108. Ein weiter Weg
Loki
Es war ein Traum. Es musste einfach ein Traum sein und doch wünschte ich mir niemals wieder aus diesem erwachen zu müssen, denn das hier war der schönste Traum, den ich je gehabt hatte. Es fühlte sich so echt an, so perfekt, so berauschend sie bei mir zu haben, Marcys Körper wirklich an mich gedrückt zu haben, sie leise heulen zu hören, während sie sich mit voller Kraft an mich krallte, ihr Gesicht an meine Brust drückte und am ganzen Leib wie verrückt zitterte, doch mir ging es nicht anders. Ich konnte nur da sitzen, ihr immer und immer wieder sagen, wie sehr ich sie liebte, verehrte, wie sehr mir alles leid tat und hielt sie dabei so feste, dass ich glaubte sie längst zerquetscht haben zu müssen, doch die Angst, dass sie plötzlich wieder verschwinden könnte, war einfach zu groß. Thor, der sich neben uns niedergelassen hatte, wirkte mindestens genauso aufgelöst, wir wir beide, schien wohl ebenfalls zu glauben, dass das hier nur ein Traum sein konnte, doch die Realität war nun einmal eben, dass das hier verflucht echt war und ich hatte keine Ahnung, wie ich damit umzugehen hatte. Sie war wieder da. Sie war einfach wieder da und damit war ein Wunsch in Erfüllung gegangen, von dem ich nie gedacht hätte, dass er das noch würde. Vor mehr als einem Jahr hatte ich sie in meinen Armen sterben sehen, vor mehr als einem Jahr ist mein Leben zerbrochen, als sie fort gegangen war, und doch war sie nun hier. Sie war wieder da und all der Schmerz war wie ausgelöscht. Es fiel mir schwer einen klaren Kopf zu bewahren, nicht völlig durchzudrehen, so aufgewühlt war ich von allem, was hier geschah, doch ich hatte gedacht sie wäre fort, ich hatte gedacht, dass ich sie nie wieder halten würde, dass das letzte, was ich von ihr gesehen hatte, der Moment gewesen war, als sie blass, halb eingefroren auf dem Boden dieser Kerker gelegen war, doch nun war sie hier, hatte ihre normale Hautfarbe, ihre normale Augenfarbe und war wieder so schön warm, wie ich es in Erinnerung gehabt hatte.
„Sie muss in die Heilkammer, Loki", sprach Thor mit einer brüchigen Stimme und tatsächlich viel mir da auf, dass Marcy zu heulen aufgehört und wohl das Bewusstsein verloren hatte, wo mir die Narbe an ihrem Bauch einfiel, die neue Narbe, wo unser Kind aus ihr geschnitten wurde und die nie richtig verarztet worden war, da das bei einer Toten ja nicht nötig gewesen wäre. Hastig rappelte ich mich deswegen auf, hob die bewusstlose Marcy dabei auf meine Arme und konnte es nicht sein lassen ihr nur wider einen Kuss auf ihre Stirn zu drücken, als ich gefolgt von Thor den Gang zurück eilte, dabei Schwierigkeiten hatte auf den Weg zu achten und nicht dauerhaft zu ihr zu sehen, doch ich hatte so eine Angst, dass sie plötzlich verschwinden könnte, dass der Albtraum nur wieder beginnen würde und ich schwor mir, dass ich sie nie wieder aus den Augen lassen würde. Nie wieder würde ich sie auch nur für einen Sekunde alleine lassen! Noch einmal würde ich es unmöglich überleben sie zu verlieren und wenn ich morgen aufwachen sollte, nur um festzustellen, dass nichts hiervon echt war, dann würde ich sterben, so viel stand fest.
„HILFE!", schrie Thor lautstark aus, als wir uns der Türe zur Heilkammer näherten, ich sah, wie Marcys weißes Kleid, das sie zur Beerdigung angezogen bekommen hatte, anfing sich mit Blut zu tränken und doch hatte es zuvor noch exakt so ausgesehen, wie an dem Tag, als sie aus ihrem Sarg verschwunden war. Es war als wäre sie nicht einen Tag weg gewesen, dabei waren es so viele endlos lange Tage gewesen. Augenblicklich kamen mehrere Heiler aus dem Raum zu uns gerannt, darunter auch Yael, die so wirkte, als würde sie gleich ohnmächtig werden bei Marcys Anblick, doch keiner stellte Fragen, sie entrissen mir stattdessen Marcy und schafften es nur, dass ich schneller als gedacht meinen Schwur nicht einhalten konnte, als ich aus der Kammer verbannt wurde, sie von mir getrennt wurde und hätte Thor mich nicht gehalten, dann hätte ich sicher einen Zusammenbruch gehabt, doch ich blieb standhaft, sah nur voller Sorge auf die verschlossenen Türen und wusste nicht mehr weiter.
