30 | Lokis Illusion
Der Bildschirm verdunkelte sich und mit dem Abspann des Filmes setzte eine langsame, tragische Melodie an. Ich konnte mich nicht rühren, mir liefen nur Tränen über Tränen aus den Augen. Das konnte doch nicht das Ende sein?!
Ich krallte meine Finger in die weiche Sofadecke und versuchte, nicht zu laut zu schluchzen. Doch es brachte nichts - er bemerkte es trotzdem. Besorgt stürzte er aus dem Nebenraum herbei und hockte sich vor das Sofa.
„Y/N, was ist los? Bist du krank, oder traurig? Ist jemand gestorben oder hats du Schmerzen? Soll ich-"
„Nein Loki, alles gut, mir geht es prima", sagte ich, nur um dann noch heftiger aufzuschluchzen. „Das Ende war nur so... Ich weiß a-auch nicht"
Schniefend vergrub ich mein Gesicht in meiner Armbeuge. Diesen Anblick sollte ich Loki wirklich ersparen, wie sollte er bitte damit umgehen.
Umso mehr überraschte mich seine Reaktion.
Eine große, warme Hand legte sich auf meinen Kopf und strich mir über mein Haar.
„Ich weiß, was du meinst, wenn du Trauer fühlst", flüsterte er mir sanft zu. „Keine Ahnung, was ich sagen soll - ich weiß nicht, weshalb ich irgendwelchen gezeichneten Männchen mit zu großen Augen und einziger Existenz auf einem Bildschirm hinterhertrauern sollte. Immerhin sind es nicht mal echte Lebewesen..."
Loki brach seinen Satz ab, als ich mich kurz aufrichtete und ihm einen durchdringenden Todesblick zuwarf - wie konnte er es wagen?
Sein Blick wurde sanfter, da schob er meine Decke etwas zur Seite und setzte - beziehungsweise quetschte - sich neben mir aufs Sofa.
„Willst du mir etwa sagen, du siehst sie als deinesgleichen an?", fragte er provozierend. Sogleich änderte sich meine Stimmung.
„Ich sehe alle Buch-, Film- oder Seriencharaktere als Meinesgleichen an", erwiderte ich trotzig und verschränkte meine Arme. Als wurde ihm noch nie das Herz beim Lesen eines Buches gebrochen!
„Schon klar - aber gib zu, dass diese Art von Medium etwas eigenartig ist. Hast du dir mal diese unförmigen Gesichter angeguckt?!"
Mein Mund stand mit vor Empörung auf. „Das nennt man Stil!"
Nun lachte Loki. „Stil, genau. Meine Kleidung, das ist Stil! Mutters Frisur ist Stil. Selbst du besitzt irgendwo einen... Aber das?"
Er sah wirklich ratlos auf. Ich schniefte nochmal, schnappte mir ein Taschentuch und putzte mir die Nase.
Dieser Schleim war aber auch nervig - hoffentlich bekam ich keinen Schnupfen.
Dann fiel mir plötzlich auf, wie nachdenklich Loki aussah. Er suchte beinahe verzweifelt nach Worten. Auf einmal wurde mir alles klar.
„Du versuchst mich aufzumuntern, stimmt's? Eigentlich findest du die gar nicht so blöd", mutmaßte ich.
Loki schenkte mir ein schiefes Grinsen, als würde er fragen wollen, ob das wirklich so offensichtlich war. Ich nickte entschlossen.
„Die Täuschung war schwach"
„Vielleicht war es gar keine Täuschung?", sagte er und zog eine Augenbraue hoch. Ich lachte auf, was wieder ein Schniefen auslöste.
„Stimmt doch - die sehen wirklich albern aus", verteidigte er sich.
Daraufhin erwiderte ich nichts, sondern putzte mir mir wieder die Nase.
„Immer noch von Gefühlen überwältigt?", wollte Loki wissen. Der belustigt Glanz in seinen Augen brachte mich wieder dazu, ihn mit meinen Blicken zu durchbohren.
„Immer noch und lange noch", prophezeite ich. Er stöhnte theatralisch.
„Also echt... Wirklich nur, weil dieser Typ gestorben ist?"
Alleine bei seinen Worten krampfte sich mein Magen wieder zusammen und eine weitere Horde Tränen kullerte über meine Wangen. Loki schien mehr als verzweifelt zu sein.
„Oh bei Odin - ist ja gut! Sieh doch her"
Während ich versuchte, mein Lächeln hinter meinem Taschentuch zu verbergen, tauchte Loki seine Gestalt in helles Licht. Seine schwarzen, dicken Haare wurden zu kurzen, flauschigen Strähnchen, seine Augen nahmen eine andere Farbe und Form an und seine Gesichtszüge verformten sich ebenfalls. Zum Schluss verwandelte er seinen Hoodie mitsamt Jogginghose in das typische Gewand, welches der zu betrauernde Charakter trug.
Von Loki war nun nichts mehr übrig, nur dieses zauberhafte Funkeln in seinen Augen blieb erhalten.
Obwohl mir immer noch Tränen über die Wangen liefen, brach ich in Lachen aus. Loki begann, wilde Grimassen zu schneiden und Bewegungen des Charakters nachzumachen. Das war zu komisch und gut zugleich - ich konnte nicht aufhören, zu kichern. Mit so einem Einsatz hatte ich ihn noch nie schauspielern sehen.
Dann hielt er einen Moment inne und betrachtete mich mit einem Lächeln.
„Du bist so schön, wenn du lachst"
„Selbst wenn mir Rotz und Tränen im Gesicht sind?", kicherte ich. Loki nickte.
„Besonders dann. Weißt du, es beweist Stärke, in den dunkelsten Momenten noch Lachen zu können. Das hat Mutter mir einst gesagt"
Mein Grinsen formte sich zu einem Lächeln. Lokis Wortwahl hatte mich kurz belustigt, doch das vergaß ich wieder, als er von seiner Mutter sprach. Er erzählte selten von ihr. Umso glücklicher schien er nun zu sein.
„Danke - ich liebe dich", sagte ich und fiel Loki in seiner Gestalt um den Hals. Zufrieden bemerkte ich, dass sein Duft sich nicht verändert hatte.
Es war mir, als würde ich noch ein leises „Wen von uns beiden wohl" hören, doch das tat ich mit einem Lachen ab. Er fuhr mit seinem Schauspiel fort, weswegen ich beschloss, mitzumachen.
„Du sollst nicht immer am Ende sterben, weißt du? Das passiert jedes Mal, wenn ich mir das angucke. Nie ändert sich was. Das ist nicht lustig"
Mein Nuscheln verstummte und ich umarmte ihn weiter.
Dabei fragte ich mich, ob Loki bemerkte, dass ich diese Sätze zwar auf den Charakter, aber auch auf ihn bezog.
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Hey, ich hoffe, der Oneshot hat euch gefallen :)
Eine kurze Mitteilung: Updates werden wie schon in letzter Zeit seltener werden, sprich circa alle zwei Wochen.
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