114. Leere Drohung



Es gab vermutlich nicht viele Dinge, die so schön waren, wie ein Sonnenaufgang. Kaum etwas war vergleichbar mit der Schönheit eines solchen Anblicks, wenn der Himmel anfängt in den verschiedensten Farben aufzuleuchten, die Welt heller, lebendiger wurde. Für mich hatte ein solcher Anblick jedoch auch eine ganz andere Bedeutung, als für viele andere. Für mich war es nicht einfach nur schön das mitanzusehen, es beendete für mich meine Ängste, beruhigte mich, zeigte mir, dass ich nicht gefangen auf der anderen Seite war und so atmete ich auch dieses Mal erleichtert auf, als die Welt anfing heller zu werden, die Dunkelheit nach und nach verschwand, der Albtraum für heute wiedereinmal ein Ende fand.

Ich seufzte erleichtert davon auf, wandte mich von der nun fast völlig aufgegangen Sonne ab und betrat mein Zimmer wieder, nachdem ich auf dem Balkon gestand war, die halbe Nacht nur wach gewesen war und dementsprechend müde jetzt auch war. Loki war zwar da gewesen, bei mir gewesen, hatte versucht mich zum Schlafen zu bewegen, mir Geschichten erzählt, meine Hand gehalten, hatte sogar zu Singen angefangen, was leider alles andere als schön geklungen hatte, und doch war es unmöglich gewesen für mich einzuschlafen. Ich war einfach zu mitgenommen von dem gestrigen Tag, davon das Grab meiner Eltern gesehen zu haben, das Grab meiner Tochter und gleichzeitig hatte ich Angst vor dem, was heute sein würde. Ich würde Aras gleich wiedersehen, würde ihn töten und auch wenn ich nichts lieber machen wollte, als ihn zu beseitigen, so war da ein Zwiespalt in mir, der mich völlig durcheinander brachte. Ich hatte noch nie in meinem Leben einen solchen Hass verspürt, nicht einmal gegen die Eisriesen und es wäre das erste Mal, dass ich jemanden bewusst, voller Absicht töten würde. Es machte mir einfach Angst und doch musste ich es machen. Ich würde es mir nicht verzeihen ihn nicht getötet zu haben.

Langsam lief ich auf mein Badezimmer zu, strich mir gedankenverloren über meinen Bauch dabei und wünschte mir Loki herbei, doch dieser war noch vor dem Sonnenaufgang gegangen, hatte wegen der Hinrichtung irgendwas mit Thor organisieren müssen und die Tatsache während der Dunkelheit alleine gelassen worden zu sein, hatte dem Chaos in mir nicht gerade gut getan. Es war zwar einfacher geworden mit allem klarzukommen, mit dem was ich erlebt hatte und ich erinnerte mich mittlerweile auch an so ziemlich alles wieder, selbst wenn vieles immer noch verwirrend war und doch gefiel es mir nicht alleine zu sein, vor allem getrennt von Loki zu sein, zu sehr lebte ich noch mit der Angst plötzlich wieder von dieser Welt gerissen zu werden.

Ich richtete mich im Badezimmer für den Tag her, zog mir kein Kleid an, sondern meine typischen Trainingssachen, die ich so schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr getragen hatte und es fühlte sich wirklich gut an mal wieder ohne ein Kleid herumzulaufen, ich fühlte mich so ein wenig mehr wie die alte Marcy, die noch kämpfen konnte und die alles dafür gegeben hatte, um es auch zu können. Bei meinem Spiegelbild musste ich deswegen auch ein wenig lächeln, band mir mit einem deutlich besseren Gefühl als vorhin noch meine Haare dabei zu einem hohen Zopf und verließ auch schon anschließend das Bad wieder, nur um Sif in meinem Zimmer vorzufinden, die es sich auf meinem Bett gemütlich gemacht hatte und nun mit einer ihrer Dolche spielte.

„Den hier habe ich gerade erst in deinem Zimmer wieder gefunden", sagte sie gut gelaunt, kaum erblickte sie mich, „Ich habe ihn schon überall gesucht gehabt, als ich damals aus deinem Zimmer ausgezogen war und mir ist gerade so alleine hier endlich wieder eingefallen, dass ich ihn hinter deinem Spiegel versteckt hatte. Ich muss mir meine eigenen Verstecke wohl besser merken."

