17. | Look closer - Verschollene Erinnerungen (3/3)

Erzähler POV


„Was ist danach passiert?", fragte Hermine vorsichtig, da sie sich nicht sicher war, ob Draco mittlerweile schon bereit dazu war, mit den Erinnerungen fortzufahren.

Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, doch das war ihr in diesem Moment egal, denn sie hätte auch Stunden oder Tage in seinen Armen verbracht und ihn getröstet.

Er hauchte ihr einen federleichten Kuss auf die Stirn, ehe er seinen Griff etwas lockerte und der Brünetten in die Augen sah, die, genau wie seine eigenen, gerötet waren.

„Ich musste dich gehenlassen.", gestand er gequält, was Hermines Herz in tausend Teile zerspringen ließ. Er hatte sie damals wirklich gern gehabt, das hatte sie in seinen Erinnerungen selbst gesehen, und die Tatsache, dass sein Vater dieser Freundschaft ein Ende gesetzt hatte, schmerzte ihr inzwischen genauso stark wie ihm.

„Wie?", hakte sie verzweifelt nach, woraufhin er sich von ihr lösen und sich dem Anschein nach wieder aufrecht hinsetzen wollte, um ihr das nächste Geheimnis zu zeigen, doch sie hielt ihn zurück.

„So geht es doch auch...", flüsterte sie und strich ihm erneut behutsam über die Wange, während sie ihn mit ihren Augen fesselte.

Der Blonde verstand und musste schmunzeln, als ihm bewusst wurde, dass sie diese Nähe zu ihm brauchte und die weiteren Bilder lieber in seinen Armen ansehen wollte, da sie sich dort wohl und geborgen, aber vor allem sicher fühlte.

Hermine bettete ihren Kopf auf seine Brust, ohne den Blickkontakt zu ihm zu unterbrechen, ehe sie ihren Zauberstab erneut umklammerte und schließlich in die nächsten Erinnerungen abtauchte.


Der kleine Draco lag mit aufgeplatzter Lippe in seinem Bett und hatte die Decke bis dicht unter sein Kinn gezogen, während er vor sich hin schluchzend und zitternd ins Leere starrte.

Es schmerzte Hermine wie verrückt, zu sehen, wie benommen und zerbrechlich der Kleine war, der allem Anschein nach noch immer unter den Flüchen seines Vaters litt. Seine Augen wirkten leblos und leer und keinerlei Emotion spiegelte sich darin wider. Er war mit seinen Kräften am Ende, so viel stand fest, doch das konnte ihm wohl keiner verübeln.

Hermine dachte an jene Erinnerung zurück, in der ihr jüngeres Ich und der kleine Draco über Weihnachten und Familie gesprochen hatten und mittlerweile verstand sie auch, was er damit gemeint hatte, dass die schönste Zeit mit seiner Familie die wäre, in der er keinen der beiden zu Gesicht bekam.

Die Tür öffnete sich, doch auch das schien der Kleine nicht zu bemerken oder wahrzunehmen, da er noch immer völlig weggetreten ins Leere starrte.

Narzissa trat in sein Zimmer und hatte eine große Tasse in ihrer Hand, die sie auf dem Nachttisch abstellte, ehe sie sich an die Bettkante zu ihrem Sohn setzte und ihm vorsichtig durch die Haare fuhr.

„Draco Liebling, ich habe dir heiße Schokolade gebracht. Die magst du doch so gerne.", kam es ihr lediglich flüsternd über die Lippen, wobei Hermine die Frau genauer betrachtete.

Auch sie hatte einen verdächtigen roten Fleck auf der Wange und eine leicht aufgeplatzte Unterlippe, was sie darauf schließen ließ, dass Lucius auch vor ihr nicht Halt gemacht hatte. Eine unermessliche Wut kochte in Hermine hoch, als ihr einmal mehr bewusst wurde, wie krank und unberechenbar Dracos Vater war.

„Ich trink das nicht.", vernahm sie die krächzende Stimme des Kleinen, was ihr erneut einen Stich ins Herz versetzte.

