10. | Ein Brief mit Folgen (1/3)
Hermines POV
Einige Tage waren seit dem Vorfall am See vergangen und noch immer war ich nicht schlauer geworden, denn abgesehen davon, dass ich Malfoy in diesen Tagen kaum zu Gesicht bekommen hatte, hatte er auch keine Anstalten gemacht, auf mich zuzugehen, um mit mir zu reden.
In Zaubertränke hatten wir kein weiteres Mal mit unserem Projektpartner zusammenarbeiten müssen, da Ralson sich nur der Theorie gewidmet hatte, und während der Mahlzeiten in der großen Halle hatte der Blondschopf keinen meiner Blicke erwidert, was mich langsam aber sicher rasend machte.
Ich saß gerade mit meinen Freunden beim Frühstück und stärkte mich für den bevorstehenden Unterricht, als wir von einem lauten Krächzen unterbrochen wurden.
Die vielen Eulen flogen durch die große Halle und verteilten sämtliche Briefe und Pakete auf den Tischen, wobei mir eine ganz besonders ins Auge stach, denn sie flog schnurstracks auf mich zu und ließ kurze Zeit später einen Brief vor mir fallen.
Ich bekam nur äußerst selten Post, also schnappte ich mir verwundert den Umschlag und tatsächlich stand darauf in leicht krakeliger Schrift 'Hermine Granger'.
Für einen kurzen Moment starrte ich auf meinen eigenen Namen, um den Absender anhand der Schrift zu identifizieren, doch nachdem ich auf keine Lösung gekommen war, öffnete ich das Kuvert und nahm einen kleinen Zettel heraus.
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Ich würde mich freuen, wenn wir uns heute um 18:00 Uhr in der Bibliothek treffen könnten.
Komm bitte allein und erzähl keinem davon. Ich muss dir wohl einiges erklären und das ist definitiv nicht für fremde Ohren bestimmt.
Bis hoffentlich später!
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„Was hast du denn da, Mine?", wollte Harry sofort wissen und zwang mich somit, meine Augen von der Nachricht zu lösen.
„Einen Brief.", antwortete ich völlig monoton und emotionslos, während ich innerlich kochte, denn seine Neugier war manchmal einfach nur nervig und für den Moment mehr als unangebracht.
„Von wem?" „Keine Ahnung." „Wie 'keine Ahnung'?"
„Verdammt, Harry! Ich weiß nicht, von wem der Brief ist, weil kein Absender draufsteht!", keifte ich ihn an, was noch nicht einmal gelogen war, denn der Verfasser hatte in der Tat seinen Namen nicht daruntergesetzt.
Dass der Brief nur von Malfoy sein konnte, stand außer Frage, was vermutlich auch der Grund für seine Absenz während des Frühstücks war, doch davon sollte Harry nach wie vor noch nichts erfahren.
„Okay, beruhig dich.", schnauzte dieser zurück und widmete sich wieder seinem Frühstück, das beinahe noch unberührt vor ihm stand.
Mein Appetit war aufgrund der freudigen Nachricht vergangen, denn das ständige Grübeln bezüglich der Frage, wie es mit Malfoy weitergehen würde und was genau er am See gemeint hatte, sollte an diesem Abend wohl endlich ein Ende finden.
„Was hältst du von einem kurzen Spaziergang vor dem Unterricht?", fragte ich an Ginny gewandt, denn, auch wenn er geschrieben hatte, dass ich niemandem davon erzählen sollte, konnte ich es meiner besten Freundin einfach nicht verheimlichen, dafür wusste sie mittlerweile einfach zu viel.
Diese verstand offensichtlich sofort, denn sie blickte kurz auf den Zettel in meiner Hand, ehe sie ihr Besteck auf den Teller legte und freudig nickte. Den Rest unserer Freunde ließen wir in der großen Halle zurück und bevor sie uns hätten folgen können, waren wir auch schon in den Korridor verschwunden.
Dort hielt ich Ginny den Brief hin, den sie mir sofort aus der Hand riss und neugierig zu lesen begann. Während sie die wenigen Zeilen überflog, wurde auch ihr Grinsen immer breiter.
