4. | Ich war wegen dir hier, Granger (1/2)

Hermines POV


„Meinetwegen kannst du so lange hier bleiben wie du willst, Grangerlein.", spottete nun kein geringerer als Draco Malfoy.

Der hat mir gerade noch gefehlt! 

Damit war auch Harrys Frage vom Abendessen beantwortet, denn offensichtlich wusste Malfoy tatsächlich, wo die Bibliothek war.

„Ich dachte du wärst Madam Pince, also krieg dich wieder ein, du Idiot.", fuhr ich ihn daraufhin an, doch statt wieder zu verschwinden, ging er auf mich zu.

„Was macht Gryffindors Prinzesschen denn so spät noch hier?" „Sag mal, kannst du mich nicht einfach mal in Ruhe lassen? Macht es dir wirklich so viel Spaß, mich andauernd zu nerven?"

„Ja.", antwortete er hämisch grinsend, ehe er einen Blick auf das Fenster neben mir warf. „Warum sitzt eigentlich immer einer von uns vor einem Fenster, wenn wir uns begegnen?"

„Vermutlich weil dein Hirn sich zu seinesgleichen gesellen will, immerhin ist das genauso durchsichtig wie die Glasscheiben!" „Schlagfertig, Granger! Kennt man ja gar nicht von dir!"

„Meine Schlagfertigkeit hast du doch schon im dritten Schuljahr zu spüren bekommen oder nicht?", spottete ich schadenfroh und war ehrlich gesagt selbst ein wenig überrascht, dass ich mich dieses Mal nicht von ihm kleinkriegen ließ.

Ich versuchte, ihn zu ignorieren und widmete mich wieder dem Buch, das noch immer vor mir lag, doch gerade als ich an meiner Zusammenfassung weiterschreiben wollte, riss Malfoy mir die Feder aus der Hand und schleuderte diese hinter sich auf den Boden. Dann stemmte er seine Fäuste auf den Tisch und lehnte sich zu mir herunter.

„Haben dir Mama und Papa nicht beigebracht, dass es unhöflich ist, jemanden zu ignorieren, der mit einem redet?"

Bei dem Gedanken an meine Eltern bekam ich schlagartig eine Gänsehaut und der Kloß, der sich in meinem Hals bildete, schnürte mir schmerzvoll die Kehle zu, sodass sich meine Augen mit Tränen füllten.

Um mir nichts anmerken zu lassen, drehte ich mich unbeeindruckt weg, widmete mich erneut dem Buch und blätterte eine Seite um, in der Hoffnung, er würde mich endlich in Ruhe lassen.

„Was liest du denn da? Das muss ja mächtig interessant sein, wenn du lieber liest, als dich mit mir zu unterhalten.", ließ er sich jedoch nicht abwimmeln und riss mir auch noch das Buch aus der Hand, das er dann sorgfältig begutachtete.

Rasend vor Wut sprang ich auf und wollte es mir zurückholen, als seine Miene sich plötzlich verfinsterte und er mir entsetzt seine Eroberung vor die Nase hielt.

„'Veritaserum und dessen Wahrheiten dahinter'? Was fällt dir ein, ohne meine Zustimmung mit unserem Projekt anzufangen?"

Mir wich sämtliche Farbe aus dem Gesicht und meine zuvor noch wässrigen Augen wurden staubtrocken, was mich vermehrt blinzeln ließ.

Ich wusste nicht, wie ich darauf antworten sollte, also ließ ich mich zurück auf meinen Stuhl fallen und versuchte, ihn nicht anzusehen, denn dass nun eine hitzige Diskussion folgen würde, war wohl vorprogrammiert.

„Also?", hakte er nach.

„Was also?" „Tu nicht so, ich weiß genau, dass du mich verstanden hast!"

„Bei Merlin, Malfoy, was willst du denn hören? Denkst du wirklich, dass ich mit dir an einem Projekt arbeiten werde? Nach allem, was du mir angetan hast, ohne dich auch nur einmal dafür zu entschuldigen?", schnaubte ich verächtlich und sah schließlich doch zu ihm auf, nur um festzustellen, dass er mich mit seinem zornigen Blick durchbohrte.

„Das gibt dir trotzdem nicht das Recht, es hinter meinem Rücken alleine durchzuziehen!" „Ach, und was hätte ich deiner Meinung nach tun sollen? Auf dich zugehen und dich zum Teetrinken einladen, damit wir über unsere Vorgehensweise reden können?"

„Zum Beispiel.", feixte er amüsiert grinsend, was meinen Geduldsfaden endgültig reißen ließ.

„Wenn dir dieses dumme Projekt wirklich so wichtig ist, hättest du auch einfach auf mich zukommen können, oder nicht? Aber nein, du hast ja nichts Besseres zu tun, als mich ständig nur zu beleidigen!" „Wann habe ich dich in letzter Zeit beleidigt, Granger?", spielte er das Unschuldslamm, sah mich dabei jedoch verblüffend ernst an.

