106. Hoffnung
Loki
Wenn ich je herausfinden sollte, welcher Trottel den bescheuerten Spruch 'Die Zeit heilt alle Wunden' erfunden hatte, dann würde ich ihn eigenhändig ausweiden, so viel stand fest. Die Zeit konnte nämlich keine Wunden heilen, sie konnte einen nicht vergessen lassen, sie konnte einem den Schmerz nicht einmal erträglicher machen, das einzige, was die Zeit wirklich schaffte, war es den Schmerz als Teil des Lebens zu akzeptieren. Es verging nicht ein einziger Tag, an dem ich nicht an Sie dachte, es gab keine einzige Nacht, in der ich nicht schreiend oder schweißgebadet aufwachte, nicht einmal, wenn ich so viel getrunken hatte, dass die Welt verschwommen war, schaffte ich es sie zu vergessen. Sie war immer da, egal wo ich auch hinsah, verfolgte mich in meinen Träumen und die Sehnsucht sie berühren zu können, ihr helfen zu können, sie brachte mich um. Von Tag zu Tag wirkte sie weniger wie die Marcy, die ich kannte, es war als würde mein Unterbewusstsein genau wissen, dass es ihr nicht gut ging und so sah ich jede Nacht mit an, wie sie schwächer und schwächer wurde, bis sie vermutlich irgendwann weg sein würde. Ich wollte am liebsten wirklich einfach nur noch sterben, das alles beenden, doch ich würde das niemals schaffen, nicht so lange ich nicht wusste, was aus ihr geworden war. So lange sie irgendwo noch existierte, konnte ich niemals einfach gehen.
Sie war nun schon mehr als ein Jahr fort. Ein ganzes verdammtes Jahr, das ich hatte ohne sie erleben müssen, das die schlimmste Folter gewesen war, schlimmer als damals, als ich meinen Tod vorgetäuscht hatte und ein Jahr von ihr getrennt gewesen war, denn damals hatte ich gewusst gehabt, dass sie lebte, dass sie in Sicherheit und bei Freunden war, doch nun? Thor hatte rein gar nichts nützliches herausfinden können, zwar nur noch mehr Legenden über Todesgötter, Beweise für ihre Existenz und wir wussten zwar nun auch, dass es möglich wäre eine Person aus dem Reich der Toten zu retten, im Austausch für eine andere, nur um das zu erreichen, müsste man die Göttin des Todes heraufbeschwören können und wie genau das funktionierte, wusste niemand in allen neun Welten zu sagen.
In den ersten Wochen nach der Schlacht waren die Avengers praktisch ein- und ausgegangen auf Asgard, waren treue Unterstütze für Thor gewesen, hatten mich mit ihren Blicken versucht zu töten und vor allem Rogers hatte ich angesehen, dass er mich am liebsten für das, was geschehen war, hatte tot sehen wollen, doch mittlerweile waren sie kaum mehr da. Ein jeder lebte eben sein Leben irgendwann weiter, zumindest schafften die Sterblichen es schneller mit etwas abzuschließen, schließlich waren ihre Leben so kurz, doch ich hatte noch eine halbe Ewigkeit vor mir und ich würde nicht so schnell über alles, was gewesen war, hinwegkommen, wenn ich es denn je schaffen würde.
„Ihr wirkt so betrübt. Wollt Ihr, dass ich Euch aufheitere, mein Prinz?"
