Kapitel VI - Die Krankheit
Es war später Abend, als ich wieder erwachte. Ich fühlte mich voll ausgeruht, machte mir aber Sorgen, wie es Loki ging. In diesem Moment trat Frigga ein. „Du bist also wieder wach." „Ja. Wie geht es Loki?" „Er ist irgendwann glücklicherweise eingeschlafen. Er weigert sich, ohne dich zu essen." Seufzend machte ich mich kurz frisch, bevor ich zu ihm rüberging. Frigga hatte mir noch gesagt, dass sie mein Essen einfach bei ihm abgestellt hatte, nachdem er sowieso nicht ohne mich essen wollte. Ich hatte dankbar genickt und war noch dankbarer, als ich die Suppe sah, die es gab. Es war meine Lieblingssuppe. „Du bist wieder da!", krähte Loki, als er mich entdeckte. Ich lächelte. „Ich war nie weg. Ich habe mir nur eine Portion Schlaf geholt. Das habe ich nämlich dringend gebraucht. Und wie ich gehört habe, hast du den auch gebraucht." „Jaaa." Er benahm sich wirklich wie ein kleines Kind. Ich setzte mich also zu ihm und nahm wieder seine Hand, genauso, wie ich es auch schon gestern getan hatte. „Hast du Hunger?" „Ein bisschen." „Wollen wir dann etwas essen?" Er zögerte kurz. „Was gibts denn?" „Was hältst du von Limetten-Sahne-Suppe?" „Au jaa! Das klingt toll!" Er war wirklich ein kleines Kind. Ich holte also die Suppe und aß mit ihm zusammen. Es ist nicht einfach, eine Suppe zu essen, wenn man gleichzeitig darauf achten muss, dass ein zu einem Kleinkind mutierter Erwachsene keinen Unsinn anstellt. „Loki, ess bitte anständig.", „Loki, das macht man nicht.", „Loki, leg das sofort weg.", „Loki, bleib hier." Es war kräftezehrend, auf Klein-Loki aufzupassen, da hatte Frigga eindeutig recht behalten. Irgendwie schaffte ich es aber trotzdem, ihn schließlich zum Einschlafen zu bringen, damit ich ebenfalls schlafen konnte.
Diesmal wachte ich morgens auf und es war mir sogar egal, wie ich aussah, da ich sowieso nur mit Loki in einem Zimmer sitzen und auf ihn aufpassen würde. Ich fuhr mir vor dem Spiegel einmal durch die Haare, damit ich halbwegs annehmbar aussah und ging zu Loki rüber. Der schlief noch und ich legte ihm die Hand an die Stirn. Es war der dritte Tag seiner Erkältung und er war entsprechend wärmer geworden. Ich vertraute Friggas Urteil, dass alles gut war, aber Sorgen machte ich mir trotzdem. Plötzlich fing Loki an zu zappeln, und ich griff erneut seine Hand. Er war wieder wach und blickte mich sofort an. „Guten Morgen!", krähte er. „Guten Morgen", erwiderte ich sanft. „Duuuu, ich muss mal." „Dann geh schnell. Aber beeil dich." „Okee." Ich musste mir ein Lachen verkneifen. Es war irgendwie witzig, Loki in Kleinkindsprache reden zu hören. Aber wenigstens hielt er sich an das „schnell". Er kletterte dann auch sofort wieder ins Bett. „Ich hab Hunger!", war das nächste, was er von sich gab. Glücklicherweise stand das Frühstück schon da und ich holte es. Wir saßen also wieder auf seinem Bett und aßen unser Frühstück. Loki aß deutlich weniger als sonst, fragte dafür aber auch deutlich öfter zwischendurch nach einem Happen.
