeuge und tränkte seine dünne Haut mit meinen unzähligen, heißen Tränen.
Meine zweite Hand führte ich vorsichtig an Dracos Wange - besser gesagt an das, das nicht von diesem Beatmungsgerät überdeckt war - und streichelte ganz sanft und behutsam darüber, fuhr dabei die Kratzer und Narben mit meinen Fingerspitzen nach.
Auf die andere hauchte ich ihm einen federleichten Kuss, meine Lippen begannen bei dieser zarten Berührung sofort zu kribbeln und zu pochen, diese Sehnsucht nach meinem Draco und dieser Schmerz über seinen Verlust waren so unendlich groß und unerträglich gewesen, dass alles in mir nach ihm und seiner Nähe schrie.
„Ich werde nicht zulassen, dass dir jemals wieder etwas passiert. Ich werde dich beschützen und dich nie wieder loslassen, Draco. Nie wieder. Das verspreche ich dir. Dein kleiner Bücherwurm wird immer bei dir bleiben, okay? Immer."
Ich atmete einmal lang und tief ein, um seinen Duft in mich einzusaugen, und wollte mich gerade wieder bei ihm einkuscheln und einfach nur diese Zweisamkeit mit meinem Schatz genießen, als ich plötzlich hörte, wie das Piepsen seines Pulsmessgerätes immer schneller und unregelmäßiger wurde.
Was mich unfassbar verunsicherte und beunruhigte.
Eine riesengroße Panik überkam mich, die meinen eigenen Herzschlag ebenfalls in die Höhe katapultierte und meinen Kreislauf derartig verrücktspielen ließ, dass mir für ein paar Sekunden schwarz vor Augen wurde.
Ich versuchte mich nach oben zu stemmen und mich ein Stück von ihm zu distanzieren, um zu verhindern, dass sein Zustand wieder schlimmer werden und außer Kontrolle geraten würde, doch eine Hand, die sich auf meinen Rücken legte, verhinderte dies und drückte mich wieder zurück in meine Ausgangsposition.
„Ganz ruhig, Miss Granger. Ihm passiert nichts.", drang eine leise Stimme an mein Ohr, die ich ohne hinzusehen Madam Pomfrey zuordnete.
„Was ist mit ihm? Er wird doch wieder gesund und... es geht ihm doch g-gut, oder? B-Bitte, er... er-"
„Bitte beruhigen Sie sich. Es geht ihm den Umständen entsprechend gut, ja. Er reagiert nur äußerst sensibel auf Berührungen und Stimmen, was bei Komapatienten des Öfteren der Fall ist. Haben Sie keine Angst, Miss Granger. Alles wird gut."
Ich gab nach und ließ mich wieder auf die Matratze sinken, atmete dabei einmal tief durch, nickte mit dem Kopf, um ihr zu zeigen, dass ich verstanden hatte, und kam meinem Vorhaben nun doch nach und kuschelte mich wieder richtig bei Draco ein, dessen Puls noch immer vergleichsweise hektisch war.
„Scheint so, als würde er deine Anwesenheit bemerken.", ertönte eine zweite Stimme - die meiner besten Freundin Ginny - die auf der anderen Seite des Bettes Platz nahm und mit einem sanften Lächeln auf mich herabsah.
Nur ein paar Sekunden später tauchte auch Zabini in meinem Blickfeld auf, der sich einen Stuhl geschnappt und diesen direkt neben Ginny platziert hatte, um sich neben ihr niederzulassen, seine Augen fokussierten jedoch abwechselnd seinen besten Freund und mich.
Ein quengelndes Seufzen verließ meinen Mund, als die Hand, die noch immer auf meinem Rücken lag, versuchte mich von Draco wegzuziehen, weshalb ich mich krampfhaft an ihn und die Bettdecke klammerte, so, als würde mein Leben davon abhängen. Was noch nicht einmal so weit hergeholt war.
Ich wehrte mich mit aller Kraft, dachte nicht einmal daran nachzugeben und hatte letzten Endes auch Erfolg, denn Madam Pomfrey lockerte ihren Griff, legte ihre Hand stattdessen auf meinen Hinterkopf und beugte sich über mich.
