38. | Hermines Geheimnis (1/2)

Erzähler POV


Somit löste sich auch die allerletzte Szene auf und Hermine wurde ein für alle Mal in den Raum der Wünsche zurückgeschickt, wo sie sich in den Armen von Draco befand, der sie mit einem verlegenen Lächeln auf den Lippen und schimmernden Augen musterte.

Er hatte lange überlegt, ob er ihr diese letzte Erinnerung überhaupt zeigen sollte, da er eine gewisse Angst davor gehabt hatte, sie würde ihn für seine Feigheit und seinen Egoismus verachten, doch letzten Endes hatte er ihr auch diese Szene nicht vorenthalten wollen, immerhin gehörte diese ebenso zu dieser grausamen Vergangenheit, wie alle anderen auch.

Diese Angst kehrte jedoch wieder zurück, als er ihren bedrückten Gesichtsausdruck und ihre verzweifelte Miene bemerkte, weshalb er instinktiv seinen Griff um die zierliche Hexe verstärkte.

Gleichzeitig fiel ihm ein tonnenschwerer Stein vom Herzen, da er es endlich geschafft hatte, sie vollständig aufzuklären und das Versprechen, das er der elfjährigen Hermine damals gegeben hatte, einzulösen. Was sie nun mit all diesen Eindrücken und Wahrheiten tun würde, war einzig und allein ihr überlassen, doch der Blondschopf hoffte natürlich, dass sie ihm auch weiterhin eine Chance geben würde. Dass er ihr auch in Zukunft den wahren Draco Malfoy zeigen durfte und nicht nur anhand von Erinnerungen.

Eine ganze Weile meldete sich keiner der beiden zu Wort, sondern blickten einander einfach nur in die Augen und ließen all die Rückblicke auf sich wirken. Doch mit jeder weiteren Sekunde, die verging, wuchs die Verzweiflung in Dracos Innerem immer weiter an und wurde irgendwann so unerträglich, dass er nur noch lauthals losschreien wollte.

Er wollte ihre sanfte Stimme hören, die ihm sagte, dass sie ihn trotz allem immer noch gern hatte. Dass sie sein Vorhaben von damals, seine Erinnerungen an sie löschen zu wollen, nachvollziehen und ihn verstehen konnte. Doch nichts dergleichen geschah. Stattdessen saß sie stillschweigend neben ihm, nestelte nervös an ihrem Zauberstab herum und durchbohrte ihn mit ihrem inzwischen emotionslosen Blick, was ihm immer mehr den Boden unter den Füßen wegriss.

„Das war's jetzt mit den Erinnerungen...", durchbrach er schließlich diese bedrückende Stille, als ihn diese wirklich noch zu zerreißen drohte, und verpasste sich im nächsten Moment eine imaginäre Ohrfeige für diese dämlichen Worte.

Hermine hatte davon jedoch ohnehin nichts mitbekommen, da sie immer noch in Gedanken versunken war und die letzten Bilder Revue passieren ließ, weshalb sie nicht darauf einging, sondern ihm nach wie vor geistesabwesend in die Augen blickte. Dabei schwirrte durchgehend eine schmerzhafte Frage in ihren Gedanken herum, die ihr nach allem wie verrückt schmerzte.

„Du... du wolltest mich also... vergessen?", warf sie ihm diese letztlich in einem heiseren Flüstern an den Kopf und setzte ihm damit ein scharfes Messer auf die Brust, das sich schlagartig in seinen Körper und tief in sein Herz bohrte. Ihr letztes Wort erstickte dabei halb in einem leisen Schluchzen, dem einige, kleine Tränen folgten, die aus ihren Augen und über ihre Wangen liefen.

Dieser Anblick ließ das Herz des Blonden in tausend Teile zerspringen, was noch schlimmer wurde, als er für die schmerzhafte Antwort ansetzte, die er ihr wahrheitsgemäß darauf geben musste.

