28. | Look closer - ...die Scherben spiegeln das Licht

Erzähler POV


In diesem Augenblick interessierte Hermine nicht, warum Draco dort gewesen war oder was er dort getan hatte, sondern nur, woher er ihn, Aberforth, kannte.

Die Kneipe war unter den Hogwartsschülern nämlich nicht gerade beliebt, wenn es um Hogsmeade-Aufenthalte ging, da die meisten ins 'Drei Besen' oder den 'Honigtopf' stürmten, doch sie verschwendete keine unnötigen Gedanken daran, sondern konzentrierte sich wieder auf die Szene und wartete darauf, Antworten auf ihre Fragen zu bekommen.

Draco, der den Pub inzwischen betreten hatte, folgte dem grauhaarigen Mann und entledigte sich währenddessen seiner warmen Klamotten, die durch den Schnee durchnässt waren.

Lediglich ein paar Kerzen schenkten dem düsteren Raum ein wenig Licht, was vermutlich auch besser so war, denn Hermine konnte auch ohne eine helle Beleuchtung die vielen Spinnweben und Staubschichten erkennen.

Als sie einen Blick auf ein Porträt warf, das an der Wand hing, zog sie scharf die Luft ein, denn in diesem Moment traf sie die Erkenntnis, wie ein Schlag.

Sie erinnerte sich noch genau an die zwei einzigen Male, als sie in diesem Pub gewesen war. Nämlich beim ersten Treffen von 'Dumbledores Armee' und natürlich mit Harry und Ron, als sie vor den Todessern in Hogsmeade hatten flüchten müssen und letztlich bei Aberforth Zuflucht gefunden hatten. Er hatte ihnen einen Geheimweg nach Hogwarts gezeigt, welcher sich hinter besagtem Porträt verbarg – das, seiner Schwester Ariana.

Nur beantwortete dies immer noch keine ihrer Fragen, weshalb sie sich wieder vermehrt auf Draco konzentrierte, der seine nassen Klamotten an die Garderobe hängte und schließlich den Tisch in der Mitte des Raumes ansteuerte, wo er auf einem der Stühle Platz nahm.

„Wie immer?", ertönte die tiefe Stimme von Aberforth, sodass Hermine einen kurzen Blick auf diesen warf, ehe sie ihre Augen wieder auf den Blondschopf richtete, der auf seine Frage hin mit dem Kopf nickte.

Er verschwand daraufhin in einen anderen Raum, in dem er, wie sie selbst noch wusste, seine Speisen und Getränke lagerte. Nur wenig später kam er mit einer Flasche Feuerwhiskey und einem Glas zurück, was er vor Draco auf dem Tisch abstellte.

„Danke.", sagte dieser und lehnte sich gegen seinen Stuhl, der äußerst instabil und ramponiert aussah, doch das schien den ehemaligen Slytherin nicht sonderlich zu interessieren.

Er schnappte sich die Flasche, die von einer dicken Staubschicht umhüllt war, und trank einen großen Schluck davon, wobei er das Glas völlig unberührt und unbeachtet stehen ließ.

„Gibt's was Neues?", wollte Draco wenig später wissen, nachdem Aberforth gegenüber von ihm und mit einer Flasche Butterbier in der Hand Platz genommen hatte. Dieser nahm ebenfalls einen großen Schluck seines Getränks, ehe er es lautstark abstellte und sich gegen seinen Stuhl lehnte.

„Sie sind im Forest of Dean gelandet, nachdem sie gestern fast von der Schlange getötet wurden."

Dieser eine Satz genügte bereits, um Hermine schlagartig sprachlos zu machen. Denn sie verstand sofort, über wen und was die beiden sprachen, nämlich über sie und Harry, als sie nach dem Aufeinandertreffen mit Nagini in Godric's Hollow in den Forest of Dean geflüchtet waren.

