27 | Abschied

Mein Atem verwandelte sich in dünnen Nebel, als ich aus dem Schloss trat. Ich musste blinzeln, denn die gerade erst aufgehende Sonne schien mir direkt ins Gesicht. Es war zwar noch kühl, würde aber mit Sicherheit ein schöner Tag werden.

Und ich würde fehlen.

Schließlich hörte ich hinter mir leise Schritte. Ein Blick verriet mir, dass nach wie vor Soldaten hinter mir gingen, die mich, Thor, Frigga und Loki begleiteten. Es schien eher Routine, als eine dringende Notwendigkeit zu sein - an diesem Morgen war es so ruhig, dass alle Geräusche untergingen.

In diesem Moment schlief noch halb Asgard, und das war gut so. Denn heute war kein normaler Tag. Nein - heute war der Tag meiner Abreise. Ich würde, gemeinsam mit Thor, Asgard verlassen und stattdessen auf Midgard leben. Diese paar Monate schienen auf den ersten Blick nicht viel, doch ich wusste, es würde jemanden geben, der sich das alles sogar noch mehr zu Herzen nehmen würde, als ich.

Und dieser Jemand hieß Loki.

Mittlerweile waren wir losgegangen, doch ich hatte mich zurückfallen lassen, so dass ich alleine mit ihm war. Wir gingen nebeneinander her. Der Gott schwieg, genau wie ich. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Die Angst, den Schmerz mit jedem Wort wieder aufzureißen oder möglicherweise zu verschlimmern, siegte über den Wunsch einer Unterhaltung.

Es war nicht so, als hätten wir noch nicht geredet. Im Gegenteil, wir hatten geredet, diskutiert, er hatte mich angefleht zu bleiben - alles, bis er es einsehen musste. Auf Midgard gab es Freunde, die mich brauchten, und auch Thor hatte etwas zu erledigen. Nur für Loki wäre es, nach allem Geschehenen, nicht möglich. Ich musste ihn zurücklassen.

Bei dem Gedanken an unsere Gespräche bekam ich wieder einen Kloß im Hals, der einfach nicht wegwollte. Ich liebte Loki und mein Herz verkrampfte sich, wenn ich auch nur daran dachte, die nächsten Nächte alleine zu verbringen. Auch wenn mein Verstand begriff, dass ich ging, so wollte es meine Gefühlswelt noch nicht einsehen. Trotzdem machte ich mir Gedanken.

Wir hatten uns versprochen, in Kontakt zu bleiben. Vermutlich würde er die Tage damit verbringen, Heimdall nach mir zu fragen. Genauso wie ich jeden Tag an ihn denken würde.
Loki und ich waren schon seit längerer Zeit ein Paar, doch eine längere Zeit getrennt waren wir noch nie.

So gingen wir schweigend den Weg entlang, der uns zur Regebogenbrücke führte. Ab dann würden Thor und ich alleine sein. Die Bäume warfen lange Schatten und ich hörte einige Lerchen zwitschern. Wir wurden mit jedem Schritt langsamer, bis wir ankamen. Frigga umarmte mich und wünschte mir alles Gute, dann wandte sie sich Thor zu.

Loki und ich standen uns gegenüber. Seine Haare wehten leicht im Wind, doch der Rest von ihm war reglos. In seinen grünblauen Augen glitzerte der Schmerz. Ich atmete tief durch, bevor ich es nicht mehr länger aushielt. Wie aus dem Nichts ging ich nach vorne und umarmte ihn mit aller Kraft. Ich spürte seine Wärme, seine bebende Brust, seinen stotternden Atem.

„Du wirst mir fehlen", hauchte ich an seine Schulter.
„Bei Odin, ich werde jede einzelne Sekunde an dich denken", sagte Loki und drückte mich endlich zurück. Wir standen dort einige Sekunden eng umschlungen, als ich mich langsam von ihm löste.

„Wieso musst du gehen?", fragte Loki plötzlich und verzog sein Gesicht. Mein Magen verkrampfte sich, ich wollte brechen und heulen zugleich.
Verdammt, wie ich diese Abschiedsgefühle hasste.