„Das alles hier passiert wirklich, nicht wahr?" Irritiert sah ich zu Thor, als dieser mir diese Frage stellte, völlig verloren und aufgelöst wirkte, sich auf seinem Gesicht deutlich widerspiegelte, wie erschöpft und angespannt er doch war und mir wurde das erste Mal in all den Monaten bewusst, dass ich sie nicht als einziger vermisst hatte, dass es für andere genauso seltsam war, dass sie plötzlich wieder hier war, dass andere genauso gelitten hatten wie ich und ich konnte nur wie in Trance nicken, wusste gar nicht, was ich sagen sollte.
„Du weißt dann hoffentlich auch, dass nichts mehr so sein wird, wie es das je gewesen war? Sie scheint große Lücken in ihrer Erinnerung zu haben, für sie ist der Krieg wohl gerade eben erst geschehen sie... sie wird es schwer haben."
„Ich weiß, aber ich bin da. Ich werde sie nicht alleine lassen, ich werde ihr helfen, bei allem", erwiderte ich leise, dachte daran, was während der Schlacht geschehen war, dachte an unser Kind, an das Gift... ich dachte daran ihr sagen zu müssen, was ich in diesem Jahr ohne sie getan hatte und ich wusste, dass Thor recht hatte. Es würde nie wieder so sein wie zuvor. Alles würde sich ändern.
Stunden standen Thor und ich einfach nur vor den Türen der Heilkammern, schwiegen die meiste Zeit dabei und es war unmöglich meine Gedanken leise zu drehen, während der Zeit. Es war so vieles in meinem Kopf gerade los, ich fühlte mich einfach nur erschöpft, ich fühlte mich kaputt und es wurde nicht besser, als Sif und Fandral irgendwann uns hier bemerkten und auf uns zugelaufen kamen.
„Was macht ihr hier? Was ist bitte los? Wir suchen dich schon den halben Tag Thor", rief Sif aus und ich sah wie Thor nicht zu wissen schien, was er sagen sollte, doch das hier geheim zu halten wäre unmöglich und auch wenn Marcy sicher Ruhe anfangs gebrauchen könnte, so hatte jeder ein Recht darauf es zu wissen.
„Marcy lebt", erwiderte ich deswegen, sah wie Fandral mich verwirrt anblickte, während Sif gleich zu Thor sah, als erhoffte sie sich eine klarere Antwort von diesem, schließlich wurde ich schon vor Monaten von allen endgültig abgeschrieben, als ein nutzloser, trinkender Idiot abgestempelt, der Marcys Tod in keiner Art und Weise verkraften konnte und vermutlich geistig nicht mehr ganz sauber tickte.
„Er hat recht. Marcy lebt... wir wissen nichts genaueres, ich habe sie gefunden und hergebracht, aber sie lebt", erklärte dieser und ich sah, wie Sif sich schwankend an Fandral festhielt, so wirkte, als würde sie jeden Moment ohnmächtig werden, doch sie blieb standhaft.
„Sie lebt?", fragte sie leise, klang so als hätte sie Angst, dass wir sie veralbern würden, doch eigentlich solle ihr klar sein, dass wir über dieses Thema niemals Scherze machen würden.
„Sie lebt", bestätigte Thor und ich wandte meinen Blick ab, als sie völlig überwältigt auflachte und anschließend zu heulen anfing. Ich war selbst verwirrt genug von allen Emotionen in mir, da konnte ich wirklich nicht auch noch die Emotionen von anderen um mich herum gebrauchen, als da jedoch endlich, nach einer halben Ewigkeit, die Türe zu den Heilkammern aufging und ich besorgt in Yaels Gesicht sah, die völlig fertig wirkte.
„Ihr geht es gut. Sie ist noch nicht wach, doch wir haben die Wunde jetzt richtig verschlossen, ihr was gegen die Schmerzen gegeben und ansonsten scheint es ihr körperlich an nichts zu fehlen, doch..."
„Doch geistig vermutlich schon", vollendete Thor ihren Satz und ich schluckte schwer, als sie mitleidig wirkte.
