12|Für alle Zeit. Immer
TW: Trauer, Tod
Monoton wie eine Maschine richtete ich mich auf und klopfe mir müde den Dreck von der Hose. Ich war wohl ein wenig aus der Übung gekommen, was das Reisen mit dem Bifröst anging. Stapfende Schritte hinter mir sagten, dass Thor ebenfalls auf den Beinen war. Ich wartete noch kurz auf ihn bis wir uns gemeinsam in Bewegung setzten. Auch wenn es mittlerweile Frühling war, war mir bitterkalt. Schnell zog ich meine schwarze Jacke enger und versuchte, die nervige Gänsehaut zu ignorieren.
Thor und ich stapften über den steinigen Weg, das einzige, was man hörte, war das gleichmäßige Knirschen des Kies' und unser tiefen, schnaufenden Atemzüge. Ich versuchte, mich auf das zu wappnen, was jetzt kam... Etwas, was ich teilweise mit Trauer, als auch mit sinnloser Hoffnung erwartete. Doch hauptsächlich spürte ich irrationale Angst.
Angst vor der Konfrontation, Angst vor dem, was er sagen würde, noch schlimmere Angst vor dem, was er vielleicht nicht sagen würde.
Und dann noch Todesangst vor dem, was danach geschehen würde.
Auch wenn die Beerdigung auf Asgard bereits vollbracht war, gab es noch etwas, was wir uns ansehen mussten - wir, das waren seine letzten Angehörigen. Thor und ich, begleitet von einigen vertrauten Agents, Asgardianern und den verbliebenen Avengers. Mein Herz schmerzte schon bei dem Gedanken an diejenigen, die ihn ebenfalls gekannt hatten, also verbannte ich sie schnell aus meinem Kopf.
Der Wind zerrte an meinen Haaren und langsam verfluchte ich mich dafür, sie nicht zusammengebunden zu haben. Ich würde schrecklich aussehen... Auch wenn es wahrscheinlich niemanden kümmerte. Mich eingeschlossen..
Nach einigen Minuten kamen der Donnergott und ich an das Ende des Wegen und gingen ein Stück über einen etwas matschigen Trampelpfad, als wir endlich unser Ziel, eine kleine, unbewohnte Hütte im Besitz einer älteren Agentin, erreichten. Der Grund für diesen Standort war lediglich die ruhige Gegend, in der wir Asgardianer unauffällig nach Asgard zurückkehren konnten, ohne einen Parkplatz zu zerstören.
Thor und ich wurden von unseren alten Freunden, sprich Clint, Wanda, Sam und einigen Asgardianern, die jedoch wegen des Donnergotts gekommen waren und nicht wegen Loki, empfangen.
Ich ließ das Aussprechen des Beileids der anderen sowie etwas unbefangene Umarmungen über mich ergehen, auch wenn ich mir nichts weiter wünschte, wieder zu Hause in meinem Bett zu liegen und alleine zu trauern.
Und doch war da dieses Verlangen, diese unbändige Neugier, die mich trieb. Ich wünschte, wir hätten mehr Infos bekommen, bevor wir von Friday herbestellt wurden, mit der Nachricht, sie hätten etwas von Loki gefunden, dass wir unbedingt sehen müssten.
Nachdem ich damals stundenlang versucht hatte, durchzukommen, konnte ich schließlich Wanda erreichen und herausbekommen, um was es sich handelte: Eine Videobotschaft, angeblich im selben Format wie die von Tony.
Nach einer Viertelstunde, die sich wie Kaugummi in die Länge gezogen hatte, hatten Thor und ich endlich die offizielle Aufforderung erhalten, uns über die wenigen Stufen in das kleine weiße Haus zu begeben. Die Einrichtung war schlicht gehalten, genauso wie das Äußere, lediglich einige weiße Rosen zierten die Fensterbänke, während an der gegenüberliegenden Wand ein kleiner Kamin stand. Daneben befanden sich zwei ältere Holzstühle.
In der hinteren, fensterlosen Ecke war ein kleines Durcheinander an Kabeln, die schließlich einen Apparat in der Größe einer Konservendose mit dem Stromnetz verbanden.
Hier würde ich ihn das letzte mal hören und sehen. In einer Hütte... Ein kurzer Ausschnitt aus der Vergangenheit.
Ehe ich es zurückhalten konnte, wurden meine Knie weich und meine Hände fingen unkontrollierbar an zu zittern. Bitte nicht schon jetzt, vor allen anderen!
