Alea der Spielmann?
Langsam zogen die Wolken vorüber. Die Sonne erhitzte die Mauern der majestätischen alten Burg. Es herrschte ein reges Treiben. Dies war der Tag, an welchem die Ritter um die Gunst des Burgfräuleins kämpften. Seit Monaten wurde trainiert. Von weit her waren die edlen Herren angereist. Doch so edel waren sie gar nicht alle. Ein Spielmann wollte sich dem Fräulein verschreiben . Er würde natürlich keine Chance haben, doch war er nicht von der Sorte, welche sich leicht ins Bockshorn jagen lies. Seine Liebe trieb ihn voran, er wollte und würde gewinnen.
Auch wenn er sonst so bescheiden war, hatte er sich diesmal gut ausgerüstet. Seinem prächtigen Rappen hatte er einen soliden Sattel angelegt, ein neues Halfter besorgt und eine einfache robuste Rüstung ergattert. Er hatte nicht die beste Ausrüstung, als einfacher Spielmann konnte er sich das auch nicht leisten. Doch er hatte gelernt das Schwert und die Lanze zu führen. Seine Kameraden verstanden nicht, warum er sein Spielmannsleben eintauschen wollte. Anfangs lachten sie und machten Späße, doch dann unterstützen sie ihn tatkräftig. Was meistens damit aufhörte, dass sie sich mit allem möglichen Zeug die Köpfe einschlugen und lachend auf dem Boden lagen.
Nun war er hier . Mit wackeligen Schritten und klopfendem Herzen begab sich Alea der Bescheidene zum Kampfplatz. Die Loge des Burgherren thronte mächtig empor. Eindrucksvoll blickte Alea sich um. Seine Rivalen waren schon alle versammelt. Als sie Alea erblicktem verhöhntem und verspotteten sie ihn nur. Es verunsicherte ihn ein wenig, nach außen verbarg er dies aber gut. Von einem seiner Spielleute, welcher die Verunsicherung bemerkt hatte, bekam er einen aufmunternden Stupser und er fühlte sich gleich besser .
Der Platz war überfüllt, es roch nach Schweiß und verbranntem Gras. Mit einem imposanten Auftakt erschien der Burgherr, dicht gefolgt von seiner Gemahlin und seiner Tochter.
Als Alea sie erblickte, machte sein Herz einen Hüpfer. In seinem Bauch breitete sich das wohlbekannte Kribbeln aus und er fing an zu grinsen. Nur durch einen heftigen Stoß von Falk, dem Spielmann welcher neben ihm stand, beherrschte sich Alea.
Er fand sie umwerfend. Das lange braune Haar war zu einer schönen und schlichten Frisur gesteckt worden. Das grüne enganliegende Mieder, welches sie trug, betonte ihre Figur und das leichte Geschmeide ihn den Haaren verlieh dem strahlenden Wesen einen Glanz von Schönheit. Alea konnte seine Augen nicht abwenden und versuchte sich angestrengt auf die Worte des Königs zu konzentrieren.
" ...erste Disziplin ist der Schwertkampf, danach dürfen sich die edlen Ritter im Lanzenstechen beweisen und zu letzt wird die von meiner Tochter gewünschten Disziplin, der Hindernisritt, ausgetragen.
Möge der beste, schlauste und stärkste Kämpfer die Hand meiner Tochter erringen."
Mit diesen Worten lehnte sich der Burgherr zurück und machte es sich bequem. Auch sein Gefolge ließ sich nieder. Die Ersten begannen.
Alea machte sich bereit. Seine Stärke war die Schnelligkeit, deswegen wählte er das Kurzschwert. Sein Gegner benutze das Langschwert, welches er mit beiden Händen führen musste. Mit gezielten Schlägen bereitete sich der starke und breite Ritter vor.
Schweiß rann Alea den Nacken hinab. Seine Hände zitterten vor Aufregung unkontrolliert. Die schwere, warme Rüstung drückte schmerzend auf seinen Körper. Mutig stellte er sich dem Erfahrenen entgegen. Mit Lautem Gebrüll gingen sie zum Angriff über. Mit flinken Bewegungen konnte Alea ausweichen. Nun ging er zum direkten Angriff über, er musste sehr schnell sein. Er sprang Richtung Gegner und ließ sein Schwert niedersausen. Mit einem Lauten klirren parierte sein Gegner und schlug dem Spielmann das Schwert fast aus der Hand. Mit einem letzten verzweifelten Aufschrei bekam er sein Schwert gerade noch zu fassen. Das hatte er nicht gedacht. Schnell sprang Alea auf und stieß seinen Gegner mit dem Haft seines Schwertes zu Boden. Durch einen letzten Hieb entwaffnete er diesen und der Kampf war gewonnen.
