1 ❣ Valentine's Day
❣ ELEANOR
Nerviges Brummen weckte mich mitten in der Nacht. Es war Samstag, mein Wochenende war gerade angebrochen und mein bester Freund wagte es sich tatsächlich um halb 10 anzurufen. Mein erster Gedanke: Ich bringe dich um.
Ignorieren würde bei Max nichts helfen, dessen war ich mir bewusst, also fuhr ich mir genervt durch die Haare, riss mir dabei gefühlte hundert dunkelbraune Exemplare aus und griff nach dem Telefon auf dem Nachttischchen. Mit einem widerlichen glücklichen Ton meldete er sich:
❛Einen wunderschönen guten Morgen, mein Häschen! Wie hast du geschlafen?❜
„Bis eben grandios. Dann kamst du", erwiderte ich mürrisch, schüttelte mein Kissen neu auf und ließ mich wieder zurück fallen. Meine mürrische Art schien Max' widerlich gute Laune zu solch einer unchristlichen Stunde überhaupt nicht zu interessieren. Im Gegenteil. Ich hörte ihn belustigt glucksend, bevor er unbeirrt fortfuhr:❛Ich wollte nur hören, ob unsere Verabredung zum Mittag noch steht? Dann bringe ich nämlich die Zutaten für meine legendäre Lasagne mit.❜
Okay, wie brachte ich ihm das schonend bei? Einfach gerade heraus, schließlich nahm er keine Rücksicht auf mich. „Och nö. Nicht schon wieder Gemüse." Jedes Mal, wenn Max seine selbsternannte legendäre Lasagne auftischte, stahl ich mich früher mit unseren Freunden davon und hielt bei McDonalds an, um einen Burger oder ähnliches zu essen, denn seine legendäre Lasagne bestand aus zerkochtem Gemüse, wenig Soße und noch viel weniger Käse. Im Großen und Ganzen schmeckte es nicht einmal wirklich schlecht. Es fehlte bloß Salz. Und Pfeffer und Knoblauch und ein bisschen Paprika, Chili und Fleisch. Zusammengefasst: Es schmeckte furchtbar weich und fad.
❛Dann koch halt, was du willst, Miesepeter!❜
Jap, er war beleidigt. Dabei war ich doch bloß ehrlich gewesen. „Dann machen wir halt Spagetti Bolognese, einmal mit und einmal ohne Fleisch", gestand ich ihm schließlich zu. Seit mein bester Freund sich dazu entschlossen hatte Vegetarier zu werden, gerieten wir bei geplanten Filmabenden immer wieder aneinander. Aber solange er nicht auf den Trichter kam Veganer werden zu wollen, war ich bereit Kompromisse einzugehen. Wenn es unbedingt sein musste.
Nachdem Max sich versichert hatte, dass ich auch ja alle nötigen Zutaten zuhause hatte, legte er auf. Nur um ihn beruhigen zu können, hatte ich aufstehen und in die Küche laufen müssen. Erst als er mich im Hintergrund wirklich hatte herumwühlen hören, gab er sich zufrieden und legte auf.
Da ich nun ohnehin schon wach und auf den Beinen war, schlurfte ich äußerst unmotiviert ins Badezimmer, kämmte mir die Haare und band sie zu einem unordentlichen Dutt zusammen. In gammeligem Pulli und Jogginghose, meine Brille auf der Nase und einer frisch gekochten Kanne Kaffee setzte ich mit einigen meiner Bücher für die Uni auf die Couch. Mein Blog und mein Lieblingskugelschreiber lagen neben mir. Ich hatte mir fest vorgenommen die Literatur für den Politikkurs durchzuarbeiten, mir Notizen zu machen und ernsthaft zu lernen.
Stattdessen holte ich mir eine Schüssel Müsli aus der Küche und schaltete den Fernseher ein. Die täglichen Nachrichten waren schließlich wichtig. Allerdings war auch diese Sendung schnell vorüber, weshalb ich mir vornahm meine Emails zu checken. Vielleicht hatte sich meine Lerngruppe gemeldet und ich hatte es verpasst? Vielleicht hatte Ruby neue Dienstpläne geschickt?
Gegen 12 Uhr klingelte die Haustür.
Max.
Ups. Noch bevor ich meinen Laptop zuklappen konnte, war Max die Treppen nach oben gekommen und hatte sich von meinem Gramps meine Tür aufmachen lassen.