„Nein, eigentlich will ich nur, dass du endlich gehst", erwiderte ich kalt an die Frau gerichtet, deren Namen ich längst wieder vergessen hatte, die nur, wie viele andere vor ihr, dazu diente, mich nicht die Nerven völlig verlieren zu lassen. Ich fühlte mich zwar elendig und mies an jedem Morgen, nachdem ich etwas mit einer anderen Frau als Marcy gehabt hatte, doch es war fast wieder wie in der Zeit, als Marcy und ich kein Paar gewesen waren, in der das einzige, was mir geholfen hatte nicht verrückt zu werden, es gewesen war etwas mit Frauen zu haben, die ihr auch nur in irgendeiner Art ähnelten. Sei es weil sie die gleiche Größe besaßen oder ähnliches Haar, vielleicht auch nur grüne Augen, ich glaubte in diesen Momenten kurz einfach, dass sie da wäre, dass alles gut wäre. Das und der ganze Alkohol halfen mir diese endlosen Tage zu überstehen, bis ich nachts schlafen gehen musste, um sie wirklich zu sehen, nur wieder all das Leid und Elend zu spüren. Einerseits war ich immerzu froh, wenn ich einschlief und sie wieder vor mir sehen konnte. Ich fühlte mich plötzlich wieder so ganz, wenn ich in ihre wunderschönen Augen sah, sich ab und an ein Lächeln auf ihren Lippen erschlich oder ich hören durfte, wie sie mit ihrer lieblichen Stimme meinen Namen aussprach, doch das wirkliche Grauenvolle daran war wohl zu wissen, dass es nicht echt war, dass ich sie nicht halten, nicht berühren konnte, nicht wirklich zumindest.
„Ihr solltet wirklich nicht um diese Zeit trinken, die Sonne ist doch kaum auf", tadelte sie mich lediglich kichernd, ignorierte meine Aussage von gerade und schlang ihre Arme um meinen freien Oberkörper, während ich nur schwer aufseufzte, das Glas Wein in meiner Hand gefährlich feste umklammerte und wirklich in Versuchung geriet, es ihr ins Gesicht zu schlagen, doch noch mehr Skandale brauchte das Königshaus nicht mehr. Thor und ich sprachen sowieso schon seit Monaten nicht mehr miteinander, nachdem wie ich mich in der Öffentlichkeit aufführte und auch weil es ihn anwiderte, wie ich meine Zeit verbrachte. Mich selbst widerte es ja auch an, ich glaube ich hatte mich noch nie in meinem Leben so elendig gefühlt gehabt, wie in dem Augenblick, wo ich das erste Mal nach Marcys Tod, mit einer anderen was gehabt hatte. Ich hatte nicht einmal mehr eine Ahnung, wie es je hatte dazu kommen können, doch irgendwann war ich für jede Ablenkung einfach dankbar gewesen.
„Und ich sagte, dass du gehen sollst!", erwiderte ich lauter und gereizter als geplant, doch es erzielte seine Wirkung. Augenblicklich ließ sie mich los und stand fast ein wenig beleidigt von meinem Bett auf, wo sie sich ihr Kleid wieder richtete.
„Wenn Ihr mich braucht, Ihr wisst ja, wo Ihr mich findet!", meinte sie und reckte dabei stolz ihr Kinn in die Höhe, ehe sie endlich mein Zimmer verließ und ich erschöpft das Glas leer trank, um es anschließend frustriert gegen die Wand zu werfen. Wie von alleine hatte ich den kleinen Smaragd mal wieder, so wie ich es mittlerweile mehrmals täglich tat, aus meiner Hosentasche gezogen, hielt ihn feste umklammert, glaubte wenigstens irgendwie dadurch mit ihr verbunden zu sein, doch gerade heute war es umso einiges schwerer als sonst standhaft zu bleiben, denn heute wäre ihr Geburtstag gewesen, heute wäre einer der Tage, an denen sie mich mehr denn je gebraucht hätte, doch ich wäre nicht da.