Unter zögerlichem Applaus erhob sich Alea. Der immer noch am Boden liegende Ritter giftete Alea noch ein
" Das werdet ihr noch bereuen, Spielmann. Das nächste Mal habt ihr nicht so viel Glück." , hinterher. Das Wort Spielmann spuckte er voller Hass hinterher. Aber mit einem hatte er Recht. Alea hatte verdammt viel Glück gehabt.
Erleichtert über diesen knappen Sieg stapfte Alea an den Rand. Auch andere Ritter gönnten ihm den Sieg nicht.
"Noch nicht einmal ein richtiger Ritter ist das!"
Soll er doch erst erwachsen werden der kleine Knirps!", wurden ihm hinterhergeschrien.
Dieses Mal unbekümmert gegenüber den Rufen schritt Alea zu seinem Rappen.
"Na mein kleiner. Wir schaffen das gleich schon. Mit dir kann ich doch nicht verlieren." Noch völlig durchgeschwitzt striegelte Alea sein Pferd und gab ihm eine kleine Stärkung. Dabei lehnte er seinen Kopf erleichtert ab. Sein Pferd gab ein Schnauben zurück.
"Du hast ja Recht. Ich sollte mich nicht auf einem Sieg ausruhen, aber im Moment bin ich einfach nur glücklich darüber."
Er blieb noch eine Weile und genoss die Zweisamkeit mit seinem Pferd. Durch ein Grummeln seines Magens, erinnere Alea sich daran, dass er noch nichts gegessen hatte. Er machte sich auf den Weg, um etwas aufzutreiben.
Gerne hätte er eine Tüte Haribo verschlungen, doch da es zu dieser Zeit noch kein Haribo gab, musste er sich mit etwas anderem zufrieden geben. Die anderen Spielleute grüssten ihn herzlich, machten Späße über den Kampf und gingen vergnügt essen.
Der Duft von essen wehte über die Burg. Das Klappern von Hufen schallte laut umher. Vereinzelt hörte man das Klirren von Schwertern. Ritter trieben ihre Knappen mit barschen Worten an .
Alea kehrte zu seinem Hengst zurück und bereitete ihn für den nächsten Kampf vor. Er achtete genau darauf, dass alles richtig saß. Nun zwängte er sich in seine Kleidung . Angespannt stieg Alea auf seinen Rappen und ritt auf den Platz. Wieder wurde er verspottet, doch vereinzelt stand auch Verwunderung in die Gesichter geschrieben. Der kleine Spielmann konzentrierte sich ganz auf sein Pferd und auf die Lanze in seiner Hand. Er mochte das Lanzenstechen nicht und war nervöser als zuvor. Der Schweiß perlte sich auf seiner Stirn. Am anderen Ende sah er seinen Gegner. Natürlich musste sich dieser durch zuwinken beliebt machen und so die Zuschauer auf seine Seite ziehen.
Der Bescheidene verzichtete darauf. Er war viel zu angespannt und ein Blick zu seiner Angebeteten hätte ihn aus dem Takt gebracht. Sein Herz schlug laut, hämmernd gegen seine Brust. Langsam trieb er sein Pferd an. Alea wusste, wenn er sich jetzt nicht ablenkte und ruhiger wurde, verlor er direkt beim ersten Anlauf. Also begann er ein Lied, wie er fand passend in dieser Situation, zu singen:
Nichts bleibt mehr,
Wenn ich jetzt aufgeb.
Nichts bleibt mehr,
Wenn ich diesen Weg nicht geh.
Und nichts bleibt mehr,
Wenn ich weiter vor mir flieh.
Nichts bleibt mehr,
Wenn ich diesen Kampf verlier...