„Schon wieder?" Mit rollenden Augen sah er auf die achte Episode meiner Lieblingsserie. „Was? BrainDead ist auch politisch", versuchte ich mich kläglich zu rechtfertigen. Sinnlos. Denn Max wusste nur zu gut, dass es in diesen 13 Episoden um deutlich mehr, als reine Politik ging.
„Ernsthaft? Alien-Ameisen fressen die Hälfte der Gehirne der Politiker und kontrollieren sie."
„Aber der Sarkasmus ist gut! Und es ist ja auch ein bisschen Romanze drin und Humor und wirkliche Politik und Gareth ist-" „Gib's auf und hilf mir lieber."
Er hatte Recht. Es war sinnlos, sich zu rechtfertigen. Somit setzte ich das Nudelwasser auf und sah ihm dabei zu, wie er sich um die vegetarische Soße kümmerte, während ich mich daran machte das Hackfleisch anzubraten.
Es war erschreckend wie schnell der Mittag dahin plätscherte. Mein bester Freund war ein einfacher, lustiger Zeitgenosse. Wenn er nicht gerade auf irgendetwas verzichten musste, weil er eine neue Diät einlegte, die er überhaupt nicht nötig hatte. Für Außenstehende wirkte er sicher unheimlich schwul. Dass ich selbst früher einmal gehofft hatte, einen schwulen besten Freund á la Hollywood zu bekommen, verschwieg ich lieber.
„Also, was wollen wir schauen?" fragte Max und schaufelte sich genüsslich seine Gemüsepampe in den Mund. Gut, dass er mir Hackfleisch mitgebracht hatte. Alleine der Anblick seiner Soße ließ mich würgen. Vom Geruch ganz zu schweigen.
Sowohl Max, als auch ich hatten diesen einen Lieblingsfilm. Ich kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er für Dracula Untold kämpfen würde. Auch wenn ich diese (ausnahmsweise wirklich) neuartige Erzählung des Klassikers selbst gerne sah, war mir an diesem Tag nach einem Film zum hemmungslosen Heulen. „Schere, Stein, Papier?" schlug ich vor.
Im festen Wisse, dass ich gewinnen würde.
»Oft lieg ich nachts wach und denke nach - und warte. Ich denke an all die Menschen, die ich geliebt habe und die nun schon so lange tot sind. Ich denke an meine wunderschöne Jenn und wie ich sie vor vielen Jahren verloren habe. - Und dann denke ich, dass wir alle unsere grüne Meile entlang gehen - jeder zu seiner Zeit. « Einen Schluchzer unterdrückend starrte ich weiter auf den Bildschirm.
»Ein Gedanke aber beschert mir mehr schlaflose Nächte als alle anderen. - Wenn er einer Maus ein so langes Leben schenken konnte, wieviel länger habe dann ich? -- Wir alle müssen sterben - ohne Ausnahme. Aber manchmal, lieber Gott, erscheint einem die grüne Meile sehr, sehr lang. «
Schniefend warf ich Taschentuch Nummer sechs auf den Couchtisch. Meine Beine hatte ich immer noch zu mir heran gezogen. Das war das einzige, was das Kissen daran hinderte mir den Löffel mit dem schmelzenden Eis ins Gesicht zu pfeffern. So zusammengekauert, wie ich auf der Couch saß konnte man es ohnehin schon als kleines Weltwunder einstufen, dass ich mich noch nicht vollgesaut hatte.
„Wenn du noch einen verfluchten Satz von diesem Film mitsprichst, werde ich dich, genau wie Paul Edgecomb »Leider mit dem Kissen ersticken müssen« !" Diesen Satz von meinem besten Freund Max nahm ich als Anlass, um das Kissen zurück zu schmeißen. Schließlich hatte er soeben den wunderschönsten Film auf Gottes Erde zitiert.
Lachend bewaffnete er sich mit dem Kissen, das meine Mutter damals von meiner Großmutter gestickt bekommen hatte. Die Muster waren wirklich furchtbar, die Wolle kratzte und auch die Farbkombination tat schlicht und einfach in den Augen weh. Doch es war meine Oma und die Massen Liebe, die sie darin investiert hatte und das machte alles wieder wett.
„Nicht das." Oma stand mit einem Male im Türrahmen, in der Hand ein Tablett mit zwei Tassen, einer Kanne und einem Teller Kekse. „Genau Max. Nicht das gute Kissen." Lachend stand ich auf und nahm ihr das Tablett mit einem ‚Danke' und einem Küsschen auf die Wange ab. In Max' rote Wangen kniff sie ein bisschen, bevor sie wieder ging.