„Mit der heißen Schokolade ist alles in Ordnung, Liebling."

„Das glaubst du doch wohl selbst nicht. Vater hat den Hauselfen bestimmt befohlen, irgendein Gift reinzuschütten.", mutmaßte der Blonde und zog seine Decke noch weiter nach oben, sodass sein Mund und seine Nase verdeckt wurden.

Narzissa streichelte ihm nach wie vor beruhigend über den Kopf und hauchte ihm einen kurzen Kuss auf die Stirn.

„Weder dein Vater noch die Hauselfen haben etwas hineingeschüttet. Ich habe sie selbst zubereitet und ich hoffe du weißt, dass ich dir nie etwas antun würde, mein Schatz.", redete sie ihm gut zu, was den Kleinen letztlich doch dazu bewegte, die Augen auf seine Mutter zu richten.

„Warum ist er so grausam?", fragte Draco gequält, was nicht nur Narzissa, sondern auch Hermine die Tränen aus den Augen trieb.

„Ich weiß es nicht, Liebling. Ich weiß nicht, warum er auf diese veralteten Ansichten immer noch so viel Wert legt."

„Hättest du es akzeptiert?" „Was meinst du?"

„Meine Freundschaft zu Hermine.", schniefte der Kleine und vergrub schließlich sein komplettes Gesicht in der Decke, um sich seinen Gefühlsausbruch nicht anmerken zu lassen.

Narzissa jedoch streifte diese sofort zurück und strich ihrem Sohn über die Wangen, die von vielen Tränen heimgesucht wurden.

„Verstecke deine Gefühle nicht, mein Schatz. Egal was dein Vater sagt, du darfst weinen so viel du willst, das macht noch lange keinen Schwächling aus dir. Und ja, ich hätte die Freundschaft zu deiner kleinen Freundin akzeptiert und ich akzeptiere sie auch."

„Das bringt mir nur nichts." „Ich werde mit deinem Vater reden und-"

„Nein!", fiel Draco ihr sofort ins Wort. „Bitte nicht! Er wird dir nur wieder wehtun. Er wird uns erst in Ruhe lassen, wenn wir das tun, was er sagt und wenn ich nicht mehr mit Hermine rede."

„Es tut mir so leid, mein Schatz.", wisperte sie nach einer Weile des Schweigens und zog ihren Sohn fest in ihre Arme, um ihn zu trösten und zu beruhigen, da er erneut stark zu schluchzen begonnen hatte.

Der Blonde griff in seine Hosentasche und kramte letztlich den kleinen Schlüsselanhänger heraus, den Hermine ihm geschenkt hatte und zeigte ihm mit betrübtem Blick seiner Mutter.

„Das ist sie. Das hat sie mir geschenkt.", erklärte er und strich dabei traurig lächelnd über das kleine Foto.

Narzissa beobachtete diese Geste teils gerührt, teils verzweifelt und begutachtete das süße Bild ihres Sohnes und seiner gleichaltrigen Freundin.

„Sie ist so lieb und schlau und... und schön...", murmelte der Kleine kaum hörbar, doch seine Mutter und auch Hermine hatten es gehört, was deren Herzen auf das Doppelte anschwellen ließ.

„Du magst dieses Mädchen, nicht wahr?", hakte Narzissa vorsichtig nach, doch Draco starrte nach wie vor auf die kleine Hexe auf dem Foto, was ihr Antwort genug war.

„Ja... sehr sogar.", gestand er dennoch und kuschelte sich vermehrt an seine Mutter, die ihm einen weiteren Kuss auf den Schopf hauchte.

„Wenn dir wirklich so viel an ihr liegt, dann musst du sie jetzt gehenlassen."

„Nein...", unterbrach Draco sie gequält, während seine Augen erneut zu schimmern begannen.

