Ich und mein Lehrer Kapitel3

Die nächsten Tage geht es mir besser. Ich komme ein wenig mit den komischen Gesten und Blicken von Herrn Sinat und Timo klar. Doch wenn man mich gut kennt, merkt man immer noch, dass es mir nicht blendend geht und ich verwirrt bin. Meine Gefühle habe ich kaum unter Kontrolle und das, obwohl ich nicht mal meine Tage habe. Ein paar Wochen vergehen und Herr Sinat kündigt uns an, dass er heute die Somi-Noten mit uns bespreche. Dazu gibt er uns den Rest der Stunde Aufgaben, die wir in dieser Stunde fertigstellen sollen.
"Was denkst du, was hast du?", fragt mich Jenny. Ich überlege nicht lange:" Also wenn ich keine eins habe weiß ich auch nicht weiter. Das ist mein Lieblingsfach, das macht mir richtig viel Spaß und hier strenge ich mich am meisten an."
Jenny lacht und nickt zustimmend.
"Ja da hast du recht. Denkst du ich komm mit einer drei davon?"
Jetzt bringt sie mich schon zum nachdenken, doch ich finde eine Antwort:" Hm, weisst du, du bist zwar nicht so gut in Bio, aber du sitzt neben mir und ich helfe dir ja auch und doof bist du nicht. Wenn du willst, kannst du das ja auch. Ich glaube du könntest sogar eine zwei haben. Erst recht bei dem, der ist glaub ich nicht so schlimm."
"Meinst du?", fragt sie zweifelnd.
"Ich bin mir sicher.", ist meine Antwort und ich klopfe ihr auf die Schulter. Das bringt sie zum Lachen und wir arbeiten schweigend weiter bis ich in die Sammlung gerufen werde.
"Viel Glück.", ruft Jenny lachend.
"Danke.", erwidere ich ebenso lachend. Mit einem mulmigen Gefühl und klopfendem Herzen verschwinde ich in der Sammlung. Ich schaue mich nach Herrn Sinat um und entdecke ihn auf einem Stuhl an der rechten Seite. Lässig und strahlend, aber auch erwartend sitzt er auf diesem. Gegenüber von ihm befindet sich ein weiterer Stuhl. Darauf lasse ich mich zögernd nieder. Er beobachtet mich und fragt dann:" Wie geht es dir?"
Ich muss schmunzeln.
"Ganz okay würd ich mal sagen."
" Ganz okay oder gut?", will er wissen.
"Hm.", ist das einzige, was ich mache.
"Ist wirklich alles okay bei dir?", fragt er nochmals. Ich dachte, er will mir meine Note sagen, aber okay.
Ich hebe meinen Blick und schaue in seine Augen. Dort spiegelt sich wahre Besorgnis wieder. Ich finde das etwas beängstigend. Plötzlich fangen meine Augen an zu tränen und vereinzelte Tränen rollen meine Wangen hinab. "Wieso gerade jetzt?", frage ich mich wütend. Schnell drehe ich mich weg, verwundert, was mit mir los ist.
Neben mir höre ich ein Quietschen und schaue kurz auf. Herr Sinat ist mit seinem Stuhl neben mich gerutscht.
"Hey, es ist alles okay.", sagt er, obwohl er doch nichts weiß. Die Nähe bringt mein Herz schneller zum schlagen und ich werde irgendwie nervös. Ganz unerwartet nimmt er mich in den Arm und ich gucke ihn geschockt an. Er macht keine Anstalten etwas daran zu ändern. Hallo sie sind mein Lehrer, ist ihnen das bewusst?
Doch tief in mir drin genieße ich es und lehne mich weiter zu ihm herüber.
"Was hab ich denn eigentlich für eine Note.", reiße ich uns beide nach einiger Zeit aus den Gedanken. Mir kommt gar nicht in den Kopf, dass es richtig unverschämt sein könnte, doch im Moment ist alles so unwirklich.