In ihrem Kopf ratterte es erneut gewaltig und sie versuchte, sich irgendwie zu erklären, was es damit auf sich hatte, doch sie war ein weiteres Mal restlos überfordert und perplex.

„WAS?!", hörte sie Draco rufen, der mit einem geschockten Ausdruck im Gesicht in die Höhe schoss. „Wie konnte dieses Mistvieh sie finden?!"

„Sie waren in Godric's Hollow, weil Potter der Meinung war, dass Du-weißt-schon-wer dort einen dieser Dinger versteckt hätte, die sie suchen sollen. Sie sind einer alten Freundin meines Bruders begegnet und ihr gefolgt. Nur, dass diese Frau in Wirklichkeit die Schlange war."

„Salazar, das darf doch nicht wahr sein.", murmelte der Blondschopf und ließ sich wieder auf seinen Stuhl fallen, wobei er sich die Haare raufte und ungläubig mit dem Kopf schüttelte.

„Geht es ihr... ehm... ihnen gut?", hakte er wenige Sekunde später nach und blickte seinem Gegenüber vorsichtig in die Augen, da er sich bereits das Schlimmste ausmalte.

„Den Umständen entsprechend. Potter ist leicht angefressen und wütend auf sie, weil sein Zauberstab zerbrochen ist. Dementsprechend betrübt ist die Stimmung im Moment."

„Was kann Hermine denn dafür?! Dieser Vollidiot kann doch selbst auf seinen Scheiß aufpassen!", fauchte Draco angesäuert, worauf Aberforth erschrocken das Gesicht verzog, ähnlich wie Hermine, denn dieser scharfe Ton in seiner Stimme war ihr inzwischen fast schon fremd geworden.

Wobei sie ihm in gewisser Weise recht geben musste, denn dass Harry damals derartig sauer gewesen war, obwohl sie ihm nur wenige Augenblicke zuvor das Leben gerettet hatte, hatte sie zutiefst verletzt.

Aberforth sagte darauf nichts mehr und schnappte sich stattdessen sein Butterbier, welches er mit nur wenigen Zügen halb leer trank. Dabei beobachtete er Draco, der seinen Kiefer zusammenpresste und hastig atmete, während er lautstark mit den Füßen scharrte.

Nur wenige Sekunden später erhob sich der Blondschopf und steuerte die hölzerne Wand an, wo er vor einem kleinen Spiegel stehenblieb. Darin sah er jedoch nicht sich selbst, sondern lediglich ein schwarzes Bild, und genau in diesem Moment ging Hermine ein Licht auf, das sie ein weiteres Mal völlig sprachlos machte.

Besagtem Spiegel fehlte ein kleines, dreieckiges Stück, welches, wie sie sich wenig später zurückerinnerte, jenes Teil war, welches Harry monatelang – in seiner Socke – mit sich herumgeschleppt hatte, mit der Begründung, Dumbledore darin gesehen zu haben.

Ebenso kam ihr der Aufenthalt im 'Eberkopf' wieder in den Sinn, als sie letztlich herausgefunden hatten, dass es sich nicht um Dumbledore, sondern um seinen Bruder gehandelt hatte, der sie während der Horkruxjagd durchgehend beobachtet hatte.

Diese Szene zeigte ihr allerdings, dass nicht nur Aberforth, sondern auch Draco, wie er zuvor selbst gesagt hatte, einmal mehr ein Auge auf sie gehabt hatte, und diese Tatsache trieb ihr zum gefühlt tausendsten Mal an diesem Abend die Tränen in die Augen.

„Wie lange werden sie bleiben?", wollte der Erinnerungs-Draco plötzlich wissen und näherte sich besagtem Spiegel noch weiter, in der Hoffnung, etwas darin erkennen zu können, doch er blieb erfolglos.

„Ich hab nicht die geringste Ahnung. Sie hat irgendetwas von 'für immer hier bleiben und alt werden' gesagt, aber Potter war von dieser Idee wenig begeistert." „WAS hat sie gesagt?!"