„Sie ist vorhin kurz aufgewacht, hatte keine Ahnung, wer ich überhaupt war. Allgemein scheint sie sehr überfordert damit zu sein, was wahr ist und was nicht, dass das hier die Realität ist", erklärte sie das Problem und ich wusste, dass das eine harte Sache werden würde, doch ich würde bei ihr sein. Wir alle würden bei ihr sein und alles würde wieder gut werden, egal wie lange es auch dauern würde.
„Darf ich zu ihr?", fragte ich ungeduldig, war überrascht, wie flehend meine Stimme dabei klang.
„Du kannst sie zurück in ihr Zimmer bringen, das wäre vielleicht der beste Ort für sie. Wenn sie aufwacht, sollte sie wo sein, wo sie sich wohl fühlt." Ich wartetet gar nicht weiter ab, als sie das sagte, lief an ihr vorbei in den Raum hinein, wo ich sie auch schon liegen sah. Ihr wurde ein Nachtgewand angezogen und ich war um ehrlich zu sein heilfroh darüber, dass sie nicht länger die Sachen trug, mit denen ich sie als Tote gesehen hatte. So fühlte es sich gleich wieder viel realer an, dass sie auch wirklich da war.Vorsichtig strich ich ihr über ihr weiches Haar, lächelte schmerzvoll, als ich ihr bildschönes Gesicht mustern konnte, das genauso aussah, wie in meine Träumen, wie in meinen Erinnerungen an sie. Sie war zwar nach wie vor etwas blass und sah leicht kränklich aus, doch was auch immer sie hatte durchmachen müssen, es würde nicht so schnell von ihr weg gehen. Behutsam hob ich sie auch schon hoch und trug sie aus dem Zimmer, sah wie Sif sich schockiert die Hand vor den Mund hielt, als sie ihre Freundin wirklich sah und auch wie Fandral ungläubig den Kopf schüttelte, als wäre das hier eine Illusion, als wäre das unmöglich die Wirklichkeit, doch die wenigsten hatten diese ganzen verrückten Theorien mit der Göttin des Todes und allem drum und dran je geglaubt gehabt. Für sie musste das hier von daher sicher noch schockierender sein, als für Leute wie Thor und mich, die immerzu irgendwie Hoffnung gehabt hatten.
Die anderen folgten mir mit einem leichten Abstand, während wir in Richtung Marcys Zimmer liefen und ich konnte es nicht fassen dieses wirklich wieder betreten zu können. So lange war es nun schon her, seit ich das letzte Mal dort gewesen war und nun würde es nicht mehr so sein, als würden die Schatten der Vergangenheit dort auf mich lauern und mich quälen. Das Licht war zurückgekehrt, es gab neue Hoffnung und doch kam es mir so skurril vor wirklich wieder hier zu sein. Wäre hier nicht alles so vernachlässigt worden, hätte ich sogar fast glauben können, sie wäre nie fort gewesen. Nichts hatte sich hier verändert seit dem Augenblick, wo der Krieg begonnen hatte und sie mit Ivanka und Sif von hier fortgegangen war.
„I-ich sollte den anderen Bescheid geben", stammelte Fandral, als ich Marcy auf ihr Bett legte und Sif auch schon die Vorhänge wegschob und den Balkon öffnete, damit frische Luft in das Zimmer kam, das in all der Zeit so leblos und trist geworden war und in dem es nur so von Staub wimmelte, doch bald würde es wieder voller Leben sein. Bald würde alles wieder gut sein.
„Du bist wieder da", hauchte ich nach wie vor fassungslos und kniete mich neben Marcy hin, hielt ihre Hand feste in meiner, während Sif, die keine Ahnung zu haben schien, was sie machen sollte, wie sie mit allem klar kommen sollte, einfach anfing das Zimmer in Ordnung zu bringen. Es war wohl ihre Art alles zu verarbeiten, das alles wirklich zu realisieren.
„Ich verspreche dir bei meinem Leben, dass ich nie wieder zu lassen werden, dass man dich mir weg nimmt. Ich passe auf dich auf, für immer und ewig. Nichts wird dir jemals wieder passieren", sagte ich weiter und vergrub mein Gesicht in ihrer Matratze, hielt ihre Hand dabei feste umklammert und hörte Thor schwer seufzen, als dieser sich auf Marcys andere Seite niederließ.
„Ich kann es einfach nicht glauben. So lange hatte ich gehofft, doch nach all der Zeit? Ich hätte es fast nicht mehr für möglich gehalten."
„Was ist aber geschehen?", fragte Sif nun leise nach und klammerte sich am Bettpfosten, sah mit geweiteten Augen zu Marcy, „Wie ist all das möglich? Was hat sie erlebt? Wo ist sie gewesen?"