„Dir ist jetzt gerade eben eines deiner Verstecke nach wie vielen Jahren wieder eingefallen?", fragte ich amüsiert und setzte mich zu ihr auf das Bett, wo sie mit den Schultern zuckte.

„Ich glaube der Gedanke daran Aras zu sehen, lässt mich an jedes Versteck zurück erinnern, wo eine mögliche Waffe verborgen sein könnte", erklärte sie mir und ich schüttelte lächelnd den Kopf von ihren Worten.

„Was machst du überhaupt hier?"

„Nach dir sehen. Ich weiß, dass Loki bei Thor ist und mir gefällt es nicht dich alleine zu lassen, das gefällt wohl keinem so wirklich, also bin ich hier", antwortete sie mir schlicht und fing auch schon an ihre Waffe mit dem Saum ihres Ärmels zu polieren.

„Ich bin zwar kein Kleinkind mehr, das unter ständiger Aufsicht stehen muss, doch Danke. Ich will um ehrlich zu sein auch nicht unbedingt alleine sein müssen", gestand ich und brachte Sif damit sich mehr aufzurichten, wo sie schon meine Wange knuffte und mir ein Lächeln schenkte.

„Weiß ich doch und wenn das ganze Drama hier endlich vorbei ist, dann trainieren wir zwei auch wieder schön miteinander und ich zeige dir, dass du keine Angst mehr haben musst und vielleicht sehen wir anderen ja auch ein, dass wir dann keine Angst mehr um dich haben müssen, wenn du dich erst mal wieder alleine verteidigen kannst."
„Ich hoffe es doch", erwiderte ich und fand den Gedanken schön wieder mein Leben so wie früher leben zu können. Jeden Tag trainieren, keine Dramen, Besuche auf Midgard, Loki und ich glücklich vereint. Ich hoffte sehr, dass es bald alles wieder so sein würde, dass alles wieder einfach gut sein würde.



Sif blieb die ganze Zeit über noch bei mir, lenkte mich vor dem Kommenden ab und unterhielt mich dabei bestens mit irgendwelchen lustigen Geschichten von früher, bis der Augenblick gekommen war, auf den ich insgeheim seit dem Tag gewartet hatte, wo ich Aras' wahres Gesicht hatte kennen lernen dürfen, wo ich herausgefunden hatte, was für eine abscheuliche Person er doch war, denn ich würde ihn töten.

„Ich soll euch beide holen", sagte Fandral, der zu diesem Ereignis mein Zimmer betreten hatte und ausgesprochen ernst wirkte. Es war zwar ein freudiges Ereignis diesen Mistkerl loszuwerden und doch wurden solche Hinrichtungen ernst genommen hier, vor allem wenn sie jemanden wie Aras betrafen, jemanden, der für so viel Leid gesorgt hatte, dessen ganze Erscheinung hunderte Wunden bei jedem aufreißen würde. Heute dachte eben jeder an die Verluste, die er erlitten hatte, dachte an den Krieg zurück und es war nicht so leicht.

„Bist du bereit dafür, Kleine?", fragte Sif mich besorgt und ich nickte knapp zur Antwort, stand genauso wie sie auch von meinem Bett auf und war schon dabei zur Türe zu schreiten, als Sif mich jedoch kurz festhielt. Verwirrt sah ich zu ihr auf, während sie Fandral mit einem Nicken zu verstehen gab, dass er schon mal gehen sollte, was er auch ohne Fragen zu stellen tat.

„Was ist los?", fragte ich sie nun jedoch, als sie aus ihrer Hosentasche etwas herausholte, das mich kurz völlig aus der Bahn warf, mich regelrecht traumatisierte, in mir tausende grauenvolle Erinnerungen zurückholte.

