Teil 4
Teil 4
Hustend spuckte ich das Wasser aus, welches in meine Luftröhre geraten war.
Blinzelnd sah ich mich verwirrt um.
Ich befand mich auf dem Gummiboot und um mich herum tobte der Sturm immer noch in vollen Zügen. Neben mir kniet der dunkelhaarige Mann. Er wirkte selbst ziemlich erschöpft und mitgenommen.
„Na sieh mal einer an, wer wieder unter den Lebenden verweilt." meint er spöttisch und setzt sich ans andere Ende des kleinen Bootes.
„Hast du mich gerettet?" frage ich immer noch etwas benommen nach.
„Nein, du bist von selbst hier rauf gekommen." sagt er ironisch mit einem genervten schnauben. Ich verdrehte Augen und blickte ihn ebenfalls genervt an.
Ich war ihm ja wirklich dankbar, dass er mich aus dem Wasser gezogen hatte, aber er könnte ruhig mal etwas netter sein!
Erschrocken schrie ich auf, als unser kleines Boot durch eine Welle fast umgeworfen wurde. Ich klammerte mich an den Rand des Schlauchbootes und hoffte, dass der Sturm sich bald legen würde.
***
Die nächsten zwei Stunde verbrachten wir damit mit unseren Händen verzweifelt das Wasser aus dem Schlauchboot zu schaufeln und zu versuchen nicht über Bord zu gehen.
Doch dann, nach diesen zwei -wirklich anstrengenden- Stunden, hatte sich der Sturm endlich verzogen und wir legten uns erschöpft auf den Boden des Bootes.
Mittlerweile musste es wohl irgendetwas zwischen drei und fünf Uhr sein. Die Sonne würde bald aufgehen.
„Wir haben den Sturm überlebt." stellte ich erleichtert fest und schloss müde die Augen.
„Jetzt müssen wir nur noch gefunden werden, sonst werden wir trotzdem sterben." meinte der Mann, dessen Name ich immer noch nicht wusste.
LSie werden uns bestimmt finden. Meine Eltern werden dafür sicherlich jegliche Mittel in Bewegung setzten." versichere ich ihm woraufhin er nur kurz trocken auflachte.
„Natürlich, den Geld spielt ja keine Rolle für Leute wie dich." murmelte er vor sich hin.
Ich war mir unsicher, ob ich das hören sollte oder nicht, aber ich beschloss nicht weiter darauf einzugehen. Ich war dafür schlichtweg zu müde.
„Sie werden uns finden." sagte ich nochmals, bevor ich schliesslich vor lauter Erschöpfung einschlief.
***
Die Sonne stand am Zenit und brannte erbarmungslos auf mich herunter als ich das nächste Mal aufwachte.
Ächzend rieb ich mir die Augen und richtete mich auf, um mich umzusehen.
Plötzlich hellwach sprang ich auf und rüttelte meinen Mitverunglückten wach. „Schau mal!" forderte ich ihn auf und deutete auf die Insel, als er sich langsam aufrichtete.
„Wir wurden zu einer Insel getrieben, dass heisst, wir sind nicht mehr dem Meer ausgeliefert." sagte ich aufgeregt und hüpfte aus dem Boot.
Ohne auf ihn zu warten, watete ich durch das Wasser zum Strand und legte mich dort direkt auf den Boden.
Ich hätte nie gedacht, dass ich mal so froh sein würde, festen Boden unter den Füssen zu haben. Ich war gerade dabei, glücklich einen Sandengel zu machen, als der braunhaarige Mann, dessen Name ich endlich mal in Erfahrung bringen sollte, bei mir angekommen war und mich genervt von oben herab ansah.
Er hatte sich den grünen Sportbeute mit unserem kleinen Proviant über die Schulter geworfen.
„Wie alt bist du? Fünf?" fragte er, als er an mir vorbei lief. Ich setzte mich auf, um ihm hinterher zu schauen.
„Um genau zu sein bin ich 23." verbesserte ich ihn, was er jedoch einfach ignorierte.
„Was tust du?" fragte ich ihn neugierig, nachdem ich ihm eine Weile beim herumlaufen zugeschaut habe.
„Ich schaue mich um. Das wichtigste ist momentan, dass wir Trinkwasser finden." erklärt er und ich nickte zustimmend, obwohl er dies gar nicht sehen konnte, da er mit dem Rücken zu mir stand. Ich rappelte mich auf und ging auf ihn zu.
„Wie heisst du eigentlich?" fragte ich ihn.