„Ja...", murmelte er kleinlaut und senkte äußerst beschämt das Haupt. „Ich... ich dachte, dass dieser Schmerz nachlassen würde, wenn ich mich nicht mehr an dich erinnern könnte. Dich mit Weasley gesehen zu haben hat mir nach allem einfach den Rest gegeben und... ich weiß, dass das ziemlich egoistisch und naiv von mir war, aber... ich hab keinen anderen Ausweg mehr gesehen. Ich meine... ihr wart jahrelang befreundet und... ich dachte, dass euch demnach nichts auseinanderbringen könnte. Dieser Gedanke hat mich innerlich zerrissen und... ich wollte nur noch vergessen. Du warst endlich in Sicherheit und d-du... du warst so unglaublich glücklich u-und... und-"

„Schhh...", unterbrach sie seinen Redefluss, nachdem er zu stottern und zittern begonnen hatte, legte vorsichtig ihre Hand unter sein Kinn und zwang ihn somit, ihr wieder in die Augen zu sehen. „Ich kann dich verstehen, Draco. Wirklich. Nach allem, was du mir heute gezeigt und gesagt hast, will ich mir gar nicht vorstellen, wie du dich damals gefühlt haben musst. Ich kann nur erahnen, wie schrecklich das alles gewesen sein muss und... also... mach dir deswegen keine Gedanken, okay? Es war dumm von mir, dir das an den Kopf zu werfen. Tut mir leid."

„Du... bist nicht wütend?" „Natürlich nicht.", stellte sie klar, was ihn kurzzeitig vollkommen aus dem Konzept brachte, da er nach ihren Blicken und ihrer herzzerreißenden Frage fest davon ausgegangen war, dass sie sehr wohl wütend und sauer auf ihn wäre.

„Wirklich nicht?", wollte er sich daraufhin einmal mehr vergewissern.

„Nein. Warum denn auch? Weil du mir jahrelang das Leben gerettet hast und diesen Schmerz irgendwann nicht mehr ertragen konntest? Das... das ist doch irgendwie verständlich, dass du dem ein Ende setzen und nur noch vergessen wolltest und... und wäre ich nicht so dumm und blind gewesen, dann-"

„Hörst du bitte endlich damit auf, die Schuld bei dir zu suchen?", fiel er ihr ins Wort und warf ihr einen fast schon mahnenden Blick zu, was sie augenblicklich verstummen ließ. „Du konntest dich an nichts mehr von früher erinnern und durftest von alldem nichts mitbekommen. Dich trifft keinerlei Schuld an dieser ganzen Scheiße, okay? Das prügel ich so lange in dich rein, bis du das endlich verstanden hast, du kleiner Sturkopf!"

Die Brünette konnte daraufhin nicht anders, als erschrocken die Augen zu weiten, denn der scharfe Ton in seiner Stimme überrumpelte sie im ersten Moment völlig.

Sie entschied sich letzten Endes dazu, ihm diesbezüglich nicht mehr zu widersprechen, da er sie vermutlich ohnehin nicht ausreden lassen würde, weshalb sie diese Wut auf sich selbst einfach herunterschluckte und sich stattdessen bei ihm einkuschelte.

Sie legte ihren Zauberstab zur Seite, schlang ihre Arme um seinen Körper und bettete ihren Kopf auf seine Brust, damit sie seinem beruhigenden Herzschlag lauschen konnte. Draco beobachtete sie mit einem überglücklichen Lächeln auf den Lippen, ehe er sie seinerseits fest umschlang und ergeben die Augen schloss, um diesen besonderen Moment auf sich wirken zu lassen und in vollen Zügen genießen zu können.

„Du... du bist also nur wegen Ron nicht früher auf mich zugegangen?", wollte sie eine Weile später wissen und wiederholte damit die Frage, die sie ihm bereits vor den letzten Erinnerungen gestellt hatte. Zwar hatten die Szenen und seine Worte ihre Vermutung bereits beantwortet, doch sie wollte sich diesbezüglich vergewissern, zumal ihr ohnehin noch die eine oder andere Frage auf dem Herzen lag, auf die sie verständlicherweise ebenfalls Antworten bekommen wollte.