„Frag lieber gar nicht erst, woher ich das habe, es war nicht leicht gewesen daran zu kommen, doch ich dachte, dass du das vielleicht haben möchtest für das, was gleich kommen wird", sagte sie und wirkte unsicher, während sie sprach, erkannte an meinem Blick wohl zu deutlich, wie sehr mich der Anblick von ihrem Geschenk erschütterte und doch wusste ich, dass sie mir hiermit nur einen Gefallen erweisen wollte, der beim genaueren nachdenken wohl sehr gelungen war.

„Das... es ist perfekt", hauchte ich zu kaum mehr fähig, nahm ihr den Gegenstand aus der Hand und steckte ihn nun selber in meine Hosentasche, wollte es nicht länger anschauen müssen, als notwendig.

„Tut mir furchtbar leid, wenn das jetzt unpassend gewesen war, Marcy, aber ich..."
„Nein, es ist wirklich perfekt, Sif", besänftigte ich sie knapp, versuchte irgendwie zu lächeln, was mir furchtbar schwer fiel, doch es genügte ihr wohl, ließ sie selber erleichtert lächeln und so liefen wir eilig weiter.

Anfangs hatte Thor aus Aras' Tod ein riesiges Spektakel veranstalten wollen, hatte es in aller Öffentlichkeit geschehen lassen wollen, doch er hatte sich noch dagegen entschieden, meinte Asgard hätte genug Tod und Leid gesehen und auch dass jemand wie Aras es nicht verdient hätte jemals wieder auch nur irgendwas schönes von Asgard zu sehen. Er sollte umgeben von den Kerkern sterben, er sollte dort unten in der Kälte sterben und im Grunde trafen mich Thors Vorstellungen schon sehr, schließlich hatte ich eben genau einen solchen Tod gehabt, unten in den Kerkern, umgeben von der Kälte, von Ängsten, von einem Krieg. Aras würde das zurück kriegen, was er mir angetan hatte, er würde am eigenen Leibe erfahren, was ich durchgemacht hatte, nur dafür müsste ich erst einmal mutig genug sein, um zu den Kerkern hinab zu steigen. Je näher wir uns den Treppen, die zu diesen hinabführten, näherten, desto schneller schlug mein Herz, desto panischer wurde ich und ich glaubte nur wieder mitten im Krieg zu sein, glaubte verfolgt zu werden, voller Blut zu sein, gerade Ivanak und Sif sterben gesehen zu haben, glaubte um mich herum würden Leichen und verwundete Wachen liegen, was alles erst wieder besser wurde, als ich Loki erblickte, der neben Thor, Fandral und Volstagg bei der Treppe stand, die hinab führen würde. Bei seinem Erscheinen liefen meine Beine wie von alleine schneller, so dass ich in wenigen Sekunden ihn schon erreicht hatte und meine Arme um seinen Körper schlang, als wären wir Jahrhundert getrennt voneinander gewesen, auch wenn es nur wenige Stunden waren.

„Marcy", hauchte Loki mindestens genauso glücklich mich zu sehen, wie ich es war ihn zu sehen. Lächelnd vergrub ich mein Gesicht an seiner Brust, war froh über seine Nähe, dass er hierbei bei mir sein würde, schließlich hätte ich es niemals geschafft da nach unten zu gehen, ohne ihn.

„Bist du bereit, Marcy? Du kannst dich noch jederzeit umentscheiden", fragte Thor mich, als ich mich langsam von Loki löste und dieser mir noch einen Kuss auf die Stirn drückte, mir sachte dabei übers Gesicht strich mit seinen beiden Händen.

„Ich bin bereit", versicherte ich allen Anwesenden so aufrichtig, wie ich nur konnte, und atmete tief durch, versuchte meine Angespanntheit los zu werden, was unmöglich war.

„Na gut. Ich denke es ist am besten, wenn wir nicht alle da runter gehen. Sein Anblick ruft nur zu viel Hass in jedem hervor, das müssen wir nicht alle erleiden", meinte Thor und sah dabei zu Volstagg, Sif und Fandral, „Deswegen solltet ihr vielleicht besser hier oben warten."
„Normalerweise hätte ich dir ja widersprochen, Thor, doch ich glaube, wenn ich dieses Arschloch sehe, würde ich ihn nur am Ende selber hinrichten", antwortete Sif daraufhin und lächelte leicht dabei.

