Teil 9
Es war ein ganzer Monat vergangen, seit Aidan und ich von dieser einsamen Insel gerettet wurden.
Seither hatte ich ihn weder gesehen noch sonst was von ihm gehört.
Nur in den Zeitungen hatte ich gelesen, dass es ihm wieder gut ging und er wieder angefangen hatte zu arbeiten.
Offenbar lebte jeder von uns nun wieder sein eigenes Leben...
Ich war gerade eben erst aus Korea zurück gekommen. Ich verbrachte dort ein paar Tage bei meiner Familie.
Meine Grossmutter hätte nicht eher Ruhe gegeben, bevor sie sich nicht persönlich davon überzeugt hätte, dass ich nicht tot war. Ausserdem fand sie sowieso, dass ich öfter in mein Heimatland reisen sollte.
Ich schleppte meinen Koffer in mein Schlafzimmer und legte ihn dort auf den Boden.
Ich würde ihn bestimmt später gleich auspacken... vielleicht.
Um mich also ein wenig von der Reise zu erholen, schmiss ich mich auf die Couch und schaltete den Fernseher ein.
Ich zappte von einem Sender zum Nächsten, doch es kam nichts Gutes. Schliesslich blieb ich bei einer Dokumentation über Pinguine hängen.
Ich hatte gerade mal 20 Minuten davon geschaut, als es plötzlich an der Tür klingelte.
Ich stand auf und warf ein Blick auf die Uhr an der Wand. Es war bereits nach zehn Uhr.
Wer wollte mich um diese Zeit noch unangemeldet besuchen kommen?
Ich lief zur Tür und öffnete sie vorsichtig einen Spalt weit, um zu sehen, wer auf der anderen Seite stand. Als ich die Person erkannte, riss ich die Tür überrascht ganz auf.
„Was tust du denn hier?" fragte ich mit grossen Augen.
„Kann ich rein kommen?"
Sofort nickte ich und trat einen Schritt zur Seite, sodass Aidan meine Wohnung betreten konnte. Ich schloss die Tür und lief mit ihm ins Wohnzimmer.
„Setz dich." sagte ich und deutete auf die Couch. „Kann ich dir irgendetwas anbieten? Wasser, Tee, Kaffee?"
Er schüttelte nur verneinend den Kopf. „Ich bin hier, um dich um einem Gefallen zu bitten." sagte er ohne Umschweife.
Aidan war bestimmt niemand, der lange um den heissen Brei herumredete.
„Ehm... okay? Fahre fort."
Ich hatte keine Ahnung, was für einen Gefallen er von mir haben wollte, weshalb ich auch nicht wirklich wusste, wie ich reagieren sollte. Grundsätzlich schlug ich anderen jedoch nie meine Hilfe aus, wenn sie sie wirklich benötigen.
„Ich will, dass du für die nächsten paar Wochen meine Verlobte spielst. Es ist rein professionell und nichts persönliches."
Überrascht riss ich die Augen auf. Hatte ich das gerade richtig gehört?
„Wie bitte?" fragte ich völlig baff, um mich zu versichern, dass mit mein Gehört keine Streiche spielte.
„Wie gesagt, du sollst so tun, als ob du meine Verlobte bist." erwiderte er knapp.
„Wieso solltest du das wollen? Wieso ich? Wenn willst du damit täuschen und weshalb?" bombardierte ich ihn mit weiteren Fragen.
Er seufzte und rieb sich frustriert den Nasenrücken.
„Ich habe lange darüber nachgedacht und es scheint mir die beste Lösung. Ein gewisser Gerald Hobbes geht bald in Rente und hat keinen Nachfolger für seine milliardenschwere Firma, beziehungsweise keinen der die Firma übernehmen will. Deshalb habe ich das Angebot erhalten, sie zu übernehmen, aber nur unter Mr. Hobbes Bedingungen. Da der Mann geschäftliches nicht von privatem unterscheiden kann, wird er sich jemanden aussuchen, der seinen Werten entspricht. Zu diesen gehört unteranderem auch, dass man verheiratet ist...oder zumindest kurz davor." erklärte er.
„Natürlich können wir nicht so tun, als seien wir verheiratet. Keiner würde glauben das eine Choi geheiratet hat, ohne dass die ganze Welt etwas davon mitbekommen hätte."
Ich blinzelte ein paar mal.