Aus diesem Grund löste sie sich wieder ein Stück von ihm, jedoch nur so weit, dass sie zu ihm aufblicken und ihm in die Augen sehen konnte, in denen sie, wie so oft an diesem Abend, schlagartig zu versinken drohte. Doch das anschließend zaghafte Nicken des Blondschopfes und sein verlegener Gesichtsausdruck versetzten Hermine sofort einen Stich ins Herz, denn diese - wenn auch unausgesprochene - Antwort schmerzte ihr wie verrückt.

„A-Aber... du hättest doch trotzdem auf mich zukommen und mit mir reden können und... vor... vor allem, wenn ich... wenn ich gewusst hätte, was du alles für mich getan hast und-"

„Ach, hätte ich das?", fiel er ihr ruhig ins Wort, die Stimme jedoch triefend vor Sarkasmus, was die Brünette nun völlig aus dem Konzept brachte und sie schwer schlucken ließ.

„J-Ja... natürlich." „Das glaubst du doch selbst nicht, oder? Du hast wenige Minuten zuvor einen Krieg überlebt und bist endlich mit dem Jungen zusammengekommen, den du liebst. Was denkst du, was du getan hättest, wenn plötzlich ich, der Feind, aufgetaucht wäre? Dir gesagt hätte, dass ich mit dir reden will?"

„Ich...", begann sie, hielt anschließend jedoch einen Moment inne, in dem sie sich Gedanken darüber machte, wie sie wirklich reagiert hätte. Was sie wirklich getan hätte, wenn Draco direkt nach der Schlacht auf sie zugegangen wäre und ihr gesagt hätte, dass er mit ihr reden wollte. Ohne zu diesem Zeitpunkt auch nur ansatzweise etwas über seine eigentlichen Intentionen und Gefühle zu wissen, wohlgemerkt. Nach all diesen Erinnerungen war es verständlich, dass Hermine nun der Meinung war, dass sie sich damals auf dieses Gespräch eingelassen hätte, doch die Realität sah anders aus. Und dessen wurde sie sich gerade bewusst.

„Ich hätte dich vermutlich nicht ausreden lassen... Ich hätte es wahrscheinlich für Hohn gehalten und... hätte dir nicht mal zugehört."

„Eben. Genau das meinte ich damit. Meine Erinnerungen haben dir jetzt vielleicht die Augen geöffnet, aber damals hättest du mich vermutlich sofort verflucht. Hättest mir gesagt, dass ich dreckiger Todesser mich verpissen soll.", legte er bitter dar, worauf sie bedrückt dreinschauend den Blick von ihm abwandte und beschämt das Haupt senkte.

„Hey...", hauchte er, legte dabei seine Hand unter ihr Kinn und drückte es sanft nach oben, damit er ihr wieder ins Gesicht und in die Augen sehen konnte. „Das sollte kein Vorwurf sein, Süße. Tut mir leid, falls das so rüberkam. Aber so oder so ähnlich wäre es damals nun mal abgelaufen. Im schlimmsten Fall wäre dann auch noch das Wiesel auf mich losgegangen und spätestens dann hätte ich mich nicht mehr zurückhalten können. Und so, wie es jetzt gelaufen ist, ist es doch auch gut, oder nicht? Wenn nicht sogar noch besser."

Als Antwort bekam er ein fast schon schüchternes Nicken von Hermine, ehe sie ihre Lippen zu einem glücklichen Lächeln formte, das er sofort erwiderte.

„Na siehst du? So schrecklich und schlimm das damals alles war, so glücklich und dankbar bin ich jetzt, weil du mir eine zweite Chance gibst. Und ich versichere dir, dass ich keine dritte brauchen werde."

„Nach allem, was du mir heute gezeigt und erzählt hast, würde ich dir vermutlich auch eine vierte und fünfte Chance geben. Oder eine tausendste.", lachte Hermine.

Draco tat es ihr gleich und hauchte ihr anschließend einen zärtlichen Kuss auf die Stirn, ehe er sein Gesicht in ihren Locken vergrub und sie so fest an sich drückte, dass nicht einmal ein Pergament zwischen die beiden gepasst hätte.