„Das bekommst du noch zurück." Lachend schnappte ich mir einen der Kekse und wollte wieder auf ‚Play' drücken, als sein Handy klingelte. „Oh Mist." Schwungvoll stand er wieder auf, machte den Timer in seinem Handy aus und begann sich anzuziehen. „Wo willst du denn hin?" brabbelte ich mit vollem Mund.
„Lucy wartet auf mich, wir waren noch verabredet. Heute ist Valentinstag, weißt du noch? Tag der Liebe und so?" Frustriert nahm ich mir einen weiteren Keks, während ich Max dabei zusah, wie er sich anzog und sich anschließend im Fenster, welches ein wenig spiegelte, prüfend betrachtete. Als wenn ich das nicht wüsste. Frustriert brach ich Stückchen der Kekse ab und platzierte sie dekorativ auf dem ‚Cookies & Cream' Eis. Fehlte für die perfekte Kalorienbombe, die ich wohl leider wieder abtrainieren durfte, eigentlich nur noch Schokosoße und Sahne. Doch dann würde ich vermutlich explodieren.
„Jaja. Laff ein depreffives Kind nur alleine", murmelte ich mit dem Löffel halb im Mund. „Ich schreibe dir wie's war." Er wuschelte mir durch die Haare und verschwand aus meiner Wohnungstür.
„Ich schreib dir wie's war." Schmollend äffte ich ihn nach, stellte die Taschentuchpackung vom Tisch neben mich und rief nach Bruce, bevor ich wieder auf Play drückte.
Nach einer halben Stunde lag ich an Bruce gekuschelt da und schniefte. Ich hatte den Fehler gemacht und die Video - Kassette noch einmal bis zur Hälfte zurück gespult. Das Problem an der Sache war, dass ich nun völlig aufgelöst auf den Fernseher einredete, als würde es irgendwas am weiteren Verlauf der Geschichte ändern: „Warum machst du das Percy?! Du musst den Schwamm anfeuchten! Paul mach doch was! Stopp doch endlich das verdammte Szenario!"
Bruce versuchte sich aus meinem Klammergriff zu befreien – wer konnte es ihm verübeln? Doch er liebte mich immer hin noch genug, um sein Verlangen mich zu zerfleischen zu unterdrücken. Unterdessen regte ich mich munter weiter über den Karrieregeilen Arsch auf und sah weg, als man den völlig verkohlten Eduard Delacroix zeigte. Immer wieder streichelte ich über Bruce's Kopf. Heute hatte ich definitiv wieder einen Tiefpunkt erreicht. Die Taschentücher Ansammlung auf dem Tisch war der Beweis. Nach dem ich mich ein wenig aufgerichtet hatte, nutzte mein Hund seine Chance.
Er sprang vom Sofa und lief zu seinem Napf im Flur. „Ja, ist in Ordnung. Verlass du mich ruhig auch noch." Schnaubend schlurfte ich in die Küche. Den Becher steckte ich in den Müll und die Löffel in die Spülmaschine. Bei einem Blick durch die Küche fiel mir auf, dass sie ein wenig Putzmittel nötig hatte. Okay, nach unserem gemeinsamen Kochen hätte sie eine Renovierung nötig gehabt.
Da ich so wieso nichts Besseres zu tun hatte, erledigte ich das nötigste. Ich räumte alles Geschirr, was teilweise noch von gestern Abend herum stand in die Spülmaschine und stellte diese an. Den Müll zerrte ich die Treppe nach unten. An der Wohnungstür meiner Großeltern hörte ich sie schallend lachen. Im Hintergrund lief die Titelmelodie ihrer Lieblingsschnulzen. Rosamunde Pilcher. Grässlich.
Wieder oben stand mir Bruce gegen über. Er schob mir seine Leine vor die Füße und winselte ein wenig. Seufzend ging ich in den Flur und nahm mir meine Jacke. Vor der Tür schlüpfte ich in die Stiefel.