„Na dann bleiben wir hier", meinte Volstagg, der selber auch um einiges angespannter und ruhiger wirkte, als üblich, doch Aras trägt Schuld daran, dass sein bester Freund tot war und wie sollte man so etwas schon verzeihen können? Wie sollte man da nicht voller Hass und Wut sein?

„Sehr gut. Brauchst du noch irgendeine besondere Waffe, Marcy?", fragte Thor mich nun und ich schüttelte den Kopf, ich hatte alles, was ich brauchte bei mir.

„Ich denke, du solltest den hier vielleicht lieber mitnehmen", warf Sif da jedoch ein und reichte mir ihren Dolch, den ich verwirrt zur Hand nahm, nicht wusste, was ich damit nun anfangen sollte, bis es mir langsam dämmerte bei ihrem intensiven Blick und ich lächelte sie dankend an, wandte mich an einen verwirrt wirkenden Loki, der den Dolch in meiner Hand ansah, als wäre das ein schlechter Scherz, wenn ich Aras wirklich mit einem Dolch einfach töten wollte, einer Waffe, die ich selbst so beim Kämpfen gar nicht benutzte, doch er hatte ja noch keine Ahnung, was ich vorhatte.

„Dann bringen wir es hinter uns", murmelte ich nervös, wollte das alles nur noch beendet haben. Loki ergriff meine Hand und gemeinsam folgten wir Thor die Treppen hinab zu den Kerkern. Mit jedem Schritt kamen nur wieder neue Bilder von dem Krieg zurück, ich erinnerte mich nur wieder zu gut daran, wie Fandral mich hier hinab geschickt hatte, wie panisch ich diese Treppen hinab geflüchtet war, wie ich dabei an Loki gedacht hatte und wie er damals selbst in einer dieser Zellen gesessen hatte. Es war so merkwürdig, wie viele grauenvolle Erinnerungen mit diesem Orte hier verbunden wurden und nun würde es gleich noch eine schreckliche Erinnerung mehr werden, denn auch wenn ich Aras verabscheute, das hier würde kein Ereignis werden, an das ich mich gerne zurück erinnern würde. Lokis Griff um meine Hand wurde mit jeder Stufe fester, ich spürte zu deutlich, wie panisch ihn dieser Ort hier selber stimmte, wusste ganz genau, dass er auch keine guten Erinnerungen hieran hatte, weswegen ich beruhigend seinen Händedruck erwiderte, ihm zeigen wollte, dass wir das zusammen durchstehen würden, dass wir das erste Mal nicht getrennt an diesem Ort sein würden, nicht getrennt durch eine Zelle oder weil er nicht er selbst war. Wir waren hier als ein Paar und würden das zusammen durchstehen.

Unten angekommen atmete ich zittrig die kalte Luft ein, glaubte bald umzukippen vor Angst und doch verflog fiese augenblicklich in dem Moment, wo ich die Kerkerräume betrat und Aras nach all der Zeit wieder sah. Er war in keiner Zelle, sondern stand mitten im Gang zwischen zwei Zellen, während seine Arme an Ketten festgemacht waren, die von der Decke hingen und seine Beine ebenfalls an Ketten festgemacht waren, die ihn feste am Boden hielten. Bei seinem Anblick blieb ich wie erstarrt stehen, vergaß kurz alle traumatischen Erinnerungen, konnte nur mit Genugtuung zu der ausgezehrten, kaum wiederzuerkennenden Gestalt vor mir sehen, die nicht mehr wie ein Edelmann wirkte, wie der Sohn eines Königs, sondern viel eher wie ein Wilder. Seine Haare waren filzig, sein Bart ungepflegt, er war abgemagert, trug lumpige Kleidung und doch schaffte er es doch tatsächlich zu lächeln, als er uns erblickte, oder als er besser gesagt mich erblickte.