„Verdammt", schrie ich gepeinigt, stand auf, um mich irgendwie abzulenken, doch bei dem Versuch fiel ich nur fast auf den Boden vor mir, spürte, wie der ganze Wein wieder nach oben kommen wollte, doch schnell fasste ich mich wieder. Ich schnappte mir im gehen meine restlichen Kleidungsstücke, zog sie mir während ich durch die Gänge des Palast schritt an und bekam dafür nicht nur einen verdatterten Blick von den Zofen und Wachen, die mit entgegenliefen und die teilweise kehrt machten, wenn sie mich sahen, doch mit mir war nicht mehr unbedingt zu spaßen, wenn es das denn je gewesen war. Es hatte genug Zwischenfälle innerhalb der letzten Monate gegeben, in denen ich Wachen attackiert oder Bedienstete zum weinen gebracht hatte, falls mich auch nur jemand falsch angesehen hatte, doch noch während Thor versuchte alles auf den Alkohol zu schieben, so wusste ich genau, dass ich nüchtern kein Stück besser gewesen wäre. Es war mir schlichtweg egal, was irgendwer noch von mir dachte, es war mir egal, dass ich ein Prinz war, mir war so unfassbar vieles egal geworden, dass Thor mir schon damit gedroht hatte mich in eine Zelle werfen zu lassen, doch offensichtlich brachte er es nicht übers Herz mich an den Ort zu verbannen, wo ich sie verloren hatte und doch war das nun genau der Ort, zu dem ich gehen würde.
Ich hatte wirklich keine Ahnung, wieso ich ausgerechnet jetzt, nach all der Zeit, zu Ihm wollte, wieso ich nicht schon längst Ihn aufgesucht hatte, doch nun würde ich es endlich. So viel Zeit war vergangen, in der ich geglaubt hatte, dass mein Hass, meine Wut nicht davon gestillt werden könnten, ihn leiden zu lassen, doch dieser Tag änderte so vieles. Heute vor einer so unfassbar langen Zeit, hatte ich sie das erste Mal gesehen gehabt, hatte bis auf eine einzige Ausnahme jedes verdammte Jahr an diesem Tag an ihrer Seite gestanden, ob wir im Streit gewesen waren oder nicht hatte da nie eine Rolle gespielt gehabt, doch er hatte nun alles zerstört. Ich war regelrecht geblendet vor Hass, als ich auf zu den Kerkern lief, unterwegs einer Bediensteten eine Flasche Wein abnahm und diese halb austrank, als ich die Treppen herunterlief, ehe ich unten angekommen wie erstarrt auch schon stoppte. Ich ignorierte die fragenden Blicke der Wachen vor dem Eingang der Kerker, während ich in diesen hineinsah, mich wieder zurückversetzt fühlte zu dieser Nacht, glaubte sie dort, fast am Ende des Ganges, stehen sehen zu können, während der Krieg über uns stattfand. Ich keuchte panisch von dieser Halluzination auf, ließ die Flasche zu Boden fallen und taumelte einen Schritt zurück, ehe ich wieder in die Realität zurückgeholt wurde.
„Prinz Loki...", sprach mich da nämlich einer der Wachen an und verwirrt sah ich zu diesem, erinnerte mich wieder daran, weswegen ich überhaupt hier war, erinnerte mich daran, dass dieser Moment der Vergangenheit angehörte, dass sie nicht hier wäre, dass es keinen Krieg mehr gab und dass nun auch das letzte Monster endlich sterben würde.
„Ich will Aras sehen!"
Der einzige Grund, warum er vermutlich noch nicht tot war, war wohl, weil Thor nach wie vor der Meinung war, dass er aus meiner Hand sterben sollte und vielleicht auch, weil der Tod zu schnell und zu gnädig für ihn gewesen wäre. Er sollte leiden, er sollte mindestens genauso leiden müssen, wie sie es hatte, wie meine Tochter gelitten hatte und dafür sollte er eigentlich eine Ewigkeit in dem Drecksloch von Zell verrotten, doch meinen Hass herunterzudrücken, fiel mir so schwer, vor allem als ich ihn schließlich sah. Der Augenblick, wo ich den Mistkerl das erste Mal wiedersah, nachdem er mir den Auftrag gegeben hatte sie zu töten, es war der Augenblick, wo ich wirklich fast die Kontrolle verloren und ihn abgestochen hätte, doch so schnell dürfte das nicht passieren, so schnell dürfte er nicht sterben. Ich versuchte meine komplette Aufmerksamkeit nur diesem elendigen Abschaum zu schenken, während ich hier unten war, versuchte nicht zu der Türe zu schauen, die direkt in die Folterkammer führen würde und von der ich mich fast schon irgendwie magisch angezogen fühlte, doch nun war nicht die Zeit, um zum tausendsten Mal an diesen einen Tag zurück zu denken und an das, was ich angerichtet hatte, es war nun Zeit den Übeltätet für all das zu bestrafen.
