6. | Ich hasse dich nicht (1/2)
Hermines POV
Malfoy schloss die Augen und wanderte dreimal an der Mauer entlang, bis die Tür schließlich erschien. Wir traten ein und entdeckten ein Sofa, einen großen Schreibtisch mit zwei Stühlen, darauf zwei Gläser, eine Flasche Wasser, einen Kessel und einen weiteren Tisch mit Zutaten für unseren Trank, die wir uns glücklicherweise nun nicht mehr anderweitig beschaffen mussten.
„Siehst du, da haben wir alles was wir brauchen!", lobte sich Malfoy daraufhin selbst und setzte sich an den Schreibtisch, wo er sofort seine Unterlagen herausholte.
Verblüfft darüber, dass er wieder einmal mehr motiviert zu sein schien, nahm ich ebenfalls Platz und kramte meine Sachen heraus, die ich vor mir auf dem großen Tisch ablegte.
Wir sortierten unsere Unterlagen und widmeten uns schließlich dem Zubereiten des Tranks, für den laut Rezept eine Arbeitszeit von sechs Stunden einzuplanen war. Zwar wäre es möglich gewesen, das Brauen an manchen Stellen zu unterbrechen und an einem anderen Tag fortzusetzen, doch ich hatte mir gewiss nicht vorgenommen, mich ein weiteres Mal mit Malfoy zu treffen und er scheinbar ebenso wenig, denn wir zogen diese sechs Stunden komplett durch.
Es machte wirklich Spaß, zu beobachten, wie der Trank Stück für Stück zubereitet wurde und immer wieder die Farbe wechselte, bis er letzten Endes durchsichtig wurde und gewöhnlichem Wasser glich.
Doch auch das Zusammenarbeiten mit Malfoy gefiel mir immer mehr, denn, anders als Ron und Harry, überließ er die ganze Arbeit nicht nur mir, sondern nahm größtenteils das Ruder selbst in die Hand, was ich auf seine allgemeine Begeisterung für Zaubertränke schob.
Zudem unterhielten wir uns bereits wie am Vorabend überraschend gut und auch wenn er ab und zu einen spottenden Kommentar abgab, war es alles in allem wirklich amüsant.
„Ich glaube, wir sind fertig oder?", fragte dieser nachdem alle Schritte abgearbeitet waren und er unser Ergebnis kurz begutachtet hatte.
„Ja, sieht so aus.", lächelte ich zufrieden. „Hoffentlich funktioniert er auch."
Ja, dieser Kommentar war dämlich, aber ich wäre doch nicht Hermine Granger, wenn ich mir nicht ständig um Alles und Jeden Sorgen machen würde.
„Überprüfe es doch.", sagte Malfoy belustigt, nachdem er kurz aufgelacht und mit dem Kopf geschüttelt hatte, was mich empört aufatmen ließ.
„Ganz bestimmt nicht! Wir haben ja alles so gemacht wie in dem Rezept und wenn das stimmt, dann kann er ja nur funktionieren oder? Und wenn nicht, dann kriegen wir eben eine schlechte Note, aber das kann doch mal vorkommen oder? Also, sollte es natürlich nicht. Aber-"
„Kannst du dich mal wieder einkriegen und Luft holen? Redest du bei Potter und dem Wiesel auch immer so schnell und so viel?", unterbrach mich der Blondschopf mit einem leisen Schmunzeln, steuerte dabei das Sofa an, um sich darauf niederzulassen, und klopfte keine Sekunde später auf die freie Stelle neben sich, was mich offenbar dazu auffordern sollte, ebenfalls den Platz zu wechseln.
„M-Manchmal...", murmelte ich verlegen vor mich hin, ehe ich vorsichtig an ihn und das Sofa herantrat und es mir dort ebenfalls bequem machte.
„Apropos Wiesel, wo steckt eigentlich dein kleiner Held? Ihr werdet doch von allen als das Traumpaar des Jahrhunderts gefeiert, also warum ist die rote Hohlbirne nicht auch hier?"