„Marcy", sprach er leise aus und lachte auch schon los, wobei sein Lachen sich schnell in ein Husten verwandelte. Lokis Griff um meine Hand wurde nun schon wirklich schmerzhaft und ich wusste, dass ich ihn besänftigen musste, bevor er ihn am Ende nur töten würde, weswegen ich meine Hand aus seinem Griff zog und mich von dem lachenden Gefangenen abwandte, mich vor Loki hinstellte und sein Gesicht nun sachte umklammerte, ihn somit zwang ebenfalls zu mir zu sehen, weg von Aras.

„Ignoriere ihn. Er will uns provozieren, er weiß, dass er sterben wird und er will uns davor noch leiden sehen", sprach ich aus, sah wie er tief durchatmete von meinen Worten, ehe er mich mehr an sich zog.

„Ich weiß, nur ich ertrage es kaum, dass er in deiner Nähe ist, nicht nachdem was er dir angetan hat, was er uns angetan hat", erwiderte er und ich lächelte schmerzvoll, küsste ihn flüchtig auf die Wange.

„Ich ertrage es ja selbst kaum, doch es ist gleich vorbei. Gleich ist es endlich vorbei" Mit den Worten wandte ich mich wieder von Loki ab, sah kurz zu Thor, der sich Abseits hingestellt hatte, Aras in der Zwischenzeit über dessen Tod und die Hinrichtung aufgeklärt hatte und mir nun aufmunternd zunickte, ehe ich wieder zu Aras schaute, der sich mittlerweile wieder ein gekriegt hatte und mich nun neugierig musterte.

„Ich hätte nicht gedacht dich jemals wieder zu sehen. Du bist stärker als gedacht", sprach er mich auch schon an, während ich mich ihm etwas näherte.

„Ja, ich bin wieder hier und dein ganzer, abartiger Versuch mich zu töten, ist gescheitert."
„Ich denke ja, dass mir das sehr gut gelungen ist", erwiderte er vergnügt und leckte sich dabei über seine trockenen Lippen, „Sag mir doch, wie hat es sich angefühlt von jemanden den man liebt gejagt und getötet zu werden? Ich habe gehört es ist dort hinten in der Folterkammer geschehen? Weckt das alles hier keine schönen Erinnerungen?" Ohne es zu wollen huschte mein Blick bei seinen Worten zu der Türe am Ende des Ganges und wie von alleine kamen mir die Tränen hoch bei den Erinnerungen an diese Kammer, an das Grauen dort drinnen, die Angst die ich gehabt hatte, an die Schmerzen.

Nein, nein, nein." Hörte ich mich selbst in der Ferne wieder aufschluchzen, als ich mich von Schmerzen geplagt auf den Rücken drehte, meine Hand auf meinen Bauch drückte, in dem es sich anfühlte, als ob irgendwas gar nicht mehr gut war, nachdem Loki mich auf den Boden geworfen hatte.

„Ich kann dir leider niemals zeigen, wie grauenvoll es sich anfühlt sein eigenes Kind zu verlieren, du hast Glück, dass du niemals wissen wirst, wie sich solche Schmerzen anfühlen, wie es ist wenn man sich eingestehen muss völlig machtlos dagegen zu sein, dass eigene Baby zu beschützen, doch dafür kann ich dir etwas anderes zeigen", sagte ich zitternd vor Hass bei den Bildern vor mir und wandte mich wieder an Aras, blinzelte meine Tränen so gut es ging weg, „Ich kann dir zeigen, wie es sich anfühlt, wenn man von Innen heraus Stück für Stück stirbt. Wie es ist, wenn man von Innen heraus nach und nach zu einem Eiswürfel wird und vertrau mir, es ist kein schönes Gefühl." Während ich sprach, holte ich noch das aus meiner Hosentasche, was Sif mir vorhin in meinem Zimmer gegeben hatte, ein kleines Fläschchen voll mit dem Gift, das meine Mutter getötet hatte, das mich getötet hatte, das mein Baby getötet hatte. Eisriesengift. Aras' Augen weiteten sich bei dem vertrauten Anblick des Gifts augenblicklich, schließlich wusste er, was das war und er wusste aus genug Berichten, dass das kein netter und angenehmer Tod war.

