❣ LOUIS
„Das ist nicht dein Ernst, oder Mum?" Ich fuhr mir mit der Hand durch meine ungekämmten Haare. Seit genau fünf Minuten war ich wach. Und das auch nur, weil meine Mum mich angerufen hatte. Ganze sieben Mal innerhalb von zwanzig Minuten.
Sonst hätte ich den ersten Tag der freien zwei Monate wohl anders begonnen. Schlafen bis in den Mittag hinein, brunchen, Filme, duschen, fertig. So, wie jeder normale Mensch in meinem Umfeld einen freien Tag verbringen würde. Vielleicht wäre ich ein, zwei Mal auf die Terrasse gegangen, um mir eine Zigarette anzustecken und den kühlen Sauerstoff meine Lungen durchblasen zu lassen.
So stand ich zu einer unchristlichen Zeit auf und musste mir nun Sorgen um meine kleine Schwester machen.
„Sie hat sich einfach in den Zug gesetzt!" Die Besorgnis in der Stimme meiner Mutter begann langsam auf mich abzufärben.
„Mach dir nicht zu viele Sorgen, Mum. Sobald sie hier auftaucht, mache ich ihr eine gewaltige Szene und setze mich mit ihr ins Auto." Gähnend stand ich nun doch endgültig auf und schlüpfte in meine Hausschuhe. In dem Glauben es handle sich nur um eine Kleinigkeit, war ich zurück in mein Bett geschlüpft und hatte mich samt Telefon am Ohr in die Decken gekuschelt. Mein Rollladen war nicht vollständig runter gelassen. Somit drang genug Licht ein, damit ich nicht gegen irgendwelche Dinge lief, wie sie es immer getan hatte
„Danke, Spatz." Man konnte hören, wie sie erleichtert ausatmete. „Und ich war auch nicht zu streng?" Eigentlich wäre jetzt meine Aufgabe gewesen, sie aufzumuntern und ihr gut zu zureden, doch stattdessen musste ich ein wenig Lachen. „Erinnere dich doch mal dran, als du Hannah und mich in meinem Bett hast liegen sehen. Du hast einen riesen Aufstand gemacht, dabei ist sie beim Filmegucken nur eingeschlafen."
Grinsend ging ich zuerst in die Küche und bereitete die Kaffeemaschine vor. Bevor ich auf den Knopf drückte, der die Kaffeebohnen mahlen würde, warnte ich Mum vor und ging bei dem ersten Donnern ins Wohnzimmer. Durch die Glasfront konnte ich sehen, dass das Wetter nicht unbedingt das Beste war. Dennoch genoss ich immer wieder die Aussicht, auf die Dächer Londons.
„Du weißt, dass es mir wirklich peinlich war und ich habe mich doch schon entschuldigt...Mehrfach und aufrichtig, nebenbei bemerkt!"
Ich wusste, wie unangenehm Mum die Situation gewesen war. Diese Aktion war der Anlass für einen eigenen Telefonanschluss in meinem Zimmer gewesen. So musste sie nicht mehr in mein Zimmer, wenn Hannah oder irgendjemand anderes bei mir war.
„Ist doch gar nicht schlimm, Mum." Nachdem meine Mutter noch weitere dreimal beteuert hatte, sie hätte es damals garantiert nicht mit Absicht gemacht, verabschiedeten wir uns endlich.
Als nächstes beschloss ich die Jungs um Hilfe zu bitten. Ich schickte eine Nachricht in unsere Whatsapp-Gruppe und hoffte, dass sich Lottie vielleicht bei einem der Jungs melden würde. Harry verstand sich gut mit ihr. Meine Hoffnung lag ein wenig bei ihm.
❯ Bin auf dem Heimweg von L.A. Zu mir hier her dürfte schwierig werden ;) ❮
Meine flache Hand klatschte auf meine Stirn, als ich seine Nachricht las. Während wir hier versauerten, hatte sich Harry ein paar schöne Tage in der Sonne machen wollen. Die offizielle Erklärung lautete ❛Findung kreativer Energie❜.
„Stimmt, da war was. Kannst du's trotzdem probieren?"
Er antwortete mit einem ja und ich ging wenigstens etwas beruhigter in die Küche. Der Appetit war mir zwar vergangen, doch ohne eine Tasse Kaffee konnte man mich nicht gebrauchen.
In letzter Zeit, hatte ich weniger verlangen nach Tee. Generell, hatten mir die letzten Wochen zugesetzt. Die Trennung hatte mir zu gesetzt, wenn man das Problem unbedingt beim Namen nennen wollte. An allen und Ecken und Enden fehlte etwas. Oder aber, ich erinnerte mich an sie. Wenn es auch nur das Waschmittel war, was sie extra gekauft hatte. Und diese Momente waren definitiv die schlimmeren.