Nach diesen Worten bereute ich sofort, mich neben ihn gesetzt zu haben, denn es fühlte sich an, als hätte er mir einen Stock ins Herz gerammt. Auch, wenn ich in den letzten Tagen das Gefühl gehabt hatte, dass ich langsam über Ron hinwegkommen würde, reagierte ich nach wie vor sensibel auf dieses Thema. Das wollte ich mir vor ihm allerdings nicht anmerken lassen, also sah ich einfach nur stur und stillschweigend geradeaus um zu zeigen, dass ihn das einen feuchten Dreck zu interessieren hatte, doch das sah er offensichtlich anders.
„Oh oh, Ärger im Paradies? Oder ist ihm einfach nur klar geworden, dass er seinen Abschluss sowieso nicht bestehen würde und wollte so einer Blamage entgehen?"
Verdammt...
Auch wenn ich diese Situation gerade alles andere als lustig fand, konnte ich nicht verhindern, aufgrund seiner Worte zu schmunzeln, doch das verschwand ebenso schnell, wie es gekommen war.
Als ich merkte, dass es sowieso keinen Sinn hatte weiterhin zu schweigen, da er sowieso nicht aufgeben würde, ehe er eine Antwort hatte, sprach ich die Worte, die mir nur schwer über die Lippen kamen, mit zittriger Stimme aus.
„Er... Er hat Schluss gemacht... Und er wollte nicht hierher zurück, weil... na ja... wegen Fred und vermutlich um mir aus... aus dem Weg gehen zu k-können..."
Meine letzten Worte gingen in einem leisen Schluchzen unter, dem einige kleine Tränen folgten, die unaufhaltsam über meine Wangen kullerten.
Reiß dich zusammen, Hermine!!
Ich drehte meinen Kopf zur Seite, da ich ihm diese Genugtuung absolut nicht gewähren wollte und nachdem ich gerade unfähig war zu gehen, beziehungsweise überhaupt erst aufzustehen, blieb mir nichts anderes übrig, als meinen Gefühlsausbruch so gut wie möglich zu verstecken und zu unterdrücken.
Dass mir das nicht wirklich gut gelingen wollte, war mir klar und ich rechnete mit einem erneuten spitzen Kommentar, doch der blieb überraschenderweise aus.
Stattdessen hörte und spürte ich, wie er zu mir herüber rutschte und vorsichtig seinen Arm um mich legte, mit dem er anschließend meinen Kopf sanft gegen seine Brust drückte.
WAS PASSIERT HIER GERADE???
„Was...Was machst du da?" „Das, was ich letztes Mal eigentlich schon tun wollte, als du geweint hast.", flüsterte er, während er mir beruhigend über die Haare streichelte.
Moment...WAS??
Als Reaktion auf seine Berührungen lief mir ein eiskalter Schauer über den Rücken, während sich im Inneren meines Körpers eine angenehme Wärme breitmachte, und diese Art von Nähe brachte allmählich wieder etwas Ruhe in mein Gefühlschaos.
Nachdem ich beschlossen hatte, mich nicht dagegen zu wehren, da ich das im Moment viel zu sehr brauchte, schmiegte ich mich vermehrt an ihn, was er leise schmunzelnd zur Kenntnis nahm.
Eine Weile verharrten wir in dieser Position, bis es mir wieder etwas besser ging und meine Augen aufgehört hatten zu tränen. Mich von ihm lösen wollte ich jedoch aus unerklärlichen Gründen nach wie vor nicht.
„Wieso tröstest du mich?", flüsterte ich jene Frage, die bereits seit einigen Minuten in meinem Kopf herumschwirrte.
„Weil diese Hohlbirne von Weaslebee keine deiner Tränen wert ist, wenn er nicht schätzt, was er an dir hat. Du hast ohnehin etwas Besseres verdient."
Bitte WAS? Ist das sein Ernst?
„Aber warum? Warum gehst du nicht einfach oder lachst mich aus?" „Ich mag vielleicht ein Arsch sein, Granger, aber ich kenne dennoch so etwas wie Mitgefühl."
