105. Wie ein Schatten
Loki
Die Beerdigung, die ganze Schlacht, all das war nun schon fast zwei ganze Wochen her und je mehr Zeit verging, desto geringer wurde die Hoffnung darauf, Marcy wiederzufinden. Kaum einer außer Thor und mir glaubte überhaupt noch wirklich daran und obwohl ich es mir nicht eingestehen wollte, es nicht akzeptieren wollte, so zweifelte ich auch von Tag zu Tag mehr daran. Ich hörte sie zwar in all meinen Träumen nach mir rufen, glaubte sie an jeder Ecke zu sehen, dachte wirklich manchmal sie wie einen Schatten erkennen zu können, doch mir war bewusst, dass es nicht echt war und vermutlich hatte diese ganze Bestattung mir nur noch mehr die Augen geöffnet gehabt. Zu sehen, wie viele gestorben waren, zu sehen, wie meine eigene Tochter von mir ging, es zeigte mir deutlich, dass dieser Krieg real gewesen war und er seine Opfer gefordert hatte. Wieso sollte Marcy also als einzige noch leben? Ich wollte so gerne daran glauben dürfen und doch schaffte ich es immer weniger.
„Thor will dich gerne sehen." Ich blickte nicht auf, als ich Sifs Stimme vernahm und auch nicht, als ich aus dem Augenwinkel wahrnahm, wie sie sich neben mich stellte, um genauso wie ich auch das Kinderzimmer zu betrachten, das niemals mehr bewohnt werden würde. Ich wusste nicht, wieso ich überhaupt hier war, mich selbst so folterte, doch was ich sonst machen sollte, wusste ich genauso wenig.
„Ich will ihn nur nicht sehen", erwiderte ich kalt, hörte wie die Kriegerin aufseufzte. Sie war erst seit zwei Tagen wieder auf den Beinen, wieder so richtig wach, nachdem sie vom Krieg beinahe gestorben wäre, doch dennoch schaffte sie es schon sich tapferer zu schlagen, als ich es je könnte. Obwohl Marcy ihre einzige wirkliche Freundin gewesen war, obwohl mit Hogun einer ihrer ältesten Freunde verstorben war, so wirkte sie verdammt stark.
„Du weißt, dass deine Trauer sie auch nicht alle wieder lebendig werden lassen kann?"
„Sie ist nicht tot", murmelte ich leise und doch klang es nicht einmal mehr so selbstsicher, wie vor einigen Tagen noch.
„Ich würde das ja genauso gerne glauben, wie du auch, Loki, aber wo ist sie denn dann bitte?", fragte sie mich verbittert und brachte mich dazu zu ihr zu sehen. Sie wirkte zwar immer noch verdammt kaputt und angeschlagen und doch strahlte sie auch so viel Energie aus, es war fast schon beneidenswert
„Ich habe keine Ahnung. Thor glaubt jedoch daran sie finden zu können."
„Ja, Thor versucht sich gerade auch an jeden Hoffnungsschimmer zu klammern, den man ihm gibt. Er ist überfordert mit der Rolle des Königs, vor allem seit dem Krieg. Dass man ihm Marcy genommen hat, macht nichts besser."
„Ich weiß nicht, woran ich mehr glauben soll, doch eigentlich will ich auch gar nicht darüber reden müssen. Es ist schon so alles schwer genug, verstanden?"
„Natürlich", erwiderte sie freundlicher, als erwartet, „Du solltest dennoch zu Thor gehen. Er braucht dich."
Ich hatte eigentlich nicht vorgehabt wirklich meinen Bruder aufzusuchen und doch stand ich nun hier im Thronsaal, war etwas überrascht davon, dass Volstagg neben diesem ebenfalls anwesend war, doch egal um was es hier ging, es schien ernst zu sein, so wie Thor wirkte.
„Was ist los?", fragte ich irritiert, sah zwischen den beiden hin und her und fragte mich kurz, ob es was wegen Marcy wäre, doch hätte man sie gefunden, tot oder lebendig, so wäre Thor anders drauf gewesen, so viel stand fest.
„Volstagg hat mir gerade etwas erzählt, was er mir vermutlich schon vor zwei Wochen oder am besten noch eher berichtet hätte", sprach Thor und ich sah wie Volstagg etwas schuldig zu Boden blickte.
„Thor, du musst verstehen, dass ich annahm, dass..."
„Es ist ok, nur sollte Loki es auch wissen", unterbrach Thor ihn seufzend und ich spannte mich unbewusst an, schließlich hatte es dann wohl eindeutig irgendwas mit der Schlacht zu tun, wenn nicht sogar mit Marcy selbst.
