T W E N T Y - F I V E

"Eine mittlere Java-Chip Chocolate Cream, bitte", sagte ich und lächelte der Frau hinter dem Tresen charmant zu. Sie musste mitte Zwanzig sein.
"Ja, sehr gerne", schmolz sie dahin und machte sich mit großen Augen auf, mir meinen Shake zu bringen. Das zog jedes Mal. Man musste Frauen nur mit der richtigen Strategie imponieren, und sie taten alles für dich. Man musste sie legendlich dazu bringen, sich die restliche Welt mit dir zusammen auszumalen, und die Sache war besprochen. "Der geht aufs Haus", sagte sie mit geröteten Wangen, während sie den Shake vor mir abstellte.

Ich bezahlte trotzdem. Die Genugtuung allein reichte mir schon.

Ich trank einen Schluck und versuchte in dem Café einen einigermaßen ruhigen Platz zu finden. Ich verkroch mich in eine Ecke mit zwei Einzeltischen und hiefte meine schwere Tasche auf den Stuhl neben mir. Da die kalte Winterluft trotzdem hereinzog, legte ich nur meinen Mantel ab, und zurrte den Schal enger um meinen Hals.
Ich hatte absolut keinen Bock auf Englisch. Es ging einfach nicht in meinen Kopf hinein! Ich wusste das Englisch sehr wichtig war, vorallem im Berufsleben, aber trotzdem war es für mich höchsten genauso nachvollziehbar wie eine Scheibe Toastbrot. Mit einem Seufzer zog ich den roten Englischordner aus meiner Tasche und versuchte irgendwie, irgendwelche grammatikalischen Sachverhalte und Irregular Verbs in meinen Kopf zu ballern.

"Ist hier noch frei?"
Eine sanfte Mädchenstimme ließ mich aufschrecken. "Ja, natürlich." Schnell zog ich meinen Tasche beiseite. "Danke", sagte sie und setzte sich. Sie nippte an ihrem Erdbeermilchshake, bevor sie zwei dicke Ordner hervorzog.

Unwillkürlich musste ich lächeln. In der Hoffnung, dass sie mich nicht beim Spannern erwischte, musterte ich sie für einen Augenblick.
Auch sie hatte Mütze und Schal anbehalten. Ihre zarten, von Sommersprossen gezierten Wangen und ihre kleine Nase waren von der winterlichen Kälte gerötet, was ihre blauen Augen nur noch mehr strahlen ließ. Ihr Gesicht wurde umspielt von schulterlangem, karamellfarbenem Haar. Sie war wirklich außergewöhnlich hübsch.

"Habe ich irgendetwas im Gesicht?!", sie musterte mich etwas erschrocken, "kannst du es bitte weg machen?" Ich lachte. Sie glaubte wirklich, ich würde sie aus einem anderen Grund anstarren, als dass sie so wunderschön aussah? Und das bedeutete wirklich viel, denn ich hatte noch nie ein Mädchen als wunderschön bezeichnet. Generell hatte ich nicht wirklich viel mit Mädchen zutun, und ich war auch nicht in einer Beziehung. Ich war immer freundlich zu Frauen, aber ich hatte noch keine getroffen für die es sich gelohnt hätte aus der Offensive zu gehen. Meistens sprachen sie eh nur wegen meines Aussehens mit mir,  oder weil sie Sex wollten.

"Nein nein," ich kicherte, "es ist alles gut, du hast nichts im Gesicht."
"Oh, tut mir leid dann, das ich dich vom Lernen angehalten habe." Sie wirkte so sympathisch auf mich, das ich einfach die Initiative ergriff, bevor sie sich wieder ihren Aufschrieben zuwenden konnte.

"Hey", sagte ich schlicht und streckte ihr meine Hand entgegen. Sie musterte sie einen Augenblick lang, bevor sie mich anlächelte, und meine Hand ergriff. "Hey."