„Aidan Crawford." antwortete er knapp, ohne damit aufzuhören immer weiter in den Wald vorzudringen.
Irgendetwas sagte mir dieser Name, aber ich konnte mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern.
„Schön dich kennenzulernen, ich bin Jia Fei Choi." stellte ich mich vor, obwohl er gar nicht danach gefragt hatte.
„Ich weiss."
Baff starrte ich seinen Hinterkopf an. „Woher denn?" wollte ich wissen.
„Du bist die Tochter von Chung-hee Choi und Hyo-min Choi, zwei Visionäre im Gebiet der Micro- und Nanotechnologie mit einem sehr erfolgreichen Unternehmen. Zudem ist die Familie Choi eine der einflussreichsten Familien der Welt und in Korea seid ihr wohl sogar sowas wie Adlige. Folglich bist du andauernd in den Medien. Man kann dich also fast gar nicht nicht kennen, ausser man lebt unter einem Stein."
Okay, eigentlich hätte ich wissen sollen, woher er mich wohl kannte, denn er hatte recht, die Medien berichteten wirklich viel zu oft über mich.
Nach diesem kleine Gespräch herrschte eine Weile stille und wir liefen einfach weiter in den Wald hinein.
LWieso suchen wir eigentlich Wasser? Du hast doch zwei grosse Flaschen eingepackt, bevor wir auf das Gummiboot geflüchtet sind."
Kaum hatte ich das gesagt, warf er mir einen genervten Blick zu. „Das wird nicht reichen." lautete seine kühle Antwort.
„Wieso nicht? Sie werden uns bestimmt bald finden."
„Im Gegensatz zu dir, verlasse ich mich nicht nur auf reinen Optimismus, sondern rechne damit, dass wir länger hier bleiben, als uns lieb ist."
Ich ziehe die Augenbrauen zusammen und verschränke die Arme vor der Brust.
„Ich verlasse mich nicht nur auf meinen Optimismus, aber ich weiss, dass sie kommen werden." meinte ich vollkommen überzeugt davon.
„Du widerlegtest deine Aussage noch im selben Satz, Jia." wies mich Aidan darauf hin.
„Nein, ich sage ja nur, dass sie uns finden werden."
„Das ist Optimismus." sagte er, als er sich unter einem tiefen Ast hinweg duckte.
„Nein, dass ist Realismus." widersprach ich ihm trotzig.
„Realistisch ist zu denken, dass sie nach uns suchen werden. Dass sie uns finden werden, ist optimistisch Gedacht."
Ich wusste nicht was ich darauf erwidern sollte, weshalb ich einfach schwieg und beleidigt hinter ihm her trottete.
„Weisst du, manchmal ist es gut ein wenig optimistisch zu sein." sagte ich nach einer Weile.
„Nicht alle können sich das leisten." meinte er lediglich.
„Wieso nicht? Optimismus gibt einem wenigsten ein bisschen Hoffnung. Deshalb gibt es auch die ganzen Hilfsorganisationen und Menschen, die Gutes tun. Sie glauben daran, dass sie etwas verändern können, auch wenn es rational gesehen nicht immer so gut aussieht."
Er lachte kurz trocken auf. „Es gibt Menschen, die können nicht einfach blind vertrauen und auf das beste Hoffen. Das ist der Luxus der Reichen, mehr nicht." meinte er mit einem klaren Vorwurf in der Stimme.
„Was willst du damit sagen?" fragte ich gereizt nach.
„Ich glaub, du weisst es bereits." meinte er.
„Du siehst mich als eine verwöhnte Göre, die nichts anderes macht, als den ganzen Tag das Geld ihrer Eltern zu verpulvern, habe ich recht?"
Ich wusste nicht wie oft mich Menschen schon auf diese Rolle beschränkt hatten, aber es tat immer wieder weh, wenn ich höre wie mich die anderen wirklich sahen. Anscheinend war Aidan nicht anders. Dabei kannte er mich gar nicht. Ich beurteile ihn ja auch nicht einfach so.
„Siehst du, du wusstest, was ich meinte."
Wütend blieb ich stehen. „Ich bin nicht das, wofür du mich hälst." stellte ich klar und stemmte meine Hände in die Hüften.
„Ach ja und wieso nicht? Etwa wegen deiner Hilfsorganisation?" Er drehte sich zu mir um und betrachtete mich mit kalten Augen.
„Zum Beispiel." bestätigte ich.
„Gut, dann sag mir, Jia, hast du oder hast du nicht das Geld deiner Eltern dazu verwenden, um genau diese Organisation aufzubauen?" fragte er und kam ein paar Schritte auf mich zu. Schon wieder dieser Vorwurf...
