16. Verdrängte Erinnerung *

Müde und ein wenig kaputt erwachte ich schließlich aus meinem recht ruhigen und friedlichen Traum, in dem ich nicht von irgendwelchen Erinnerungen heimgesucht wurde, ehe mir wieder nach und nach bewusstwurde, weswegen ich überhaupt so kaputt war, denn ich hatte mich mit Cole gestritten und war in Lokis Armen zusammengebrochen. Ich setzte mich sofort ein wenig aufrechter hin und bemerkte da auch schon überrascht, dass Loki neben meinem Bett auf einem Stuhl saß und offensichtlich eingeschlafen war, wobei er so wunderschön wirkte. Wie konnte jemand nur so wunderschön sein? Ich drehte mich mehr so hin, dass ich ihn anblicken konnte und ein Lächeln erschlich sich wie von alleine auf mein Gesicht, denn er wirkte so friedlich, wenn er schlief und am liebsten wollte ich mich an ihn kuscheln, doch genau das war der Punkt. War diese ganze Cole Sache nicht dazu da gewesen, um nicht mehr so etwas zu verspüren? Es war schräg, wie etwas Abstand zu Cole gleich alles wieder ruinieren konnte. Es erschreckte mich ein wenig, wie leicht Loki sich wieder auf so eine Weise an mich schleichen konnte, was für eine Wirkung er auf mich hatte.

„Du starrst", nuschelte Loki dann plötzlich irgendwann und verdattert merkte ich, wie er langsam seine Augen öffnete und mich müde anlächelte.

„Wie merkst du so etwas?"
„Das fragst du mich nach all den Jahren noch wirklich?", fragte er und fuhr sich durch seine total wirren Haare, ehe ich auflachte.

„Ja, ist wahrscheinlich dumm von mir", murmelte ich und spürte sofort, wie aufgeregt mein Herz zu schlagen begann, als er sich erhob und neben mich setzte, mir noch näherkam.

„Mutter war vorhin noch mit Thor hier, aber als sie sich sicher waren, dass es nicht schlimm sei, konnte ich sie dazu bewegen, zu gehen", erklärte er und legte sich dann hin, so dass wir einfach nebeneinander lagen und er damit es nur geschafft hatte, mich total hibbelig zu machen, denn verdammt nochmal, wie sollte ich es schaffen ihn nicht einfach zu berühren, oder gleich über ihn herzufallen? Was stimmte nur nicht mit mir so zu denken? Ich war mit Cole zusammen, es war grauenvoll von mir so über jemanden zu denken, der nicht er war, doch mein Kopf schien voll von Loki zu sein und es überforderte mich.

„Und Cole?", fragte ich deswegen nach, um meine Gedanken abzulenken, denn egal wie sauer ich auf ihn war, ich durfte das nicht beenden, ich musste meine Gefühle auf Cole fixieren.

„Er wollte kommen, doch Thor hat ihn... naja sanft hier herausgebracht", erklärte er mit einem leichten Lächeln und meine Augen weiteten sich panisch.

„Hat er ihm weh getan?"
„Du bist viel zu gut für diesen Idioten", spottete Loki daraufhin nur und sein besorgter, liebevoller Blick wurde gleich viel kälter.

„Ich will nur nicht, dass er verletzt wird. Wir müssen das untereinander klären und nicht so", murmelte ich und wusste, dass Loki es nicht verstehen würde, er würde es auch nicht verstehen, dass ich mich in eine Beziehung drängte, um meine Gefühle ihm gegenüber zu verlieren, niemals würde er das verstehen und deswegen konnte ich es ihm nicht erklären.

„Wann hast du nur angefangen so erwachsen zu werden?", fragte er leise und ich lachte verbittert auf, denn das fragte ich mich auch. Wann wurde plötzlich alles so ernst und verwirrend? Wann hatten die friedlichen Jahre ein Ende gefunden und wieso? Wieso hatte nicht alles so bleiben können wie einst?

