6 ❣ Burning Blankets




LOUIS


Angewidert und fest mit dem Laminat verwurzelt starrte ich meine Fernsehdecke an. Die wunderschöne, weiche, bunte Patchwork-Decke, die meine Oma für mich gemacht hatte, als ich fünf Jahre alt war. Jetzt bedeckte sie den nackten Hintern einer schmierigen, pickeligen Person...

Erst das gehauchte „Lottie, gleich!" entwurzelte mich. „Oh nein, mein Freund!" Ich riss die Decke von ihm, versuchte nicht blind zu werden und stampfte aus dem Haus.

Lotties Gequieke ignorierte ich gekonnt.

Vor der Tür atmete ich erst einmal durch. Meine schöne Decke. Angewidert nahm ich die Wolle zwischen meine Fingerspitzen und betrachtete sie prüfend. Auf den ersten Blick, fielen mir keine-oh mein Gott! Diese Sau hatte auf meine Fernsehdecke ejakuliert!?

„Baaaah! Ekelhaft!"

Mit einem Kotzreiz schmiss ich das Ding von mir weg. Ergriffen und vielleicht auch ein wenig theatralisch legte ich meine Hand auf mein Herz. „Du warst ein treuer Begleiter. Aber jetzt ist es Zeit für einen würdigen Abgang."

Ich zog mein Handy aus meiner Hosentasche, schaltete es ein und hatte, wie nicht anders erwartet einen neuen Vibrator. Da ich in der nächsten Minute so wieso nichts mit meinem iPhone hätte anfangen können, stieg ich in den Wagen. Erst als ich angeschnallt war und den Motor im Leerlauf hatte, hörte das Gebrumme auf. Die wildesten Spekulationen Zwecks, Eleanor aka Eisprinzessin, Glückwünsche, Fragen, ob ich für sexuelle Aktivitäten gewappnet war, ob Harry mir etwas Spielzeug vorbei bringen sollte, ob jemand Liams Jacke im Bus gesehen hätte und der Gleichen erwartete mich. Nichts Wichtiges also.

Ich schrieb kurz ein »Treffen um 9 bei mir. Zieht euch schwarz an. Traurige Angelegenheit. Taschentücher erwünscht.« in die Gruppe, bevor ich den Wagen im ersten Gang in Bewegung setzte. Ich hatte noch eine Mission. Das Schicksal war mir bis jetzt nicht wirklich gnädig gewesen. Also musste ich nachhelfen.

Das ständige Vibrieren meines Handy ignorierte ich krampfhaft während der Fahrt.

Ich hatte gerade noch Glück gehabt.


Der Feierabendverkehr hatte mich eine geschlagene halbe Stunde gekostet. Meine Füße trugen mich etwas schneller durch den matschigen Schnee, als es sicher war. Die Mütze und der Schal vermummten mein Gesicht und dieses Mal hatte ich sogar daran gedacht Handschuhe zu tragen. Trotz der Kälte kamen mir einige Menschen entgegen. Händchen haltend, sich küssend, eng umschlungen, sich streitend oder laut stark diskutierend. Es lief im Großen und Ganzen auf dasselbe hinaus: Sie standen mir allesamt irgendwie im Weg. Mit ein wenig Gehässigkeit lief ich, natürlich nicht ganz absichtlich, durch Händchen haltende Paare.





Als ich nach dreimal falsch abbiegen endlich die kleine Gasse mit dem schnuckeligen Laden wieder erkannte, atmete ich erleichtert aus. Das »Geschlossen« -Schild, nahm mir meine Euphorie jedoch wieder. „Verdammt!"

„Nanana, was fluchen wir denn hier so?" Ich fuhr herum und mein Schock legte sich wieder, als ich die pinke Strähne unter einer lilafarbenen Wollmütze hervorblitzen sah. Ruby stand in voller Winter-Montur hinter mir und lächelte mich verschwörerisch an.

„Ruby, ich brauche Informationen." „Das wird dich aber was kosten, Jungchen."

Diese Frau war der absolute Wahnsinn. Ich konnte es nur immer wiederholen. „Alles was du-" Ich unterbrach mich selbst im Satz. Konnte ich zu einem verrückten Fan, wie Ruby, wirklich »alles, was du willst« sagen? Oh Gott.

„Fast, alles, was du willst." Ich hob das »fast« besonders hervor und zwinkerte ihr grinsend zu. „Du bist also lernfähig, gut. Das mag sie."

Ruby schob sich an mir vorbei, nicht ohne meinen Hintern zu streifen –ausversehen natürlich- und schloss die Tür zu ihrem Laden auf. Das Schild blieb auf »Geschlossen«.

„Willst du noch einen Tee haben, Louis?" Ruby war schon im Begriff nach hinten zu gehen, doch ich schüttelte meinen Kopf. „Du hast ja eigentlich schon geschlossen."