„Woher hast du das?", fragte Loki mich völlig erschüttert bei dem Anblick und ich selber wollte gar nicht wissen, wie schwer es für Sif gewesen war das hier überhaupt zu besorgen und doch war ich ihr dankbar dafür. Es gab keinen besseren Tod für Aras, als durch dieses Zeug. Er sollte fühlen, was ich gefühlt hatte, er sollte sehen wie es war, wenn man seinen Körper nicht mehr spürte, wenn das Blut einem in den Adern tatsächlich gefror, Tränen auf der Wange sich in Eis verwandelten, man unkontrolliert zitterte, glaubte zu ersticken, glaubte kotzen zu müssen, weil die eigenen Organe alle versagten, bis man irgendwann nur noch von Ängsten erfüllt, hilflos da liegen konnte mit der Gewissheit, dass man starb, Stück für Stück starb.

„Und du glaubst, dass ich das einfach so zu mir nehmen werde? Ich bin nicht wie Loki und lasse mir ein Gift einfach so aufzwingen", sagte Aras spöttisch und lächelnd zog ich bei seinen Worten den Dolch von Sif. Würde er es nicht trinken, dann würde ich ihm eine Wunde zufügen und das Gift in diese schütten, es würde genauso funktionieren, nur vermutlich sogar noch unangenehmer, da es durch sein Blut viel schmerzvoller im Körper verteilt werden würde.

„Ok Marcy, ich weiß du willst das nicht hören, aber du kannst mich nicht töten, du brauchst mich... lebend", meinte Aras nun etwas panische bei diesem Anblick, kapierte wohl, dass das hier ernst war, dass ich das durchziehen würde und zwar nicht auf eine angenehme Weise und es erfreute mich zu sehen, dass er endlich nicht mehr lächelte, dass er endlich mal Angst bekam.

„Hör nicht auf ihn!", sagte Loki angeekelt von den Worten des ehemaligen Prinzen, „Keiner braucht ihn! Er will sein erbärmliches Leben lediglich verlängern."

„Doch! Marcy wird mich brauchen, wenn die Dunkelheit zurück kehrt und sie wird zurück kehren, dann wird sie mich brauchen! Ich bin der einzige, der weiß, wie man sie aufhält!", rief Aras aufgebracht aus, fast schon hysterisch und ich schüttelte den Kopf von seinen verrückten Worten, würde sicher nicht einknicken von ihnen und doch war ich auch einfach fasziniert davon, wie ihm diese Gefangenschaft zugesetzt hat. Ich war froh zu sehen, dass er genauso wenig mehr der alte Aras war, wie ich die alte Marcy, nachdem ich gefangen auf der anderen Seite für ein Jahr gewesen war. So eine Gefangenschaft, abgeschattet von der Außenwelt, veränderte einen eben und er hatte sich eindeutig verändert, war noch irrer geworden, als er es davor schon gewesen war.

„Ich hasse dich", sagte ich leise an ihn gerichtet, trat näher auf ihn zu und sah wie sich in seinem Gesicht die verschiedensten Emotionen zeichneten. Da war Verzweiflung, die sich in Angst umwandelte, weiter in Hass und Wut.

„Wir werden uns wiedersehen, Miststück, vertrau mir! Du hast ja keine Ahnung, was dich noch erwarten wird.", zischte er abfällig und brachte mich zum lächeln mit seiner leeren Drohung.

„Werden wir ja sehen", erwiderte ich und trat noch näher auf ihn zu, wo ich ihm schon kurzerhand den Dolch in seinen Oberschenkel rammte, ihn laut zum Aufschreien brachte, so dass seine Schreie genauso laut wie meine eigenen damals durch die Wände hier hallten. Mit voller Kraft zog ich die Waffe wieder heraus, drehte sie dabei ein wenig, so dass die Wunde breiter wurde und immerhin hatte ich gut gezielt, keine sehr großen Blutgefäße verletzt, so dass er mir auch ja nicht gleich verbluten würde. Ich steckte den blutigen Dolch wieder weg, ignorierte Aras' Schmerzensschreie, sein Geheule und öffnete stattdessen das kleine Fläschchen, blickte zu der viel zu vertrauten Flüssigkeit darin und dachte nur mal wieder, zu was sie fähig war. Fast sofort breitete sich bei dem bloßen Gedanken eine Gänsehaut auf meiner Haut aus, doch dieses Mal würde niemand an diesem Gift sterben, der wichtig war.