„Erzähl mir eine Geschichte!", war dann irgendwann die nächste Forderung. „Was möchtest du denn gerne hören?" „Die von diesem Drachen, der ein ganzes Dorf verbrannt hat und dann als Rache von diesem Zwerg getötet und gegessen wurde!" Ich schmunzelte. Das war eine der Kindergeschichten, von denen ich kürzlich erfahren hatte. „Na schön. Komm her." Freudig kuschelte sich Loki an mich und ich begann zu erzählen: „Es war einmal ein böser Drache, der in den Bergen von Nidavellir lebte. Er fraß alles, was er zwischen seine spitzen Klauen bekam und am liebsten die Zwerge. Doch wegen seines Rufes trauten sich die Zwerge nicht mehr in das Gebirge und selbst die Tiere mieden seine Gegenwart. So kam es, dass er eines Tages seine Flügel ausbreitete und gen Süden flog, wo er bald ein Dorf entdeckte. Die Zwerge, die darin lebten, hatten ihn noch nicht entdeckt, und so flog er näher und näher, ohne, dass von den Zwergen irgendeine Reaktion gekommen wäre. Doch als er schon fast an dem Dorf angekommen war, entdeckten ihn die Zwerge und bekamen Angst. Der Drache bekam darüber großen Hunger, weshalb er einen Feuerstoß spie, der das gesamte Dorf verbrannte. Das Feuer aber entdeckte ein junger Zwerg, der sich fest vorgenommen hatte, einmal ein Held zu werden. Er war einige Zeit vom Dorf entfernt, doch die Häuser brannten lichterloh. Also rannte er, so schnell er konnte, und erreichte den Drachen gerade dann, als er den letzten Zwerg verputzt hatte. Der Jüngling wollte sich unbemerkt anschleichen, doch der Drache entdeckte ihn. „Wie ich sehe, hat sich der Nachtisch gerade freiwillig gemeldet!", grinste der Drache und hüllte alles in Feuer." „Das geht nicht gut! Das kann nicht gut gehen!", unterbrach Loki mich. „Keine Sorge, alles wird gut." „Sicher?" „Sicher." Ok, dann erzähl." „Das Feuer brannte alles nieder. Doch der Jüngling hatte sich hinter einem Felsen versteckt. Nun lugte er hinter dem Felsen hervor und hob sein Schild. Er hatte es selbst geschmiedet und mit einem wunderschönen Muster versehen, sodass es nur einem Zwerg gehören konnte. Und das Schwert erst. Man erkannte sofort, dass der Zwerg trotz seines jungen Alters bereits ein hervorragender Schmied war. Diese Fähigkeit hatte er, wie alle Zwerge, von seinen Eltern erlernt. Und da sein Vater ein Meisterschmied gewesen war, hatte der Junge die besten Vorraussetzungen gehabt und hatte sie genutzt. Und nun stand er neben dem Felsen, inmitten eines verbrannten Dorfes und bekämpfte einen Drachen, der bestimmt sechsmal so groß war wie er selbst und Feuer spucken konnte. Und das waren die schlimmsten. Aber er ließ sich trotz diesen Fakten nicht entmutigen und suchte nach einem Schwachpunkt. Schließlich entdeckte er, dass der Drache zwischen Schwanz und Körper unten keine Schuppen besaß. Und da der Drache den Schwanz beim Feuerspucken heben musste, um sich nicht selbst zu verbrennen, hatte er eine Chance. Schnell fasste er einen Plan. Er lenkte das Monster ab, indem er immer und immer wieder um die verkohlten Reste des Dorfes rannte. Irgendwann kam der Drache nicht mehr schnell genug nach und der Zwerg nutzte die Gelegenheit und sprang auf den Schwanz. Schnell kletterte er ihn nach oben, sodass der Drache nichts bemerkte. Da dieser den Zwerg aber nicht mehr sah, spie er Feuer um sich herum. Diese Gelegenheit nutzte der Jüngling und rammte dem Drachen das Schwert tief in die schuppenlose Stelle. Als er es dann wieder hinauszog, starb der Drache auf der Stelle. Der Jüngling hatte seinen Feuermagen getroffen, ein Ort, an dem das Feuer produziert wurde, dass der Drache spie. Und so lief der Rest der Feuerflüssigkeit aus und briet den Drachen von innen. Der Jüngling währenddessen schnitt den Drachen auf und konnte einige der Dorfbewohner befreien, da der Drache sie nicht gekaut, sondern direkt runtergeschlungen hatte. Am Abend feierten alle ein Fest zu Ehren von Miljiör, wie der Zwerg hieß. Der Drache, der sich selbst gebraten hatte, wurde komplett verzehrt. Übrig blieben nur die Haut, die zu undurchdringbaren Rüstungen verarbeitet wurde, und die Knochen, die blitzeblank gegessen wurden. Miljiör blieb noch lange in dem Dorf, um beim Wiederaufbau zu helfen. Neben den normalen Wohnhütten wurde dieses Mal auch ein großes Versammlungshaus erbaut, auf dessen Dach die Knochen des Drachen gesetzt wurden und dort heute noch drohen." „Wem drohen sie?" „Den anderen Drachen, Loki." „Es gibt noch mehr von denen?" „Ja. Aber die meisten sind deutlich schwächer. Aber da die Knochen eines so mächtigen Drachen das Dorf überblickten, traut sich seitdem kein Drache mehr, dieses Dorf anzugreifen. Das Haus heißt heute Miljiör-Haus. Später wurde von den Kindern des Dorfes eine steinerne Statue erbaut, die dort bis heute steht und Miljiör zeigt, wie er gerade sein Schwert hebt, um anzugreifen." „Das ist eine tolle Geschichte!"