„Was sollte ich wissen?"
„Hast du je von den Todesgöttern gehört?", fragte Thor mich und ich runzelte fragend meine Stirn, denn worauf wollte er bitte hinaus?
„Todesgötter? Es gibt doch nur eine Göttin des Todes."
„Nein, nein, man kann beides nicht miteinander vergleichen. Todesgötter wurden oft wie ein Märchen betrachtet, ähnlich wie die Walküren, kaum einer glaubte wirklich an die Existenz von ihnen", klärte Thor mich auf und verwirrte mich mit jeder seiner Worte nur noch mehr, denn was genau brachte es mir das hier zu wissen?
„Klingt nach einer wundervollen Geschichte, wirklich Bruder, aber ich habe wirklich gedacht die Zeiten, wo du eine kleine Elfe sein wolltest, wären längst vorbei und..."
„Verdammt, hör mir doch zu, Loki! Marcy ist eine Todesgöttin!", unterbrach Thor mich harsch und schaffte es mich damit tatsächlich ziemlich aus der Bahn zu werfen. Irritiert blinzelte ich, öffnete meinen Mund, um etwas darauf zu erwidern, nur war ich nach wie vor zu verwirrt davon, was das überhaut zu bedeuten hatte. Marcy war bitte eine was? Wie sollte eine Göttin der Liebe, gleichzeitg eine Göttin der Toten sein? Das ergab für mich keinen Sinn und noch weniger ergab es Sinn für mich, woher Volstagg das bitte wusste und wie uns das irgendwie weiterhelfen sollte.
„Ich habe vor einer sehr langen Zeit ein Gespräch zwischen Odin und Frigga aus reinem Zufall heraus mitbekommen und dort hatten sie erwähnt gehabt, dass Marcys Mutter eine gewesen war und somit müsste Marcy selbst eigentlich auch eine sein", sprach Volstagg nun und verdattert sah ich von Thor zu ihm, doch ich hatte so viele Fragen zu dieser Sache und ich wusste wirklich nicht, welche ich als erstes stellen sollte.
„Diese Information ist an sich nicht unbedingt etwas besonderes, zwar wurde immer angenommen, dass es keine ihrer Art mehr gab, da das besondere an Todesgöttern eben war, dass sie eine magische Bindung zum Tod besaßen und so wie die Fliegen praktisch starben, jedoch schien Marcy wohl einer der letzten ihrer Art gewesen zu sein", meinte Thor nun und ich schüttelte langsam den Kopf, fühlte mich immer noch überfordert von dieser Information.
„Was genau bringt es mir, das nun aber zu wissen? Dass es etwa ganz normal sei, dass sie so früh gehen musste? Dass ich mich nun damit abfinden muss?", fragte ich deswegen fast schon ein wenig patzig nach.
„Nein, du verstehst mich falsch, Loki. Das ist genau das, was wir eben noch versuchen herauszufinden. Denn falls Marcy wirklich aufgewacht ist und von der Göttin des Todes gejagt wurde, dann hat das auch einen Grund. Die Göttin des Todes wäre nie so interessiert an irgendeinem Asen, würde es eigentlich niemals schaffen auch nur einen Fuß auf den Boden Asgards zu setzen, sie ist dafür zu sehr an das Reich der Toten gebunden, aber falls das, was Volstagg sagt, stimmt, könnte das vieles ändern."
„Und wie finden wir dazu eine Antwort?", fragte ich müde von dieser ganzen Sache nach, wusste gar nicht wirklich, was wir uns hiervon erhoffen sollten, denn für mich klang das nicht so, als würde uns das auch nur irgendwie helfen sie wiederzufinden.
„Ich habe wirklich keine Ahnung, aber wir werden zu allem Antworten finden, doch... doch wir müssen uns auf das unvermeidbare einstellen", meinte Thor verbittert und lehnte sich auf seinem Thron erschöpft zurück, „Marcy ist höchstwahrscheinlich auf keiner unserer Welten zu finden, denn wenn sie von der Göttin des Todes gefasst wurde, dann ist sie in ihrem Reich."
„Dann müssen wir sie eben von dort zurück holen!", erwiderte ich gereizt, schließlich war sie nicht tot, gehörte dort nicht hin!, „Sie ist nicht tot, also können wir sie auch wieder zurück holen, es hat doch irgendwann mal schon einen Krieger gegeben, der jemanden aus dem Reich der Toten zurückgeholt hatte."