„Egal was sie erlebt hat, es muss grauenvoll gewesen sein", bemerkte Thor fest überzeugt und ich wusste, dass es wohl leider die Wahrheit war und auch, dass ich mit Schuld an ihrem Schicksal trug. Mir wurde schlecht bei dem Gedanken und ich war erleichtert, als Fandral in Begleitung von Volstagg wiederkam und mich so kurz ablenkte.
„Cole war nicht unbedingt ansprechbar, doch ich habe Volstagg gefunden", erklärte Fandral, während seine Begleitung lautstark aufschrie, als er Marcy erblickte und ein wenig dabei so wirkte, als würde er sich nicht entscheiden können, ob er lachen oder weinen sollte, doch ich verstand ihn zu gut. Mir ging es kaum anders.
„Wenn sie aufwacht, dann wird sie einen Schock kriegen", murmelte Thor besorgt und mein Blick fiel dabei vor allem auf Sif, von der Marcy schließlich dachte, sie sei tot und begraben unter der Decke des alten Flügels.
„Vielleicht wäre es besser, wenn ihr alle fürs erste gehen würdet", schlug ich deswegen vor und sah wie Fandral auch schon trocken auflachte.
„Sagst du? Ich glaube deine Anwesenheit wird sie weitaus mehr aus der Bahn werfen! Schließlich hast du ihr all das angetan!"
„Sie weiß, dass ich das nicht freiwillig getan hatte", erwiderte ich kalt und ließ Marcys Hand los, erhob mich und war schon dabei ein Messer zu ziehen, doch Thor eilte da zwischen uns und hielt mich davon ab Fandral näher zu kommen.
„Wir brauchen hier jetzt doch wirklich keinen Streit! Sie ist wieder da, wir sollten endlich alle Streitereien begraben!"
„Geht nur schlecht, wenn Loki sich mal wieder so aufführt, als hätte er irgendein Sonderrecht hier zu sein", bemerkte Fandral und ich lachte spöttisch auf.
„Ach, habe ich das etwa nicht? Muss ich dich wirklich daran erinnern, dass sie meine Freundin ist?"
„Sagt wer?", fragte er herausfordernd, „Sicher, dass sie nach allem immer noch mit dir zusammen sein will?"
„Ok, das reicht jetzt!", mischte Sif sich da ein, die merkte, wie sehr hier alles aus dem Ruder lief, „Wir sollten vielleicht wirklich gehen und den beiden den Vortritt lassen, ihr alles zu erklären."
„Aber...", begann Fandral, doch ein Blick von Sif reichte aus, dass er verstummte und so schaffte sie es Volstagg und Fandral mit sich aus dem Zimmer zu ziehen, so dass Thor und ich alleine bei Marcy waren, die, kaum fiel die Türe ins Schloss, auch schon panisch die Augen aufriss und sich kerzengerade in ihrem Bett hinsetzte, völlig verloren sich im Zimmer umsah, als erwartetet sie jeden Augenblick das Grauen vorzufinden.
„Marcy", brachte ich schwach hervor, spürte nur mal wieder, wie mein Herz drohte stehen zu bleiben, wie sich Tränen in meinen Augen sammelten, doch als ihr Blick auf meinen traf, sah ich nur, wie sich die Angst darin widerspiegelte, die sie wohl empfand. Sofort rutschte sie in ihrem Bett zur Kante, wirkte so, als hätte sie mit meinem Erscheinen einen Geist gesehen.
„Bleib weg von mir!", schrie sie schrill und als ich näher auf sie zu laufen wollte, sie beruhigen wollte, stellte sich Thor auch schon erneut vor mich und hielt mich davon ab.
„Bleib erst einmal da, wo du bist", meinte er und ich wollte widersprechen, doch als ich sah, wie aufgelöst Marcy wirkte, wie verwirrt sie wirkte, wie sich in ihren grünen Augen nichts als Panik widerspiegelte, tat ich, was er verlangte.
„Wo bin ich?", schluchzte Marcy völlig aufgelöst und schlang ihre Arme um ihre angezogenen Knie, wirkte so verloren, dass es mir regelrecht das Herz zerbrach. Ich wollte ihr helfen, ich wollte irgendwas machen, doch kam mir so machtlos vor.
„Du bist zu Hause, du bist in Sicherheit, Kleine", besänftigte Thor sie nun und setzte sich langsam neben sie, wobei es mir völlig missfiel, dass er dazu in der Lage war und ich nicht.