Obwohl die ehemalige Gryffindor dieses innige Kuscheln mit Draco wie nichts auf der Welt genoss, schwirrten immer noch einige Fragen in ihrem Kopf herum, die sie sich unter anderem aufgrund seines komischen Verhaltens während der ersten Tage des neuen Schuljahres stellte. Weil sie diesbezüglich auch durch seine Erinnerungen nicht schlauer geworden war, wollte sie natürlich auch darauf Antworten bekommen. Das Kuscheln konnte und musste demnach warten.

„Warum genau hasst du die beiden jetzt eigentlich so sehr?", begann sie schließlich und löste sich wieder ein Stück von ihm, damit sie ihm in die Augen blicken konnte, mit denen er sie nun fragend und etwas verwirrt ansah.

„Wen meinst du?" „Ron und Harry natürlich." „Ach so. Ist... ist das nicht offensichtlich?" „Na ja, also... bei Ron verstehe ich es inzwischen, aber du hast ihn ja schon vor dieser Sache gehasst. Und Harry ja auch, aber... die beiden haben dir doch nie etwas getan, oder? Diese Sticheleien während der letzten Jahre waren ja auch nur kindische Neckereien."

„Die beiden haben mir sehr wohl etwas getan. Und ich dachte eigentlich, dass dir das durch meine Erinnerungen auch klarwerden würde.", gestand Draco mit einem verlegenen Lächeln auf den Lippen, was Hermine immer mehr verunsicherte, da sie sich noch immer keinen Reim darauf machen konnte.

„Und... was genau haben sie dir getan?", hakte sie diesbezüglich genauer nach, worauf der Blondschopf leise schmunzelte.

„Sie waren jahrelang an deiner Seite, ohne dass sie sich großartig dafür anstrengen mussten. Du warst einfach für sie da, ohne jemals eine Gegenleistung zu erwarten. Sie durften Zeit mit dir verbringen und... das klingt vielleicht dumm, aber... sie haben dich mir weggenommen. Nachdem ich dich damals obliviiert hab, gab es für dich nur noch die beiden. Sie waren plötzlich die einzigen, denen du vertraut hast und... ich... ich war furchtbar eifersüchtig. Eifersüchtig auf eure Freundschaft und darauf, dass die beiden Idioten bei dir sein durften. Dieser Hass ist mit jedem weiteren Schuljahr immer schlimmer geworden, weil... weil ich... also... ich hab damals deine Erinnerungen gelöscht und dich aufgegeben, um zu verhindern, dass dir etwas passiert. Ich hab dich vor meinem Vater und seinen schrecklichen Kreisen beschützen wollen, aber Potter und Weasley haben dich jedes verdammte Jahr in Gefahr gebracht und nicht richtig auf dich aufgepasst. Für die beiden war es immer selbstverständlich, dass du bei ihnen bist, ihnen hilfst und dein Leben für sie aufs Spiel setzt, aber keiner hat dir jemals dafür gedankt. Du warst in ihren Augen immer nur die kleine, unscheinbare Streberin, die für alles eine Lösung hat. Und es hat mir unheimlich wehgetan, dass sie das so gesehen haben. Generell hatten viele ein vollkommen falsches Bild von dir. Erst, als du damals am Abend des Weihnachtsballs mit Viktor Krum in der großen Halle aufgetaucht bist, haben alle angefangen, dich mit anderen Augen zu sehen. Weil du geschminkt warst, deine Haare gestylt waren und du ein wunderschönes Kleid anhattest. Plötzlich warst du nicht mehr die Streberin aus Gryffindor, sondern die umwerfende Hermine Granger. Aber dass du schon immer einzigartig, wunderschön und besonders warst, ist niemandem aufgefallen. Nur mir. So umwerfend und hübsch du an diesem Abend auch warst, aber... das warst du schon immer. Aber Potter und Weasley waren so dumm und blind und hatten damals nichts Besseres im Sinn, als dir den Abend zu versauen. Weil auch sie auf einmal gecheckt haben, wie wundervoll du bist. Dass du eben nicht nur diese 'kleine Streberin' bist, sondern ein unglaublich liebevolles und intelligentes Mädchen. Deswegen hasse ich die beiden. Weil sie einfach nicht schätzen, was sie an dir haben. Weil sie nicht wissen, wie glücklich sie darüber sein sollten, dass sie seit Jahren an deiner Seite sein dürfen. Ich durfte es nicht und... das hat mich innerlich zerrissen. Die beiden hatten alles, was ich jemals wollte, aber nie haben durfte. Für mich warst und bist du das Wertvollste auf der ganzen Welt, aber... das durfte ich dir nie zeigen. Ich durfte dir nie sagen, wie wunderschön du bist, wie sehr ich dein Lachen liebe und... und wie sehr ich dich liebe.", redete sich der Blondschopf in Rage und blickte dabei wehmütig in ihre immer stärker schimmernden Augen, aus denen sich letztlich eine einzelne, kleine Träne stahl.