Auf einmal spürte ich wie sich eine Hand sanft auf meine Schulter legte. Als ich mich umdrehte, erkannte ich, dass es Clint war.
„Hey... Du musst das nicht machen, nicht sofort. Du hast Zeit, wir werden sowieso den ganzen Tag hier verbringen"
Ich schüttelte den Kopf und meinte mit bemüht fester Stimme: „Nein danke, das geht schon. Ich schaffe das"
Clint nickte und klopfte mir aufbauend auf die Schulter, was allerdings nur ein geringer Trost bei dem ganzen Schrecken war. Dennoch hatten seine Worte mir genug Ablenkung verschafft, so dass ich mich wieder unter Kontrolle hatte. Für wie lange, war jedoch unklar.
„Ich warte mit den Agents draußen, dann habt ihr zwei eure Ruhe. Falls ihr etwas braucht, stehen wir euch bei", versprach er noch.
Mein Nicken reichte als Antwort und so drehte sich der Bogenschütze um und kehrte zu der kleinen Gruppe Agents zurück. Mein Blick streifte kurz den von Wanda, die ebenfalls dort stand und mir kurz ein mitfühlendes Lächeln schenkte.
Dann raffte ich mich auf und ging festen Schritts hinter Thor in das Häuschen.
Der blonde Mann hatte bereits zwei Stühle bereitgestellt und kniete vor dem kleinen Gerät.
„Wird es funktionieren?", fragte ich zögernd. Thor sah über die Schulter zu mir hoch und murmelte: „Ja, ich denke. Man hat mir ja gezeigt, wie es geht"
Im nächsten Moment gab es ein lautes Klicken, woraufhin ein Summen ertönte. Gleichzeitig öffnete sich eine kleine Klappe und ein blaues Licht schien aus dem Gerät. Zunächst unscharf, konnte man bald schon genauere Umrisse einer großen Person erkennen - das musste Loki sein.
Thor schien zu demselben Schluss gekommen zu sein.
„Es müsste in wenigen Sekunden beginnen... Setzen wir uns", schlug er leise vor. Wir nahmen etwa eineinhalb Meter von dem Apparat entfernt auf den Holzstühlen Platz und starrten gebannt auf das flackernde Licht, in welchen sich schon die Gesichtszüge von ihm abzeichneten. Im ersten Moment blieb mir die Luft weg. Wie lange habe ich davon geträumt, ihn nur noch ein Mal zu sehen... Und nun war es so weit.
Das Summen verstummte langsam und hinterließ einen Augenblick Ruhe, der dem Tod persönlich glich. Das Bild von einem Loki, der aufrecht stand und die Hände zu Fäusten geballt hatte, stand nun fest und still - bis alles ein für alle Mal lebendig wurde. Die Botschaft begann.
„Diese Aktion passt nicht zu mir, ich weiß. Mir ist klar, dass ich ein Gott bin, ich mache was ich will und ich glaube, jeder weiß das auch."
Ich war, ohne es dabei zu merken, von meinem Stuhl aufgestanden. Seine Worte, sein Anblick, alles hatte mich wie ein Blitz auf einmal getroffen. Seine Stimme klang selbst durch die Verzerrung so wie... So wie früher. Loki sprach nicht vollständig überzeugt von sich, was hatte ihn dazu verleitet?
„Doch ich muss das tun... Es kann sein, dass mein Ende nah ist. Und für den Fall tue ich das hier, meine neuen letzten Worte, falls mir die anderen nicht legendär genug sind. Und nein, ich habe die Idee nicht von der Blechbüchse oder Friday bekommen, das war meine eigene geniale Idee."
Bei dem Gedanken an Tony schwappte eine Welle alter Trauer, jedoch weniger schmerzhaft über mich, während mich Lokis typischer Stolz am Ende dazu brachte, meine zittrigen Mundwinkel kurz zu heben. Ich konnte gar nicht in Worte fassen, wie sehr ich ihn vermisste.
„Nun ja... Wenn ich im Kampf fallen werde, kann ich nicht von euch erwarten, dass ihr nicht trauert. Aber ich würde mir wünschen, dass ihr dennoch nicht aufhört zu leben. Ich bin mir des Risikos des Kampfes morgen bewusst, ansonsten würde ich... Würde ich das hier wohl kaum machen.
Doch bitte erfüllt mir den Wunsch und macht weiter. Es wird eine Zeit kommen, wo wir uns hinter dem Licht wiedersehen.