„Du weißt, warum ich gehen muss. Ich - es tut mir leid. Es tut mir wirklich leid, aber ich muss"
Mit einem leisen Schluchzer schüttelte ich den Kopf. Das war nicht fair - selbst wenn ich meine Entscheidung hätte ändern können, ich wusste, dass es nur zu einem größeren Übel führen würde. Dennoch, wieso musste es so wehtun?

„Wir sehen uns wieder, in Ordnung? Schon ganz bald", sagte ich, obwohl ich mir selber meinen Optimismus nicht abkaufte.
„Pass auf dich auf", flüsterte Loki mit sorgenvollem Blick. Ich nickte.
„Du auch. Bitte, stirb ja nicht während ich weg bin"

Loki schmunzelte, doch auch ihm war bewusst, dass ich es todernst meinte. Einige Monate ohne ihn könnte ich überstehen, nicht aber den Rest meines Lebens.

„Y/N? Sag Bescheid, wenn wir loskönnen", hörte ich Thor auf einmal sagen. Sogar er klang außergewöhnlich sensibel an diesem Morgen. Ich nickte und biss mir auf die Lippen.
Ein letztes Mal schlang ich meine Arme um Lokis Rücken.

„Ich liebe dich!", sagten er und ich plötzlich gleichzeitig, so dass wir kurz auflachten. Loki strich mir über mein Haar.
„Du bist mir das Wertvollste in diesem Universum, Y/N. Warte nur ab, bis du wieder da bist"
Mein Herzschlag beschleunigte sich bei seinem Versprechen.

„Ich kann es jetzt schon kaum erwarten", sagte ich. Dann hob ich mein Kinn an und wir küssten uns. Seine Lippen waren weich wie Butter und schmeckten, dank unseres Frühstücks, sogar danach. Ich legte meine Hände an seine Wange und spürte gleich darauf eine heiße Flüssigkeit zwischen meinen Fingern. Loki weinte - wegen mir. Sanft wischte ich seine Tränen weg.

Seine Finger strichen trotz allem beruhigend über meinen Rücken. Ich wollte, dieser Moment endete nie. Aber er tat es.

Lokis Hände wanderten an meine Hüften und wir entfernten uns langsam voneinander. Wir sahen uns tief in die Augen und fassten uns bei den Händen.

„Auf Wiedersehen, Darling"
Ich verkniff mir ein Schluchzen. „Auf Wiedersehen, Loki"

Mit vollster Sehnsucht in meinem Herzen taumelte ich von ihm weg. Unsere Finger berührten sich als letztes, bevor auch diese Berührung aufhörte und ich mich anatomisch von Loki trennte. Ich spürte seinen Blick noch lange, als ich mich umdrehte und mit einem schweren Seufzer zu Thor ging. Der Ase wartete bereits auf mich, auch er trug eine schwermütige Miene.

Es gelang mir irgendwie, meine Trauer kurz zur Seite zu schieben, bis ich bei dem Gott des Donners stand. Ein letztes Mal drehte ich mich um und sah meiner Liebe ins Gesicht. Er lächelte mir zu, als würde er mich trösten wollen. Ich erwiderte seinen Ausdruck und nickte ihm ein letztes Mal zu.

Dann machten Thor und ich uns auf den Weg. Er schien Stunden zu dauern, trotzdem kamen wir viel zu schnell an.

Heimdall öffnete wortlos den Bifröst, er wusste, wo wir hinwollten. Nur Thor verabschiedete sich von ihm, ich brachte keinen Ton heraus und neigte nur meinen Kopf.

Als das Licht sich um Thor und mich schloss, um uns nach Midgard zu bringen, ließ ich meinen Blick nicht vom Horizont los, wo Loki noch immer stand. Er wirkte klein und ich konnte ihn kaum erkennen. Der Gott war nur ein kleines, schwarzes Figürchen inmitten einer großen Welt, die uns beide trennte.

Doch meine Augen brauchte ich nicht, um zu wissen, dass er nie den Blick von mir abwendete und schon jetzt sehnlichst auf meine Rückkehr wartete.

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Würde wer ein Wiedersehen wollen?

Danke übrigens für die 400 Votes!
Ihr seid die Besten <3
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