„Schon mal an unsere Begegnung von vorhin gedacht?" „Ich denke an nichts anderes mehr!", zwinkerte er mir zu und prustete daraufhin los.

„Ach halt doch die Klappe!" „Lass mich raten...dir ist gerade aufgefallen, dass ich dich, seit wir wieder in Hogwarts sind, kein einziges Mal beleidigt habe, richtig? Richtig! Mir allerdings fallen spontan einige Momente ein, in denen du mich beleidigt hast, also nenn mir einen Grund, warum ich auf dich hätte zugehen sollen!"

Ich schluckte. Wenn ich mich richtig erinnerte, hatte er mich seit dem dritten Schuljahr nicht mehr Schlammblut genannt und auch während der letzten Jahre immer eher gegen Harry und Ron gehetzt, als gegen mich. Seit unserer Rückkehr nach Hogwarts hatte er hin und wieder einen spitzen Kommentar von sich gegeben, doch wirklich beleidigend waren diese auch nicht gewesen.

Ich war diejenige, die ihn durchgehend als Idiot, Frettchen und Feigling bezeichnete. Hatte er also irgendwie...recht?

Moment, was denke ich da eigentlich? Ich will mir doch jetzt wohl nicht von Malfoy weismachen lassen, dass ich hier das Monster bin!

Noch immer etwas unschlüssig sah ich ihn an und er musste wohl bemerkt haben, dass es in meinem Gehirn gerade heftig ratterte, denn er grinste, meinem Schweigen geschuldet, immer breiter.

Ich verdrehte genervt die Augen, ehe ich über meinen Schatten sprang und ihm doch noch die Frage stellte, die mich bereits seit seinem Auftauchen brennend interessierte.

„Okay, fein, du hast mich lange nicht mehr beleidigt, soll ich mich dafür etwa noch bedanken oder was? Aber jetzt sag mir mal lieber, was DU hier um diese Uhrzeit zu suchen hast! Sicher nicht, weil du lesen oder lernen wolltest, oder?"

Sein hämisches Grinsen verschwand schlagartig und machte einem ertappten Ausdruck Platz, was bedeutete, dass ich genau ins Schwarze getroffen hatte. 

„Also?", ahmte ich seine überhebliche Art von vorhin nach, als er nicht den Anschein machte, auf meine Frage zu antworten.

„Deswegen bin ich hier.", sagte er und klopfte dabei auf das Buch, das er mir zuvor aus der Hand gerissen hatte. „Ich..." Kurze Stille. „Ich wollte mich schon mal mit dem Thema befassen, damit wir schneller fertig sind und ich nicht so viel Zeit mit dir verbringen muss."

Weil solche charakterlosen Aussagen aus seinem Mund nichts Neues waren, da sie bei ihm quasi auf der Tagesordnung standen, ließ ich mich nicht sonderlich davon beeindrucken, doch mir entging dabei nicht sein verlegener Blick und die zögerliche Art und Weise, mit der er gesprochen hatte.

„Du lügst.", platzte es daher aus mir heraus und seiner Reaktion nach zu urteilen hatte ich auch recht mit der Annahme, denn seine Augen weiteten sich für den Bruchteil einer Sekunde, bis er sich wieder um einen gleichgültigen Gesichtsausdruck bemühte.

„Du hast recht...", schmunzelte er nach kurzem Überlegen, ein breites Grinsen auf den Lippen, ehe er einen Schritt auf mich zu machte, mir mein Buch zurückgab und mich schließlich mit seinen nächsten und zugleich letzten Worten für diesen Abend geschockt dreinschauen ließ.

„Ich war wegen dir hier, Granger."


Noch bevor ich überhaupt hätte reagieren können, war er auch schon verschwunden und erst als ich die knarzende Tür erneut hörte und mir somit klar war, dass er die Bibliothek wieder verlassen hatte, stieß ich die Luft, die ich unbewusst angehalten hatte, erleichtert und schockiert zugleich aus.

'Ich war wegen dir hier, Granger.', hallte es immer wieder in meinem Kopf und ich fragte mich, ob das gerade die Wirklichkeit war oder ob ich einfach nur während des Lesens in der Bibliothek eingeschlafen war und es nur geträumt hatte, doch ein schmerzhaftes Zwicken in meinen Oberarm verdeutlichte mir, dass ich mich tatsächlich in der Realität befand.

Noch immer perplex und ratlos, packte ich alle Unterlagen in meine Tasche zurück und schlich mich in die Schlafsäle, hoffend, dass Filch oder seine Katze mich nicht entdecken würden, denn nachsitzen zu müssen hätte ich mir momentan nicht auch noch erlauben dürfen.

Einige Minuten und wirre Gedanken später, sank ich auch schon in einen tiefen Schlaf.


>>>

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top