Ihr Lächeln war so...echt. Sie lächelte nicht verschmitzt, oder versuchte irgendwie sexy auszusehen, weil sie erregt von mir war. Sie lächelte mich so an, als würde sie sich wirklich freuen, mit mir zu sprechen. "Warum bist du hier zum lernen? Ist es nicht etwas laut?" Was für eine dumme Frage. Das klang so ironisch, das sie mich warscheinlich für komplett bescheuert hielt.
Doch sie lachte. Ihre Lache war wirklich schön.
"Ich weiß nicht so recht, die Stille lenkt mich irgendwie mehr ab, als etwas Trubel. Bei Stille neige ich mehr dazu, mich mit meinem Handy abzulenken, oder zu singen."
Sie rieb sich im Nacken. Das war ihr gerade versehentlich heraus gerutscht. "Geht mir genauso! Für was lernst du?" Ich stellte eine dumme Frage nach der anderen, aber ich wollte auf keinen Fall, das diese Conversation endete. "Für meine Leistungskurse, Englisch und Literatur. Und du?" Sie lächelte wieder. Irgendwie hoffte ich auf einmal, das unser Gespräch der Grund sein könnte. "Englisch", seufze ich und ließ dramatisch meine Stirn auf meine Handfläche fallen, um meine Verzweiflung zu demonstrieren. "Oh...nicht so gut?"
"Mein Englisch ist eine absolute Katastrophe!" Sie versuchte ein Grinsen zu unterdrücken.

Nach ein paar Sekunden des Schweigens, fing sie an, an den Ärmeln ihres Longsleeves herum zu nesteln. "Ehm nun ja", fing sie an, "vielleicht könnte ich dir ja helfen, also beim Englisch lernen! Es ist eines meiner stärksten Fächer." Sie war sichtlich nervös, und plötzlich wurde ich es auch.

Gott, wann war ich das letzte Mal wegen einem Mädchen nervös?!

Ich würde mich freuen mit ihr zusammen zu lernen, aber ich wollte nicht, das sie sich zu irgendetwas verpflichtet fühlte. Oder noch schlimmer: Das sie dachte, ich hätte es darauf abgesehen, das sie mir hilft.

"Nein, nein! Das musst du nicht!" Ein Anflug von Traurigkeit wegen der Zurückweisung schlich sich in ihre Augen, und ich beschloss einfach die Wahrheit zu sagen. "Also, natürlich würde ich mich freuen, wenn du mir in Englisch helfen würdest, aber du musst natürlich nicht. Und ich weiß auch nicht, ob wir das selbe Thema haben." Sie lächelte wieder, und mir fiel ein Stein vom Herzen.

"In welche Klasse gehst du denn?"
"In die 10. Klasse."
"Also bist du 16?" Ihre Augen wurden rund. "Ja, das bin ich." Ich musste wegen ihrem Gesichtsausdruck lachen. "Was ist denn?"
"Oh, nichts nichts." Schnell blickte sie in ihre Aufschriebe. "Nun sag schon!", sagte ich und piekte sie spielerisch in die Seite, was sie mit einem kleinen, süßen Quieken quittierte.

"Nun ja...für 16 bist du sehr gut gebaut und siehst viel besser aus, als der Rest." Röte schoss ihr ins Gesicht und ein komisches Gefühl breitete sich in meiner Magengegend aus. Es war ein einfaches Kompliment, dass ich schon oft gehört hatte, aber bei ihr war es anders. Bei ihr klang es nicht so ekelhaft und sexistisch, wie bei allen anderen. Bei ihr klang es so ehrlich, das ich mich wirklich darüber freuen konnte. Auch sah ich an ihrem Blick, das sie kein Gegenkompliment verlangte. Nicht das ich es ihr nicht besten Gewissens hätte geben können, doch mir gefiel, dass sie nicht dieses Komplimente-Fischen-Spiel spielte.

"Vielen Dank", sagte ich und schenkte ihr das wärmste Lächeln, das ich je jemanden zugeworfen hatte.
"Und wie alt bist du?"
"In zwei Tagen 16", antwortete sie und grinste stolz. Ich konnte sie verstehen, 16 zu werden, war das beste Gefühl der Welt. Nach dem Gefühl 18 und schließlich 21 zu werden natürlich.
"Was für ein Zufall! Ich bin vor 2 Tagen 16 geworden."
"Wirklich? Alles Gute noch von mir!"
"Nochmal danke!" Ich lachte und sie viel mit ein.
"Nun gut, da sich unsere Themengebiete überschneiden, sollten wir schleunigst anfangen!"
Ich seufzte theatralisch. "Okay, gehen wirs an."