„Frage ich mich auch", murmelte ich und war froh, als er das Thema wechselte und wir nicht weiter über Cole sprachen, auch wenn ich diesen am liebsten nun gesehen hätte, um mich in unsere nicht vorhandene Liebe zu stürzen, nur leider schrie mein Herz nach Lokis Nähe und so war ich einfach glücklich neben ihm zu liegen, während er mir irgendwelche Geschichten erzählte und ich seiner Stimme lauschte, seinen Geruch einzog und entspannt von seiner Nähe schnell wieder einschlief und in eine sorgenlose Welt eintauchte.

Ich träumte von einer Zeit noch ganz am Anfang, noch bevor ich Loki oder Thor kannte, wo ich noch bei meinen Eltern lebte und mir war bewusst, dass es nicht einfach ein Traum war, sondern eine Erinnerung, die ich schon lange vergessen hatte in all der Zeit, die ich verdrängt hatte, weil sie so schön war, ehe sie so furchtbar enden musste. Ich war in meinem weiß gestrichenen Zimmer, dessen Holzvertäfelung wunderschöne Blumen aufwies und das ausgestattet war, als wäre ich der größte Schatz meiner Eltern.

„Marcy", rief meine Mutter mit ihrer hellen, klaren Stimme, die etwas so Harmonisches an sich hatte, dass sogar die Vögel von den Liedern, die sie sang, angetan waren und ihr jeden Morgen zuhörten, wie sie singend durch den Garten schritt. Sie öffnete meine Zimmertüre mit einem Lächeln und schon kam sie in einem weißen Kleid, das einen Hauch von rosa in sich trug, auf mich zu und nahm mich in ihre Arme. Zuvor hatte ich auf dem weichen Teppich meines Zimmers gesessen und mir ein Bilderbuch angesehen, das von den Königen Asgards handelte.

„Mami, wusstest du, dass König Odin..."
„So ein Buch ist doch wirklich nicht das Richtige für ein süßes Mädchen wie dich", tadelte sie mich lächelnd und ihre grünen Augen zeigten so viel Liebe dabei, als sie mir einen Kuss auf die Stirn drückte, „Ein kleines Mädchen sollte sich in Kleider hüllen wollen und über die Prinzessinnen Asgards etwas lesen wollen."
„Aber Asgard hat derzeit keine Prinzessin", jammerte ich, als sie mich auf mein Bett absetzte und ich wie so oft neidisch zu ihr aufsah, da sie so bildschön war. Ihre braunen fast blonden Haare wirkten wie Gold, und ihre Haut glänzte makellos im Licht der hereinscheinenden Sonne.

„Vielleicht haben sie bald ja eine, man weiß nie", sagte sie und nahm meine Marienkäferhaarspange aus meinem Haar, so dass meine vorderen Haarsträhnen wieder nach vorne in mein Gesicht vielen, ehe sie die Spange auf einen Tisch ablegte und dann mir ein Lächeln schenkte, „Aber derzeitig sollte deine einzige Sorge dein Geburtstag sein."
„Wann kommen die Gäste denn?", fragte ich aufgeregt nach und war schon wieder aufgesprungen mit dem Gedanken an den Ball, der unten im Haus vorbereitet wurde. Es würde getanzt werden, tolles Essen geben und ich dürfte eines meiner schönen Kleider anziehen.

„Sie sind sicher bald da, aber zuvor habe ich ein Geschenk für dich, meine Prinzessin", sagte sie und lief schnell aus meinem Zimmer, wobei es eher so wirkte, als würde sie wie eine Elfe heraus tänzeln. Als sie wiederkam, trug sie ein großes Paket bei sich und hibbelig lief ich auf sie zu und entriss es ihr, als mein Mund staunend aufklappte, denn es war ein wunderschönes weißes Kleid darin, das so kostbar und leicht wirkte, dass ich sprachlos war.

„Oh du meine Güte", hauchte ich verdattert und hörte meinen Vater an der offenen Türe stehend lachen.