Er beugte sich ihr entgegen, um ihr diese sanft wegzuküssen, was sie mit einem äußerst gerührten Lächeln quittierte.

„Das kannst und darfst du ja jetzt alles nachholen.", schmunzelte sie süßlich und legte vorsichtig ihre Hand an seine Wange, über die sie im nächsten Moment zärtlich streichelte. Draco ließ ihren Worten geschuldet ein leises Lachen verlauten, in das die ehemalige Gryffindor sofort mit einstieg, ehe sie sich gegen seine Brust sinken und sich von ihm in die Arme schließen ließ.

Seine eine Hand streichelte dabei zärtlich über ihren Rücken, während die andere in ihrem braunen Schopf verschwand, durch den er sanft kraulte und womit er ihr ein zufriedenes Seufzen entlockte.

„Wie du willst, Süße. Aber beschwer dich im Nachhinein nicht, wenn ich mich mit den Komplimenten nicht zurückhalten kann.", feixte Draco belustigt in ihr Ohr und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange, worauf sie erneut leise auflachte.

„Keine Sorge. Frauen lieben Komplimente."

„Ganz besonders diejenigen, die jahrelang keine bekommen haben, oder? Aber wie denn auch, wenn Weasley erst im vierten Schuljahr auffällt, dass du eine Frau bist?", frotzelte Draco und wurde sich erst im Anschluss darüber bewusst, dass seine Worte ziemlich verletzend gewesen sein mussten, was sie ihm mit ihrem betrübten Gesichtsausdruck auch bestätigte.

„Tut mir leid, d-das... das war gerade total dumm und rücksichtslos von mir." „Alles gut." „Nein, es... ich-"

„Nein, wirklich. Du hast ja recht mit dem, was du über Ron und Harry gesagt hast. Wir sind Freunde, gar keine Frage, aber... du hast mir heute Abend die Augen geöffnet. Vor allem was Ron betrifft."

„Tatsächlich?" „Mhm.", murmelte Hermine äußerst leise und mit einem verlegenen Lächeln auf den Lippen, was Draco etwas argwöhnisch zur Kenntnis nahm.

„Hör zu, ich... ich wollte die beiden nicht schlecht reden oder über sie herziehen, aber... das ist nun mal meine Sicht der Dinge. Ich kann sie einfach nicht leiden, was vermutlich hauptsächlich meiner verdammten Eifersucht geschuldet ist, aber ich hatte immer wieder den Eindruck, dass die beiden tun und lassen konnten, was sie wollten, weil du ja sowieso immer da warst. Allen voran Weasley. Ich hab mich immer wieder gefragt, wie oft er dir noch wehtun darf, bis du endlich begreifst, dass er ein Vollidiot ist. Als du dann mit ihm zusammengekommen bist und ich nach der Schlacht eine Menge Zeit zum Nachdenken hatte, ist mir allerdings klargeworden, dass er zwar der größte Idiot dieser Welt ist, aber letzten Endes alles richtig gemacht hat."

„Was meinst du damit, dass er alles richtig gemacht hat?", hakte sie, verwundert über seine Worte, nach und blickte ihm dabei tief in seine grauen, schimmernden Augen. Draco hingegen verzog wehmütig das Gesicht und schielte betrübt zu Boden, ehe er sich durch seine Haare fuhr und letztlich auf ihre Frage einging.