„Bin ich froh zu sehen, dass du genauso furchtbar aussiehst, wie ich", spottete der Mistkerl, als er mich vor seiner Zelle erblickte, die anders als meine damals nicht annähernd luxuriös war, die eher irgendwie verdreckt wirkte mittlerweile.
„Ich habe wirklich fest damit gerechnet gehabt, dass du mittlerweile tot bist, schätze ich habe mich geirrt mit dir", sprach er spöttisch weiter und lächelte dabei dreckig zu mir auf, während er abgemagert, in lumpigen Klamotten auf dem Boden seiner Zelle saß, das Haar lang und filzig und sein Gesicht umhüllt von einem ungepflegtem Bart. Er hatte von außen kaum mehr Ähnlichkeiten zu dem selbstverliebten Prinzen von einst, doch nun spiegelte sein Inneres endlich auch sein äußeres wieder.
„Du hast dich mit vielem geirrt", erwiderte ich kalt und hatte keine Ahnung, wann ich mein Messer gezogen hatte, doch es schien irgendwann einfach in meiner Hand zu sein, was Aras bemerkte.
„Also willst du mich nun endlich töten? Gar nicht interessiert daran noch mehr über deine Marcy zu erfahren? Weißt du, ich denke ziemlich oft an sie, an ihre nervige Art oder daran, wie du sie dort drüben in der Folterkammer wohl..."
„SEI STILL!", schrie ich ihn an und trat mit Hilfe einer der Schlüsselarmbänder, die Marcy früher für meine Zelle genutzt hatte, durch das Glas hindurch in Aras' Zelle hinein, „Du hast kein Recht ihren Namen auch nur in den Mund zu nehmen, du widerliche Kreatur!" Rasend vor Wut hatte ich den abgemagerten Kerl am Kragen gepackt, drückte ihn nun gegen die Wand seiner Zelle und doch schaffte er es noch mich anzulächeln, kaum panisch zu sein, sondern tatsächlich zu lächeln. Oh wie ich ihm dieses Lächeln noch aus dem Gesicht schlagen, nein, schneiden würde.
„Du wirst mich nicht töten, nicht wenn ich der einzige bin, der dir sagen kann, wie du dein kostbares Mädchen zurückholen kannst", lachte er erheitert und irritiert legte ich meinen Kopf von seinen Worten schief, drückte ihn dennoch nur noch fester gegen die Wand, hatte mein Messer mittlerweile an seine Kehle gedrückt.
„Du kannst es mir sagen und anschließend töte ich dich trotzdem", bemerkte ich, was ihn lautstark zum lachen brachte.
„Ich denke kaum, denn wenn du sie wirklich wieder haben solltest, dann wirst du früh genug merken, dass sie mich brauchen wird."
„Niemand braucht dich, denk nicht eine einzige Sekunde, dass du etwas besonderes bist, dass du wertvoll bist!", zischte ich bedrohlich, spürte wie der ganze Wein erneut sich am liebsten einen Weg heraussuchen wollte, fühlte mich von Minute zu Minute nur kraftloser. Das war eindeutig zu viel für eine so frühe Stunde, ohne die Nacht über wirklich ein Auge zubekommen zu haben.
„Hast du wenigstens schon so viel herausgefunden, dass deine Freundin eine Todesgöttin ist?", fragte Aras nun deutlich unsicherer nach und dennoch hatte er nach wie vor ein spöttisches Grinsen im Gesicht, das ihm verging, als ich die Klinge nur noch fester gegen seinen Hals drückte, so dass er anfing zu bluten.