Als ich das letzte Mal einen langen Spaziergang mit Bruce gemacht hatte, waren wir drei Stunden weg gewesen. Bei meiner Heimkehr, stand die Polizei vor unserer Haustür. Grandma hatte es geschafft die halbe Wache von London zu uns zu bestellen. Normalerweise passierte nichts, wenn die Person nicht länger als 24 bis 36 Stunden verschwunden war. Deshalb klebte ich einen großen Zettel an die Tür, um ihr verständlich zu machen, dass es etwas länger dauern könnte. Ich war zwar nicht in der Stimmung durch halb London zu rennen, doch ab und zu, benötigte ich einen freien Kopf.
Für solche Momente liebte ich Bruce. Es nervte mich wirklich außerordentlich, dass er mindestens zwei Kilometer laufen musste, bevor er anfing zu winseln und nach Hause zu wollen. Auf der anderen Seite sorgte er für meine tägliche Bewegung und ich konnte mir sicher sein, dass er an schlechten Tagen von mir, keine Anstalten machte früher gehen zu wollen. Max hingegen tadelte mich häufig, ich würde Bruce viel zu viele menschliche Charakterzüge zuschreiben.
Draußen vor der Tür peitschte mir der Februarwind ins Gesicht. Ich zog wie automatisch den Reißverschluss meiner Jacke weiter nach oben und die Mütze tiefer ins Gesicht. Bruce ließ sich brav anleinen und wir gingen einfach den geteerten Gehweg entlang. Ein paar Mal rechts, einige Male links. Auf halber Strecke hatte ich meine Kopfhörer und meinen iPod aus der Tasche geholt. Ruhige Musik rieselte auf mich nieder. Auch wenn ich einige dieser Lieder schon auswendig mitsingen konnte, machte ich mir nicht die Mühe sie zu überspringen und welche heraus zu suchen, die ich weniger oft gehört hatte.
Irgendwann begann es ein wenig zu schneien. Kleine Flöckchen rieselten herunter und blieben auf dem noch kalten Boden liegen. Im Park angekommen beschloss ich Bruce von der Leine zu lassen. Er hörte immer auf mich und noch dazu waren einige Pfützen auf dem Weg gefroren. Wenn er etwas sehen würde, dass ihm gefiel, würde er mich gnadenlos mit sich ziehen.
Doch da ich, nun einmal ich war, schaffte ich es auch ohne den Hund mich auf den Po zu setzen.
Ich wusste nicht warum, aber ich musste sofort an meinen Ex Freund denken. Schon wieder.
Matthew hatte mich im Winter bei einer Geburtstagsparty von Meghan angesprochen. Irgendwann, zu fortgeschrittener Stunde war uns dieser Trubel zu viel geworden. Wir wollten uns nicht ständig anschreien müssen. Also gingen wir irgendwann mitten in der Nacht spazieren. Der Schnee störte uns nur wenig. Die gefrorene Pfütze, dachte sich aber, sie müsste meinen Arsch mal aus der Nähe betrachten. Matt hatte mich darauf hin aus vollem Halse ausgelacht. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war ich seinem unverkennbaren Charme und seinem trockenen Humor restlos verfallen.
Bruce hingegen war Matthew immer ein Dorn im Auge. Dennoch übernahm er bei unserem Spaziergang den Part des „Auslachens." Jedenfalls in übertragenem Sinne. Denn als ich auf meinem Arsch auf der Pfütze saß kam er bellend zu mir gerannt. Dachte ich jedenfalls.
Denn er lief eiskalt an mir vorbei und blieb hinter mir stehen. War er jetzt blind geworden? „Danke, Bruce," entgegnete ich sarkastisch.
„Ich heiße zwar nicht Bruce, aber ich helfe dir gerne auf, Eisprinzessin."
Und neben den geschwollenen Augen und der chronischen schlechten Laune der letzten Wochen, bekam ich nun auch noch einen Herzinfarkt. Vermutlich auch einen blauen Fleck am Po, doch das wüsste ich frühestens morgen.
❣❣❣❣❣
Okay, okay, ich konnte es mir nicht verkneifen heute schon das erste Kapitel zu posten :D Aber ab jetzt kommen die restlichen Kapitel definitiv erst am 14. Februar🙊❤
Aber ich dachte mir, es ist Montag und ihr wollt vielleicht eine kleine Ablenkung ♥
Die Widmung dieses Kapitels geht an die superliebe heartsforsale , die mir vor einer Ewigkeit einfach so dieses tolle Cover hier geschenkt hat♥
P.S.: Den Kapitelsong, den ihr unten seht habe ich euch im externen Link verlinkt :3
♫ Valentine's Day - Zooey Deschanel
↬06.02.2017
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top