Kapitel 22

Ich hatte in meinem Leben noch nie so schnell eine Tasche gepackt wie heute. Nicolaj hatte mich mit einem knappen „Du hast 5 Minuten" ins Haus geschickt. Er wirkte beherrscht und wenn ich ihn nicht gekannt hätte, dann wäre mir das leichte zittern seiner Stimme entgangen. In weiser Voraussicht hatte ich in den letzten Tagen meine Taschen schon gepackt. Schnell schmiss ich meinen Kulturbeutel in eine davon. Zum Durchgehen ob ich alles hatte blieb keine Zeit mehr. Ich konnte nur hoffen, dass ich an alles gedacht hatte. Nicolaj wartete ungeduldig am Fuß der Treppe, nahm mir einer der Taschen ab als ich vor ihm stand. Mir kam die irre Idee, dass uns das nicht passiert wäre wenn wir inkognito unterwegs gewesen wären. Das Kichern konnte ich nur schwer unterdrücken als ich mir vorstellte wie ich mit zerzauster Perücke, Sonnenbrille und langem Trenchcoat durch die Straßen marschiert wäre. „Ich will keine Spaßverderber sein, Isabelle aber unsere Situation ist im Moment alles andere als lustig." Nicolaj klang angespannt, warf immer wieder einen nervösen Blick zum Tor. Er hatte wirklich Angst. „'tschuldige" murmelte ich kleinlaut. Ich wusste selber, dass es nicht lustig war. Aber es war einfach immer noch so verrückt, so irre. Der Gedanke, warum wir nicht einfach zur Polizei gehen konnten nistete sich in meinem Kopf ein. Dann fiel mir allerdings ein, dass sich Nicolaj ins eigene Fleisch schneiden würde wenn er zur Polizei gehen würde. Immerhin war er selber mal Mitglied von diesem...Personenkreis gewesen. Oder war es immer noch, immerhin war er offiziell nicht gefeuert wurden. Konnte man überhaupt aus einer Gang gefeuert werden? Gott, ich musst dringend aufhören zu denken. Meine Gedanken würden sonst Amok laufen. „Belle! Jetzt steig endlich ein, damit wir hier wegkönnen!" Jetzt klang Nicolaj eindeutig gereizt. Schnell stieg ich in den Wagen. Ich wollte ihn nicht noch zusätzlich aufregen.

Ich hatte keine Ahnung, wo genau Nicolaj hinfuhr. Er hatte mich mal wieder nicht darüber in Kenntnis gesetzt was unser nächstes Ziel wäre. Konzentriert fuhr er durch die Dämmerung. Inzwischen waren wir schon fast 8 Stunden unterwegs ohne Pause. Sämtliche Versuche ihn zu einer Pause zu überreden waren Fehlgeschlagen und als ich ihm anbot zu fahren hatte er nur mit dem Kopf geschüttelt. Schließlich hatte ich mich während der Fahrt zwischen den beiden Vordersitzen nach hinten auf die Rückbank durchgequetscht. Neben Nicolaj hatte ich es nicht mehr ausgehalten. Sein vor sich hin gebrüte hatte mich schier wahnsinnig gemacht. Immer wieder döste ich weg, wurde nur wach wenn Nicolaj auf den unbefestigten Wegen durch Schlaglöcher holperte. Inzwischen hatte ich mein Zeitgefühl verloren. Natürlich hatte ich meine Uhr in meine Tasche geschmissen. Mein Handy hatte Nicolaj mit den Worten „Du bekommst ein Neues" noch an Ort und Stellte zertreten. Mir war immer noch schleierhaft was er damit hatte bezwecken wollen. Ich verzog das Gesicht als ich mich aufsetzte und meine schmerzenden Glieder streckte. Mir tat alles weh. So eine Rückbank war alles andere als gemütlich. „Falls du vorhast die Nacht durchzufahren kannst du das gleich mal vergessen." Ich schlängelte mich durch die zwei Vordersitze zurück nach vorne. „Erstens muss ich schon seit zwei Stunden auf die Toilette und zweitens hab ich keine Lust am nächsten Baum zu kleben weil du in einen Sekunden Schlaf fällst." Müde rieb sich Nicolaj über die Augen. „Hier in der Nähe gibt es ein kleines Dorf mit einem Hotel, das noch geöffnet haben müsste." Ich warf einen Blick auf die Uhr im Armaturenbrett. Es war gerade mal halb zehn. „Klingt fast so, als würdest du dich hier auskennen." Skeptisch sah ich ihn an. „Nein Belle, auskennen tu ich mich hier bestimmt nicht. Aber ich kann Schilder lesen und ich denke, das dürfte reichen." Ich konnte das Lächeln durch seine Worte hindurch hören. Endlich entspannte er sich langsam. Seinen Kommentar ignorierte ich trotzdem. „Möchtest du mir vielleicht irgendwann auch noch sagen, wo wir jetzt hinfahren?" Ich konnte erkennen, wie er die Lippen zusammenpresste. „Ich weiß es selber noch nicht." Das waren auf jeden Fall schon mal sehr gute Vorrausetzungen.