Nun doch nach einem ausgiebigen Frühstück; also einem Brötchen und drei Tassen Kaffee, beschloss ich ein paar Anrufe zu tätigen. Im Klartext hieß es, dass ich mich auf die Couch setzte und ebenso wie Mum, wahrscheinlich, Telefonterror bei Lottie schob. Die Nummer von diesem-, wie hieß er noch gleich? Reece O'Shaughnessy oder so ähnlich? – hatte ich mir gar nicht erst geben lassen. Er konnte froh sein, dass er sich Freund meiner Schwester nennen durfte und dass er das Haus in Doncaster betreten durfte, ohne das meine Mutter, Dan oder eine meiner Schwestern ihn raus warfen. Ernest war leider Gottes zu jung, um ihm ein paar Manieren beibringen zu können.
Wie nicht anders zu erwarten war, hob Lottie nicht ab. Langsam fuhr ich mir besorgt durch die Haare. Vielleicht hatte sie sich ja doch bei Harry gemeldet? Mir fiel zwar spontan kein logischer Grund ein, warum sie sich ausgerechnet bei meinem besten Freund gemeldet haben sollte, aber es war einen Versuch wert. Bei ihrem Exfreund Tommy würde sie wohl kaum untergekrochen sein. Auch wenn es mir wesentlich lieber gewesen wäre, als die bloße Vorstellung, dass sie mit diesem Rothaarigen Volldeppen durchgebrannt war. Warum sie den Italiener abserviert hatte, war mir ohnehin ein Rätsel, aber ich hatte versprechen müssen, dass ich mich nicht einmischen würde.
Nach einigen Minuten Getute, hörte ich endlich Harrys verschlafene Stimme. „Was gibt's noch?"
„Hab ich dich geweckt?" Verlegen fuhr ich mir durchs Haar. Das war nicht meine Absicht gewesen. Andererseits rief ich ja nicht aus Spaß an der Freude an. Noch dazu hatten wir vor nicht einmal einer halben Stunde erst geschrieben, also durfte er sich nicht beschweren.
„Gibt da was, das nennt sich Zeitverschiebung, Kumpel. Soll was ganz phänomenales aber auch anstrengendes sein, hab ich gehört..." „Oh, Sorry. Naja egal. Hat sich Lottie vielleicht doch bei dir gemeldet?"
Harry grummelte in den Hörer, lachte aber kurz nach danach gleich. „Nein hat sie nicht. Aber ich hab ihr geschrieben, dass sie sich wenigstens bei dir melden soll, du würdest ihr schon nicht den Kopf abreißen" – „Natürlich werde ich das! Du hättest meine Mum eben mal erleben sollen! Keiner mag ihren Kerl, nicht einmal L-" „Erstens, wolltest du ihren Namen nie wieder erwähnen, dass hast du selbst gesagt. Zweitens, natürlich kenne ich Jay, wenn sie besorgt ist und das ziemlich gut, wenn ich dich an unsere erste Promotour in Amerika erinnern darf. Ach und ich hab gefragt, ob sie nicht wenigstens irgendetwas twittern kann, damit wir sehen, dass sie noch lebt." „Du bist ja so eine große Hilfe." Ich erinnerte mich nämlich zu gut an besagte Promotour. Meine Mutter hatte Telefonterror geschoben, um sich zu vergewissern, dass es ihrem 'Baby' auch ja gut geht. Es war ein Wunder, dass sie sich keinen Flug gebucht hatte, um mir den Bart abzuwischen. Und trotzdem liebte ich sie über alles. Bevor ich weiter seufzen konnte, klingelte es an der Tür. Ich gab Harry Bescheid, verabschiedete mich bei ihm und ging zur Haustür.
Als ich die Haustür öffnete überrannte mich eine Welle an Emotionen.
1. Pure Erleichterung, denn meine kleine Schwester stand vor der Haustür
2. Pure Enttäuschung, weil sie einfach abgehauen war
3. Pure Wut, weil sie Mum so einen Schrecken eingejagt hatte
4. Kälte, weil mir der Februarwind entgegen peitschte
5. Das pure Verlangen diesem Dreikäsehoch, der sich Lotties Freund nannte, mitten in die Weichteile zu treten
6. Das pure Verlangen diesem Dreikäsehoch, der sich Lotties Freund nannte, den Kopf abzureißen
7. Das pure Verlangen diesem Dreikäsehoch, der sich Lotties Freund nannte, in die Fresse zu treten, zu schlagen, etc. etc.
„Bruderherz, gewährst du zwei sich Liebenden am Tage der Liebe Asyl? Komm schon, du liebst mich doch." Das war definitiv zu viel Liebe in einem Satz. ‚Pure Amore', wie Lila gesagt hätte. Ich schlug mir die flache Hand vor die Stirn. Wann würde ich endlich aufhören an dieses wundervolle Geschöpf zu denken? Und wann würde ich endlich die Verniedlichungen und Komplimente sein lassen? Das war doch zum Mäusemelken, was für ein Weichei ich geworden war.