Plötzlich erschrak Loki und versuchte, sich hinter mir zu verstecken. In einer Ecke stand nämlich Thor und beobachtete uns. „Das ist eine schöne Geschichte. Es war immer meine Lieblingsgeschichte, als ich ein Kind war. Und anscheinend mag Loki sie auch ganz gerne." Ich musste schmunzeln. „Wie geht es ihm?" „Er ist im dritten Tag. Nicht sonderlich gut. Er..." „Ich muss mal." „Dann geh, Loki. Aber beeil dich, ja?" „Ja." Er verschwand schnell im Bad. „Ich fühle mich, als müsste ich ein Kleinkind betreuen. Es ist echt anstrengend", fuhr ich an Thor gewandt fort. Ja, das kenne ich. Ich musste ihn mal pflegen, als wir noch kleiner waren. Aber du meintest etwas vom dritten Tag?" „Ja. Frigga meinte, er hat sich eine Erkältung eingefangen. Die geht nunmal üblicherweise 7 Tage. Morgen sollte es also nochmal schlimmer sein, danach sollte er aber langsam wieder er selbst werden." „Erkältung? Er?" „Ja. Ich glaube, Thor, der einzige Grund..." Loki huschte wieder ins Bett und kuschelte sich an mich. „... warum du keine hast, ist wahrscheinlich, weil du es gewohnt bist, so oft und hart bei jeder beliebigen Temperatur zu trainieren. Er ist es eben nicht." Ich streichelte Loki den Kopf, woraufhin er sich langsam wieder beruhigte und Thor nicht mehr so ängstlich anstarrte. „Ich denke, es wäre sinnvoll, wenn ihr euch einen Ort sucht, der für Loki besser geeignet ist und dann Schritt für Schritt ins normale Training übergeht." „Hm, ja. Das klingt tatsächlich sinnvoll. Tut mir leid, dass ich dir das hier aufgebunden habe." „Ach, kein Problem. Sowas passiert halt mal." „Ja, stimmt wohl." „Thor, sag mal, kennst du irgendein Mittel, mit dem ich ihn länger mal alleine lassen kann?" „Hm, nicht wirklich. Und glaub mir, ich hab wirklich alles ausprobiert. Er ist nicht einfach zu betreuen." „Ok, trotzdem danke. Es tut gut, mal mit jemandem reden zu können, der sich nicht für 3 hält." Thor musste lachen. „Ja, stimmt wohl. Ich muss dann aber leider auch wieder los. Hab noch zu tun." „Schon gut, viel Erfolg." Loki wartete, bis Thor aus der Tür raus war, dann blickte er mir in die Augen. „Wer war das?" „Das war... nur ein alter Freund von mir. Er wollte mal ein zwei Worte mit mir wechseln. „Oh, okay."