Es beruhigte Alea nicht nur, sondern trug auch zur Erheiterung der Spielmänner und zur Verwirrung seines Gegners bei. Dadurch gelang ihm kein sicherer Treffer und der Spielmann blieb im Sattel. Aufmunternd, für die nächste Runde, klopfte er seinem Pferd zärtlich den Hals. Mit neu gewonnenem Mut preschten sie nach vorne. Eisern umfasste Alea seine Lanze und beugte sich leicht nach vorne. Noch wenige Sekunden und sie trafen aufeinander. Holz flog in alle Richtungen und auch Alea flog . Die Menge kreischte. Nur noch ein Fuß trennte ihn von einer Niederlage. Mit letzter Kraft zog er sich auf seinen Rappen zurück. Noch so einen Stoß hielt er nicht aus. Entweder er schaffte es jetzt oder nie. Die Schenkel fest an den Bauch seines Pferdes drückend und flach atmend, ritt er los. Mit einer Hand umfasste Alea die Lanze, in der anderen hielt er locker die Zügel. Den Gegner fest im Visier. Ein gehässiges Lächeln umspielte dessen Mund. Der Spielmann holte zum letzten Stoß aus . Alles ging sehr schnell. Wieder splitterte Holz ab. Alea wurde aus dem Sattel gestoßen. Seine Hand bekam die Zügel nicht mehr zu fassen und er hing an seinem Pferd hinab. Er glaubte den Kampf schon verloren, als sein treues Pferd, durch ein Buckeln, Alea wieder in den Sattel warf. Ein Blick zu dem Ritter genügte. Dieser hing, wie Alea eben, fast auf dem Boden, konnte sich nicht halten und fiel. Mit lautem Geschrei reckte Alea die Faust in die Höhe. Nun wagte er auch einen Blick zum Burgherren und dessen Tochter. Und was er sah, ließ ihn noch mehr Staunen und Strahlen. Seine Angebetete lächelte ihn an und zwinkerte ihm zu. Oder hattet er sich geirrt? Nein, das glaubte er wahrhaftig nicht. Munter ritt er zum Stall, versorgte und lobte sein Pferd. Auch dieses Mal hatte er mehr Glück als Können gezeigt.
Lachend sprangen seine Freunde herbei, gratulierten ihm und machten Späße. Sie machten sich auf den Weg zur Schänke. Dort tranken sie lachend weiter. Ihr Lachen hallte Laut umher, während andere Gäste nur trübe in ihre Gläser schauten.
Langsam wurde es dunkel, die Nacht brach an. Der flackernde Schein von mehreren Feuern erhellte die Wege und Gassen und überlagerte den Duft von Pferd und Schweiß. Mit einer Fackel in der Hand, machten sich die Spielleute auf in den Stall. Aleas Pferd tänzelte vor Freude, als es ihn sah. Er holte es aus dem engen dunklen Stall und sie begaben sich zur letzten Disziplin des Turniers. Der Bescheidene prüfte noch einmal die Schnallen des Sattels, gab seinem Pferd zu essen und trinken und stieg auf. Ruhig klopfte er seinem Pferd dem Hals, bedacht darauf sie beide zu beruhigen. Langsam ritten sie los. Alea verabschiedete sich von seinen Spielleuten, welche ihm zuprosteten und lauschte den Worten des Burgherren:" Nun ist es so weit. Die letzte Disziplin steht bevor.
Jeder Reiter bekommt eine Fackel und muss so schnell wie möglich mit seinem Pferd hier", dabei zeigte er auf den Vorplatz," ankommen. Ihr beginnt gleichzeitig am Galgenberg. Wer ein Hindernis auslässt, ist raus. Der Gewinner bekommt meine anmutige Tochter zur Frau."
Die Wettstreiter machten sich auf den Weg zum Galgenberg. Nur der Schein ihrer Fackeln gab ihnen Licht. Alea versuchte sein Pferd durch Zuflüstern und Streicheln zu beruhigen. Die Dunkelheit erschwerte den Ritt um einiges. Als letztes erreichten der Spielmann und sein Rappe den Berg. Sie hatten keine Zeit für eine Pause, preschten direkt los. Alea beugte sich tief nach vorne und saß fest im Sattel. In der einen Hand die Fackel, in der anderen die Zügel haltend, flogen sie über das dunkle, nun bedrohlich aussehende Grasmeer. Ein paar Reiter hatten sie überholt, als das erste Hindernis vor ihnen auftauchte. Alea riss die Zügel hoch und das Pferd sprang ab. Der Wind wehte durch des Spielmanns Haar und der schwere Ritt trieb ihm den Schweiß ins Gesicht. Der Sprung glückte und sie flogen weiter über die weite Ebene.
Nur der Schein der Fackeln zeigte Alea den Verbleib der anderen. Er drückte seine Schenkel noch enger an den Bauch seines Pferdes und sie fegten mit dem Wind um die Wette.