„Siehst du, ich hab doch gesagt, dass das gewaltig an seinem Ego kratzt und er dir das irgendwann erklären wird! Das ist toll, Mine!", fiel sie mir glücklich um den Hals und zauberte mir damit ein zufriedenes Lächeln ins Gesicht.
„Danke, Ginny, du bist echt die Beste."
Das war sie in der Tat, denn sie hätte auch ganz anders auf diese ganze Sache reagieren können, aber sie wollte mich unterstützen, mir beistehen und mich wieder glücklich sehen, wofür ich ihr unendlich dankbar war, denn das konnte ich nach den letzten Wochen wirklich gebrauchen.
Ebenso dankbar war ich Malfoy, dass er meinem Gedankenchaos nun endlich ein Ende setzen würde. Ob das positiv oder negativ ausgehen würde, wusste ich zwar noch nicht, aber ich wollte einfach nur noch Gewissheit. Gewissheit darüber, wieso es dazu kam und was sein ominöser Satz zu bedeuten hatte.
Ich vermisste seine Anwesenheit, seine Nähe, seinen Duft, seine Arme, die er immer um mich gelegt hatte, wenn er mich getröstet hatte und seine Lippen, die mich für einen kurzen Moment alles Schlechte auf der Welt hatten vergessen lassen.
Dass ausgerechnet Draco Malfoy diese Sehnsucht in mir auslösen konnte, machte mir verdammt Angst, doch ich konnte mich nicht dagegen wehren, ich war machtlos, denn Gefühle konnte man ja bekanntlich nicht ändern.
Nach dem Unterricht war ich mit Harry und Ginny ins 'Drei Besen' gegangen, wo ich gerade krampfhaft versuchte, meine Nervosität in den Griff zu kriegen, die mich aufgrund des Treffens heute Abend komplett aus dem Konzept brachte. Ich war mal wieder total neben der Spur und konnte kaum noch klar denken, worauf meine beiden Freunde glücklicherweise Rücksicht nahmen.
Dass Ginny mich nicht mit Fragen löcherte, war irgendwie logisch, denn sie wusste ja inzwischen über Malfoy Bescheid, aber dass Harry sich dazu entschieden hatte, mich heute mal nicht im Minutentakt auf meine geistige Abwesenheit anzusprechen, wunderte mich schon etwas, doch es störte mich natürlich keineswegs.
Die beiden tranken jeweils ein Butterbier, während ich mich für einen Kürbissaft entschieden hatte, da ich den kommenden Abend bewusst und definitiv ohne Rausch erleben wollte.
Ginny unterhielt sich die meiste Zeit mit Harry und warf mir ab und zu einen aufmunternden Blick zu, was meine Gefühlslage jedoch in keinster Weise beruhigte. Im Gegenteil.
Als wir fertig getrunken und bezahlt hatten, schlenderten wir zurück in die Schule, wo meine beste Freundin und ich uns schließlich in unseren Schlafsaal zurückzogen, da ich mich vor dem Treffen noch etwas ausruhen und frischmachen wollte.
Nachdem ich mich geduscht und etwas zurechtgemacht hatte, machten wir uns auf den Weg zum Abendessen, das ich mir eigentlich auch hätte sparen können, denn, weil ich vor Aufregung kaum noch Hunger hatte, stocherte ich hauptsächlich nur in meinem Gemüseauflauf herum und versuchte vergeblich, dem Gespräch meiner Freunde zu folgen.
Ich warf einen Blick über die Schülerschar in der großen Halle und als hätte ich es geahnt, betrat genau in diesem Moment Malfoy den Raum, gefolgt von Zabini und Parkinson.
Mein Herz fing daraufhin so stark zu beben an, dass ich dachte, es würde jeden Moment aus meiner Brust springen, und spätestens jetzt war mir komplett der Appetit vergangen.