„Draco, bitte! Ich kann doch auch nichts für ihre Worte!", grollte der Ältere und warf dem Blonden einen genervten Blick zu, der sich inzwischen wieder umgedreht und seine Hände zu Fäusten geballt hatte.

„Ist das Arschloch inzwischen wieder aufgetaucht?", lenkte er das Thema kurz darauf in eine andere Richtung, doch dass auch dieses nicht gerade ruhig und friedlich besprochen werden würde, konnte man bereits anhand seiner Wortwahl erahnen.

„Du meinst den Rothaarigen?"

„Nein, das Einhorn mit der pinken Mähne! Natürlich meine ich den Rothaarigen!", fauchte Draco und steuerte wieder den Tisch an, an dem er sich letztlich niederließ.

„Jetzt hör mir mal zu, Kleiner! Es ist nicht meine Aufgabe, tagtäglich hier zu sitzen und die beiden zu beobachten! Wenn du also so freundlich wärst und aufhören könntest, mich derartig anzufahren, obwohl ich dir nur helfen möchte, wäre ich dir sehr verbunden! Ansonsten kannst du gerne verschwinden! Du weißt ja, wo die Tür ist!"

Draco weitete erschrocken die Augen und starrte Aberforth überrascht an, ehe er peinlich berührt das Haupt senkte und bedrückt zu Boden schielte.

„Sorry, ich... tut... tut mir leid. Ich bin dir unendlich dankbar dafür, wirklich, es ist nur... ich kann einfach nicht mehr." „Dafür kann ich aber auch nichts."

„Ich weiß, aber... oh man, es... es zerreißt mich, dass ich... dass ich sie... nicht beschützen kann, sondern... tatenlos dabei zusehen muss, wie diese Idioten sie immer wieder in Gefahr bringen."

„Ihr wird nichts passieren. Sie ist eine kleine, tapfere Kämpferin, das weißt du vermutlich noch besser als ich. Und um deine Frage zu beantworten: Nein, der Rothaarige ist immer noch weg.", sprach Aberforth in ruhigem Ton und warf dem Blondschopf einen aufmunternden Blick zu, was jedoch in keinster Weise Wirkung zeigte. Ganz im Gegenteil.

Er knirschte dem letzten Satz geschuldet mit den Zähnen und umklammerte seine Flasche Feuerwhiskey so fest, dass Hermine sich ziemlich sicher war, dass diese jeden Moment zerbrechen würde.

„Wenn ich dieses dumme Arschloch zu Gesicht bekomme, dann wird er sich wünschen, niemals geboren worden zu sein! Ehrlich, ich... ich reiß ihm eigenhändig den Kopf ab! Hermine hat ihm unzählige Male den Arsch gerettet und er dankt es ihr, indem er einfach abhaut?! Ich wusste schon immer, dass er ein Idiot ist, aber mir glaubt ja niemand!", zischte Draco und warf erneut einen Blick auf den kleinen Spiegel an der Wand, welcher jedoch noch immer komplett schwarz war.

Nach seinen Worten herrschte eine bedrückende Stille im Raum, welche Hermine nutzte, um das Gesagte und Gesehene zu verarbeiten. Sie hatte schon immer gewusst, dass der Blondschopf nicht sonderlich gut auf Ron zu sprechen war und diesen absolut nicht ausstehen konnte, doch in dieser Szene musste sie ihm recht geben, denn sein Verschwinden damals hatte ihr und Harry einen ordentlichen Dämpfer verpasst. Er hatte sie im Stich gelassen, als sie ihn am meisten gebraucht hatten, während Draco immer wieder sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte und alles Mögliche versucht hatte, um sie zu beobachten und zu beschützen.