Das waren gerade einige Informationen, die ich verarbeiten musste. Ich war mir einen Moment nicht sicher, ob er mich hier gerade nur veräppelte, aber dann fiel mir wiederum ein, dass Aidan nicht die Art von Mensch war, die Witze machte.
„Aber wieso fragst du ausgerechnet mich?" wollte ich nach einer Weile wissen, da er mir diese Frage noch nicht beantwortet hatte.
„Ich kenne sonst niemanden, der für diese Rolle in Frage käme." sagte er sachlich wie eh und je. „Ausserdem würde dein Name allein schon einen guten Eindruck bei den Hobbes hinterlassen."
Ich konnte fast gar nicht glauben, dass er keine andere Frau kannte, die er fragen könnte.
Hatte er keine Freundinnen?
Was war mit derjenigen, die er am Flughafen angelächelt hatte? War sie nicht seine Freundin?
„Wieso fragst du nicht die braunhaarige Frau, die dich am Flughafen abgeholt hat?" Wollte ich neugierig wissen.
Er sah mich eine Weile schweigend und mit ausdrucksloser Mine an.
„Du schlägst also vor, dass ich meine Schwester fragen soll, ob sie meine Verlobte spielt?" fragte er trocken.
„Nein. Nein! Ich wusste nicht, dass sie deine Schwester ist!" Verteidigte ich mich sofort, knallrot im Gesicht.
Wieso musste ich das auch fragen? Schlussendlich würde mich ja die Beziehung zu dieser Frau, die offenbar seine Schwester war, nichts weiter angehen.
„Wie dem auch sei... tust du es?"
Er blickte mich mit seinen kalten Augen erwartungsvoll an.
„Ich weiss nicht." murmelte ich und knetete dabei etwas unbehaglich meine Hände.
„Ich werde schon bald nach Kongo reisen, um dort den Kindern vor Ort zu helfen. Ausserdem fühle mich nicht wohl dabei, diese Leute anzulügen." gestand ich.
„Verstehe." meinte Aidan nachdenklich und beugte sich auf der Couch vor, sodass seine Ellbogen auf seinen Knien ruhten.
„Das mit Kongo ist kein Problem. Und was sagst du, wenn ich zehn Prozent der Einträge, die ich durch diesen Deal mit Mr. Hobbes machen werde, deiner Hilfsorganisation spende?"
Bei diesen Worten hatte er sofort meine ganze Aufmerksamkeit.
Meine Hilfsorganisation machte keinerlei Profite, weshalb wir auf jede Spende angewiesen waren.
Sollten wir keine bekommen, würde uns das Geld sehr schnell ausgehen und wir könnten niemandem mehr helfen.
Wenn es stimmte, was Aidan am Anfang behauptete, dann würde ihm das Unternehmen dieses Mr. Hobbes Millionen, wenn nicht sogar Milliarden einbringen...
„Wie wärs mit fünfzig Prozent?" fragte ich nach, in der Hoffnung vielleicht noch mehr für meine Organisation herausholen zu können.
„Zwanzig." erwiderte Aidan.
„Vierzig Prozent." verhandelte ich weiter, schaden konnte es ja nicht.
„Ich gebe dir 35 Prozent der Gewinne, mehr nicht." bestimmte er stur.
Ich dachte darüber nach. 35 Prozent waren ziemlich viel. Es würde meiner Hilfsorganisation extrem helfen und ich müsste nur ein wenig Schauspielern.
Was war schon gross dabei?
Natürlich müsste ich lügen und diese Leute hinters Licht führen, aber sie suchten doch sowieso einen Nachfolger.
So weit ich wusste, war Aidan ein hervorragender Geschäftsführer und würde der Firma bestimmt nur gut tun.
„Also bist du dabei?" fragte Aidan und tippte ungeduldig immer wieder mit seiner Ferse auf den Boden.
Ich zögerte einen Moment bevor ich schliesslich doch einwillige.
„Gut. Komm morgen um vier Uhr zu dieser Adresse und wir besprechen alles weitere." sagte er und reichte mir ein kleines Kärtchen, auf das die Adresse geschrieben war.
Er stand auf und richtete seinen Sakko.
„Freut mich mit dir Geschäfte zu machen." meinte er und reichte mir zur Verabschiedung die Hand.
Als er weg war, ging ich mit gemischten Gefühlen zu Bett.
Hatte ich das richtige getan?
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top