Lottie holte mich, glücklicherweise aus meinen Gedanken: „Ich will dich ja nicht stressen, Boobear, aber es ist scheiße kalt." Nicht mal das Gefummel von Reece konnte etwas dagegen machen. „Lass dich erst mal drücken, Schwesterherz." Grinsend zog ich Lottie in eine Umarmung; dann über die Türschwelle und schon fiel die Tür vor der Nase dieses Clowns ins Schloss.
„Louis!?" quiekte sie entsetzt. Bevor sie aber die Tür aufmachen konnte, stellte ich meinen Fuß davor und mich vor sie. „Erst erklärst du mir, was dieser Mist sollte! Mum hätte beinahe einen Herzinfarkt bekommen! Du wirst jetzt deinen Arsch zu meinem Telefon begeben und unsere Mutter anrufen. Dort wirst du dich mit der zuckersüßesten Stimme, die du drauf hast entschuldigen. Und dann überlege ich mir, ob ich diesen Hundepups vor der Tür rein lasse, ist das klar?"
„Aber-" „Ob das klar ist, junges Fräulein!?" Junges Fräulein? Gott, ich klang wie Mum.
Nur widerwillig schluppte Lottie zu meinem Haustelefon und meldete sich mit der zuckersüßesten Stimme, der längsten Entschuldigung ihrer noch jungen Karriere, als Sorgenkind und der dicksten Liebeserklärung bei unserer Mutter. Reece fror sich unterdessen vor der Tür seinen Hintern ab. Und ich stellte mich mit einem heißen, dampfenden Kaffee, einem dicken Pulli und einem kuscheligen, selbstgestrickten Schal vor das Fenster neben der Tür.
„Kannst du ihn jetzt rein lassen? Biiiiiiiitttttee?" Dieser gottverdammte, beschissene Dackelblick. Diese verfluchte Masche hatte damals schon immer funktioniert, wenn ich irgendeinen Mist gebaut hatte, für den sie mich hätte verpfeifen können. Lottie fiel nach solchen Aktionen immer etwas ein, mit denen sie mich hatte erpressen können. Einfach immer.
„Wenn's sein muss." Widerwillig öffnete ich die Tür. Es hatte inzwischen begonnen zu schneien. Hoppla.
Das tat mir aber leid.
Oder auch nicht.
Eine Stunde später hatte ich Lottie zum Kochen verknackt. Schon früh hatte ich mir eingestehen müssen, dass meine kleine Schwester viel besser kochen konnte als ich. Ich schaffte gerade so ein Rührei. Selbst Tiefkühlpizza hatte ich schon mehrfach verbrennen lassen. Lila war nie etwas angebrannt...Scheiße!
Irgendwann würde ich die Prügelstrafe gegen mich selbst einsetzen. Das schwor ich auf ihre grün-grauen Augen, die immer so wunderbar glänzten, wenn sie mich schlaftrunken ansah...dieser verfluchte Tag! Das war heute wirklich zum verrückt werden! Das musste an der Aura der Verliebten unten in meiner Küche liegen.
Frustriert stellte ich mich unter die Dusche und griff nach dem erst besten Shampoo, das ich erwischte. Sofort verfluchte ich Gott, die Welt, das Universum und allem voran Amor. Wäre ich doch nur in meinem Bett geblieben!
Lehre des Tages?
Greife nie mit geschlossenen Augen nach Shampoo. Am Ende riechst du nach deiner Ex-Freundin.
Nach drei erneuten Haarwäschen roch ich nur noch nach Apfel, wenn ich meine etwas zu langen Haare minutenlang inhalierte. Einbildung war ja bekanntlich auch eine Bildung.
Frustriert stieg ich mit einem Handtuch um die Hüfte aus der Dusche und zog mich in meinem Zimmer frisch an. Es war zwar derselbe labberige Stil wie vorher, aber es waren frische Sachen.
Als ich mich auf den Weg nach unten in die Küche machte, freute ich mich auf frisches, warmes Essen. Dabei konnte ich ja nicht ahnen, dass ich die Seifenoper-Kings höchstpersönlich dort stehen hatte. Reece hatte seine Arme dramatisch um Lottie geschlungen und sabberte ihr am Ohrläppchen rum. Eigentlich wollte ich den beiden einen neuen Spruch drücken, doch dann sah ich dieses verliebte Glänzen in Lotties Augen und mir wurde bewusst, dass es keinen Sinn hatte. Sie liebte diesen Vogel, egal was die Welt dazu sagte. Und das kam mir irgendwie bekannt vor. (Innerliche Ohrfeige Nr. 595)
Da ich absolut keine Lust hatte, dass Glück meiner Schwester weiter zu begaffen und mich dabei zu fragen, warum ich es verbockt hatte, beschloss ich die beiden alleine zu lassen.
Mit einem freundlichen „Im Schlafzimmer in der Kommode beim Bett, 3. Schublade unten links liegt eine Packung Kondome! Ich hab keinen Bock auf Rothaarige Neffen und Nichten" verabschiedete ich mich in das unterkühlte, verschneite und für meinen Geschmack viel zu verliebte London.
♫ Don't let me down - The Chainsmokers
↬14.02.2017
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