So vergingen die Tage, ohne das etwas nennenswertes passierte. Loki benahm sich wie ein Kleinkind, ich passte auf ihn auf und hatte meine liebe Mühe, ihn im Bett zu halten. Am sechsten Tag gelangte er immerhin wieder ins Stadium eines Zehnjährigen und am siebten Tag fühlte er sich wie Fünfzehn. Dann, am achten Tag, war Loki wieder er selbst. Ich war, wie die letzten Tage, aufgestanden, hatte meine Haare kurz in Ordnung gebracht und war zu Loki gegangen. Er war schon wach und saß in seinem Bett mit dem Rücken zur Wand. „Guten Morgen, Loki." „Guten Morgen, Aisa." „Du bist also endlich wieder du selbst?" Er starrte mich einen Moment an, bis er zu begreifen schien. „Ja. Ich war krank?" „Ja." Ich schmunzelte. „Du hattest dir eine Erkältung zugezogen." Er starrte mich nur fassungslos an. „Eins lass dir gesagt sein. Es ist verdammt anstrengend, dich im Bett zu halten, damit du wieder gesund wirst, wenn du dich wie ein Dreijähriger benimmst." „Hab ich? Tut mir leid." „Ach, mach dir keinen Kopf." Ich zögerte einen Moment, dann fügte ich schelmisch hinzu: „Für irgendetwas muss ich ja gut sein." „Also, ich wüsste da noch mehr Dinge als nur, um mich zu pflegen." Jetzt grinste er. Ich musste lachen. Einfach nur wegen diesem Grinsen. Dieses schelmische, aber auch gleichzeitig anspielende Grinsen, dass ihm im Gesicht lag. „Es ist schön, dich zurück zu haben", meinte ich schließlich. „Erinnerst du dich eigentlich an das, was du während du krank warst gemacht hast?" „Nicht wirklich. Ist irgendwas wissenswertes passiert?" „Wenn du die Tatsache, dass ich dir die Geschichte von Miljiör bestimmt tausendmal erzählen musste, wissenswert ist, dann ja. Aber ansonsten gabs da eigentlich nichts." Loki wurde verlegen. „Ich hab dich echt nach der Geschichte gefragt?" „Oh ja. Und zwar nicht nur einmal. Du wolltest sie wieder und wieder und wieder hören." Ich grinste. „Wieso?" „Weißt du, ich verbinde mit dieser Geschichte all die schönen Erinnerungen, die ich in meiner Kindheit hatte. Es ist sozusagen meine Lieblingsgeschichte geworden, weil wir sie immer dann erzählt bekamen, wenn irgendwas unschönes passiert war. So hatten wir immer einer Ablenkung, und die gemeinsame Zeit war immer wieder schön." Ich lächelte. Ich konnte Loki vollkommen nachvollziehen. „Thor meinte auch einmal, dass es seine Lieblingsgeschichte sei. Er war eigentlich da, um sich nach deinem Zustand zu erkundigen und hat sich die Geschichte einfach mit angehört." Loki seufzte. „Vielleicht wäre es manchmal doch besser, wenn ich mich an meine Krankheitszeit erinnern würde." Ich musste kichern. „Das gäbe einige ziemlich peinliche Stories. Ich meine, ein Erwachsener, der sich für einen Dreijährigen hält. Da kommt ordentlich was zusammen." „Na ja..." Loki schlug beleidigt nach mir und ich wich spielerisch aus.
In dem Moment kam Frigga rein, um sich zu erkundigen, wie es Loki ging. Loki bemerkte das und übernahm sofort seine komplette Kontrolle und nickte Frigga zu. „Guten Morgen, Mutter." „Guten Morgen ihr beiden. Wie ich sehe, geht es dir wieder gut?" „Ich denke schon", antwortete ich an Lokis Stelle. „Zumindest ist er wieder er selbst." „Dann sollte er wieder gesund sein. Na kommt. Zieht euch an und kommt runter, ok?" „Klar. Bis gleich." Ich wartete, bis Frigga wieder weg war, dann wandte ich mich an Loki. „Weißt du, was der einzige Vorteil dieser ganzen Chose ist?" „Hm?" Loki hob eine Augenbraue. „Nun, ich kenne dich nun besser als jeder andere. Ich kenne zwar garantiert noch nicht alles von dir, aber das kriegen wir auch noch hin." Ich lachte und warf mich auf ihn. „Nun musste er auch lachen und kitzelte mich. „Nur wenn du mir auch alles von dir verrätst." Ich wand mich unter seinen Fingern und schnappte verzweifelt nach Luft. „Klar, wenn du mich zu Atem kommen lässt." Loki musste noch mehr grinsen. „Sind wir kitzelig?" „Ach Quatsch." Wie zum gegenteiligen Beweis begann Loki wieder, mich zu Kitzeln. Ich versuchte, nicht zu lachen, aber schnell wand ich mich wieder unter seinen Fingern. Als ich es nicht mehr aushielt, rutschte ich von ihm weg. „Ok, gewonnen. Du hast ja Recht." Loki grinste vor sich hin. Irgendwie schien die Tatsache, dass ich ihn gepflegt und dabei so viel von ihm erfahren hatte, ihn lockerer werden zu lassen und er schien auch gewillter, die Kontrolle mal an mich abzugeben oder einfach für einen Moment aufzugeben.
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