Okaaay...? Seit wann gibt ein Malfoy zu, ein Arsch zu sein und seit wann ist er so einfühlsam???
„Seit wann denn das?", sprach ich meine Gedanken laut aus.
„Woher willst du wissen, dass ich das nicht schon immer kenne?"
Das war in der Tat eine gute Frage, doch dass er während der letzten Jahre nicht gerade mitfühlend war, hatte ich oft genug am eigenen Leib zu spüren bekommen.
„Weil du in den letzten Jahren alles andere als einfühlsam warst.", gab ich ihm daher zu verstehen, doch er zögerte keine Sekunde, sich gegen meine Anschuldigungen zu verteidigen.
„Mag sein, aber das heißt doch nicht, dass man sich nicht ändern kann, oder?" „Ja, aber-"
„Nichts aber!", fiel er mir ins Wort. „Ich wollte dich wie gesagt auch letztes Mal trösten."
„Warum hast du es dann nicht getan?", hakte ich mit zu viel Bedauern in der Stimme nach, was ich jedoch auf meine generell triste Stimmung im Moment schob.
„Du hast es ja nicht zugelassen." „BITTE?" „Ich hab dich doch gefragt, warum du weinst, aber du hast mich sofort angeschrien, dass mich das einen Scheißdreck angeht."
„Du hast mich gefragt warum ich heule! Nicht weine!", stellte ich klar.
„Das ist doch das gleiche, Granger. Nur eben etwas malfoyischer ausgedrückt, verstehst du?" „Aha." „Du glaubst mir nicht?", wollte er wissen, doch ich hatte keinen blassen Schimmer, worauf er mit dieser Diskussion hinauswollte.
Um ehrlich zu sein bereute ich es, meinen Mund aufgemacht zu haben, anstatt einfach weiterhin seine Streicheleinheiten genossen zu haben, denn diese hatte er mittlerweile eingestellt.
„Es ist eben schwer zu glauben, dass ein Malfoy sich ändern könnte.", konterte ich – im Nachhinein gesehen vielleicht etwas zu scharf – doch warum hätte ich mich auch ausgerechnet bei ihm zurückhalten sollen?
Für diesen Satz hätte er mich wohl am liebsten in Grund und Boden verflucht, denn er nahm augenblicklich seinen Arm von meiner Schulter und wir setzten uns beide wieder aufrecht hin.
„Du kennst mich doch gar nicht, also wie kannst du so etwas sagen? Du kennst meine Vergangenheit nicht und weißt auch nicht, was ich alles durchmachen musste oder warum ich manches getan habe."
Ich verstand gar nichts mehr. Immerhin hatte er uns in den letzten Jahren genug Gründe gegeben, ihn zu hassen und er hatte auch nie versucht, irgendetwas daran zu ändern.
„Was willst du damit sagen?", hakte ich vorsichtig nach, da ich seinen Gedankengängen nicht ganz folgen konnte.
Er sah mir tief in die Augen, was meinen Puls gehörig ankurbelte und zur Folge hatte, dass ich mich stark konzentrieren musste, seine nächsten Worte überhaupt richtig hören zu können.
„Das, was ich dir auch schon vor ein paar Tagen gesagt hab. Dass man nicht gehasst werden sollte, nur weil man die falschen Eltern hat."
Ich erinnerte mich an den ersten Abend zurück, an dem er diesen Satz schon einmal gesagt hatte und so stellte sich mir zunehmend die Frage, was genau er eigentlich damit sagen wollte. Immerhin war er derjenige, der mich für meine Muggelabstammung verachtete und hasste, also machte dieser Satz aus seinem Mund nur wenig Sinn für mich.
„Du bist doch derjenige, der mich für das, was meine Eltern sind, verurteilt. Warum solltest du mich denn auch sonst hassen?", fragte ich ungeniert nach und die Antwort, die er mir darauf gab, ließ mir sämtliche Gesichtszüge entgleisen.
„Ich hasse dich nicht. Und das habe ich auch früher nicht getan."
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