„Was weißt du darüber?"
„Alles!", antwortete er und zuckte bei jedem Atemzug zusammen, wenn das Messer sich nur noch tiefer in seine Haut bohrte, „Ich habe zusammen mit meinem Vater alles über euch herausgefunden, was glaubst du denn, worum es uns hierbei je gegangen war?"
„Ihr wolltet den Thron", sprach ich das Offensichtliche aus, was ihn dazu brachte lachend den Kopf zu schütteln.
„Wir wollen euch den Thron wegnehmen, aber nicht um ihn selbst zu besitzen. Sie soll ihn besitzen! Das ist auch der Grund, weswegen ich meinen eigenen Vater hatte töten müssen, denn dieser fand es besser die Macht für sich zu behalten, was ich nicht zulassen konnte", erklärte er und irritiert zog ich das Messer weg von seinem Hals, ließ ihn auf den Boden fallen.
„Wer ist Sie?"
„Die Göttin des Todes natürlich", erwiderte er amüsiert, „Asgard... die neun Welten, alles geht den Bach runter, wir könnten neue Welten erobern, wir könnten so mächtig werden, doch jeder will lieber in Frieden leben. Doch wenn sie den Thron hätte... es würde ein neues Imperium geben!", rief Aras euphorisch aus und angewidert wich ich einen Schritt zurück von seinen kranken Plänen und Idealen, denn das war ja noch verrückter, als meine eigenen Pläne König zu werden. Was dachte er bitte, wie irgendeine Welt aussehen würde, wenn der Tod unter uns sein würde?
„Die Göttin des Todes ist an die Unterwelt gebunden, sie kann nicht einfach nach Asgard gelangen und eben mal so die Herrschaft an sich reißen", bemerkte ich leise, dachte an das Grauen, was uns allen bevorstehen würde, wenn das geschehen sollte.
„Sie ist aber genauso an Todesgötter gebunden und was für ein Glück aber auch, dass Marcy genau das ist und gerade in ihrem Reich gefangen ist", warf Aras ein und immer verwirrter schüttelte ich den Kopf, denn was genau war der ganze Plan hinter alledem? War es von Anfang an vorhergesehen, dass Marcy in ihre Fänge gerät?
„Du hast Marcy nie töten wollen, du wolltest sie nur so schwach machen, so dass sie zwischen beiden Welten sein würde. Du wusstest ganz genau, dass das Gift der Eisriesen sie niemals töten würde!"
„Und es hat wunderbar funktioniert, oder nicht?", fragte er spöttisch nach und wütend packte ich ihn dieses Mal an seiner Kehle, drückte ihn die Wand hoch und spürte, wie die Wut in mir immer größer und größer wurde, doch zu wissen, wie benutzt wir alle wurden, dass wir nichts als Schachfiguren in einem dummen, kranken Spiel waren, dass so viele dafür hatten sterben müssen, es widerte mich an. Es widerte mich an zu wissen, wieso das alles hatte geschehen müssen, wofür Marcy, meine Tochter, Hogun, Ivanka, sie alle hatten sterben müssen.
„Dann sag mir jetzt sofort, wie ich sie retten kann! SOFORT!"
„Sie kann sich nur selbst retten", röchelte er nach Luft und fing an langsam bläulich im Gesicht zu werden, „Sie kann als Lebende jederzeit zurück in die normale Welt, wenn sie eine Lücke dazwischen findet, doch es ist sowieso zu spät. Sie ist so lange schon dort, dass sie vermutlich nicht einmal mehr weiß, wer sie überhaupt ist."
„Eine Lücke? Was für eine Lücke? Wie wenn jemand stirbt?", fragte ich den letzten Teil seiner Ansage ignorierend nach und lockerte meinen Griff wieder.