„Jetzt siehst du, was du mir angetan hast", hauchte ich leise, als ich die Flasche mit der Öffnung nach vorne bis zur Hälfte in die Wunde hineindrückte, die Flüssigkeit so hineinlaufen ließ und auch wenn ein Großteil gleich wieder raus lief mit dem Blut, so würde nach wie vor etwas zurückbleiben und schon Wirkung zeigen. Abwartend trat ich einen Schritt von Aras zurück, der immer noch am heulen war von der Dolchwunde, jedoch plötzlich einfach verstummte, mich mit geweiteten Augen ansah.

„Was passiert mit mir?", fragte er panisch und schaute sich besorgt in der Gegend um, fing stark zu zittern an dabei und ich sah fasziniert dabei zu, wie seine Hautfarbe immer blasser und blasser wurde.

„Verflucht nochmal", sagte Thor, der neben mich getreten war und die Wirkung des Giftes zum ersten Mal schockiert mitansah, während Loki von hinten näher an mich getreten war, seine Arme um meinen Körper schlang und mich an sich zog, mich so feste dabei hielt, als hätte er Angst, ich könnte gleich verschwinden und vermutlich hatte er sie wirklich. Das hier musste ihn daran erinnern, wie er mir so beim sterben zugesehen hatte und ich wusste aus eigener Erfahrung, dass es kein schöner Anblick war. Ich selber hatte das Bild meiner Mutter vor Augen, das Bild von meinen eigenen Händen, die ausgesehen hatten wie die einer Toten, es waren Bilder, die man so eben niemals wieder vergessen würde.

„Nein, nein, lasst mich in Ruhe", rief Aras aus, schien Dinge zu sehen, die wir nicht sehen konnten, während seine Beine endgültig unter ihm einknickten, er nur noch von den Ketten an seinen Armen gehalten wurde. Seine Haut war mittlerweile so hell wie Schnee, hatte einen leichten bläulichen Ton angenommen, seine Augen waren eisblau geworden, genauso bildeten sich Eiskristalle an seinen Haaren, an seinem Bart.

„Bitte, bitte geht weg!", schrie Aras gequält weiter, schüttelte wild mit dem Kopf, wirkte völlig hysterisch so wie er sich im Raum umsah und ich fragte mich wirklich, was er wohl sah, würde es wohl jedoch niemals erfahren. Seine Schreie wurden immer lauter und panischer, bis er schließlich zu röcheln anfing, als ob er ersticken würde, was wahrscheinlich auch so war, wenn seine Atemwege erst einmal eingefroren waren. Egal wie sehr ich hierbei auch zu sehen wollte, so schaffte ich es einfach ab einem gewissen Punkt nicht mehr. Ich musste meine Augen schließen, ließ die Tränen über mein Gesicht laufen bei den grauenvollen Geräuschen, die Aras von sich gab, bis er endgültig verstummte, auf ewig verstummte.

„Es ist vorbei", murmelte Loki dicht an mein Ohr, küsste meine Schläfe sachte, „Er ist fort, er hat das bekommen, was er verdient hat, Kleine."

„Ich weiß", erwiderte ich, ohne meine Augen zu öffnen, drehte mich zu Loki hin und vergrub mein Gesicht an seiner Brust, wusste, dass er mindestens genauso viel Beistand brauchte, wie ich auch und ich wollte für ihn da sein können, wollte ihm zeigen, dass die Vergangenheit von nun an endgültig der Vergangenheit eben angehört, dass ich da war, dass ich nicht mehr gehen würde, dass er keine Angst zu haben brauchte, denn von nun an würde uns nichts mehr trennen können.


Aloha :) Aras ist dann wohl Geschichte würde ich sagen xD Ich versuche bald weiter zu schreiben und stellt ich euch darauf ein, dass es jetzt aber wirklich zu Ende geht. Ich versuche noch ungefähr 5 Kapitel zu schreiben, dann ist die Geschichte aber auch endlich mal zu Ende xx


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