Wenig später hielt Nicolaj vor einem etwas altbacken wirkenden, aber trotzdem gepflegtem Haus. Der Parkplatz war leer und auch sonst wirkte dieses Nest wie ausgestorben. Nicolaj hielt mir wie immer die Hand hin und wie immer ergriff ich sie beinahe automatisch. Warme, etwas abgestandene Luft schlug uns entgegen als er die Tür öffnete. Die kleine Kneipe war tatsächlich so gut wie leer, nur am Tresen saßen zwei altersschwache Männern, die mit glasigen Augen in ihre halbvollen Gläser starten. Nicolaj ließ meine Hand los und ging zum Tresen. Während er mit dem Wirt etwas besprach lies ich meinen Blick über die Einrichtung schweifen. Rustikal, mit alten Holztischen und –stühlen, rotweiß-karierten Tischdecken und lieblos hingestellten Kunstblumen in grottenhässlichen Vasen auf den Tischen. Kurz, sämtliche Klischees einer Absteige für Flüchtende wurden erfüllt. Ob es beabsichtige war oder nicht konnte ich nicht einschätzen. „Oben ist noch ein Zimmer frei. Wenn du Hunger hast können wir hier auch noch was essen." Nicolaj stand wieder vor mir und ergriff wieder meine Hand. Wie aufs Stichwort fing mein Magen an zu knurren. Kein Wunder, immerhin hatte ich seit dem Frühstück nichts mehr gegessen. „Gerne." Nicolaj führte mich in eine kleine Nische und ich lies mich auf den äußerst unbequemen Holzstuhl nieder. „Der Wirt hat allerdings gleich gesagt, dass mehr als Nudeln heute nicht drinnen sind. Der Koch hat heute frei und mehr kann er nicht." Ehrlich gesagt war es mir das relativ egal. Hauptsache ich bekam etwas in den Magen.

Die Nudeln in der gekauften Tomatensoße waren einigermaßen genießbar gewesen. Schläfrig lag ich auf dem großen Bett und starrte die gedrechselten Bettpfosten an. Im Badezimmer hinter der Türe hörte ich die Dusche rauschen. Ich hatte vor Nicolaj geduscht. Das heiße Wasser hatte meine Muskeln einigermaßen entspannt. Zumindest schmerzten sie nicht mehr so wie noch vor einer Stunde. Trotzdem war ich fürchterlich verspannt und ich sehnte mich nach einer Massage. Was ich wohl in nächster Zeit nicht bekommen würde. Müde drehte ich mich auf die Seite und kuschelte mich in die Decke. Sie war sauber, roch nach Waschmittel. Aber eben trotzdem fremd. Ich vermisste den Duft nach zu Hause. Die Tür zum Bad klapperte und Nicolaj trat nur mit einem Handtuch um die Hüften heraus. „Du siehst ziemlich fertig aus, Liebste." Er klang besorgt. „Ich bin nur müde ansonsten geht es mir wirklich gut." Ich lächelte und hoffte, es würde ihn überzeugen. Nicolaj sah mich noch kurz skeptisch an, ehe er das Handtuch fallen ließ und zu mir unter die Decke kroch. Er zog mich in seine Arme, mein Rücken drückte gegen seine feste Brust. Ich musste gestehen, dass mich der Gedanke, dass er komplett nackt hinter mir lag erregte. Fast schon automatisch fing ich an meinen Po an seinen Lenden zu reiben. Seine Antwort war ein leichter Klaps auf selbigen. „Denk nicht mal dran, Puppe" seine Lippen streiften mein Ohr und sein Atme kitzelte meinen Nacken. „Du bist müde und ich auch. Wir brauchen unseren Schlaf." Er nahm mein Ohrläppchen zwischen seine Lippen und zog leicht daran. Ein Schauer rannte über meinen Rücken. „ Der Sex läuft nicht weg." Dann schlang er die Arme um mich und zog mich wieder enger an sich ran. Wenig später war ich eingeschlafen.

So langsam wird die Geschichte so, wie ich sie mir vorgestellte habe. Zum ersten Mal läuft alles geplant :D. Ich werde in den nächsten Wochen auch hier auf Wattpad wieder aktiver sein. Die letzten Arbeiten (für dieses Halbjahr) werden nächste Woche geschrieben und danach sind Ferien. Genug Zeit zum Lesen und zum Schreiben :). Zumindest bis Februar werdet ihr also wieder öfter von mir hören bzw lesen.



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