Herr Sinat fängt an zu lächeln und ich merke dies, auch wenn er mich nicht anguckt. Er streichelt mir dabei durch die Haare und ein schaudern erfasst meinen Körper.
"Weisst du doch oder? Und jetzt solltest du wieder in den Kursraum zurück gehen.", ist das einzige, was er fast schon bedauernd sagt. Ich gehe seiner Aufforderung nach und kehre zurück.
Als ich wiederkomme berichte ich nur über meine Note, den Rest lasse ich weg. Zwar ist Jenny meine beste Freundin, doch irgendwie finde ich das zu privat. Ein paar Sprüche kommen, weil ich solange gebraucht habe. Diese sollen mich anscheinend nieder machen, perlen jedoch wie Schweiß an mir ab. Ich versuche immer noch die Situation von grade zu verarbeiten. Die Aufgaben habe ich zum Glück fertig. Jetzt kann ich wirklich an nichts anderes denken. Jenny reißt mich aus den Gedanken, als sie freudestrahlend zurück kommt. 2 zeige ich mit den Fingern und schaue dabei fragend zu ihr. Ein heftiges Nicken und ein noch breiteres Lächeln lässt sie erstrahlen. Ich kann mich jedoch nur kurz freuen, weil ich wieder in meinen Gedanken verschwinde.
" Kannst du mir bitte sagen, was in letzter Zeit mit dir los ist. Die Wahrheit.", lässt sie ihre kräftige Stimme verhören. Dieser Ton lässt keine Entscheidungen zu, ich muss mich geschlagen geben.
Einen Einwand habe ich jedoch:" Nach dem Unterricht, okay? Das geht keinen etwas an. "
"Abgemacht, aber halte dich auch dran.", gibt sie zwinkernd zurück. Wir verbringen die ganze Stunde mit der Notenbesprechung und ab und zu kommen und verschwinden Schüler. Keiner hat solange wie ich gebraucht. Dann ist die Stunde zu Ende und Herr Sinat lässt uns gehen. Jenny ergreift meinen Arm und zieht mich aus dem Raum in eine ruhige Ecke. Dabei ignoriere ich meine Umgebung und meinen Lehrer erst recht. Als wir uns alleine wähnen, beginne ich zögerlich zu berichten. Das Durcheinander meiner Gefühle habe ich so gar nicht im Griff und deswegen ändert sich meine Stimmung auch mit jedem Satz. Mit jedem Laut, der aus mir heraus kommt, öffnet Jenny ihren Mund mehr und mehr. Als ich endlich und völlig desorientiert ende, kommt sie zu mir und schüttelt mich:"Na da hast du dir aber was eingebrockt. Ich würd mal sagen, gute Nacht. Wo ist die Freundin hin, die ich kenne? Und das alles war wirklich so?" Ich bestätige dies mit einem Nicken.
"Weißt du, ich bin richtig verwirrt und weiß nicht, was das zu bedeuten hat. Ich will das nicht, ich habe versucht ihn zu hassen, habe versucht mich zu hassen, aber es geht nicht ich kann nichts ändern. Dadurch habe ich eher das Gegenteil bezweckt und ihn mehr in mein Herz geschlossen.",flüstere ich verzweifelt. Jenny versucht mich zu beruhigen und ich entspanne mich etwas. Dann kehren wir in den Unterricht zurück. Nach zwei Stunden melde ich mich ab. Im Sekretariat begegne ich Timo. Schnell trage ich mich in die Liste ein und verschwinde ohne mich noch einmal umzudrehen. Zuhause angekommen schweifen meine Gedanken zu Herrn Sinat. Dabei erfasst mich ein Gefühl von Leichtigkeit und tiefer Trauer. Entgegen meiner ganzen Vernunft muss ich anfangen zu heulen. Ich will es nicht, doch ich vermisse Herrn Sinat, wie ich es nie gedacht hätte. Die Erkenntnis, dass er nicht hier ist, lässt mich noch mehr schluchzen.

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