„Hör mir zu, Liebling. Du hast gesehen, wie dein Vater reagiert hat und er wird auch vor ihr nicht Halt machen, wenn er weiß, dass du seinen Forderungen nicht gehorchst. Und dieses süße Geschenk solltest du vor deinem Vater verstecken. Ich denke, ich muss dir nicht erklären, was passiert, wenn er es in die Hände bekommt. Momentan mag es keine Hoffnung für euch geben, aber das heißt nicht, dass das für immer so sein muss. Nur bis das alles vorbei ist."

„Was meinst du?" „Es kommen dunkle Zeiten auf uns zu, Liebling. Dein Vater ist so angespannt wie seit Jahren nicht mehr und das verheißt meistens nichts Gutes. Ich weiß, dass du das nicht hören willst, aber deine kleine Freundin wird nur sicher sein, wenn sie sich von uns fernhält. Du weißt, in welchen Kreisen wir leben und wie brutal diese Menschen sein können. Du willst bestimmt nicht, dass der Kleinen etwas passiert, oder?"

„Nein.", platzte es sofort aus dem Blonden heraus, was Narzissa dazu veranlasste, ihm einen weiteren Kuss auf den Schopf zu hauchen.

„Dann musst du sie gehenlassen."

„Und wie?", wollte Draco wissen und sah seiner Mutter dabei tief in die Augen, in denen man einen feuchten Schimmer erkennen konnte.

„Sag ihr die Wahrheit. Sag ihr, dass eure Freundschaft eine große Gefahr für euch darstellt."

„Und wenn sie das nicht akzeptieren will? Ihre anderen Freunde sind richtige Idioten und schätzen sie gar nicht. Die können nicht richtig auf sie aufpassen und bringen sie ständig in Schwierigkeiten. Sie braucht mich. Und ich sie."

„Dann werdet ihr das verkraften. Es muss nicht für immer sein, mein Schatz. Nur so lange, bis wieder etwas Frieden eingekehrt ist und dein Vater vielleicht doch noch zur Vernunft gekommen ist."

„Das wird er nie.", kommentierte der Blonde verzweifelt und starrte wieder auf das kleine Foto des Schlüsselanhängers, auf das er letztlich mit geschlossenen Augen einen Kuss hauchte.

Die Erinnerung, die größtenteils unscharf war, verschwamm komplett und löste sich auf, was Hermine verdutzt zur Kenntnis nahm. Sie rechnete damit, wieder in den Raum der Wünsche zu ihrem echten Draco zurückgeschickt zu werden, doch sie wurde stattdessen – obwohl die letzte noch nicht zu Ende war – in die nächste Erinnerung geschickt.


In dieser erblickte sie den kleinen Draco einmal mehr im Hogwarts-Express und sie schluckte schwer, als sie die Szene genauer betrachtete.

Sie entdeckte ihr jüngeres Ich, die in eine innige Umarmung mit dem Blondschopf verwickelt war und herzzerreißend schluchzte. Hermine hatte es inzwischen aufgegeben, in ihrem eigenen Gedächtnis nach diesen Begegnungen zu suchen, denn sie war sich sicher, dass sie auch diese nicht finden würde.

„Ich will nicht.", vernahm sie schließlich die Stimme der kleinen Hexe, woraufhin ihr Freund sich von ihr löste und ihr einen Kuss auf die Stirn hauchte.

„Es geht nicht anders. Ich hab es versucht, aber es geht einfach nicht." „Ich kann doch nicht einfach so tun, als wäre nichts gewesen oder als würde ich dich nicht kennen..."

„Das müssen wir aber."

„Das kann er doch nicht machen. Bin ich wirklich so schlimm? Bin ich wirklich Abschaum, Draco?", fragte sie, während ihr immer mehr Tränen über die Wangen kullerten, die ihr der kleine Draco jedoch sofort wegstrich.

„Nein. Ganz im Gegenteil. Du bist die klügste und liebevollste Hexe, die ich kenne. Und deshalb will ich, dass dir niemand etwas antun kann. Das könnte ich nicht verkraften."

