O N E H U N D R E D A N D E I G H T
Ich seufze. Wenn ich es mir recht überlege, dann will ich heute das Haus eigentlich gar nicht verlassen. Eigentlich will ich mich nur in die vielen Kissen in meinem Bett vergraben, mich zudecken und nie wieder aufstehen. Aber ich will nicht alleine sein - ich kann nicht alleine sein. Zu tief sitzt der Schmerz und das Verlangen nach Nähe. Nach etwas Realem, etwas das mir zeigt das ich beständig bin. Egal, ob Fremd oder vertraut, es reicht, wenn es mir das Gefühl gibt echt zu sein. Im Hier und Jetzt. Es reicht nicht bloß Musik oder etwa eine gute Lektüre, es muss atmen, sich bewegen, sprechen. Und dafür nehme ich alles in Kauf. Auch, dass ich nach einem harten Arbeitstag vor meinem Schminktisch stehe und die Ohrringe einsetze, die mir Granny vererbt hat. Beschämt blicke ich mich selbst an im Spiegel und kurz hasse ich mich dafür, dass ich mich selbst so gut kenne. Das ich selbst weiß, das obwohl ich so müde bin, ich völlig in mich zusammenbreche, wenn ich alleine bleibe heute Nacht. Ich wünsche, ich hätte genug persönliche Stärke, um diese Dinge einfach zu umgehen, einfach die Sache abzuhaken, einfach nach vorne zu blicken. Nein, stattdessen lebe ich in der Nacht, ohne jegliche Vorstellung von dem was passieren könnte, einfach dem Storm nach. Ich ergreife jegliche Möglichkeit, lege mich auf niemanden fest. Jeder Fremde ist mir recht, solange er mir ein paar sorgenfreie Stunden beschert, bis mich die Arbeit wieder ablenkt. Mit gebrochnem Herzen und Verstand, schließe ich kurz die Augen.
Ich kann nicht mehr alleine sein. Sieh, was du mit mir angerichtet hast.
Als ich mich wieder im Spiegel erblicke, ergreife ich meine Tasche und renne schon fast aus der Haustür. Ich zünde mir eine Zigarette an und laufe schnell durch die Straßen, mit dem Wiederhall meiner Absätze auf dem Asphaltboden. Das gewohnte Gefühl, das Gefühl von Freiheit, das mir die Welt zu Füßen liegt, stellt sich ein und ich hebe etwas den Kopf, während ich weiter vorran gehe. Jetzt bin ich nicht mehr diese zerbrechliche Frau, zumindest nicht, bis ich wieder in mein Schlafzimmer zurückkehre. Für viel zu kurze Stunden kann ich die Frau sein, die mit Fremden tanzt und nicht einsam ist.
Wenigstens für ein paar Stunden.
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