Ich durchbohrte ihn beinahe schon mit meinem Blick, doch er starrte stur geradeaus und schenkte mir keinen Funken Aufmerksamkeit, was mich unheimlich verunsicherte, immerhin würden wir in wenigen Minuten gemeinsam in der Bibliothek sitzen und über den Kuss und Gefühle reden, doch ich schob sein ignorantes Verhalten auf die Anwesenheit seiner Freunde.
Sie wussten offenbar genauso wenig über uns Bescheid wie Harry, Neville, Luna und alle anderen, denn allen voran Parkinson würde ihn vermutlich verfluchen, würde sie erfahren, dass er sich in wenigen Minuten mit einem Schlammblut treffen würde, das er zu allem Übel auch noch geküsst hatte.
„Es wird schon alles gut gehen!", munterte mich meine beste Freundin schließlich auf und riss mich einmal mehr aus meinen Gedanken.
Merlin, warum nur bemerkt sie immer alles?
„Woher wusstest du wora-"
„Woran du denkst?", unterbrach mich diese. „Komm schon, Mine! Wie lange kennen wir uns jetzt? So, wie du in deinem Essen herumstocherst, weiß ich doch genau, was los ist."
Zugegeben, mein Verhalten war in der Tat mehr als auffällig und ich war einfach nur froh, dass es ihr aufgefallen war und nicht Harry, denn das hätte nur wieder in einem endlosen Gestotter meinerseits geendet.
„Hör zu.", setzte Ginny erneut flüsternd an. „Mach dir nicht so viele Gedanken, okay? Er wird dir schon alles erklären und es ist bestimmt halb so wild, also entspann dich. Du magst ihn doch, hast du gesagt, oder?"
Ich sah sie verunsichert an und zwang mich zu einem Lächeln, ehe ich kaum merklich nickte.
„Na also. Und was die anderen sagen, kann dir egal sein."
„Danke Ginny, das bedeutet mir sehr viel.", bedankte ich mich und wandte meinen Blick wieder ab, um ihn anschließend erneut auf Malfoy zu richten, der diesen zu meiner Erleichterung nun doch endlich erwiderte.
Ich lächelte ihn kurz an und stand dann auf, um ihm zu zeigen, dass ich mich schon mal auf den Weg machen würde.
„Ich geh in die Bibliothek, Leute! Wir sehen uns dann später!", verabschiedete ich mich von meinen Freunden und verließ die große Halle.
Wie von selbst trugen mich meine Beine in Richtung Bibliothek und mit jedem weiteren Schritt, den ich mich ihr näherte, hatte ich zunehmend das Gefühl, mich vor Aufregung gleich übergeben zu müssen.
Ich atmete ein letztes Mal tief durch, ehe ich die schwere Tür, die in das Bücherparadies führte, öffnete, eintrat und die Regalreihen ablief.
Ich näherte mich dem Platz am Fenster, an dem wir das erste Mal gemeinsam an unserem Projekt gearbeitet hatten und blickte nach draußen auf die Ländereien und den großen See. Der Ort, an dem wir uns geküsst hatten und an dem ich endgültig gelernt hatte, dass mehr hinter Draco Malfoy steckte, als ich gedacht hatte.
Plötzlich legten sich zwei Hände über meine Augen, was mich erschrocken zusammenzucken ließ.
„Hey.", raunte er in mein Ohr und trat dicht hinter mich, was meiner Nervosität nicht gerade einen Gefallen tat, doch so würde er mich bei einem Ohnmachtsanfall zumindest auffangen können.
„Schön, dass du gekommen bist.", sprach er weiter und in dieser Sekunde setzte mein Herz kurz aus, denn irgendetwas stimmte nicht.
Irgendetwas stimmte ganz gewaltig nicht, denn es war nicht seine Stimme, die zu mir sprach.
Wer bei Merlins Bart ist das hinter mir?
Panisch griff ich nach den Händen meines Besuchers, löste diese von meinen Augen, drehte mich zu der Person um...
...und auf diesen Schock hin wurde mir für einen kurzen Moment schwarz vor Augen.
Dann wollte ich nur noch schreien und so schnell wie möglich von hier verschwinden...
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