Nach einer Stunde konzentrierten Lernens, fühlte ich mich wie der König der Welt. "Ich glaube es nicht! Ich habe es wirklich verstanden!" Sie lachte. "Glaub's ruhig!"
Als ich mich überschwänglich bei ihr bedanken wollte, fiel mir die peinlichste Sache auf, die mir jemals passiert war. "Oh nein", stieß ich aus und vergrub das Gesicht in den Händen, um meine Scham zu verstecken.
"Was denn? Stimmt etwas nicht?", ich bemerkte sofort die Sorge in ihrer Stimme.

Wie süß sie doch ist. Sorgt sich selbst um einen Fremden, der nicht mal...

"Ich habe dich nicht einmal nach deinem Namen gefragt!" Ich versuchte nicht allzu verunsichert zu klingen. "Neben mir sitzt ein wunderschönes Mädchen, ich lerne sogar mit ihr, und ich frage sie noch nicht einmal nach ihrem Namen!"
Sie fing an, an ihren Fingernägeln herum zu reißen vor Verlegenheit, aber ich konnte an ihren Augen und an dem kleinen Lächeln, das ihre Lippen umspielte, sehen, wie sehr sie sich über dieses Kompliment freute.

Hoffentlich hört sie das nicht viel zu selten!

Nun blickte ich sie direkt an. "Kannst du mir verzeihen und ihn mir verraten?"
"Das ist überhaupt nicht nötig! Als ich mich neben dich gesetzt habe, dachte ich, das wir leider nicht einmal ein Wort miteinander welchseln würden."

Wenn sie noch ein Mal so einen Quatsch redet, muss ich mir was einfallen lassen. Wie hätte ich sie nicht ansprechen können?!

"Ich heiße Tiana."
Ich hatte selten einen so schönen Namen gehört. "Und du?", fragte sie schüchtern. Sie war immernoch schüchtern, obwohl sie hätte sauer sein können! "Ich bin Jake. Ich weiß, etwas banal, aber..." Ich zuckte mit den Schultern. Sie lächelte mich wieder munter an. "Ich fande den Namen schon immer schön."

Sie warf einen flüchtigen Blick auf die Uhr. Kurz nach halb 6. Dann wandt sie sich mir wieder zu. "Ich sollte los, die Hausarbeit ruft!" Schnell packte sie ihre mittlerweile verstreuten Aufschriebe zusammen und stopfte sie zurück in ihren Ordner.
Schlagartig wurde ich traurig. Ich wollte nicht, das sie ging. Ich wollte weiter mit ihr hier sitzen, ihr weiter unnötige Fragen stellen und sie vielleicht auf einen zweiten Shake einladen. Verdammt, ich würde sogar noch weitere Stunden mit ihr lernen, nur um mich weiter mit ihr zu unterhalten. Alles, doch sie sollte nicht gehen.

Geschmeidig schlüpfte sie in ihren Mantel. Dann umrundete sie den Tisch, mit dem Rucksack über eine Schulter geschwungen und den Ordnern vor der Brust. "Na dann Jake, es war wirklich schön dich kennenzulernen. Vielleicht sieht man sich ja irgendwann." "Ja, hoffentlich! Ich fande es auch sehr schön!"
Sie schenkte mir noch einmal ihr bezauberndes Lächeln und machte sich dann auf zur Tür. Auf halber Stecke drehte sie sich nocheinmal zu mir um, und winkte mir zu. Ich hob die Hand.

Wie kann man nur so süß sein?

Erst als die Kälte, die hereintrat als sie die Tür öffnete, mir ins Gesicht schlug, erwachte ich aus meiner Starre.

Ich war doch ein Idiot! Wie konnte ich sie gehen lassen, ohne mich noch einmal zu bedanken und und sie nach ihrer Telefonnummer zu fragen?! Denn eins war sicher: Ich wollte sie auf jeden Fall wieder sehen!
Ohne auf mein Zeug zu achten stürmte ich auf die Eingangstür zu. Ich ignorierte die fragenden Blicke der Leute, die um mich herum ihren Kaffee genossen.

"Tiana?", rief ich während ich mit einem Ruck die Tür auf stieß. Geschwind blickte ich nach rechts und links, doch sie war schon verschwunden.

- lliqhtred

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- 27.08.16 um 11:50 Uhr
#originaltext

Written while listening to "Good Thing" &' "Rumors" by Jake Miller ♡

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