„Nein! Nein, nein, nein. Das ist nur eine Illusion, ich weiß es", heulte sie weiter und ich schüttelte verzweifelt den Kopf, konnte meine Tränen selbst nicht mehr halten, während Thor ihre Hand in seine nehmen wollte, doch sie entzog sie ihm und stand vom Bett auf, wo sie nur augenblicklich auf den Boden fiel. Hastig eilte ich zu ihr, wollte ihr aufhelfen, doch bei meinem Anblick wich sie nur schreiend weg.
„Ich werde dir nichts anhaben, Marcy. Es ist alles gut, du bist in Sicherheit!", besänftigte ich sie so gut ich konnte, doch es schien rein gar nichts zu bringen. Sie heulte nur weiter, kauerte sich in einer Ecke zusammen und schien Todesangst zu haben.
„Marcy, der Krieg ist vorbei, du bist wieder in Sicherheit und niemand wird dir irgendwas anhaben", meinte nun auch Thor sanft, lief auf sie zu und sie schien wenigstens nicht weiter zu versuchen vor diesem zu flüchten, beruhigt hatte sie sich dennoch nicht.
„Er hat mich getötet", hauchte sie verzweifelt und verletzte mich mit ihren Worten zutiefst, „Wieso hat er das getan. I-ich verstehe nicht... wieso bin ich hier? Was ist geschehen?"
„Sie kann glaube ich ihre ganzen Erinnerungen gar nicht mehr richtig zuordnen", bemerkte Thor besorgt, sah kurz zu mir, ehe er vor Marcy auf die Knie sank und abwehrend seine Hände hob, „Marcy Kleine, der Krieg ist seit einem Jahr vorbei. Du warst ein Jahr fort, doch jetzt bist du wieder bei uns, verstehst du das?" Ihre Augen weiteten sich bei Thors Worten und ich erkannte, wie sich wohl neue Erinnerungen in ihr hoch schlichen, denn ihr Blick richtete sich auf mich und ich sah, wie verletzt sie plötzlich wirkte, wie sie zu heulen aufhörte und doch so wirkte, als hätte ich ihr irgendwas getan.
„Du hast mich vergessen", hauchte sie leise, klang seltsam monoton dabei, „Ich habe dich gesehen. Ich habe euch alle gesehen, doch du... all diese Frauen." Sie klang angewidert, als sie das aussprach und ich selbst glaubte mich übergeben zu müssen, als ich begriff, was sie da sagte. Thor jedoch schien die Lage nicht ganz zu kapieren, fragte sie, was sie meinte, doch da schien sie nur wieder abzuschweifen, schlang ihre Arme um die Knie und schien irgendwas zu sehen, was wir nicht konnten, heulte nur mal wieder und schien sich nicht beruhigen lassen zu wollen, doch ich war sowieso viel zu geschockt von ihren Worten, der Tatsache, dass sie mich all die Zeit hatte sehen können. Sie hatte gesehen, wie ich mit all diesen Frauen was gehabt hatte, sie hatte all das gesehen gehabt. Ich setzte mich völlig fertig von dieser Tatsache auf Marcys Bett, bekam nur so halb mit, wie zwei Heiler das Zimmer betraten, wohl um nachzusehen, wie es Marcy ging, doch als sie ihren Zustand bemerkten, eilten sie zu ihr und versuchten sie ruhig zu stellen. Es kam mir vor, wie in einem eigenartigen Traum, als wäre es nicht Wirklichkeit, als Thor sie festhielt, während sie schreiend versuchte sich zu wehren, ehe ihr eine Spritze verabreicht wurde, die es schaffte sie zum schlafen zu bringen.
„Das wird alles andere als leicht werden", meinte Thor aus der Puste, nachdem er Marcy wieder auf ihr Bett gelegt hatte und die Heiler sich nun ihre Wunde ansahen, wohl um sicherzugehen, dass sie sich nicht noch schlimmer verletzt hatte bei dem Zusammenbruch.
„Aber wir kriegen das hin! Wir lassen sie nicht im Stich, wir helfen ihr sich wieder an alles genau zu erinnern und wieder die alte Marcy zu werden", erwiderte ich und sah nach wie vor völlig erstarrt zu Marcy, fühlte mich auf einmal so unendlich müde, fühlte mich völlig fertig und mir wurde klar, dass es das erste Mal nach über einem Jahr war, wo ich würde schlafen können, ohne vor Sehnsucht und Schmerz zerrissen zu werden, wo ich endlich alle Angespanntheit von mir fallen lassen könnte, doch gleichzeitig war noch lange nicht alles gut.