„Nur das Beste für dich, Marcy", sagte er und ich sprang direkt lachend in seine Arme, ehe ich das Kleid in die Hand nahm und damit in mein Badezimmer rannte, denn ich wollte es unbedingt anprobieren. Schnell zog ich mein jetziges Kleid aus und warf es achtlos auf den Boden, ehe ich mein Neues anzog und wieder in mein Zimmer lief, wo meine Mutter freudig in die Hände klatschte.

„Bezaubernd..." Zu mehr kam sie da auch schon nicht mehr, als unten einer unserer Bediensteten aufschrie und ein unglaublicher Lärm ertönte, doch nicht nur von hier. Die ganze Straße war plötzlich voller Leben und überall waren Schreie zu hören, panische und hysterische Schreie.

„Bleibt wo ihr seid!", sagte mein Vater sofort und hastete aus dem Zimmer und weiter nach unten, wo Geräusche wie aus einem Kampf ertönten und ich nur verstört zur Türe blicken konnte, denn diese Schreie waren grausam.

„Mami?", fragte ich verängstigt nach und sah in das wie erstarrte Gesicht meiner Mutter, die panisch zur Türe sah.

„Bleib wo du bist und wenn irgendwer kommt, dann krabble unter das Bett", wies sie mich an und nahm einen Kerzenständer, der auf einem Tisch stand, ehe sie ebenfalls aus dem Zimmer schlich und ich zu Weinen begann, denn sie durfte mich nicht alleine lassen, so lange da gerade etwas Schreckliches geschah. Tränen bahnten sich einen Weg nach außen und als ich meinen Vater unten nun genauso voller Schmerz schreien hörte wie zuvor unsere Diener, hielt ich es nicht mehr aus und rannte aus dem Zimmer. Das ganze Haus erschütterte und ich duckte mich von herabfallenden Stücken der Decke hinweg, als ich taumelnd und von dem Lärm, dem Erdbeben eingeschüchtert nach jemanden suchte, als ich schreiend die Leiche einer meiner Zofen sah. Ihre Augen waren weit aufgerissen und ihre Kehle durchgeschnitten. Ich spürte, wie mir schlecht wurde von dem erschütterenden und traumatisierenden Anblick und ich drohte zusammenzubrechen, doch das erlaubte ich mir nicht, als ich meinen Vater nach meiner Mutter rufen hörte. Schnell lief ich nach unten, wo ich nicht mehr ausmachen konnte, wo jemals was gestanden hatte, so voller Schutt, Blut und Trümmern war hier alles. In dem Moment sah ich es auch schon. Ich sah die Ursache für all das und konnte nur mit geweiteten Augen zu dem Eisriesen sehen. Zu viele Bilder hatte ich in Büchern gesehen, zu viele Geschichten hatte ich gehört und nun waren sie da, aber wieso? Es gab keine Riesen auf Asgard, wie waren sie hierher gekommen?

„Hallo kleines Ding", lachte er auf und lief auch schon auf mich zu, doch so schnell würde ich nicht aufgeben können, nicht so lange meine Eltern noch irgendwo hier waren. Ich drehte mich hastig um und rannte davon, wissend, dass es nichts bringen würde, sie waren eben nicht umsonst Riesen. In dem Moment spürte ich auch schon, wie mich einer von ihnen packte und weinend sah ich in das Gesicht des Monsters, mit der Gewissheit, dass ich sterben würde, an meinem Geburtstag sterben würde, vielleicht gefressen werden würde oder man würde mir auch die Kehle durchschneiden wie bei meiner Zofe.

„Bitte", schluchzte ich verzweifelt, hatte Angst, wollte zu meiner Mutter, wollte weg von hier, als die Klinge des Riesen auf mein Hals gerichtet wurde.

„HAAAALT!" Mit geweiteten Augen sah ich zu meiner Mutter da plötzlich. Meiner wunderschönen lieblichen Mutter, die sogar noch mit einem zerrissenen Kleid und Dreck im Gesicht bildschön wirkte. Ihre Hände waren voller Blut und ich sah, dass sie geweint hatte. Irgendwo in einem anderen Zimmer hörte ich andere Bedienstete noch schreien, doch von meinem Vater war nichts mehr zu hören, war er tot?