Der echten Hermine trieb es auf diese Worte ebenfalls die Tränen aus den Augen, da sie gerade wohl das Ende dieser sonderbaren Freundschaft zu sehen bekam und sie nach wie vor nicht glauben konnte, dass sie das alles irgendwie vergessen oder gar verdrängt hatte.

„Kannst du mir etwas versprechen, Draco?", fragte die junge Hermine nach einer kurzen Weile des Schweigens und fesselte den kleinen Zauberer mit ihren großen braunen Augen, der ihr vorsichtig zunickte.

„Wenn wir wieder in Sicherheit sind und diese gefährliche Zeit, von der deine Mutter gesprochen hat, vorbei ist, können wir dann wieder Freunde sein?"

„Ich weiß es nicht.", antwortete der Kleine frustriert, worauf sowohl die kleine, als auch die echte Hermine bedrückt dreinschauten.

„Bitte, Draco."

„Ich weiß nicht, was in dieser Zeit passieren wird und wie das alles endet...", erklärte er schließlich, was die Brünette traurig zu Boden schielen ließ.

„...aber ich verspreche dir, dass ich alles Mögliche versuchen werde, um zu dir zurückzukehren. Ich verspreche dir, dich nie im Stich zu lassen und immer für dich da zu sein, wenn du mich brauchst. Und ich verspreche dir, dich mit meinem Leben zu beschützen, wenn es sein muss."

Diese Worte waren zu viel für die echte Hermine, die erneut in Tränen ausbrach und schließlich spürte, wie der echte Draco im Raum der Wünsche sie noch fester in seine Arme schloss, um ihr während dieser Erinnerung Halt und Kraft zu geben.

Ihre jüngere Version reagierte ähnlich und auch sie wurde von ihrem blonden Freund in die Arme genommen und eine ganze Weile getröstet.

„Ich hab dich lieb, Draco.", murmelte die kleine Hexe, ehe sie sich wieder von ihm löste und ihm einen Kuss auf die Wange hauchte.

Das Lächeln, das sich auf den Gesichtszügen des Kleinen breitmachte, erwärmte der echten Hermine erneut das Herz, sodass auch sie lächeln musste, denn sie hatte allmählich eine Ahnung, worauf Draco mit dieser Reise in die Vergangenheit hinauswollte.

Diese dunkle Zeit, von der Narzissa gesprochen hatte, war vorbei, denn Voldemort war ein für alle Mal besiegt worden und Lucius Malfoy saß in seiner Zelle in Askaban, wo er so schnell nicht mehr herauskommen würde.

Zudem hatte sie nun auch die Antwort auf ihre Frage, wem Draco vor vielen Jahren das Versprechen gegeben hatte, das er an diesem Abend einlösen wollte. Nämlich ihr. Er wollte, wie versprochen, zu ihr zurückkehren. 

„Ich hab dich auch lieb, mein kleiner Bücherwurm.", erwiderte ihr Gegenüber, hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn und strich ihr die letzten Tränen von den Wangen, ehe er sich sichtlich widerwillig und mit gesenktem Kopf von ihr distanzierte und das gemeinsame Abteil verließ.

Nachdem der Kleine einen letzten Blick auf seine Freundin geworfen hatte, verschwand er auf dem Gang des Zuges und lehnte sich dort gegen eines der Fenster, wo er ergeben die Augen schloss und tief durchatmete.

Trotz der vielen Tränen in ihren Augen, erkannte Hermine, wie der kleine Blondschopf wenig später seinen Zauberstab aus dem Umhang holte und zu der Tür zurückging, hinter der ihre jüngere Version gerade wie verrückt weinte und schluchzte.

„Es tut mir leid. Aber es geht nicht anders.", flüsterte dieser kaum hörbar, doch für die echte Hermine recht deutlich, und sie fragte sich, was er vorhatte.

Er richtete seinen Zauberstab, den er mit zitternder Hand und Tränen in den Augen umklammerte, auf die kleine Hexe und murmelte jenen Spruch, der letztlich jene Frage beantwortete, die sich Hermine bereits seit der allerersten Erinnerung gestellt hatte.

„Obliviate."



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