„Wenn jemand einen natürlichen Tod stirbt. Nur die Alten und Schwachen kommen in das Reich der Göttin des Todes, abgesehen mal von Verbrechern, der Rest geht direkt weiter nach Valhalla, also komm nicht auf die Idee, dass mein Tod sie zurückbringen kann. Mag zwar sein, dass ich in ihr Reiche kommen würde, aber das heißt nicht, dass mein Tod auch eine Lücke darstellen wird", bemerkte Aras zynisch, doch ich hatte bereits genug von ihm gehört. Ohne weiter auf seine Worte zu achten, lief ich aus seiner Zelle heraus, versuchte den ganzen Alkohol in mir irgendwie zu ignorieren, so nüchtern wie möglich zu sein, schließlich musste Thor mir hierbei zuhören, ich musste ihm von Aras' Worten berichten, doch glauben würde er mir niemals, wenn er sehen würde, in was für einem Zustand ich mich befand.
„Prinz...", begann die Wache erneut mich anzusprechen, als ich an ihr vorbei schritt, doch ich ignorierte sie, lief stattdessen die Treppe hinauf, glaubte auch weiterhin gleich umkippen oder brechen zu müssen, doch das hielt mich von rein gar nichts ab, als ich weiter in Richtung Thors Gemächer lief, da dieser vermutlich zu einer solch frühen Stunde noch am schlafen war, so wie fast alle anderen normalen Leute auch.
„Thor, wach sofort auf!", rief ich harsch aus, als ich das Zimmer meines Bruders betrat, in dem ich zu meinen Lebzeiten fast noch nie drinnen gewesen war, einfach weil ich nie wirklich einen Grund dafür gehabt hatte und auch weil es anders als Marcys Zimmer nicht direkt gegenüber von meinem lag, sondern fast am anderen Ende des Palasts, wieso auch immer.
„Was bei allen Göttern... Loki?" Verschlafen richtete Thor sich in seinem Bett auf, sah irritiert zu mir und blinzelte gleichzeitig gegen das schwach einfallende Licht der aufgehenden Sonne an.
„Ja ich bin hier und ja es ist früh und ja ich sehe, dass du keine Kleidung trägst und nein ich will nicht wissen, wieso du nackt schläfst. Aber nun wach auf und hör mir zu, es geht hierbei um Marcy!", unterbrach ich ihn, als er schon dabei war etwas zu sagen und sich nun von meinen Worten angetrieben die Decke um seinen entblößten Körper schlang, ehe er aufstand.
„Marcy? Was ist mit Marcy, wie spät ist es überhaupt und... bist du betrunken?"
„Es spielt keine Rolle gerade, ob ich betrunken bin oder nicht, ich sagte gerade..."
„Du riechst so, als hättest du den ganzen Weinkeller leer getrunken, was bei allen Göttern stimmt eigentlich nicht mir dir, Loki? Glaubst du wirklich, das ist es, was Marcy sehen möchte? Glaubst du wirklich, das wird irgendwas leichter machen?", fragte Thor mich aufgebracht, ignorierte wie zu erwarten meine Worte und am liebsten wollte ich ihn dafür anschreien, ihn endlich zum schweigen bringen, damit er mir doch zuhören würde, doch leider spürte ich immer deutlicher, wie elendig es mir von dem ganzen Wein doch ging.
„Thor, ich schwöre dir, wenn du mir nicht gleich zu hörst, dann..." Weiter kam ich jedoch nicht mehr, als ich schon diesem direkt auf die Füße kotzte und mich taumelnd an seinem Arm dabei festhalten musste.
„Hast du eigentlich eine Ahnung, wie froh ich bin, dass wir nicht wirklich verwandt sind?", fragte Thor mich angeekelt, „Denn dadurch fällt es mir umso einiges leichter, dir eine zu verpassen." Mit den Worten schlug er mir auch schon tatsächlich ins Gesicht und schickte mich nur wieder in die grauenvolle Dunkelheit zurück.