Ein dankendes Lächeln schlich sich auf die Lippen der alten Dame. Mir war klar gewesen, dass sie nur höflich hatte sein wollen.

„So." Schwerfällig ließ sie sich in den Sessel mir gegenüber sinken. „Du wolltest etwas über Elli wissen, richtig?" Ich nickte. Mein Gesicht wurde wärmer. So wirklich die feine englische Art war es nicht gerade. „Warum fragst du sie nicht selbst?" Hatte ich nicht eben noch gemeint, mein Gesicht wäre warm? Ich nehme es zurück. Es glühte vor Scham.

„Sie gibt nichts preis", gab ich zu. Ruby legte einen seltsamen Blick auf. „A-aber ich will sie hier jetzt nicht stalken oder so, denk bitte nicht falsch von mir! Ich will doch nur wissen, wann und wo ich sie wieder sehen kann-" „Und da dachtest du, du fragst mich, wann sie immer hier ist?"

Beschämt sah ich auf den Tisch. Wie sollte ich mich da schon rechtfertigen. „Naja...also sie meinte, ich müsse schon abwarten. Aber ich hab doch bald wieder eine Tour und dann wollte sie mir erst nicht mal ihren Namen sagen und eigentlich wollte ich mich ja auf niemanden Einlassen, aber sie hat etwas, an sich, was mich reizt. Ich weiß nicht was und jetzt dachte ich, du könntest mir sagen, wann ich sie wiedersehen kann. Rein zufällig natürlich." Ich hob meine Finger und zeigte Anführungsstrich um das ‚zufällig'. Ruby nickte verstehend und durch gehend mit dem Kopf. Nach meinem kleinen Monolog lächelte sie mich warm an.

„Ellie hat dir einfach den Kopf verdreht. Wer kann's dir verübeln. Sie ist ein bildhübsches, freches Mädchen." Lächelnd nickte ich. Eleanor war hübsch, bodenständig, frech und irgendwie geheimnisvoll. Sie gab nichts über sich preis.

„Ja...vielleicht ein bisschen. Ich weiß es nicht." Seufzend ließ ich meinen Kopf auf die Tischplatte fallen. „Kannst du mir helfen?" Brummelte ich gegen das dunkle Holz. „Was bietest du?" Rubys Blick verhieß nichts Gutes. Das würde mich teuer zu stehen kommen.





Aber Eleanor war es wert!

Hoffentlich...












Eine gute Stunde später war ich um einiges schlauer. Sie war 22, damit ein Jahr jünger als ich, studierte Soziologie und Politik und kam jeden Dienstag und jeden Donnerstag in ihrer Pause zu Ruby. Hin und wieder montags und mittwochs aber überwiegend sonntags, sofern sie keine wichtigen Klausuren zu schreiben hatte, half sie Ruby und bekam dafür eine Art Taschengeld. Ruby und Eleanors Großmutter kannten sich noch von früher und Rubys älteste Enkelin Meghan war bis heute eine gute Freundin von Eleanor. All die Sachen hätte ich viel lieber von ihr gehört. Doch nun wusste ich immerhin, wo ich mich dienstags, donnerstags und jeden zweiten Sonntag aufzuhalten hatte.

In meinem Wagen sah ich erneut auf mein Handy. 17 neue Nachrichten. Hatten die Jungs kein Leben mehr?



Liam: »Ist dein Nutella wieder alle oder was?«

Zayn: »Schwarz lässt mich immer so blass aussehen D:«

Harry: »Ist Lottie noch da?«

Liam: »Harry, sie ist zu jung für dich!«

Harry: »Man wird ja wohl noch fragen dürfen...als würde ich mich an ihr vergreifen. Was denkt ihr eigentlich von mir!?«

Niall: »Ich halte noch bei Nandos. ;)«

Zayn: »Bringst du mir nen Wrap mit?«

Niall: »Sowas isst man bei McDonalds D:«

Zayn: »Dann kaufe ich mir halt selber was...«

Liam: »Ich will ja kein Spielverderber sein, aber... «

Harry: »Was aber? Du verdirbst uns eh gleich den Spaß. «

Liam: »Nur ein Wort...«

Niall: »Herr Gott, jetzt mach's halt nicht so spannend.«

Liam: »Ernährungsplan. «

Harry, Zayn und Niall gleichzeitig: »Fuck... «


Kopfschüttelnd gab ich meinen Senf hinzu. »Also. 1. Nein, meinem Nutellaglas geht's bestens. Es macht nur gerade eine Diät... 2. Nialler, bringst du mir mal Pommes mit? 3. Zayn, deine Haare sind schwarz...das passt schon. 4. So strange das klingen mag, alles wäre meiner Familie lieber, als der Ginger. 5. Harry, Pfoten weg. 6. LEUTE ICH BIN TRAURIG!!!! ZEIGT MAL EIN BISSCHEN MITGEFÜHL?!?!?!«