Also dann... Thor... Wir haben uns nicht mehr viel zu sagen. Unsere Eltern sind tot und haben uns zurückgelassen und vielleicht bin ich es, wenn du das hier siehst, ebenfalls.
Doch ich bin zuversichtlich, dass du es überstehen wirst. Sei der Krieger, der Held, der du schon immer sein wolltest. Führe Neu-Asgard an, oder tu es nicht, nur...
Bitte versprich mir, dass du auf Y/N aufpasst. Und zuletzt, vergiss mich, vergiss uns nicht... Als Brüder. Halte mein Andenken in Ehren"
„Das werde ich, Loki", flüsterte Thor mit bebender Stimme, bevor er seine geballte Hand hob und vor seinen Mund hielt. Er versuchte, nun ebenfalls aufrecht auf seinen Beinen, verkrampft seine Schluchzer zurückzudrängen, während mir bereits schwache Tränen die Augen benetzten.
Die Gestalt von Loki fuhr sich müde durch die Haare und starrte nachdenklich auf den Boden.
„Y/N, ich... Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Du hast besseres verdient. Mir war eigentlich schon immer klar, was du mir bedeutest, wie wertvoll du für mich bist. Aber ich-"
An der Stelle zuckte er zusammen, als würden die Worte ihm wehtun. Ich wimmerte leise und die Sorge packte mich, so dass das Verlangen, ihn zu drücken, zu berühren wieder in mir wuchs. Doch ich rührte mich nicht und blickte weiter auf die flackernde Gestalt. Langsam redete er weiter.
„Y/N, es tut mir so leid. Ich war derjenige, der es uns so schwer gemacht hat und du, du hast das alles ertragen..."
In meiner Brust zog sich alles krampfhaft zusammen, während ich wie gelähmt beobachtete, wie Loki um seine Fassung rang.
„Ich habe niemals im Leben aufrichtig um Verzeihung gebeten, bis heute kein einziges Mal. Doch ich... Ich tue es jetzt. Du bist ein wundervoller Mensch, Y/N, und nichts von all dem Schmerz hast du verdient. Wenn ich könnte, würde ich die Welt an mich reißen, nur um sie dir zu Füßen zu legen.
Wenn ich bald nicht mehr auf Erden weile... Selbst dann wirst du nicht alleine sein. Ich werde immer bei dir sein. Selbst wenn du mich nicht sehen kannst.
Ich liebe dich, Y/N. Für alle Zeit. Immer"
Lokis Blick wanderte ins Leere und er kniete sich hin, um das Gerät auszuschalten. Da endete die Übertragung. Die letzten Worte hinterließen etwas in mir, was ich noch nicht deuten konnte. Anstatt der Leere war ein Chaos an Gefühlen entstanden...
Ich rührte mich nicht, bis alles über mir einbrach. Tränen liefen mir über die Wangen, ohne dass ich sie zurückhalten konnte.
Ich würde ihn nie wieder sehen... Das war der endgültige Abschied. Als Thor dies bemerkte, zögerte er nicht, sofort die Arme um mich zu legen und mich in eine feste Umarmung zu ziehen. Auch wenn ich diese nicht immer mochte, war es genau das was ich gerade brauchte. So zog ich ihn ebenfalls nah an mich heran und ließ meinen Gefühlen freien Lauf.
Als wir einige Zeit später die Hütte verließen, fühlte ich mich anders als zuvor. Doch nicht im negativen Sinne... Hatte das hier also geholfen?
Ich würde noch weitere Zeit brauchen, zum Nachdenken sowie zum Trauern.
Doch Loki hatte Recht. Wir mussten weitermachen... Ich musste das überstehen. Und dabei war ich nicht alleine. Ich hob den Kopf und blinzelte in Richtung Sonne.
Ja, er würde bei mir sein.
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Damit endet dieser OneShot. Wie hat er euch gefallen?
Tut mir leid, dass ich erst heute aktualisiert habe, aber im Moment habe ich wirklich kaum Zeit. Ich werde trotzdem alles geben, was ich kann.
Vielen Dank aber auf jeden Fall für die ganzen Reads! In der letzten Zeit kommen wirklich viele neue dazu, das freut mich total :)
Vor allem möchte ich mich bei denen bedanken, die voten oder sogar kommentieren... Ihr seid einfach toll <3
Ohne euch wäre das alles hier nicht möglich💚
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