Etwas überrascht von der Tatsache zum ersten Mal seit dem Krieg traumlos geschlafen zu haben, nicht Marcy in meiner Traumwelt begegnet zu sein, riss ich meine Augen auf und setzte mich schon aufrecht in meinem Bett hin. Mein Kopf fühlte sich furchtbar schwer an, mein Magen drehte sich auch nach wie vor von dem ganzen Alkohol und doch ging es mir um einiges besser, als vorhin noch.
„Bist du endlich wieder nüchtern?" Ich seufzte schwer auf und sah nicht zu Thor, als dieser mich ansprach und wohl alles andere als gut gelaunt zu sein schien, was ich ihm nicht verübeln konnte. Nun, wo ich wieder mehr bei Sinnen war, machten sich die ersten Zweifel in mir breit, was Aras Aussage anging, wie wahr es doch war, was er da gesagt hatte und die Hoffnungslosigkeit, die mich erneut umgab, sie war grausam, so grausam, wie jeder verfluchte Tag, seit sie fort war.
„Geh einfach, Thor", hauchte ich leise und sah nach außen, wo die Sonne schon anfing langsam wieder unterzugehen. Wie lange hatte ich bitte geschlafen? Vermutlich hatte ich seit sie fort war nicht mehr so unbeschwert und lange geschlafen, wie jetzt, und das glich beinahe einem Wunder.
„Und wenn ich gehe, was machst du dann? Betrinkst du dich weiter? Holst du das nächste Mädchen her, das ihr auch nur ein wenig ähnelt, um sie so zu würdigen?", fragte Thor herablassend nach und sauer sah ich weg vom Fenster nun doch zu ihm, sah wie er an der Türe stand, endlich angezogen, und mich dabei feindselig anblickte. All das, was Marcy geschafft hatte zwischen uns zu reparieren, es war mit ihrem Verschwinden dahin. Wir waren nur wieder zwei Brüder, die sich verabscheuten und das vermutlich zum Teil auch, weil wir beide nur sie sahen, wenn wir uns anblickten. Sah ich Thor, dann sah ich automatisch Marcy, wie sehr sie ihn anhimmelte, wie sehr sie ihn auf ihre Art liebte und vermutlich ging es Thor nicht anders dabei.
„Es hilft wenigstens für einen kurzen Moment alles zu vergessen und ich bin dankbar für jedes kleine Bisschen, das genau das schafft", erwiderte ich harsch und stand taumelnd von meinem Bett auf.
„Vorhin warst du nicht darauf aus zu vergessen, du hast ihren Namen erwähnt, etwas, was du lange nicht mehr hast. Weißt du eigentlich, wie verdammt lange es her ist, seit du das letzte Mal ihren Namen ausgesprochen hast? Kurz dachte ich wirklich, dass du wieder vernünftig geworden wärst", bemerkte er kalt und ich lächelte verbittert über seine Worte, als ich mir ein neues Obergewand anzog.
„Ich habe mit Aras gesprochen und eine neue Möglichkeit von ihm gehört, wie man sie retten könnte, doch eigentlich ist es Unsinn, denn selbst wenn es wahr ist, so ist es zu spät."
„Was lässt dich das glauben?", fragte Thor nun um einiges sanfter, schien ernsthaft daran interessiert zu sein und verunsicherte mich damit völlig, denn ich wollte mir keine Hoffnungen machen müssen, dass auch nur ein Fünkchen was wahres an Aras' Worten dran sein könnte. Er musste einfach gelogen haben!
„Er meinte, sie müsste selbst eine Lücke hierher finden, wie durch eine Person, die einen natürlichen Tod erleidet, doch sie ist so lange dort, Thor... wer weiß schon, in was für einer Verfassung sie ist? Und außerdem weiß keiner, wie wir ihr das mitteilen sollten, es ist ja nicht so, als ob wir ihr einfach eine Nachricht übermitteln könnten", erklärte ich mit einem hysterischen Unterton, wollte das Gespräch damit schon beenden, endlich gehen, um mich für eine weitere elendige Nacht vorzubereiten, doch Thor packte mich da am Arm und stoppte mich.