„Und du glaubst wirklich, dass das so einfach ist, Loki? Es ist weder einfach jemanden von dort zurück zu holen, noch ist es einfach zu garantieren, dass diese Person dann auch noch wirklich die ist, die man dort verloren hatte! Das Reich der Toten verändert einen und sie ist schon so lange dort, falls sie es überhaupt ist", bemerkte Volstagg nun und zornig sah ich zu ihm, hasste ihn für die Worte, die er ausgesprochen hatte, doch sie waren vermutlich einfach nur die bittere Wahrheit, eine Wahrheit, die mir nicht gefiel. Sie zu akzeptieren bedeutete nämlich so viel, wie gar nichts mehr machen zu können. Ich könnte weiter mit Thor versuchen zu verstehen, wieso all das geschehen musste, doch ich würde sie dennoch nie wiedersehen. Ich keuchte schmerzvoll auf, als mir das ein für alle Male bewusst wurde, ich glaubte wirklich zu spüren, wie ein Stück von mir gerissen wurde, glaubte in der Ferne sie nach mir rufen zu hören, doch ich musste wohl endgültig einsehen, dass sie fort war, dass sie nicht lebte, dass sie nicht tot war, sondern dass sie einfach weg war und ich rein gar nichts daran würde ändern können.
Marcy
Die Zeit verging hier auf eine ganz andere Weise, als in der echten Welt. Mal war es so, als würden Tage innerhalb von Sekunden an einem vorbeiziehen und dann hielten Minuten für Tage an. Ich hatte das Gefühl, als ob die Gegenwart sich oft mit der Vergangenheit vermischte, sah in manchen Momenten Dinge, die längst geschehen waren und in anderen sah ich die, die wohl jetzt gerade passierten. Es war jedoch nicht das schlimmste an diesem Ort.
Als dieses Ding mich mit sich gezogen hatte, mich gefasst hatte, so hatte ich schnell verstanden, wo ich gelandet war und auch, dass ich nicht mehr von hier entkommen würde, dennoch war die Gewissheit wie ein Schlag ins Gesicht gewesen von nun an in dieser Welt gefangen zu sein. Sie sah nicht so aus, wie die eigenartige Zwischenwelt, in der ich vorhin aufgewacht war und in der alles so hell und sauber gewirkt hatte, hier war das komplette Gegenteil der Fall. Es sah irgendwie aus wie Asgard und irgendwie doch auch gar nicht. Der Himmel war immer dunkel, es gab nicht so etwas wie Pflanzen, Natur, da war nur Feuer und Asche und jedes Gebäude, das man sah, wirkte uralt, modrig und als wäre es vor einer langen Zeit verlassen worden. Ich konnte von vielen dieser Dinge absehen, sie waren zwar schwer zu ertragen, doch sie waren nicht das schlimmste an diesem Ort. Das wirkliche Übel war die Tatsache alleine zu sein, völlig alleine zu sein, diejenigen, die ich liebte, die mir wichtig waren, ab und an nur wie Schatten sehen zu können, doch machtlos zu sein mit ihnen zu reden, wirklich bei ihnen zu sein.
Ich war nicht wie andere Leute, die starben, nur auf der Durchreise, ich würde nicht weiterziehen können, entweder in die ewigen Abgründe Helheims oder weiter nach Valhalla, denn ich war am Leben und egal was dieses Ding auch von mir wollte, ich würde das gar nicht erst zu lassen. In dem Augenblick, wo ich hier gelandet war, war ich geflohen, hatte es anders als auf Asgard geschafft es abzuhängen, nur um jetzt dazu verdammt zu sein, verloren hier herumzuirren, mit der naiven Hoffnung, dass irgendwer mich retten würde, doch das würde nicht geschehen.
„Loki?", hauchte ich leise, wissend, dass er mich nicht hörte und doch würde ich vermutlich niemals aufgeben nach ihm zu rufen, wenn ich es schaffte einen Schatten von ihm auf der anderen Seite zu erhaschen, wie er von Kummer und Sorgen geplagt durch den Palast schritt, wie er alles und jeden versuchte zu meiden, Stunden in meinem Zimmer manchmal verbrachte, wo er nichts tat, außer einfach nur dazusitzen. Es zerbrach mir mein Herz ihn so zu sehen, ich hasste es ihn nicht aufheitern zu können, so machtlos sein zu müssen.