Plötzlich , wie aus dem Nichts, tauchte ein anderer Reiter neben Alea auf. Sein Pferd erschrak und sprang, statt über den Heuballen, dagegen. Abrupt endete das Heulen des Windes, Alea wurde durch die Luft geschleudert und kam hart auf dem Boden auf. Seine Fackel hatte er während des Flugs verloren. Diese war ausgerechnet im Heuballen gelandet. Er hatte Feuer gefangen und begann nun lichterloh zu brennen. Alea, in Panik um sein Pferd, lief so schnell wie möglich zu diesem und versuchte es vor dem Feuer zu retten.
Pure Enttäuschung machte sich in ihm breit. Weiter reiten könnten sie so nicht mehr. Seine Fackel war weg, das Pferd verletzt. Alea konnte und wollte nicht aufgeben.
Nichts bleibt mehr,
Wenn ich diesen Weg nicht geh.
Der Spielmann nahm seine ganze Kraft zusammen, rappelte sich ein letztes Mal auf, wandte sich an seinen treuen Hengst und flehte: " Steh bitte auf. Du bist zwar verletzt, aber wir müssen weiter. Ich weiß, dass du das schaffst. Wir schaffen das gemeinsam . Es ist nicht mehr weit."
Ein minimales Fünkchen Hoffnung keimte in Alea auf, als sich sein Pferd aus dem verkohlten Grad schälte. Noch war das letzte Wort nicht gesprochen. Er stellte sich neben seine Rappen und lief los. Seite an Seite bewegten sie sich durch die Dunkelheit, sprangen holprig über Hindernisse und überholten noch den ein oder anderen verdutzen Reiter. Völlig durchgenässt näherten sie sich ihrem Ziel. Für Reiter und Pferd war es zu einem gemeinsamen Lauf geworden. Alea musste seinem Pferd blind vertrauen. Er sah fast nichts, doch sein Rappe kannte den Weg. Seine Kraft ging dem Ende entgegen. Ihm schmerzte jedes Körperteil. Sein Atem ging unregelmäßig und seine Lungen brannten. Gleich waren sie am Ziel. Gleich könnte er sich ausruhen. Nur noch ein Hindernis stand ihnen bevor.
Ab hier war die Strecke beleuchtet und Zuschauer reihten sich, wie Weinreben, nebeneinander auf. Verdutze Gesichter schauten von beiden Seiten auf Alea und sein Pferd.
Sie setzten zum allerletzten Sprung an. Wie in Zeitlupe geleiteten sie durch die Luft. Völlig ausgelaugt und verschwitzt, landeten sie unsanft neben einem Reiter. Jetzt erst bemerkte Alea, dass zahlreiche Reiter hinter ihm waren. Er gab noch einmal alles. Er hörte den anderen neben dich keuchen, wagte es jedoch nicht sich zu drehen. Den Blick fest nach vorne gerichtet, sein Pferd spürbar neben ihm, rannten sie was das Zeug hielt...
Der stolze Burgherr sah den ersten Reiter kommen. Es war sein Favorit. Fast nicht zu erkennen, lief da noch einer. Er musste zweimal hingucken um zu erkennen, dass da wirklich jemand lief und nicht ritt. Es war der Spielmann. Wer sollte es auch anderes sein? Hatte er ihn wirklich so unterschätzt? Wut schwellte ihn ihm auf, als er sah, dass sie gleichzeitig ankamen. Der feine Burgherr wollte keinen Spielmann für seine Tochter, doch wie es die Regeln bestimmt war er machtlos. Sie durfte einen wählen. Er wusste, sie suchte sich den Ehrenmann aus. Den mutigen Ritter. Nicht diesen... Spielmann. Selbst den Gedanken an ihn fand der Herr abstoßend.
Der Ritter lächelte siegessicher. Der Spielmann aber guckte verzweifelt und erschöpft drein. Es wunderte keinen, als dieser zusammenbrach.
Nun trat seine Tochter vor und schritt anmutig auf die Reiter zu. Sie wandte sich dem einen zu und wählte sein Schicksal.
An das alles erinnerte sich Alea, als er auf die Bühne trat und in die Zuschauermenge blickte. Sein umherschweifender Blick, traf dem eines Mädchens. Die Gefühle kehrten zurück und er wusste, sie dachte auch an die damalige Nacht. Sie hatte die gleichen freudigem Augen, die gleichen zarten Lippen und das gleiche weiche Haar. Und jedesmal, wenn er sie sah, machte sein Herz einen Sprung.
Alea lächelte ihr zu und begann zu singen.
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