Ein leises Klopfen riss Hermine aus ihren Gedanken, weshalb sie sich wieder auf das Szenario konzentrierte und schließlich sah, wie sich der Erinnerungs-Draco erhob und auf das Porträt zusteuerte, hinter dem sich der Geheimgang nach Hogwarts befand.

„Du bist zu spät!", knurrte Draco angesäuert, noch bevor Hermine überhaupt sehen konnte, wer jeden Moment im 'Eberkopf' auftauchen würde.

Daraufhin gab er dem Bild einen Schubs, sodass dieses zur Seite schwang und ihr nun doch einen Blick auf jene Person gewährte, welche sich letzten Endes als Severus Snape entpuppte.

„Und du mal wieder viel zu unfreundlich und undankbar.", konterte dieser und warf seinem Patenkind einen genervten Blick zu, während er aus dem Loch in der Wand stieg und seinen Umhang von sämtlichen Spinnweben und Staub befreite.

„Hab ich ihm auch schon gesagt, aber das kann man ihm scheinbar nie ganz austreiben.", mischte sich plötzlich Aberforth ein und erhob sich von seinem Stuhl, um ein weiteres Mal in die kleine Vorratskammer zu verschwinden, wo er nach wenigen Sekunden mit einer Flasche Wasser zurückkam. Diese reichte er dem Schwarzhaarigen, der inzwischen auf einem der Stühle Platz genommen hatte.

Aberforth und Draco taten es ihm gleich und warteten gespannt darauf, dass er sich zu Wort melden würde, doch fürs Erste nahm er einen großen Schluck aus der Flasche und beobachtete dabei den kleinen Spiegel an der Wand.

„Und?", brach Draco nach einigen Sekunden das Schweigen und musterte seinen Patenonkel eindringlich.

„Ich habe es." „Das heißt?"

„Das heißt, dass ich mich noch heute Nacht auf den Weg machen werde, um es zu verstecken.", erklärte Snape, doch Hermine verstand in diesem Moment nur Bahnhof, denn sie hatte nicht die geringste Ahnung, worüber die Drei sprachen.

Das änderte sich jedoch schlagartig, als Snape plötzlich aufstand und das Schwert von Godric Gryffindor aus seinem Umhang holte, welches er anschließend auf dem Tisch ablegte.

„Damit können sie die Horkruxe zerstören. Dann hat das alles bald ein Ende, versprochen.", erklärte er daraufhin und blickte Draco dabei aufmunternd in die Augen.

Dieser nickte kaum merklich und zwang sich zu einem dankbaren, freundlichen Lächeln, ehe er beobachtete, wie Snape das Schwert wieder einsteckte, einen weiteren großen Schluck seines Getränks nahm und letztlich kehrtmachte, um den 'Eberkopf' zu verlassen und – wie Hermine dank Harrys Erzählungen wusste – in den Forest of Dean zu apparieren, um das Schwert im See zu verstecken und einen Patronus heraufzubeschwören, der den Auserwählten dorthin geleiten würde.

Und es war nicht die Tatsache, dass Snape aufgetaucht war, das Schwert versteckt hatte und ihnen damit eine große Hilfe gewesen war, die Hermine überraschte – zumal sie darüber bereits nach der Schlacht aufgeklärt worden war – sondern die, dass Draco sie täglich heimlich beobachtet hatte und das, obwohl sein Leben zu diesem Zeitpunkt nicht schlimmer hätte sein können.

Während Harry zu dieser Zeit immer undankbarer geworden war und Ron sich komplett aus dem Staub gemacht hatte, hatte Draco Tag für Tag nach ihr gesehen, Voldemort belogen und sein Leben aufs Spiel gesetzt, nur, um sie in diesem kleinen Spiegel an der Wand beobachten zu können.

Er hatte ihr damit klargemacht, dass sie nie alleine oder einsam gewesen war, sondern immer einen Menschen an ihrer Seite gehabt hatte, der sie liebte.


Und diese Liebe wollte sie ihm eines Tages zurückgeben...


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