„Loki", rief ich erneut frustriert aus, als dieser bekümmert sein Zimmer betrat und sich auf sein Bett legte, den Tränen nahe zu sein schien dabei. Ab und an, wenn er schlief, dann schien es so leicht zu sein mit ihm zu reden, dann glaubte ich wirklich nach ihm greifen zu können, glaubte wirklich, dass er mich sah, doch ich wusste wirklich nicht, wie real das war. Ich wusste langsam nichts mehr hier zu sagen, fühlte mich einfach nur verloren und ich wusste, dass es noch schlimmer werden würde.
„Ich dachte, du willst mit nach Antworten suchen gehen und jetzt verkriechst du dich hier in deinem Zimmer?" Überrascht zuckte ich von Thors plötzlichem Erscheinen zusammen, als dieser Lokis Zimmer betrat und diesen vorwurfsvoll anblickte. Es passierte nicht sehr oft, dass ich jemand anderes als Loki sehen konnte, doch es tat gut zu sehen, dass Thor da war, dass er für Loki da war.
„Was bringt es nach Antworten zu suchen?", fragte Loki spöttisch, richtete sich wieder auf und mein Herz drohte zu zerspringen in meiner Brust, so wundervoll klang seine Stimme, so normal war es ihn so reden zu hören, „Marcy ist fort! Ich kann... nein ich will mich nicht länger irgendeiner Illusion hingeben, verstanden? Ich habe wirklich daran geglaubt, dass wir sie finden können, dass sie lebt, doch nach allem was du, was Volstagg gesagt hat, wie soll das alles noch was bringen? Sie ist fort und sie wird nicht wieder zurück kommen und ich ertrage es nicht hoffen zu dürfen, denn worauf? Dass sie morgen wieder hier ist? Oder in einem Monat? Oder vielleicht in 50 Jahren? Selbst wenn wir das schaffen sollten, wer sagt dann, dass sie noch Marcy ist?" Mit jedem Wort, das Loki Thor an den Kopf warf, das er durch den Palas schrie, zuckte ich mehr und mehr zusammen, hatte mir die Hand schockiert vor den Mund gedrückt und war einige Schritte zurück getaumelt, doch es war alles andere als leicht das mitanzuhören, zu wissen, dass Loki das machen würde, was ich mir eigentlich erhoffte und was mir gleichzeitig unfassbare Angst machte, denn er würde mich loslassen. Er würde mich aufgeben.
„Also ist es das gewesen? Wir überlassen sie ihrem Schicksal? Egal was es auch ist?", fragte Thor, der genauso verletzt klang, wie ich mich fühlte und ich konnte es nicht verhindern leise aufzuschluchzen.
„Ich werde niemals ruhen, niemals aufgeben einen Weg zu finden, sie von diesem Schicksal zu erlösen, aber ich werde nicht mehr hoffen, dass sie leben wird. Es geht nicht, Thor. Wenn ich mich daran festklammere, dann gehe ich unter, bevor ich ihr hätte helfen können", erklärte Loki sich nun deutlich ruhiger und dennoch so frustriert, dass es mir weh tat ihn so zu sehen. Ich erkannte, wie schwer es ihm fiel das zu machen, das auszusprechen und ich erkannte auch, dass er trotz seiner Worte vermutlich nie aufhören würde zu hoffen, doch ich verstand ihn. Es gab keinen Ausweg von hier und selbst wenn, was wäre dann? Ich sah wie Loki und Thor sich vor mir in Rauch auflösten, musste akzeptieren, dass ich plötzlich wieder alleine in dem Zimmer stand, das Lokis darstellen sollte, nur deutlich düsterer, zerstörter, und erschöpft setzte ich mich auf den kalten, dreckigen Boden hin und spürte, wie ich weiter anfing zu vergessen. Seit ich hier war, fing ich an viele Kleinigkeiten zu vergessen und doch wurde es von Tag zu Tag mehr und ich wusste, dass es nicht so schnell enden würde, dass das mein Ende sein würde, dass irgendwann der Tag da sein würde, wo ich nicht mehr wüsste, wer Thor oder Loki wäre, wer ich wäre und vielleicht war dieses Ding genau darauf aus. Es wollte mich brechen, bis nichts mehr da war.
Aloha :) Ich weiß es klingt alles etwas kompliziert vielleicht, aber es klärt sich ja alles noch Stück für Stück. Ab dem nächsten Kapitel wird es dann alles mal etwas besser werden hier, versprochen xD Und habt ihr alle auch schon schön brav Black Panther angeschaut? Wenn nicht, dann macht es, es lohnt sich wirklich! Ich versuche bald weiterzumachen xx
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top