„Na ja, er... er hat damals im Manor keine Sekunde gezögert. Nachdem Dobby ihn und Potter befreit hat, ist er sofort auf Bellatrix losgestürmt und hat sie entwaffnet. Die Konsequenzen waren ihm egal, er... er wollte dich einfach nur retten. Ihm war egal, dass man ihn hätte töten oder foltern können. Er ist dazwischengegangen, hat uns alle angegriffen und sich nicht wie ein Feigling hinter seinen Gefühlen versteckt."

„Aber... ohne dich wäre das alles doch überhaupt nicht möglich gewesen! Dir ist es auch immer egal gewesen, dass man dich getötet hätte, wenn dein Vater oder deine Tante mitbekommen hätten, was du wirklich willst. Und hör bitte auf, dich ständig als Feigling zu bezeichnen. Das bist du nicht, okay?"

„Vor wenigen Tagen warst du da noch anderer Meinung.", warf Draco vorwurfsvoll dazwischen und spürte nach einer Weile des Schweigens die zarte, warme Hand von Hermine auf seiner Wange, die ihm zärtliche Streicheleinheiten zukommen ließ und ihn dazu veranlasste, seine Augen wieder auf sie zu richten.

„Weil ich da noch nicht wusste, wie du wirklich bist. Weil ich genau so dumm und blind war, wie alle anderen. Ron mag mir vielleicht geholfen und sich für mich eingesetzt haben, aber er hat nicht alles richtig gemacht. Definitiv nicht."

„Wie meinst du das?" „Ron war schon immer sehr... eigen. Wenn etwas nicht nach seinen Vorstellungen verläuft, dann handelt er oft unüberlegt und denkt nicht darüber nach, was er damit anrichten könnte. Ich könnte dir jetzt stundenlang aufzählen, was er während der letzten Jahre alles falsch gemacht hat und womit er mich immer wieder an den Rand der Verzweiflung gebracht hat, aber... das spielt jetzt keine Rolle. Er hat jedenfalls nicht alles richtig gemacht. Im Gegenteil, er... er hat sogar ziemlich viel falsch gemacht und verbockt."

„Und trotzdem liebst du ihn.", entgegnete er bitter, worauf Hermine augenblicklich verstummte. Ihr Herz begann zu rasen und sie wusste sich im ersten Moment kaum auf diese Aussage, die beinahe schon wie ein Vorwurf klang, zu wehren, weshalb sie ihn lediglich schwermütig ansah.

„Tust du doch immer noch, oder?", hakte er wenig später nach, da sie immer noch nicht auf seinen Einwand eingegangen war, doch er wusste in dem Augenblick, in dem er diese Frage ausgesprochen hatte, dass er keine Antwort darauf haben wollte. Diese kannte er nämlich bereits und zerriss ihm immer wieder aufs Neue sein Herz. Genau wie jetzt, als sie für eben diese ansetzte.

„J-Ja... natürlich liebe ich Ron. Wir... wir waren jahrelang die besten Freunde, haben so vieles erlebt und durchgestanden und... das... das schweißt eben zusammen, weißt du?", erklärte sie völlig überfordert und vor sich hin stotternd, doch es genügte, um Draco einen imaginären und äußerst schmerzhaften Schlag ins Gesicht zu verpassen, denn er wollte das nicht hören. Er wollte nicht hören, dass sie Ron liebte. Ausgerechnet den Jungen, der dem Blonden seit Jahren das einzige, das ihm etwas bedeutete, wegnahm.

„Klar, ich versteh's schon.", erwiderte er betrübt und senkte erneut seinen Kopf, da er ihr nicht mehr länger in die Augen schauen konnte. Zu sehr verletzte ihn die Erkenntnis, dass ausgerechnet Weasley derjenige war, der es geschafft hatte, seine Hermine für sich zu gewinnen.

„Ich hoffe für Weasley, dass er weiß, wie glücklich er sich schätzen darf, weil ihm dein Herz gehört.", murmelte er wenig später bedrückt und nahm seinen Arm von ihrer Schulter, da sich das alles plötzlich vollkommen falsch für ihn anfühlte und er sich in diesen Sekunden endgültig darüber bewusst wurde, dass er keine Chance hatte, diese Hexe für sich zu gewinnen.