„Ich tue Ihnen nichts, Miss Granger. Sie müssen nur ein Stück zur Seite rücken, damit ich die Decke über Sie legen kann. Es ist ganz wichtig, dass Sie sich jetzt warmhalten, um nicht zu unterkühlen."
Moment mal. Das heißt...
„Ich darf hierbleiben?", sprach ich den Rest meiner Gedanken laut aus, ich war ehrlich verblüfft über diese Erkenntnis und drehte mein Gesicht in ihre Richtung, begegnete letztlich ihren Augen, die mich etwas besorgt musterten. Dennoch nickte sie.
„Wenn Sie mir versprechen, dass Sie liegenbleiben und-"
„Versprochen! Ich... M-Merlin, i-ich tue alles, was Sie wollen, solange ich hierbleiben darf.", fiel ich ihr ins Wort, diese Anweisung genügte mir bereits, denn ich hatte ohnehin nicht vor, mich innerhalb der nächsten Stunden zu bewegen, geschweige denn mich auch nur einen Millimeter von Draco zu lösen, bevor er wieder aufwachen würde.
Neue Tränen stiegen in mir auf, drohten mir erneut die Sicht zu nehmen und mich zu übermannen, doch ich schluckte sie erfolgreich herunter, schniefte äußerst leise und rückte schließlich - ohne Dracos Hand auch nur für eine Sekunde loszulassen - ein Stück zur Seite, damit Madam Pomfrey seine Bettdecke anheben konnte.
Wie befohlen schlüpfte ich vorsichtig darunter, kuschelte mich sofort wieder an meinen Draco und schloss ergeben die Augen, als ich mein Gesicht an seiner Brust vergrub und das inzwischen wieder etwas ruhigere Klopfen seines Herzens spürte.
„Dann lasse ich Sie jetzt mal alleine. Ich denke Sie haben einiges zu besprechen.", meldete sich erneut die Medihexe zu Wort, sie deckte mich bis zu den Schultern zu und streichelte mir ein letztes Mal behutsam über den Kopf, ehe sie sich von mir abwandte und ihre Schritte durch den Raum hallten.
„Falls Sie noch etwas benötigen, wissen Sie ja, wo Sie mich-"
„Warten Sie, w-was... was ist mit Draco? Und was ist passiert nach... nachdem ich... das Bewusstsein verloren hab?", fiel ich ihr beinahe schon panisch und völlig aufgebracht ins Wort, ich brauchte endlich Gewissheit und die ganze Wahrheit. In der Hoffnung, endlich ein wenig beruhigter zu sein, doch es sollte ganz anders kommen.
Ich drehte meinen Kopf in ihre Richtung, legte ihn vorsichtig auf Dracos Brust ab und beobachtete, wie sie in ihrer Bewegung innehielt und einmal tief durchatmete, ehe sie sich umdrehte, ihre Augen erst über Ginny und Zabini wandern ließ und letztlich bei mir hängenblieb.
Ein leises Räuspern ertönte, während sie erneut auf mich zukam, am Fußende des Bettes stehenblieb und sich an dem weißen Metallgerüst festhielt.
„Na schön, vorher geben Sie ja doch keine Ruhe.", resignierte sie mit einem leichten Augenrollen, dem ich nur leise schmunzelnd zustimmen konnte.
„Sein Zustand ist weitestgehend zwar stabil, sein Körper ist jedoch nach wie vor unmäßig geschwächt. Wir haben ihn vor zwei Tagen ins Koma versetzen müssen, weil seine Organe und allen voran sein Herz nicht richtig mitgespielt haben. Es war ein großer und anstrengender Kampf bis hierhin. Sie müssen wissen, dass die letzten Tage sehr, sehr hart waren, Miss Granger. Sowohl für ihn, als auch für mich und Ihre beiden Freunde."
Mein Blick huschte zu Ginny und Zabini, die ihre Hände ineinander verschränkt hatten, mich liebevoll und fürsorglich musterten und jeweils ein wehmütiges Lächeln auf den Lippen hatten. Sie sahen erschöpft aus, mitgenommen und völlig fertig mit den Nerven, was ihnen wohl niemand verübeln konnte. Genauso Madam Pomfrey, deren Augen von dunklen Schatten umgeben waren und seltsam leer wirkten.