„Was willst du noch, Bruder?", fragte ich gereizt, sah wie er selbst jedoch nur mit geweiteten Augen zum Balkon blickte, weswegen ich seinem Blick folgte, versuchte zu verstehen, was er sah, ehe ich es bemerkte.
„Du siehst es auch, nicht wahr?", fragte er mich leise und völlig geschockt nickte ich, hielt mich aus Angst ohnmächtig werden zu müssen, an ihm fest, als ich dabei zu sah, wie Asgard erblühte. Die Pflanzen waren zwar längst nicht mehr tot, so wie sie es nach ihrem Tod gewesen waren, doch wirklich lebendig waren sie auch nicht mehr gewesen, sie waren fast so wie sie es selbst war, in einem Zwischenzustand gewesen, doch nun war es so, als würden sie alle wieder zu neuem Leben erwachen.
„Sie ist hier", hauchte ich verdattert, schließlich war das doch die einzige logische Erklärung hierfür, oder nicht?, „Aber wo ist sie? Wir müssen sie suchen, wenn das, was man sagt, stimmt, dann ist sie verwirrt, vielleicht weiß sie gar nicht mehr, wer sie ist. Thor... wir müssen... wir müssen sie finden, sofort, bevor...."
„Ich habe eine exakte Ahnung davon, wo sie sein könnte, wenn sie kaum mehr eine Erinnerung hat", erwiderte Thor und ich lachte hysterisch auf, glaubte träumen zu müssen, hatte keine Ahnung, wie wahr das alles hier sein konnte, doch normal war sicher nichts davon. Ich wusste zum einen ja, dass es bescheuert war so schnell daran zu glauben, dass sie hier wäre, ich meine, wieso sollte es plötzlich auch der Fall sein? Doch ich konnte einfach nicht anders. Ich würde vermutlich immerzu jeden noch so kleinen Hinweis nachgehen, der mich zu ihr führen könnte.
„Dann los!", rief ich so euphorisch, wie seit langem nicht mehr aus, fühlte mich regelrecht berauscht von dem bloßen Gedanken sie sehen zu können, wusste gleichzeitig zwar auch, dass ich es niemals verkraften würde, wenn sie nicht da wäre, doch ich hatte mich längst zu sehr in alles hineingesteigert, wollte schon gehen, doch da hatte Thor mich erneut zurückgezogen und ehe ich mich versah, war ich mal wieder an meinem Bett fest gekettet worden von ihm.
„Tut mir wirklich leid, Loki. Aber falls sie wirklich zurück ist, dann wird sie verwirrt sein und da ist es besser, wenn du nicht in ihre Nähe kommst!"
„Ist das dein verfluchter ernst?", fragte ich frei heraus, sah ihn fassungslos an, als er zur Türe hinausschritt, mich ein letztes Mal entschuldigend anblickte, ehe er auch schon ging, „KOMM SOFORT ZURÜCK! ICH SCHWÖRE BEI MEINEM LEBEN, ICH BRINGE DICH SONST UM!" Verzweifelt sah ich zur offenen Türe, glaubte wirklich noch untergehen zu müssen bei all diesen Empfindungen, die mich so plötzlich durchströmten, die mich zerrissen, doch ich durfte jetzt nicht aufgeben. War sie wirklich hier irgendwo, dann müsste ich sie sehen, ich müsste zu ihr und dafür müsste ich weg von diesen Handschellen!
Aloha :) Ich hoffe euch hat dieses verflucht lange Kapitel mit über 4000 Wörtern gefallen, alleine schon weil ich es geschafft habe sogar früher zu veröffentlichen, als eigentlich geplant xD Naja, Loki ist etwas durchgedreht in diesem Jahr ohne Marcy, wir haben den wundervollen Aras mal wieder da gehabt und was will man mehr? xD xx
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