Denn sie liebte ihn nicht. Sie liebte Ronald Weasley. Und würde es nach allem, was die beiden durchgestanden hatten, vermutlich immer tun.

Hermine jedoch konnte über seine Aussage nur schmunzeln, da sie es äußerst amüsant fand, wie blind er diesbezüglich war. So blind, wie sie es während der letzten Jahre gewesen war. Und weil Draco ihr an diesem Abend Schritt für Schritt und nun endgültig die Augen geöffnet hatte, wollte sie das jetzt ebenfalls tun.

„Das tut es nicht.", sagte sie schließlich, nachdem sie ein letztes Mal tief durchgeatmet hatte und versucht hatte, ihren viel zu hohen Puls zumindest ein wenig zu beruhigen. Draco verstand jedoch überhaupt nicht, worauf sie hinauswollte, weshalb er sie nun doch wieder ansah und ihr einen ratlosen Blick zuwarf.

„Was?" „Mein Herz gehört nicht Ron." 

Kurze Stille.

„N-Nicht?"

„Nein. Nicht mehr. Mir ist in den letzten Tagen und ganz besonders heute Abend nämlich etwas klargeworden. Dass ich Ron zwar liebe, aber nur auf freundschaftlicher Ebene. So, wie ich auch Harry liebe. Wie einen guten Freund eben. Es gibt da nämlich einen anderen, der sich in mein Herz geschlichen und es gestohlen hat. Jemand, der mir gezeigt hat, wie es sich wirklich anfühlt, wenn man verliebt ist. Wie es ist, jemanden ehrlich und aufrichtig zu lieben.", erklärte sie mit einem teils süßlichen, teils nervösen Lächeln auf den Lippen, was dem Blonden jedoch den nächsten Schlag ins Gesicht verpasste.

„Oh.", war das einzige, das er in diesem Moment herausbrachte, da sein Herz gerade in tausend kleine Teile zersprang und es ihm derartig schmerzhaft die Kehle zuzog, dass er meinte, keine Luft mehr zu bekommen.

Die Tatsache, dass es neben Potter und Weasley noch andere gab, für die sich die attraktive Kriegsheldin interessierte, hatte er nämlich vollkommen ausgeblendet, doch diese Erkenntnis schmerzte ihm nun wie verrückt und ließ ihm kurzzeitig schwarz vor Augen werden.

„Ja... Die Gefühle, die ich... die ich für dich habe, sind nämlich viel, viel stärker und... gehen über eine einfache Freundschaft hinaus. Und zwar meilenweit."


Diese Worte ließen sein gebrochenes Herz kurzzeitig komplett aussetzen, ehe es sich Stück für Stück wieder zusammensetzte und zu neuen Höchstleistungen ansetzte. Er war in diesem Moment derartig schockiert, dass er meinte, sich verhört zu haben, denn er konnte kaum glauben, dass sie das gerade wirklich gesagt hatte.

Er kam sich vor wie in einem Traum, aus dem er jeden Augenblick aufwachen würde, doch nichts dergleichen geschah. Stattdessen nahm er - so intensiv wie noch nie - ihre Anwesenheit, ihre Nähe und ihren Duft wahr, was ihn zunehmend um den Verstand brachte. 

Hatte das Mädchen, das er seit Jahren liebte, gerade wirklich gesagt, dass sie Gefühle für ihn hatte?

„W-Warte mal... Was... Was hast du gerade gesagt?", stammelte er ungläubig und restlos überrumpelt, worauf Hermine erneut innerlich schmunzeln musste. Sie wusste, dass sie nun keinen Rückzieher mehr machen konnte, und wenn sie ehrlich zu sich selbst war, dann wollte sie das auch gar nicht. Sie nahm all ihren Mut zusammen, blickte ihm tief und so liebevoll wie nur möglich in die Augen und atmete ein letztes Mal durch.


„Ich... ich habe mich in dich verliebt, Draco."


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