„Es hatte Momente gegeben, in denen ich gedacht hatte, dass er es nicht schaffen würde. Sein Leben hing in den ersten Stunden am seidenen Faden und... kurzzeitig war ich der festen Überzeugung gewesen, dass er es nicht überleben würde. Er hat bislang aber tapfer durchgehalten und das Schlimmste überstanden. Es ist nur so, dass er..." Sie legte eine kurze Pause ein, in der sie sich leise räusperte und verlegen zu Boden schielte, was meiner inneren Anspannung und fürchterlichen Nervosität absolut keine Abhilfe schaffte.
„Falls sein Gesundheitszustand innerhalb der nächsten fünf Tage keine Besserung zeigt und er bis Donnerstagabend noch nicht wieder bei Bewusstsein ist, müssen wir ihn auf die Intensivstation des St. Mungo verlegen."
„Bitte was?" Das konnte unmöglich ihr Ernst sein.
Mein Herz schlug mir inzwischen bis zum Hals und mir wurde mit einem Mal so unfassbar schlecht, dass ich mich stark zusammenreißen musste, mich nicht einfach zu übergeben. Wäre ich in diesem Moment nicht derartig schwach gewesen, wäre ich vermutlich in die Höhe geschossen und aufgesprungen, doch so blieb mir nichts anderes übrig, als liegenzubleiben.
Madam Pomfrey schien meine Panik zu bemerken, denn sie trat noch näher an mich und Draco heran, legte dabei eine Hand an meinen Hinterkopf und setzte sich schließlich ganz langsam und vorsichtig auf die Bettkante.
„Sie müssen keine Angst haben, Miss Granger. Wenn es so weitergeht wie bisher und Mr. Malfoy weiterhin Fortschritte macht, ist diese Maßnahme ohnehin irrelevant. Ich bin guter Dinge. Und das ist jetzt nicht nur so dahingesagt, das meine ich auch so. Er ist ein Kämpfer."
Sie schmunzelte, kraulte dabei sanft und beruhigend über meinen Kopf, mit dem ich letztlich - und nachdem ich mich wieder etwas beruhigt hatte - zustimmend nickte.
„Das war er schon immer. Er war schon immer ein kleiner Kämpfer...", brachte ich flüsternd hervor, mein Mund war staubtrocken und sorgte dafür, dass mir die Worte fast im Hals steckenblieben.
Während ich sprach, streichelte ich zärtlich über seinen Schopf, seine Stirn und seine Schläfe, ich sehnte mich wie verrückt nach dem Kontakt zu seiner weichen Haut, weshalb ich mich etwas langmachte und ihm einen hauchzarten Kuss auf die Wange gab.
„Ja, das ist er. Ich habe immer wieder gespürt und gemerkt, dass er nicht aufgeben wollte. Dass er hierbleiben wollte und nicht loslassen konnte. Er hatte unglaublich großes Glück, wissen Sie? Er erlitt ein sehr starkes Schädel-Hirn-Trauma, sowie schwere Verletzungen und innere Blutungen, die, wie Sie ja selbst noch mitbekommen haben, am Freitagabend zu einem Herzversagen geführt haben."
Ich schluckte.
...zu einem Herzversagen geführt haben.
„Aber... M-Moment mal, d-das... das heißt also... er war wirklich... tot?"
Meine Stimme zitterte, das letzte Wort verließ meine Lippen lediglich in einem heiseren, kaum hörbaren Flüstern, und mein Körper wurde von einer Gänsehaut gepackt, die mich erschaudern ließ. Was noch schlimmer wurde, als ich beobachtete, wie Madam Pomfrey ganz langsam mit dem Kopf nickte und ihre Augen auf den schlafenden Draco neben mir richtete.
Und zum gefühlt tausendsten Mal innerhalb weniger Minuten rutschte mir das Herz in die Hose.
„Ja, er war kurzzeitig wirklich tot. Und hätte Mr. Potter nicht so schnell reagiert und gehandelt, wäre er das immer noch."
Was zum... d-das kann doch nicht...
Harry?!
>>>
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