„Natürlich helfen wir ihr, aber fürs erste... es ist so unglaublich sie wirklich hier zu haben", meinte Thor und ich lächelte leicht, wusste genau, was er meinte und ergriff Marcys Hand, als die Heiler wieder gingen, strich ihr behutsam über den Handrücken und sah sie einfach nur an, fühlte ihre weiche Haut, realisierte nach wie vor kaum, dass das hier echt sein sollte.
„Ich lasse euch mal lieber alleine, aber wenn sie aufwachen sollte, dann ruf lieber jemanden, nicht dass sie wieder ausflippt." Dankend sah ich zu Thor, als dieser Marcy schmerzvoll anblickte und zur Türe schritt, ehe ihm wohl noch etwas einzufallen schien und er sich wieder an mich wandte, „Ahja, denk bloß nicht, dass nur weil sie da ist, sich alles, was in ihrer Abwesenheit ereignet hatte, geregelt hätte. Du hast Mist gebaut, viel Mist und du wirst es nicht so leicht haben, das alles wieder gerade zu biegen, Loki."
„Ist mir bewusst. Aber es wird mir ein Vergnügen sein alles wieder gut zu machen", antwortete ich und drücke einen Kuss auf Marcys Hand, während Thor mit einem Seufzen verschwand, uns alleine ließ und ich mir seltsam verloren vorkam, doch nun war ich hier, mitten in der Nacht an der Seite von der Person, die ich über alles liebte, dachte daran, was unser letzter friedlicher Augenblick gewesen war, der vermutlich sogar in diesem Zimmer stattgefunden hatte. Damals hatte ich nur trainieren gehen wollen, ehe alles ein Ende fand und doch erinnerte ich mich noch zu gut daran, wie anders alles gewesen war. Sif und Ivanka waren hier gewesen, Marcy war schwanger und...
„Verdammt", hauchte ich und vergrub mein Gesicht in meinen Händen und wünschte mir so sehr die Zeit zurückdrehen zu können, dann wäre ich an diesem Tag nie zum Training gegangen, hätte auf Marcy aufgepasst. Dann wäre vieles vielleicht verhindert worden, sie wäre noch bei mir, komplett bei mir, wir hätten jetzt ein kleines Baby bei uns gehabt, wären glücklich gewesen, doch diese Realität sah anders aus, ganz anders und obwohl ich glücklich sein sollte, dass ich Marcy wieder hatte, so fühlte ich mich einfach nur miserabel. Mit ihr würde ich all den Schmerz nochmal durchgehen, den ich schon vor über einem Jahr hatte verarbeiten müssen und es würde nicht einfach werden.
„Ich liebe dich so sehr", hauchte ich und wünschte mir ihr helfen zu können, ihr die ganze Sache vereinfachen zu können, doch ich konnte es nicht. Wie von alleine holte ich mit meiner freien Hand den kleinen Smaragd aus meiner Hosentasche, wollte mich damit beruhigen, so wie ich es immerzu hatte, ehe mir etwas einfiel. Augenblicklich betrachtete ich das Armband an Marcys Handgelenk genauer, versuchte zu erkennen, ob an diesem auch nur ein einziger Stein abgefallen war, doch kein einziger schien verloren gegangen zu sein, bis auf ein einziger. Irritiert schüttelte ich den Kopf, dachte an Thors Theorie, dass sie ihn irgendwann verloren haben könnte in meinem Zimmer, doch sollte nach all der Zeit wirklich nur ein einziger Stein weg sein? Und dann fand ich ihn auch noch rein zufällig in dem Moment, wo ich davon träumte Marcys Armband zerstört zu haben? Ich hatte langsam keine Ahnung mehr, was ich glauben sollte, doch Marcy tat das wohl genauso wenig. Sah so aus als müssten wir uns gegenseitig helfen wieder völlig zurück ins Leben zu finden, doch nach allem, was wir bereits überstanden hatten, nachdem was wir erleiden mussten, um wieder hier zueinander zu finden, wir würden es einfach schaffen auch diese Hürde zu überstehen, wir müssten es einfach.
Aloha :) Es geht mal früher weiter als gedacht xD Ich hoffe euch hat das Kapitel gefallen. Wäre sau lieb, wenn ihr für diese Geschichte bei den Golden Book Awards voten könntet, das würde mir viel bedeuten und danke an alle, die das bereits haben xx
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