„Nimm mich, aber... aber lass meine Tochter", schrie sie flehend und ich schluchzte panisch auf, denn das konnte sie nicht machen.

„Wir können euch auch beide töten... dein Mann hätte es verdient euch beide zu verlieren", sagte er und ich versuchte Blickkontakt mit meiner Mutter zu erhalten, doch vergebens.

„Sie ist nur ein Kind... ein kleines Kind, sie ist unschuldig, hat niemandem je irgendwas getan", sagte meine Mutter ruhig und voller Trauer in der Stimme, als der Riese mich achtlos hinter sich auf den Boden schmiss und seine Klinge dabei meinen Bauch leicht schnitt, was mich jedoch nicht kümmerte, egal wie sehr es auch brannte, denn panisch sah ich zu meiner Mutter, auf die der Riese und ein weiterer, der dazu gekommen war, nachdem er wohl unsere Bedienstete ausgeschaltet hatte, da diese nun auch still waren, zuschritten.

„Austrinken und der Kleinen passiert vorerst nichts", sagte er und reichte ihr ein Fläschchen, das meine Mutter in die Hand nahm und entsetzt ansah, ehe sie es in einem Zug austrank und dann zu mir schaute.

„Schatz, renn weg, renn weg und schau nicht zurück", sagte sie und ich wusste nicht wieso, doch ich tat genau das. Ich lief aus dem Zimmer und wollte raus, doch konnte ich es nicht, ich konnte nicht gehen, bevor ich nicht wusste, was los war, weswegen ich mich hinter einigen Trümmerteilen versteckte, als ich die Schreie draußen noch deutlicher hörte und sah, wie die beide Riesen an mir vorbeiliefen.

„Und das Mädchen?", fragte einer von beiden.

„Wenn wir sie jemals wiedersehen, dann wird sie dasselbe erleiden wie ihre Mutter und ihr Vater", lachte der andere und ich konnte keine Sekunde länger warten, als sie verschwanden, sprang ich auf und eilte zurück, wo meine Mutter auf dem Boden lag und so blass wurde. Was war nur mit ihr? Was war das für ein Zeug in diesem Fläschchen gewesen?

„Mami...", schluchzte ich und nahm ihre Hand in meine, die so kalt wie Schnee war.

„Marcy... ich habe dich so lieb", hauchte sie und entsetzte stellte ich fest, dass ihre Augen anfingen blau zu werden, und sogar ihre Haare einfroren.

„Was geschieht hier?", weinte ich und wollte sie wärmen, doch es brachte nichts.

„Weine nicht, Prinzessin. Dein Vater und ich sind immer bei dir... wir lieben dich so... so sehr", sagte sie und ich wusste, dass sie geweint hätte, wenn sie könnte, doch sie erfror. Sie erfror einfach.

„Mami", schluchzte ich, als ihr Blick leer wurde und ich aufschrie, es nicht glauben konnte, nicht wahrhaben konnte, doch sie durfte nicht einfach fort sein, sie war doch gerade noch da gewesen. Am liebsten wäre ich bei ihr geblieben, doch da erschütterte das ganze Haus und ich sah wie die Decke immer mehr und mehr einstürzte, weswegen ich panisch aufsprang und ein letztes Mal zu meiner toten Mutter sah, ehe ich zurück in die Eingangshalle taumelte, wo als einziges die Decke nicht vorhatte herunterzufallen und dort angekommen sank ich zu Boden und sah zu den Trümmern meines Hauses, meines Lebens, als ich eine Stimme rufen hörte.

„Hallo?" Und ab hier war meine Erinnerung zu Ende.

Aloha :) Ein kleines Kapitel für euch, aber dafür kommt schön am Sonntag als Ostergeschenk ein neues xD Und das hat es nicht nur in sich, sondern ist auch schöööön lang :) Ich hoffe dennoch, dass euch das Kapitel gefallen hat und ihr seid alle wundervoll xx


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