Nachdem diese Angelegenheit auch geklärt war, startete ich den Motor und bekam direkt weißes Licht mitten ins Gesicht. Wo kamen die denn bitte her? Den ganzen Nachmittag lief alles glatt...Gott sei Dank, denn so sehr mich diese Aasgeier auch nervten, immerhin erwischten sie mich ohne Eleanor. Vorsichtig manövrierte ich den Wagen durch die Fotografen. Eine weitere Klage, weil ich einem Mann über den Fuß gefahren war, konnte niemand gebrauchen. Die Plattenfirma am wenigsten. Auch, wenn es nicht meine Schuld gewesen war, versuchte die Firma mir den Hintern zu retten. Was konnte ich bitte dafür, wenn dieser Trottel nicht wegging? Er hätte doch wissen müssen, dass ein Range Rover mehr als fünfhundert Gramm wog, oder etwa nicht?





Dieses Mal schaffte ich es in den gewohnten zwanzig Minuten von der Innenstadt zu meinem Haus. Ohne geblitzt zu werden, ohne Passanten, Hunde oder mich selbst zu verletzen und ohne lästigen Stau. Vor der Haustür sah ich nochmal auf mein Handy. Die Jungs hatten zugestimmt und würden dementsprechend in etwa fünfzehn bis dreißig Minuten eintrudeln.





Als die Tür ins Schloss gefallen, fiel mir zuerst Lotties gepackte Tasche neben der Tür ins Auge.

„Lottie?" Ich hing meine Jacke auf und stellte die Schuhe im Wohnzimmer vor den Kamin. Als ich nach zwei Minuten immer noch keine Antwort von meiner Schwester bekommen hatte, begann ich sie in der oberen Etage zu suchen.

„Lottie?"

Zwar bekam ich keine Antwort, doch im Badezimmer raschelte etwas. Die Tür war nicht verschlossen, also trat ich ein. Meine kleine Schwester stand vor dem Badezimmerspiegel und versuchte die schwarzen Striche von ihren geröteten Wangen zu schrubben.

„Hey, Bärchen. Was ist denn los?" Besorgt sah ich sie an. Ihre Augen waren rot und immer noch glasig. Gerade, als ich sie in die Arme nehmen wollte, legte sie ihren Kajal weg. Langsam drehte sie sich um. „Du bist so ein Scheißpenner", zischte sie mir zu.

Ich schluckte. „Was hast du gerade gesagt?" Fassungslos blinzelte ich mehrfach und schaute Lottie dann dabei zu, wie sie sich seelenruhig umdrehte und mehr Schmadder ins Gesicht schmierte.

Als sie fertig war, packte sie ihre Utensilien feinsäuberlich in ein Mäppchen und wandte sich zum Gehen. Was ging denn hier bitte für ein Streifen?

Immer noch fassungs- und leider auch sprachlos stiefelte ich die Treppen herunter. „Könntest du mir mal antworten, Fräulein." Lottie stieß mich kräftig weg, als ich sie am Arm zu mir zog.

„Wegen dir wird er mich noch verlassen, du Vollidiot!" schrie sie hysterisch. „Nach deinen oberpeinlichen Aktionen ist er abgedampft! Kannst du nicht akzeptieren, dass ich Reece liebe!? Ich bin keine 7 mehr, gottverdammt. Ich werde erwachsen!"

Ihr Gebrüll ließ bei mir eine Sicherung durchbrennen: „Nein wirst du nicht! Merkst du nicht, wie dieser Vollidiot dich verändert? Wo ist meine kleine, süße Schwester geblieben? Hast du mal in den Spiegel geschaut? Du siehst aus, wie eine verdammte Prostituierte!" „Louis!?" Harry starrte mich fassungslos an. Doch ich war es Leid. Ewige Diskussionen mit Mum. Ich kam überhaupt nicht mehr an meine Schwester ran. „Nein, Harry, nichts ‚Louis'. Schau sie doch an! Mit Tommy an ihrer Seite wäre das nie passiert. Dieses fünf Pfund Make-Up, dann diese künstliche Bräune und die gepuschten Blase-Hase-Lippen, als hätte sie Kylie Jenner einen Besuch abgestattet. Was ist aus dir geworden, Lottie?"

„Nein. Was ist aus dir geworden, Louis. Mein Lou hätte sowas nie gesagt. Du bist nicht mehr mein Bruder. Du bist nur noch das Popsternchen...Langsam dämmert mir, wieso Leo dich verlassen hat...Du bist ein Arschloch geworden!"





Was ich als nächstes tat, würde ich noch bis in alle Ewigkeiten bereuen. Meine Hand rutschte aus.

Hätte Harry mich nicht fest gehalten, hätte ich meiner Schwester den größten, seelischen Schaden zugefügt, den ein 17 Jähriges Mädchen bekommen kann...








Keep the change you filthy animal  - All Time Low

14.02.2017

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