„Ja, aber seither habe ich keinen Cent mehr von ihnen bekommen." verteidigte ich mich ehrlich, obwohl es meiner Meinung nach gar nicht nötig wäre. Er nickte abfällig und drehte sich wieder um. Er wollte gerade weiter laufen, als ich ihn aufhielt.
„Wieso stört dich das so sehr?" wollte ich von ihm wissen.
„Ganz einfach, du hast keine Ahnung, wie es ist ohne Geld zu leben. Dein ganzes Leben bist du bereits stinkreich. Du würdest nicht einmal einen Tag in Armut aushalten und du wärst heute nie und nimmer da, wo du jetzt bist." schnaubte er verächtlich.
„Das weiss ich..." murmelte ich leise und senkte meinen Blick zu Boden.
Mir war klar, wie viel ich meiner Familie zu verdankten hatte, aber ich verstand nicht weshalb ich mich deshalb schlecht fühlen sollte.
„Ich weiss, dass ich extremes Glück hatte, solche Eltern zu haben, die mich vor solchen Erfahrungen, wie Armut, geschützt haben. Ich weiss, dass sie mir mit ihrem Geld überhaupt erst ermöglicht haben, so weit zu kommen, aber im Gegensatz zu so vielen anderen Millionären und Milliardären, versuche ich wenigstens mein Glück mit anderen Menschen zu teilen!" sagte ich und wurde zum Ende hin immer lauter.
Ich sah wieder hoch und blickte ihm direkt in seine bernsteinfarbenen Augen. „Wieso wirfst du mir etwas vor, wofür ich nichts kann? Niemand von uns konnte sich auswählen in welche Familie wir hineingeboren wurden, also wieso verurteilst du mich, nur weil meine Eltern reich sind?"
Das war eine Frage, die mir am Herzen lag. Wenn er mich schon verurteilte, wollte ich auch den Grund dafür wissen.
„Ich habe genügend Menschen, wie dich in meinem Leben kennengelernt. Du denkst vielleicht, du bist etwas besseres, dabei bist du wie alle anderen auch. Ich verurteile dich nicht auf Grund dessen, wer deine Eltern sind. Ich durchschaue einfach deine falsche Art. Ich meine, wen unterstützt deine Organisation?"
Ich überlegte einen Moment, ob ich ihm wirklich antworten sollte. Es würde ja trotzdem nur darauf hinauslaufen, dass er mich wieder beleidigt.
„Kinder, die Hilfe brauchen." beantwortete ich seine Frage schliesslich doch.
„Das kling ja schön und gut, aber in Wahrheit interessiert es dich einen feuchten Dreck, ob es diesen Kindern wirklich besser geht oder nicht. Alles was dich interessiert ist, dass du und deine Familie in der Presse und bei den Menschen gut dastehen."
Ich schluckte schwer und merkte wie meine Augen langsam feucht wurden.
Wieso tat er das?
„Wie gesagt, ich kenne Menschen wie dich. Ich weiss, wie du wirklich bist." meinte er schliesslich.
„Du weisst absolut gar nichts! Ich versuche etwas Gutes für diese Welt zu tun!" zwischen sie wütend über sein abfälliges Verhalten und seine beleidigenden Worte.
„Wann hast du das letzte Mal versucht nicht ein komplettes Arschloch zu sein und hast jemanden geholfen?" fragte ich bissig nach.
„Mhm lass mich überlegen..." sagte er gespielt nachdenklich und tippte sich dabei gegen sein Kinn.
„Ah natürlich! Als ich dich vor nicht allzu langer Zeit aus dem Wasser gezogen habe, damit du nicht ertrinkst und dir somit also dein Leben gerettet habe!"
Ich biss wütend die Zähne zusammen.
Mag sein, dass er mich vor dem sicheren Tod bewahrt hatte und ich war ihm dafür auch dankbar, aber momentan war ich einfach zu wütend, um das zuzugeben.
„Weisst du was? Vielleicht sollten wir einfach getrennte Wege gehen. Offensichtlich kannst du mich nicht ausstehen und ich will dich auch nicht mehr länger mit meiner Anwesenheit belästigen." sagte ich möglichst sachlich und machte auf dem Absatz kehr.
Ich wartete gar nicht erst auf seine Reaktion, sondern lief einfach geradeaus in den dichten Wald.
Es wäre doch gelacht, wenn ich hier nicht auch alleine überleben könnte.
A penny for your thoughts ❤️
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top